Drittes Kapitel.

Ein Anbether folgte heute den andern, doch Hermine ließ sich verläugnen, sandte ihre Kains Opfer zurück und sah vergebens bis zum Abend dem einzigen Willkommenen entgegen. Woldemar ließ sich nicht blicken. Sie zögerte mit dem Nacht-Essen, sie eilte von Minute zu Minute ans Fenster und als der Onkel endlich zu Bette ging, voll Mißmuth in ihr Schlafgemach. „Der Undankbare!“ schalt das Mädchen und warf den Ueberrock ab. „Der Bestandlose!“ fuhr sie fort, und löste mit Ungestüm die Schleifen. „Der Verblendete!“ setzte sie seufzend hinzu und nahm jetzt befremdet eine wächserne Papagena wahr. Lächelnd saß das Püppchen unter dem Spiegel; es lag ein Notenblatt zu seinen Füßen. Er ist Dir nah! sprach der Text —

Er ist Dir nah, er lauscht am Freuden-Quelle.

Des Kühnen Muth, der Sehnsucht heiße Welle,

Der Liebe Schmerz dräng ihn zur stillen Zelle

In’s Heiligthum der Zauberin.

Hermine ließ das wahrsagende Blatt fallen und warf bestürzt ihre leuchtenden Augen umher, da rauschte der Vorhang des Alkovens und Woldemar trat, einem Genius gleich, aus dem Dunkel. Sie wollt’ ihrem Mädchen rufen, wollte zürnen, wollte fliehen und floh — in seinen Arm. „Tollkühner!“ stammelte sie unter den Küssen des Jünglings. Er zog die Liebliche an’s Herz, ihre Thränen bedeckten ihn; sie verbarg das glühende Gesicht an seiner Brust. „Mein also?“ rief er aus. „O himmlische Weih-Nacht!“

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