Stolz war die schöne Pauna,2sehr stolz. Sie hatte nicht umsonst so große, dunkle Augen mit schwarzen Brauen, die eine scharfe Ecke bildeten, und eine Adlernase. Ihr Mund war eher groß, aber schön geschnitten, und wenn3sie sprach oder lachte, sah man die beiden Zahnreihen leuchten. Ihre schwarzen Zöpfe lagen wie eine Krone über der Stirn, und die Leute nannten sie scherzweise Pui de Imparat4(Kaiser’s Junges), wenn sie mit ihren breiten Schultern und großen Schritten dahinging und den Kopf hielt, als trüge5sie etwas. Sie war aber doch nicht zu stolz, den Kopf zu drehen, wenn Tannas vorbeiging, und ihn anzuhören, wenn er bei der Hora6mit ihr sprach. Wenn man7sie aber mit ihm neckte, schoß ihr8das Rot in die Wangen, und eine scharfe Antwort strafte den Übermütigen.
Tannas war von den übrigen Burschen sehr beneidet, besonders als man9die Verlobung für ganz sicher hielt. Da wurde das Land mit Krieg überzogen, und Tannas mußte fort, mit dem Heere zur Donau hinab.1Pauna verschluckte ihre Thränen vor den Leuten; ob sie aber nicht heimlich einige vergossen,2wagte niemand sie zu fragen.
Immer verstand sie es so3einzurichten, eine der ersten zu sein, die im Dorfe Nachricht vom Heere erhielten, und wie4man sich5von den ersten Schlachten erzählte, mußte sie sich an das steinerne Kreuz lehnen, am Eingang des Dorfes, so schwindlig wurde es der starken Pauna. Nachts6konnte sie gar keinen Schlaf mehr finden und mußte oft ihr Licht brennen lassen, um die Schreckbilder nicht zu sehen, die ihr Tannas von Wunden bedeckt sterbend oder tot zeigten.
So saß sie einmal in dunkler Nacht auf ihrem Bettrande, noch angekleidet, und wußte nicht, daß draußen einer ums Haus schlich und jetzt zu ihrem Fensterchen hereinlugte. Sie wußte auch nicht, daß sie schön sei,7mit den weitaufgerissenen Augen vor sich hinstarrend, die Hände auf den Knieen gefaltet. Da klopfte es8ans Fenster, und mit einem verhaltenen Aufschrei sprang sie auf und drehte den Kopf, das Dunkel mit den Augen durchforschend. Da war9es ihr, als sähe sie Tannas, und im nächsten Augenblick hörte sie sich leise rufen:10„Pauna, bitte, liebe Pauna, komm doch11zu mir heraus! Fürchte Dich nicht, ich bin es,12Tannas!“
Schon hatte Pauna die Hand auf der Thürklinke; jetzt stand sie draußen und fühlte sich sogleich umfaßt. Sie aber wehrte den Arm ab, der sich13um sie gelegt hatte, und sagte:
„Bist Du es aber auch?1Will mich keiner zum besten halten?“
„Hier, fühle Dein Ringlein, Pauna, und hier die Münze an meinem Halse, ich konnte es nicht aushalten, ich mußte sehen, ob Du mir treu seist!“2
„Wer hat Dich denn vom Heere fortgeschickt?“
„Mich? Niemand!“
„Niemand? Und Du bist hier? Ist denn kein Krieg mehr?“
„O doch,3es ist noch Krieg, ich aber bin heimlich fort aus Liebe zu Dir, Pauna.“
„Aus Liebe zu mir?“ Pauna lachte rauh und kurz auf. „Glaubst Du denn, daß es mich freut, einen Fahnenflüchtigen zum4Geliebten zu haben? Geh mir aus den Augen!“
„Aber Pauna! Ist das Deine ganze Liebe? In den Tod, ins Verderben schickst Du mich!“
„Geh, wohin Du willst, aber das sage ich Dir, nie werde5ich Dein Weib; denn meinen Mann verachten zu müssen, das ertrage ich nicht!“
„Du hast einen andern gern!“
„Nein, Tannas, Dich allein, Dich habe ich gern und habe Nächte um Dich gewacht; das6aber hat mir nicht geträumt, daß ich einen Feigling zum Schatz habe!“ Pauna begrub das7Gesicht in die Hände und weinte.
„Ich dachte, Du würdest mich mit Freuden aufnehmen und mich bei Dir verbergen!“
„O, Schande!“ rief das junge Mädchen. „O die Schande, daß ich mich Dir verlobt,1aber ich sage Dir, eher soll der Bucegi2brennen, ehe ich Dein Weib werde!“
„Und ich sage Dir,“ rief Tannas, „Du sollst mich nicht wiedersehen, bis ich ein Krüppel bin oder tot!“
In diesem Augenblicke standen sich3die beiden jungen Leute mit so funkelnden Blicken gegenüber, daß ihre Augen im Dunkel leuchteten.
Da verbreitete sich ein roter Schein in der Höhe und wie sie aufsahen, schien eine Felsenspitze des Bucegi zu glühen. Immer heller ward4die Glut, bis eine rote Flamme Sterne zu sprühen schien. Die beiden Liebenden standen wie5versteinert. Da gingen in den Nachbarhäusern die Fenster auf; die Leute riefen einander zu, es sei Waldbrand, nein, sagten andere, der Berg brenne. Die Hunde wurden laut. Die Hähne krähten.
Da faßte Pauna den jungen Mann bei den Schultern und ihn weit von sich stoßend rief sie: „Fort von hier, verbirg Dein Gesicht! Sonst sterbe ich vor Scham!“ Dann schlug sie die Thüre zu und löschte ihr Licht. Mit hochklopfendem Herzen sah sie Tannas nach, wie er im Schatten der Häuser davonschlich, sah den Berg glimmen und langsam dunkel werden und gab keine Antwort, als man sie rief, das Wunder zu sehen.
Von dem Tage an fand man Pauna außerordentlich bleich; kein Lächeln flog mehr um die Lippen, die sonst so leicht sich spöttisch verzogen, und keine rasche Antwort verkürzte das Neckwort, das ihr nachgeschickt wurde. Still that sie ihre Arbeit, war aber oft so müde, daß sie sich an den Brunnenrand setzte und mit dem Wasser die Stirn kühlte. Zuweilen betrachtete sie sich träumerisch im Brunnen oder blickte scheu zum Bucegi hinauf. Mit einem Mal begann man zu sagen, Tannas sei im Dorfe gewesen; dieser und jener wollte1ihn beim Schein des brennenden Berges gesehen haben, und sogar seine Stimme hatte man mit der2von Pauna gehört.
Als diese darüber befragt wurde, perlten Schweißtropfen auf ihrer Stirn und um ihre Lippen, die leise zitterten, als sie sagte: „War nicht alles still und dunkel bei mir, als der Berg brannte?“
Paunas Mutter schüttelte den Kopf, biß auf3die Unterlippe und meinte, es4geschähen allerhand merkwürdige Zeichen in dieser bösen Zeit. Da kam die Nachricht, es sei eine große, mörderische Schlacht geschlagen worden, Pauna erfuhr es diesmal zuletzt, ging rasch heim, schnürte ihr Bündel, nahm einen Kürbis und Mamaliga5in einem Tuche mit, und als die Mutter ängstlich fragte, wohin sie wolle,6sagte sie nur: „Ich komme7bald wieder, Mutter, habe keine Angst um mich!“
In der Abenddämmerung lag daß Schlachtfeld gebreitet; tausende von Toten waren umhergestreut, Pferde wälzten sich sterbend oder hinkten mit gesenktem Kopfe umher. Um mächtige Wachtfeuer lagerte das Heer und horchte nicht mehr auf das Jammern, das vom Schlachtfeld klang. Eine hohe Frauengestalt wandelte allein durch die Reihen, nachdem Sie im ganzen Lager gesucht und nach Tannas gefragt. Beherzt näherte sie sich Freund und Feind, reichte manchem einen Trunk und betrachtete die Toten genau. Jetzt ward es völlig Nacht, und der Mond beschien die schaurige Stätte. Immer noch wandelte das Mädchen hin und her, kniete hier und dort nieder, legte eines Sterbenden Haupt an ihre Brust und suchte an gräßlich entstellten Leichen nach einem Ring und einer Münze am Halse.
Nur einmal taumelte sie entsetzt zurück, als sie Weiber eine Leiche plündern sah.
Sie eilte fort, kehrte aber bald wieder zurück, um1ängstlich den Toten zu betrachten.
Daß ganze Lager war in Schlummer versunken, und noch immer schlich Pauna auf dem Schlachtfeld im Mondschein umher; manchmal rief sie leise: „Tannasse!“ Oftmals antwortete ihr ein Stöhnen, aber traurig schüttelte sie das Haupt, nachdem sie einen Trunk gereicht. Der Morgen fing an, leise zu grauen und das Mondlicht bleicher zu werden, da sah sie etwas glänzen, und wie sie hintrat, lag ein Toter halb entkleidet da, hatte aber mit der Hand, an der ein kleiner Ring schimmerte, etwas, das er um den Hals trug, so fest ergriffen, daß man 2offenbar darauf3verzichtet,4ihm die Finger zu öffnen.
Pauna erkannte ihren Ring und mit dem Aufschrei: „Tannasse!“ sank sie neben der Leiche hin, deren Gesicht, mit Blut überströmt, kaum zu1erkennen war. Nach wenigen Augenblicken kam Pauna wieder zu2sich und begann, daß geliebte Gesicht zu waschen; sie sah, mit herabströmenden Thränen, daß beide Augen samt der Nase von einem Säbelhiebe durchschnitten waren, sah aber auch, daß das Blut wieder hervorquoll. Nun war sie sicher, ihr Geliebter sei nicht tot und eilte seine Lippen zu benetzen und seine Wunde mit ihrem Tuche zu verbinden. Da begann er zu seufzen, und wie er seinen Namen nennen3hörte, griff er mit der Hand in die Luft und betastete lange Paunas Gesicht: „Meine Pauna!“ sagte er kaum hörbar. „Laß mich sterben, ich bin blind, ich bin nichts mehr auf der Welt!“ „Doch, doch!“ rief Pauna, „Du bist mein Geliebter und, will’s4Gott, mein Mann, in kurzer Zeit; nur still jetzt, still!“ —
***
Viele lange Wochen waren seit jenem Morgen verstrichen, Wochen, in denen Pauna Tag und Nacht an Tannasses Lager gestanden und ihn unermüdlich gepflegt. Da sah man5zwei Wanderer die Straße entlang ins Dorf kommen: einen Blinden im Soldatenmantel, mit dem Ehrenzeichen auf der Brust, und ein Mädchen, das6ihn sorgsam führte, und das mit freudigem Lächeln den Vorübergehenden sagte: „Hier ist mein Bräutigam! Er ist ein Held! Seht das Zeichen auf seiner Brust!“
„Und in seinem Gesicht!“ fügte Tannas seufzend hinzu.
Noch nie war eine so große Hochzeit gewesen; von fern und nah strömten die Leute herbei, um die schöne Pauna zu bedauern an der Seite des Blinden. Sie aber lächelte allen zu und sagte: „Ich bin stolz! Ich habe einen Helden zum1Mann! Und gottlob, daß ich stark bin, ich kann für uns beide schaffen!“
Den Berg aber, den man hatte brennen sehen, nannte man Piatra arsa, „den verbrannten Stein,“ denn Hirten und Gemsjäger schworen, sie hätten dort die Felsen verkohlt gefunden.