Vierzehntes Kapitel.

Als man den Hauptmann nach jenem Gefechte verwundet und betäubt auf sein Zimmer zurücktrug, übernahm Frau von Wessen wie bekannt die Rolle der Wärterin und ließ deshalb um in seiner Nähe zu bleiben, ihr Bett ohne der Mutter Wissen, in jene leere, nachbarliche Kammer versetzen. Erst späterhin bemerkte die Baronin diesen ihr höchst mißfälligen Uebelstand, wieß Julien auf der Stelle einen Platz in ihrem eigenen Schlafzimmer an, gesellte ihr, als diese Weisung unbeachtet blieb, Augusten bey und verschloß die bewußte Tapeten-Thür. Frau von Wessen aber schloß sie, um sich einen weiten Umweg zu ersparen, am folgenden Morgen wieder auf und aus angebohrner Furcht vor Dieben und Kobolden, Nacht für Nacht die andere zu, welche über den unheimlichen Saal in die Zimmer der Baronin hinüber führte. Auguste hingegen der es nie beykam den lieben Gast auf einem Schleifwege heimsuchen zu wollen, glaubte die streitige, von der Mutter gesperrte Thüre noch immer fest verschlossen, und ahnte nicht daß ihr Verhängniß sie im tiefsten Nachtkleid und in der verdächtigsten Stunde hindurch, und an das Bett eines feurigen, hoffnungslos geliebten Mannes führen werde. Oft genug ward die vermißte Nachtwandlerin in frühern Zeiten bald von dem Simse des Fensters bald aus irgend einem entlegenen Verstecke zurückgehohlt. Das Übel nahm mit den Jahren ab und immer hatte man sie bey den seltenern Rückfällen von der verschlossen gefundenen Thüre ohne weiteres in ihr Bettchen zurückkehren sehn.

Welch Entsetzen mußte daher dieses reine, von dem erklärten Brautstand der Schwägerin so eben gebrochene Herz ergreifen, als Woldemars spöttisches Lächeln, als sein zum Pfand gesetztes Ehrenwort die leise Ahnung einer schrecklichen Möglichkeit zur Überzeugung erhob.

Die kranke Baronin lag indeß während des Aufbruchs der Besatzung, von allen den Ihrigen verlassen da. Sie hörte den Lärm, das Wirbeln der Trommeln, den Hufschlag der Rosse und schellte vergebens. Die Bedienten kannegießerten im Hofe mit den marschfertigen Jägern, die Jungfer lag, in Thränen aufgelöst, an des Feldscheers Brust, das Stuben-Mädchen wollte den Pfeifer nicht lassen, Juliens Kammerfrau saß erstarrt vor der verzweifelnden Braut, und Augustens alte Wärterin lief der schluchzenden Enkelin nach, die ihrem Trommelschläger den Wirbel verdarb.

Das Getöse nahm kein Ende, der zersprungene Klingeldrath lag am Boden, und die Baronin, welche jetzt nichts sicherer glaubte, als daß der Feind zu Folge eines zweyten gelungenern Überfalls das Schlimmste beginne, sprang, von der Angst geheilt, plötzlich auf, um ihre Küchlein mit Hand und Mund bis auf den letzten Odemzug zu vertheidigen. Aber noch stand im Vorsaal alles auf dem gewohnten Platz. Von Zimmer zu Zimmer eilte sie nach Juliens Schlafkammer, trat jetzt erblassend vor ein Schreckbild das unter wilden Krämpfen ächzte und nahm, nach Hülfe rufend, Augusten wahr, die einer Sterbenden gleich vor ihrem Bette kniete und taub für allen Jammer dieser Scene schien. Welch ein Abend! Welch eine Masse von Seufzern und von Thränen, von denen ach, so wenige ein Gegenstand für die wohlthuende, Schmerz und Thränen wiegende Vergelterin seyn konnten.

Zerstört im Innersten klagte Julie ihr Geschick an; in Thränen edler Schaam gebadet, verging die holde Nachtwandlerin; sprachlos stand die schluchzende Mutter zwischen der Gruppe und die betäubten Bräute des Frey-Corps sprangen mit verweinten Augen bunt durch einander ab und zu und hohlten in der Zerstreuung Öhl statt des Essigs, Tinte statt des Balsams und den Pastor statt des Baders herbey.

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