7.

Die Fachphilosophen mögen über Nietzsche lächeln oder ihre Meinungen über die „Gefahren“ seiner „Weltanschauung“ zum besten geben. Manche dieser Geister, die nichts sind als personifizierte Lehrbücher der Logik, können natürlich Nietzsches aus den mächtigsten, unmittelbarsten Lebensimpulsen entspringendes Schaffen nicht loben.

Nietzsche mit seinen kühnen Gedankensprüngen trifft jedenfalls auf tiefere Geheimnisse der menschlichen Natur, als mancher logische Denker mit seinem vorsichtigen Kriechen. Was nutzt alle Logik, wenn sie mit ihren Begriffsnetzen nur einen wertlosen Inhalt fängt? Wenn uns wertvolle Gedanken mitgeteilt werden, dann erfreuen wir uns an ihnen, wenn sie auch nicht mit logischen Fäden verknüpft sind. Das Heil des Lebens hängt nicht allein von der Logik ab, sondern auch von der Gedankenerzeugung. Unsere Fachphilosophie ist gegenwärtig unfruchtbar genug, und sie könnte die Belebung mit Gedanken eines mutigen, kühnen Schriftstellers, wie es Nietzsche ist, sehr wohl brauchen. Die Entwickelungskraft dieser Fachphilosophie ist gelähmt durch den Einfluß, den das Kant’sche Denken auf sie genommen hat. Sie hat durch diesen Einfluß alle Ursprünglichkeit, allen Mut verloren. Kant hat aus der Schulphilosophie seiner Zeit den Begriff von Wahrheiten, die aus der „reinen Vernunft“ stammen, übernommen. Er hat zu zeigen versucht, daß wir durch solche Wahrheit nichts wissen können von Dingen, die jenseits unserer Erfahrung liegen, von „Dingen an sich“. Seit einem Jahrhundert ist nun unermeßlicher Scharfsinn aufgewendet worden, um diesen Kant’schen Gedanken nach allen Seiten durchzudenken. Die Erzeugnisse dieses Scharfsinns sind allerdings oft dürftig und trivial. Übersetzte man die Banalitäten manches philosophischen Buches der Gegenwart aus den Schulformeln in eine gesunde Sprache, so würde sich ein solcher Inhalt gegenüber manchem kurzen Aphorismus Nietzsches armselig genug ausnehmen. Dieser konnte im Hinblick auf die Philosophie der Gegenwart mit einem gewissen Recht den stolzen Satz aussprechen: „Mein Ehrgeiz ist, in zehn Sätzen zu sagen, was jeder andere in einem Buche sagt, — was jeder andere in einem Buche nicht sagt ...“

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