Zweytes Kapitel.

Herr Wahl, der Oheim, und Vormund dieser Schicksals-Göttin saß indeß daheim vor dem Hauptbuch, freute sich der eben gezogenen Bilanz, hieß den Seidenhändler Merker viel freundlicher als sonst willkommen und sprach sofort vom Curs, von Geschäften, vom plötzlichen Fall eines bedeutenden Hauses. Herr Merker schnippte den Staub von seinem Ermel, zog den Stockknopf vom Munde, räusperte sich und rief: „Was fällt das fällt! Wir, denk’ ich, bleiben stehen.“

So Gott will! brummte der Alte und faltete in stiller Andacht seine Hände.

Ich stehe gut.

Ist mir bekannt.

Doch immer noch auf Freyers Füßen. Geduldig zwar, doch auch zuweilen mit Ungeduld. Wenn Ihre Jungfer Nichte sich endlich nun entschliessen wollte — oder bereits entschlossen hätte — Wie?

Dann „fiel der Oheim ein“ wäre uns beyden geholfen, denn das Mädchen ist meine einzige Sorge. Ich sollte mich ärgern, aber das hilft nichts —

Ein Machtwort sprechen, Herr Kollege, ein Machtwort —

Da sey Gott für! Der gab ihr ja, wie uns, den freyen Willen.

So? — Ja! und vier Liebhaber zu meiner Plage.

Bedeuten nichts! den einen haßt, den andern verachtet sie, der dritte ward ihr verdächtig, der vierte endlich ist ein armer Teufel. Ohne Mittel, ohne Tittel, ein Herr vonvon nichts sag’ ich Ihnen.

Das sind die Schlimmsten —

Ein redliches Gemüth übrigens —

Heuchelschein! Dem sollten Sie das Haus verbiethen!

Ey bewahre! Herminchen sieht ihn nicht ungern, und wer ihr zusagt, den nehme sie. Die Bräute sind wie Lämmer zu betrachten, die zur Schlachtbank geführt werden; wie arme Sünderinnen denen denn, nach hergebrachter, christlicher Sitte, jedes billige Verlangen allerdings zu gewähren ist. Um ihrer selbst willen nimmt sie ja doch keiner. Den einen kirrt der Mutterwitz, den andern ein Grübchen, den dritten nichts besseres: Sie und Ihres Gleichen — solide Leute mein’ ich — die Mitgift. Und was wird ihr denn für die und für jenes? Evens Erbtheil! die herbe Knechtschaft, Schmerz und Jammer. Wir gehen indeß ein bischen da- ein bischen dorthin und gehaben uns wohl.

Hermine hüpfte jetzt herein, an dem Freyer vorüber zum Onkel hin, welcher nach einem leisen, scherzhaften Wortwechsel das Zimmer verließ. Sie wollt’ ihm folgen als Herr Merker unter steifen Verbeugungen ihren Arm ergriff und Anstalt zu einem Handkuß machte. Das Mädchen zog den Arm zurück, er folgte ihr mit gespitztem Munde, bald tief hinab, bald in die Höhe nach und immer lauter lachte sie, und immer schneller flog die Hand bald rechts, bald links um seinen Scheitel. Der Geneckte ließ jetzt ab; doch stampfte er ein wenig mit dem Fuße. Hermine zog einen niedlichen Pantalon aus dem Ridikül, bedeckte ihn mit Küssen, nannt ihn mit süßen Nahmen, ließ das Männchen aus ihrer Hand in die seine hüpfen und sprach „Den bescheerte mir der heilige Christ.“

Herr Merker sah in dem Sprunge des Püppchens ein Merkzeichen ihrer Gunst. „Da hab ich mich besser angegriffen!“ rief er, an seine Tasche schlagend.

Wahrhaftig? O, ich glückliche. Und das konnten Sie über sich gewinnen?

Was seyn muß, muß seyn! sprach er mit Achselzucken.

Nun, so bescheeren Sie denn! Wir werden ja sehen. Die Gabe schildert den Geber, sie ist das Probemaß seines Geschmacks, und seiner Empfindungs-Weise.

Für’s erste „hob er an“ etwas Sammt zu einer Besetzung, und der ist extra, Theuerste! Dann diesen Ring; ein Erbstück von der seligen Großmutter. Solche Kleinodien machen sich rar. Endlich und zuletzt einen sogenannten Koselschen Gulden den ich in Ihrer Münz-Sammlung vermißte — Wenig mit Liebe. Nehmen Sie! Ohne Widerrede!

Das Mädchen ließ den Sammt auf die Tafel, den Ring in seinen Hut, und das seltene Kabinets-Stück zu Boden fallen, drehte sich unter einem hellen Gelächter um ihre Achse und verschwand.

Herr Merker wußte nicht wie ihm geschah. Ein sauberes Lamm! „sprach er endlich“ Ey wenn Du doch heute noch auf die Schlacht-Bank geführt würdest!

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