Wie verschieden auch sonst die Ansichten der genannten Gelehrten unter einander sind, so stimmen sie doch alle darin überein, dass das deutsche Werk, betitelt ›der Ackermann aus Böhmen‹, aus dem tschechischen ›Tkadleček‹ entstanden sei. Ein Beweis findet sich nirgend, man müsste denn die Worte Dobrovskýs (Gesch. der böhm. Spr. und Lit. S. 158) ›das Original ist also viel wortreicher‹ als solchen gelten lassen wollen.
Eine Beeinflussung des einen Werkes durch das andere muss man jedenfalls annehmen; das bestätigen die zahlreichen, stellenweise wortgetreuen Uebereinstimmungen zur Genüge. Dass aber das Verhältnis der beiden Gegenstücke zu einander nicht so sei, wie die tschechischen Gelehrten es bisher darzustellen pflegten, sondern vielmehr umgekehrt, glaube ich im Folgenden beweisen zu können.
Eine Entstehung des deutschen Werkes aus dem tschechischen ist einmal aus zeitlichen Gründen unmöglich.
Im Tkadleček steht als Zeitangabe der Trennung beider Geliebten[92] Folgendes I, 13: ›Und das (nämlich diese Trennung) geschah von uns in dem Jahre vor der Verbrennung dieser Stadt (Gräz a. d. Elbe, d. i. Königgrätz) etwa im dritten Monate, und dann von Erschaffung der Welt, als man zählte fünf tausent Jahre und dann im einhundert und sieben und sechzigsten‹.
Zu dieser Angabe schreibt Hanka in einer Anmerkung: ›Im Jahre 1339 im Monate April brannte ganz Königgrätz ab. (Bienenberg in der Gesch. der Stadt Gräz S. 113)‹. Auf diese offenbar höchst unsichere Annahme, da Gräz nach Bienenberg öfter als einmal abbrannte, gründet er die Zeitbestimmung und nimmt an, der Verfasser hätte in der ersten Hälfte des XIV. Jh. gelebt, und zwar am Hofe der Königin Elisabeth. Unter dieser kann offenbar nur Elisabeth, die Grätzer Königin, Gemahlin K. Wenzel II., dann Rudolf I., Tochter Přemysls von Polen, gemeint sein. Da aber diese schon 1336 starb, so konnte Tkadleček nach dem Jahre 1339 sein Werk natürlich nicht mehr an ihrem Hofe verfasst haben. Eben diesen Angaben folgen Jungmann und Sabina.
Šembera beachtet die Zeitbestimmung in dem tschechischen Werke gar nicht, sondern versetzt die Abfassung des Werkes in die Zeit, als Elisabeth, Wittwe (von 1378 bis 1393) nach Karl IV., in Königgrätz lebte. Derselben Ansicht ist J. Jireček.
Gebauer stützt sich auf eine offenbar interpolierte Stelle[93] und lässt den Verfasser zur Zeit K. Karl IV. (1347-1378) leben. Dann aber sagt er weiter: ›er lebte im Hofdienste (nach Jungmanns Auslegung an dem Hofe der verwittweten Königin Elisabeth[94]: Literaturgesch. 1849. S. 32) in Gräz an der Elbe (I. 13, 85.). Hier erfreute er sich seit einigen Jahren (I. 13.) an der Liebe seiner Adelheid, bis sie das Unglück trennte im Jahre seit Erschaffung der Welt 5167, in demselben Jahre, als Gräz abbrannte und zwar den dritten Monat nach[95] diesem Feuer. Hanka verlegt darnach die Trennung der Liebenden in das Jahr 1339, in welchem nach Bienenberg Gräz abbrannte‹.
Nun lässt sich aber die Zeit der Trennung beider Geliebten genau und hiemit annähernd die der Abfassung des Werkes feststellen. In O. J. von B. (Bienenberg) Geschichte der Stadt Königgrätz, Prag 1780, S. 243 heisst es zu dem Jahre 1408: ›In einer alten Handschrift, die im städtischen Archiv verworfen liegt, habe ich angetrofen, dass die Stadt den 8. September ausgebrandt seie‹. Das Jahr vor der Verbrennung dieser Stadt wäre mithin 1407. Dieses Jahr erhält man aber auch aus der zweiten Zeitangabe seit Erschaffung der Welt; denn nach jüdischer Zeitrechnung, nach welcher im Jahre 1 der christl. Aera 3760 gezählt wurde, ergibt die Zahl 5167 seit Erschaffung der Welt das Jahr 1407 nach Ch. G. Dazu stimmt auch noch der Umstand, dass um diese Zeit in Gräz Hofhaltung der Königin Sophia war, wie dies aus einer Stelle, die Bienenberg anführt, erhellt. S. 236 sagt nämlich dieser zum Jahre 1405: ›Den Tag nach St. Blasius d. i. am 3. Februar 1405 hatte der Kanzler Magister Stephan und H. Mstidruch der Frauen Königin Unterkammerer zwischen dem Richter Rath und der Stadt Grecz, dann dem Prokob Rebil einen Vergleich wegen von ihme Rebil zurückgehaltenen Städtischen Steuern, zu Stand gebracht, und die Zahlungsleistung ausgesprochen wie folget: ... Hier erscheinet nun abermal der Königin Unterkammerer, der Mstidruch geheissen, deme sonst nirgend gefunden, und giebet dieses eine wiederholte Probe, dass die Königin Sophia der Zeit Frau des Orths gewesen, weilen ihren eigenem Unterkammerer das Recht eingeraumet war, in Grecz die Zwistigkeiten beizulegen und Urteil zu schöpfen‹.
Wie schon aus den Angaben der tschechischen Literarhistoriker deutlich hervorgeht, befand sich Tkadleček, als er eben sein Werk verfasste, an dem Hofe zu Königgrätz; es musste demnach damals ein Mitglied der königlichen Familie in dieser Stadt seinen Sitz aufgeschlagen haben. Gerade an eine verwittwete Königin Elisabeth zu denken, ist man durchaus nicht genöthigt, da in dem ganzen tschechischen Werke dieser Name nicht erwähnt wird. Ganz gut zu den früheren Zeitangaben aber stimmt es, wenn man sich der begründeten Annahme anschliesst, Königin Sophia habe damals die Stadt als Leibgeding besessen und dort residiert.
Auch die Anspielung auf historische Ereignisse der letzten Zeit, wie sie sich in dem tschechischen Werke findet, lässt sich mit dem gefundenen Jahre ganz gut in Einklang bringen. I, 24 heisst es nämlich: ›Schreibe nur die Unfälle auf, die die Könige im Ungarlande von uns hatten, und es wird kein Ende sein‹. Man kann in diesen Worten wol eine Anspielung auf die schwierige Lage Sigmunds, der damals Ungarkönig war, erblicken. Bekannt sind ja die fortwährenden Aufstände der ungarischen Grossen gegen Sigmund, der sogar 1398 in Vyssegrad gefangen gehalten wurde. Es mag auch nicht ganz ohne Absicht sein, dass der tschechische Verfasser gerade die Ereignisse aus Ungarn hereinbezog, wo damals ein Lutzenburger herrschte.
Wenn nun nach diesen untrüglichen Angaben als die Zeit der Trennung der beiden Geliebten das Jahr 1407 anzusehen ist, so wird wol das Werk nicht lange darnach, jedesfalls aber nach dem Brande im Jahre 1408 entstanden sein. Der Verfasser befand sich damals etwa in seinem vierundzwanzigsten Lebensjahre, wie sich dies aus dem Werke mit ziemlicher Bestimmtheit festsetzen lässt,[96] so dass er 1384 oder 85 geboren sein möchte. Hiemit fällt auch die Ansicht Jirečeks, Ludwig Tkadleček sei niemand anderer als Ludwig Berka, der im Herbste 1390 in Prag Baccalaureus wurde (s. oben S. 112); sie ist ebenso haltlos wie die Vermuthung, die Heizerin Adelheid sei nur eine Maske für eine bestimmte vornehme Dame. Nun entstand aber das deutsche Werk, wie oben gezeigt wurde, im Jahre 1399, daher nur eine Beeinflussung des tschechischen Werkes durch das deutsche möglich.
Für diese Annahme sprechen aber auch noch andere Gründe. Vorerst ist nicht ohne Bedeutung ein ganz äusserer Grund, nämlich das Verhältnis der in beiden Werken übereinstimmenden Stellen. Anfangs stehen die Texte einander ziemlich nah, der Sinn ist meist derselbe, die Worte des einen grösstentheils Uebersetzung des andern, nur dass in dem tschechischen Werke schon von allem Anfange an der Text durch Wiederholungen und gehaltlose Erweiterungen zerdehnt wird. Dies gilt besonders von C. I, das in beiden Werken auch noch ziemlich gleichen Umfang hat. Die folgenden Capitel beginnen ebenfalls mit denselben Worten;[97] doch ist es eben nur der Anfang, der diese Uebereinstimmung zeigt, denn sonst wird in dem tschechischen Werke der Raum durch Excurse der verschiedensten Art, die meist nicht im entferntesten zu dem eigentlichen Inhalte des Werkes passen, ausgefüllt. Und je weiter der tschechische Verfasser in der Ausführung seines Werkes vorschreitet, desto grösser und zahlreicher werden die Abschweifungen, desto umfangreicher die Capitel[98]; denn durch die Arbeit selbst erlangte er die Fertigkeit im Reden oder vielmehr Schwatzen. Und so kommt es denn, dass er mit fünfzehn Capiteln schon sehr viel geschrieben hat, während das deutsche Werk, bei dem Ebenmasse aller seiner Theile und der streng an das Thema sich anschliessenden Behandlung des Stoffes, erst zur Hälfte erschöpft ist. Der tschechische Verfasser schliesst daher plötzlich sein Werk mit dem sechzehnten Capitel, ohne dass auch nur einigermassen ein Schluss hergestellt wäre: das Werk ist kein abgeschlossenes Ganze, wie dies auch Sabina in seiner Literaturgeschichte anerkennt (s. o. S. 104), ganz im Gegensatz zum deutschen Werke, das durch die Berufung beider streitenden Theile auf Gott (C. XXXI und XXXII) durch die endgültige Entscheidung dieses höchsten Richters (C. XXXIII) und das Gebet des Wittwers für das Seelenheil seiner verstorbenen Gattin (C. XXXIV) einen würdigen Abschluss findet.
Zu diesen äussern Beweisen kommen aber noch viel gewichtigere innere Gründe.
In dem deutschen Werke finden wir eine Personificierung des Todes. Wie gang und gäbe diese im Mittelalter war, hat Wackernagel in seiner Abhandlung ›der Todtentanz‹ (Kl. Schr. I, 320) nachgewiesen. Im tschechischen Werke aber wird das Unglück personificiert, wofür sich sonst wol kaum Beispiele finden. Hier also finden wir Künstelei, dort Natürlichkeit, hier das Seltene, dort das Alltägliche; und die Entscheidung, ob wol dies aus jenem entstanden sein mag, oder das Umgekehrte wahrscheinlicher ist, ist leicht zu fällen. In dem deutschen Werke fordert ein Wittwer, ergriffen vom Schmerze über den Verlust seiner geliebten Gattin, den Tod zur Rechtfertigung heraus, sie streiten mit einander, der eine mit Worten, die der Schmerz ihm in den Mund legt, der andere mit den überlegenen Waffen der Weisheit und Gelehrsamkeit. Dem gegenüber aber klingt es wie eine Parodie, wenn im tschechischen Werke ein verliebter junger Mann, ein Höfling aus vornehmen Stande, voll Gram über die Untreue seiner Geliebten, einer Heizerin, mit den schärfsten Worten das Unglück heraufbeschwört, damit es ihm Rechenschaft gebe über diese ungerechte That. Der Verlassene jammert und klagt über das Unglück in allen nur möglichen Worten der Verwünschung, die ihm aber noch nicht zu genügen scheinen, so dass er in steten Wiederholungen des schon Gesagten seinem Schmerze Luft macht.[99] Anderseits zeigt sich wieder in den Worten, die dem Unglücke in den Mund gelegt werden, unverkennbar das Streben des Verfassers, seine Gelehrsamkeit leuchten zu lassen, die er allerdings mitunter grösser erscheinen lässt, als sie in der That ist.[100]
Von entscheidender Beweiskraft sind aber jene Stellen in dem tschechischen Werke, die ihren fremden Ursprung von selbst verrathen, sei es, dass sie förmlich aus dem Contexte gerissen dastehen, oder dass sie, auf geänderte Verhältnisse angewendet, durchweg unpassend, mitunter sogar unsinnig erscheinen.
Eine parallele Anführung dieser Stellen aus dem tschechischen Werke neben den entsprechenden aus dem deutschen wird dies Verhältnis klar machen. I, 39 im tschechischen Werke heisst es im Munde des Unglücks: ›Wenn wir vom Anfange der Welt oder vom Anfange des ersten Menschen, der aus Lehm zusammengeklebt ist, bis zu dieser Zeit nicht unsere Macht gezeigt hätten und die Leute nicht wie ein Gärtner gepfropft, übersetzt und andere mit der Wurzel aus ihrem Stande ausgerottet hätten, so hätte schon einer den andern verzehrt, einer würde über den andern schalten, wer von ihnen mehr Kraft hätte; denn keiner würde sich vor dem andern fürchten; denn keiner würde von Demuth und von niederem Stande etwas wissen, noch würde er erkennen können, was gut, was schlecht und was die Mitte zwischen beiden sei; keiner würde etwas thun, keiner würde den andern erhören. Diese alle wollten Herren sein, alles, was auf Erden, was jemand erreicht, was er sich erworben hätte, das sollte, wie der Mensch glaubt, ewig ihm gehören, und sollte er auf keine Weise darum kommen oder es irgendwie verlieren können. Alle Fische verschiedener und aller Art in der Tiefe des Meeres und in andern breiten, weiten, wogenden Gewässern die würden schon nicht mehr ausreichen, alle kleinen und grossen, wilden und nicht wilden Thiere des Waldes die wären schon zu Grunde gegangen, die Vögel, die in der hohen Luft unter den Wolken wohnen, die hätten schon nicht mehr ausgereicht‹.
Die entsprechende Stelle aus dem deutschen Werke findet sich C. VIII (11, 5 ff.) im Munde des Todes: ›hetten wir seit des ersten von leim gelecket mans zeit leut auf erden, tiere unde würm in wüstung und in wilden heiden, schuppentragender und schupfriger visch in dem wage zuwachsung und merung nit auszgereutet: vor kleinen mucken mocht nu niemant beleiben, vor wolfen torste niemant aus, es wurde gefressen ein mensch das ander, ein tier das ander, ein ieglich lebendig beschaffung die ander, wann narung wurde in gebrechen, die erde wurde in zu enge‹. Wie diese Stellen aus den beiden Gegenstücken sich zu einander verhalten, ist leicht zu ersehen. Was der tschechische Verfasser in seinem Werke selbst erfunden hat, das passt in den Zusammenhang; was aber mit dem deutschen Texte übereinstimmt, ist höchst gezwungen und schwer verständlich, während es im deutschen Werke einen sehr guten Sinn gibt. ›Wäre ich‹, sagt hier der Tod, ›nicht gewesen, so würde jetzt ein Mensch den andern, ein Thier das andere verzehren, da es überall an Nahrung gebrechen würde‹: kann dies wol auch das Unglück von sich sagen? Warum sollte denn da ein Mensch den andern verzehren? Ebenso schwer verständlich sind auch die darauf folgenden Worte des Unglückes: ›Alle Fische des Meeres, alle Thiere des Waldes, alle Vögel der Luft würden nicht mehr ausreichen‹. Warum sollten diese nicht mehr ausreichen? etwa wegen des Uebermuthes der Menschen? Zur Noth liesse sich dies noch annehmen; die Erklärung ist aber gewiss gezwungen.
I, 43 im Tkadleček heisst es: ›Und wenn wir Jemandem etwas Schlimmes gethan haben, so sage es uns; doch wir wissen, dass, wenn du in den Büchern des Aristoteles gelesen hast, er im ersten Buche von der Entstehung aller Dinge sagt, eines Dinges Ursprung sei des andern Untergang oder Verderben. Und weisst du dies etwa nicht, was die ganze Welt weiss, dass die Leute das, was sie vor einigen tausend Jahren erspart, verwahrt und zusammengehäuft haben, alles nach sich andern Leuten hinterlassen haben, die jetzt leben, während sie selbst davon hinweggestorben sind, und das, was ihr jetzt aufhäufet, das werdet ihr auch nicht mit euch nehmen, werdet es auch Jemandem zurücklassen, so dass immer Einer von dem Andern lebt‹.
Erst wollen wir die aus Aristoteles citierte Stelle näher betrachten. Sie findet sich in dem Werke: περὶ γενέσεως καὶ φθορᾶς l. I c. 3 §. 16 (In der Pariser Gesammtausgabe des Aristoteles Bd. II S. 439). Sie lautet: ›καὶ ἔστιν ἡ θατέρου γένεσις ἀεὶ ἐπὶ τῶν οὐσιῶν ἄλλου φθορὰ καὶ ἡ ἄλλου φθορὰ ἄλλου γένεσις‹.
Hier redet Aristoteles von wirklicher Vernichtung, von dem Untergange des einen Dinges, wodurch die Entstehung des andern veranlasst wird; im Munde des Unglückes geben mithin diese Worte gar keinen Sinn. Aber es lässt sich erklären, wie diese Stelle hereinkam. C. XXXI (50, 14) im Deutschen sagt der Wittwer: ›So sprichet Plato und ander weissagen das in allen sachen eines zurrüttung des andern berung sei und wie alle sach auf ewer kunde sint gepauwet und wie des himels lauf aller und der erden von einem in das ander verwandelt werden‹.
Der Verfasser dachte da wol an Platons Phaedon C. XVI,[101] er wusste aber auch, dass ähnliche Erklärungen vom Entstehen und Vergehen der Dinge noch in andern Werken zu finden seien und sagt daher ›Plato und ander weissagen‹; vielleicht schwebte ihm gerade die angeführte Aristotelische Stelle vor. Dies ist um so wahrscheinlicher, als Aristoteles selbst a. a. O. l. I C. 2, 42 den Plato erwähnt: ›Πλάτων μὲν οὖν μόνον περὶ γενέσεως ἐσκέψατο καὶ φθορᾶς, ὅπως ὑπάρχει τοῖς πράγμασι, καὶ περὶ γενέσεως οὐ πάσης ἀλλὰ τῆς τῶν στοιχείων‹. Nun mochte der tschechische Verfasser diese Stelle gerade gekannt haben und führt nun, um seine Gelehrsamkeit zeigen zu können, nicht die Worte, die im deutschen Werke stehen, an, sondern die erste Hälfte der erwähnten Aristotelischen Stelle gleichen Inhaltes. Noch einmal bringt er dieses Citat I, 44, wo das Unglück sagt: ›Sieh, was für ein sonderbares Amt uns übertragen ist. Aristoteles der hat gut, ganz gut gesagt: Eines Dinges Ursprung ist des andern Untergang oder Verderben; denn das pflegt nicht der Fall zu sein, dass ein Ding, wie immer es sei, wenn es zu Grunde geht, nicht zu etwas oder zu irgend einem Dinge gut wäre‹.
Dem Verfasser scheint aber diese Stelle im Munde des Unglückes doch nicht ganz passend zu sein, und so fügt er unmittelbar eine zweite Stelle aus Aristoteles bei, die in höchst auffallender Weise ohne jeden Zusammenhang dasteht. Das Unglück fährt nämlich fort: ›Und anderswo sagt Aristoteles in seinen Büchern, dass das Glück doch immer auf zwei Füssen laufe, und das Unglück auf einem; das Unglück jedoch mit einem Fusse so viel durchläuft, wie das Glück auf zwei Füssen, und dass dort, wo das Glück läuft, in der Nähe desselben das Unglück zu sein pflegt‹.
Einen eclatanten Beweis dafür, dass der tschechische Verfasser das deutsche Werk benutzt habe, liefert folgende Stelle:
C. IX (12, 6) im Ackermann klagt der Wittwer mit den Worten ›Tot ist die henne, die do auszzog sollich hüner‹ über den Verlust seines Weibes. Dieses nennt er die Henne, die Kinder Hühner: ein gewiss sehr passender Vergleich. Nun sehe man aber, was aus dieser Stelle im Tkadleček geworden ist. I, 49 heisst es: ›Ich bin das einzige Junge dieser überaus edlen Henne, bei der Brut verkühlt, aus mir wird schon nichts mehr, entfernt aus diesem Neste ist die überaus edle, unbezahlbare Henne, die mich zum Leben ausbrüten und zu einem ehrbaren Küchlein mich erziehen und leiten sollte zu jedem Range weltlichen Standes, wofür ich ihr Ehre und Lob gegeben hätte und ihr bis zu meinem fernen Tode mit wahrer Treue und ohne alles Zögern hätte dienen und ihren Willen vollbringen müssen‹. Das sind die Worte des verlassenen Verliebten, er das Küchlein, seine Geliebte die Henne, die ihn zum Leben ausbrüten sollte, ein Vergleich, der fast an das Lächerliche streift, und trotz der gewaltsamsten unnatürlichsten Verdrehungen als fremdes Eigenthum sich verräth. Oder wäre es etwa wahrscheinlicher, dass das Verschrobene und Unpassende in dem Originale (wenn man das tschechische Werk als solches annehmen wollte) gestanden wäre, woraus dann durch blosse Uebertragung das Natürliche und Treffende geworden wäre?
I, 62 des tschechischen Werkes erhalten wir ein Beispiel, wie durch Hereinziehung einer deutschen Stelle förmlich der Context unterbrochen wird. Der Kläger spricht:
›Du hast das nicht erkannt, noch erkennst du es, noch sollst, noch kannst du es erkennen, noch wird es dir jemals zu Theil, wie es mir zu Theil geworden ist. Zwar habe ich nicht die Liebe, die für die Ehe gehört, aber doch die wahre gute Treue und die Liebe zu ihr gehabt, die ein treuer Liebhaber in aller Ehrbarkeit zu seiner geliebten Jungfrau und seiner lieben Braut haben soll, ohne dass Eines das Andere an der Ehre verletzt. Gewiss und ganz gewiss rede du oder wer immer, was beliebt. Das ist ganz gewiss so, dass der, den Gott mit einer guten, ehrbaren und edlen Frau oder ehrbaren Geliebten beschenkt, schon gut und vollkommen beschenkt ist; und diese Gabe heisst eine ausgezeichnete Gabe, die alle irdischen Gaben überwiegt, die man weder mit Gold, noch Silber, noch Edelsteinen, noch Städten, noch Burgen, noch mit irgend einem irdischen Dinge bezahlen kann; denn sie ist eine Gottesgabe und von Gott stammend. Und es ist ganz würdig, dass ein mächtiger Herr mit mächtigen Gaben beschenke, die Niemand bezahlen kann‹.
Die entsprechende deutsche Stelle ist in C. IX (12, 13 ff.): ›Man rede, was man wolle; wen gott mit einem reinen, schonen und zuchtigen weibe begabet, die gabe heisset gabe vor aller irdischer auszwendiger gabe‹. Dass diese Worte in sehr gutem Zusammenhange stehen, kann man sich leicht überzeugen; im tschechischen Werke aber treten die Worte ›Gewiss, ganz gewiss rede du oder wer immer u. s. w.‹ urplötzlich ausser allem Zusammenhange in den Text, es kehrt nämlich hiemit der tschechische Verfasser wieder von seinen langen Excursen zu dem Originale zurück, nimmt daraus ohne grosse Wahl eine Stelle, um daran neue Abschweifungen, neue Betrachtungen zu knüpfen. Denn man beachte nur die unmittelbar an die angeführte Stelle geknüpfte Fortsetzung: ›Du Unglück, erkenne es selbst: es gibt verschiedene Gaben auf der Welt und viele Tugenden, mit denen viele Jungfrauen und Frauen beschenkt sind, aber nicht mit allen zugleich, denn wir sehen, dass manche Jungfrauen und Frauen mit verschiedenen Geschenken beschenkt sind, aber immer nicht mit allen zugleich‹.
Das Wort ›Gabe‹ ist also hier die Naht, an die die nun folgenden ganz gehaltlosen Erweiterungen angeknüpft sind.
Aber auch die Vergleichung der in beiden Werken übereinstimmenden Stellen liefert mit einen Beitrag zum Beweise, dass der tschechische Verfasser das deutsche Original nachgeahmt habe. Im Ackermann heisst es: ›wen gott mit einem reinen, schonen und zuchtigen weibe begabet‹—im tschechischen Werke: ›wen Gott beschenkt mit einem guten, ehrbaren und edlen Weibe oder ehrbaren Geliebten‹. Weshalb liess denn da der Verfasser nicht die ersten Worte: ›mit einem guten, ehrbaren und edlen Weibe‹ aus? Er sah offenbar, dass der Besitz einer ›ehrbaren Geliebten‹ allein doch nicht so hoch gepriesen werden könne, wie er es im Folgenden thut, zumal nicht der Besitz (oder vielmehr Nichtbesitz) einer solchen Geliebten, wie die Adelheid unseres Tkadleček war. Da wäre es nun in der That ein höchst merkwürdiger Zufall, wenn der deutsche Verfasser schon das, was er bedurfte, in seinem Vorbilde gesammelt vorgefunden hätte, wenn dieses gleichsam nur eine Vorarbeit zu einer Nachbildung wäre.
In doppelter Hinsicht wichtig für diese Untersuchung ist die Stelle II, 24 des tschechischen Werkes. Das Unglück sagt: ›Daher beklage nicht, beweine nicht das, was vorüber ist, glaube nicht, du thust gut daran, dass du nicht aufhören willst, vertraue nicht, du könnest etwas gegen uns ausrichten, täusche dich nicht selbst mit deinem Vertrauen, wie jener weise Avicenna gethan hat, von dem Aristoteles und dessen Commentator im dritten Buche, das er geschrieben hat vom Himmel und der Welt, sagt: Drei Dinge brachten es oft dahin, dass Avicenna irre ging in natürlichen Dingen. Zuerst, dass er versuchte, wessen er nicht sicher war und was er noch nirgend gesehen hatte; zweitens, dass er auf seinen Verstand und seinen Scharfsinn in allen Dingen vertraute; drittens die Unkenntnis der Logik, das ist der Kunst, die die Wahrheit von der Unwahrheit unterscheiden kann‹. Auch im Deutschen findet sich jener Avicenna erwähnt: in C. XXX (49, 3), und hier steht er unmittelbar hinter Aristoteles. Aus diesem späten Anhänger der aristotelischen Lehren, der im 11. Jh. n. Ch. lebte, macht nun der tschechische Verfasser eine in den Werken des Aristoteles auftretende Persönlichkeit, von der er offenbar gar nichts wusste, denn das hier angeführte Citat lässt sich in Aristoteles nicht nachweisen, es ist eine blosse Fiction. Die Absicht ist klar: er wollte möglichst grosse Gelehrsamkeit entwickeln, und zu diesem Zwecke suchte er auch die gelehrten Anspielungen im deutschen Werke so viel als möglich auszunützen. Um sich nun den Schein von Selbständigkeit zu geben, änderte er die betreffenden deutschen Stellen, ohne jedoch darauf zu achten, ob die vorgenommene Aenderung Wahrscheinlichkeit besitze.
Eine weitere Stelle, die meine Behauptung, das tschechische Werk sei aus dem deutschen entstanden, begründet, ist II, 41. Der Kläger sagt: ›Unglück, du thust wie der Basilisk. Dieser tödtet nach seiner Natur die Leute mit seinem Blicke und richtet sie zu Grunde, wenn er sie ansieht, und wenn er einen Menschen vernichtet und mit seinem Blicke getödtet hat, so kommt er dann zu diesem Menschen und beweint ihn heftig, und voll Leid klagt er über ihn und bejammert ihn: so thust auch du mir, du hast mich all meines Trostes beraubt, der mit mir wie eines Sinnes war, und thust, als bemitleidetest du mich heftig‹.
Wie unwahr und übertrieben diese Schilderung des Basiliskes ist, bedarf wol keines Beweises; aber man sieht auch nicht, inwiefern das Unglück mit einem Basiliske verglichen werden kann; hier allerdings ist ein Vergleichungspunkt hinzugefügt: wie der Basilisk jammert und klagt, wenn er jemanden getödtet, so jammert das Unglück über den unglücklich Verliebten; doch eben diese Ausführung ist blosse Erfindung des tschechischen Verfassers, denn wer hätte noch je von ›Basiliskenthränen‹ oder ›Basiliskengejammer‹ gehört? Diese Vorstellung war dem Mittelalter fremd. Im Ackermann hingegen C. XVI (23, 14 ff.) sagt der Tod: ›Pitagoras gleicht uns zu eines mannes schein, der het baseliscen augen, die wanderten an allen enden der welte, vor des gesichte sterben must alle lebendige creature‹. Und diese Vergleichung des Todes mit einem Manne mit Basiliskenaugen, die alles vernichten, ist gewiss sehr treffend.
Ihren Ursprung aus dem deutschen Werke verrathen auch deutlich noch folgende Stellen des Tkadleček:
II, 50 sagt das Unglück: ›So geben wir uns dir zu erkennen und wollen uns bekannt geben; so höre schon: Wir sind ein Bote aus Gottes Hand, zu allen widerwärtigen Dingen ein jäher Vollstrecker, wir sind die biegsame Peitsche und der Stock und der Prügel für alle Geschöpfe des Schöpfers, wir sind der Mäher mit der stumpfen und ausgefeilten Sense, aller Wiesen, aller Anger sowohl der welken wie der frischen. Unsere Sendung, die wir vollstrecken, ist nicht umsonst. Wir sind das Peitschchen, dessen Schlag heftig stäupt, nach dem es heftig brennt, womit wir mit der Zeit keinen verschonen. Wir sind der Stock, der an Keinem sich abschlägt, an Keinem sich krümmt, noch bricht; und Niemand kann sich vor ihm sichern, wer sich ihm widersetzt. Niemandem verpflichten wir uns unter keiner Bedingung. Wir sind der Mäher, dessen Sense hin und her gefeilt ist, doch wird sie nie stumpfer, weder durch den Stein eines harten Sinnes, noch durch die weiche Scholle einer guten Rede, noch durch den Sand vieler Gedanken, noch durch die Graswurzeln grosser List‹. Anschliessend an diese Stelle ist die folgende:
II, 51: ›Da versteckt sich vor uns nicht Viola[102] mit ihrer Macht und ihrer lieblichen Farbe aller Beständigkeit, da entläuft uns nicht die Lilie in ihrer Schönheit und Reinheit mit ihrer guten Hoffnung, da entgeht uns nicht die rothe Rose mit ihrer Scharlachfarbe in brennender Liebe; da verbirgt sich vor uns nicht der Klee, noch Epheu, nicht Wolfsmilch, noch Immergrün, das im Anfange aller Liebe Führer ist, da kann die Feldrose mit ihrer röthlichen Farbe aller Heimlichkeit vor uns nicht entlaufen, da erhebt sich wider uns nicht die ausgedachte und gestohlene Farbe Grau, zusammengesetzt aus vielen mit ihrem hohen Sinne; da stellt sich uns nicht entgegen die himmelblaue Kornblume oder die Zichorie mit ihrer schlimmen Hoffnung oder ihrer Vollkommenheit; da hilft auch nicht gegen uns der Löwenzahn mit seinem Safte, mit seiner gelben Farbe, die man als Scham auslegt‹.
Man vergleiche damit die Stelle in dem deutschen Werke. C. XVI (22, 5 ff.) spricht der Tod: ›Du fragest wer wir sein. Wir sein gottes hant, her Tot, ein rechter wurkender meder. Praun, grün, bla, gra, gel und allerlei glantzplumen und grasz hew ich fur sich nider, irs glantzes, irer kraft, irer tugend nichts geachtet. Do geneust der veiel nicht seiner schonen varbe, noch seines reichen ruches‹.
Wie heut zu Tage, so war auch im spätern Mittelalter die Darstellung des Todes als Sensenmann etwas Gewöhnliches,[103] das Mähen als Zeichen der Vernichtung diesem Attribute, so wie dem Berufe des Todes vollkommen entsprechend: geradezu widersinnig ist es aber, auch dem Unglücke eine Sense als Attribut zu geben; soll es etwa den Beruf jenes anzeigen, oder soll man sich unter dem Mähen mit der Sense die Anfechtungen durch das Unglück denken? Da wäre der Phantasie der Leser gewiss zu viel zugemuthet! Diese Stelle lässt sich wieder nur daraus erklären, dass der tschechische Verfasser die Worte aus dem deutschen Werke herübernahm, ohne viel darauf zu achten, ob sie ihm in den Zusammenhang passen oder nicht.
Auch noch in zwei andern Stellen des Tkadleček erscheint das Unglück als Mäher mit einer Sense. Die eine II, 61, wo der Kläger sagt: ›Wie kommt es denn, das sage mir, dass du bei Verwaltung deines Amtes, zu dem du, wie du sagst, bestimmt bist, beim Mähen der Wiesen mit deinen Unannehmlichkeiten und Widerwärtigkeiten immer mit deiner Sense früher einen guten Menschen als einen schlimmen triffst und bewältigst und ihm mehr Unannehmlichkeiten bereitest als dem Bösen, unterweise mich darin und belehre mich‹.
Die andere Stelle ist II, 62: ›Nicht umsonst hast du dich in dem Stande, in dem du deine Macht ausübst, einen Mäher genannt. Denn wenn ein solcher die Wiesen mäht, was da guter Gräslein, riechender und anderer Blumen ist, das mäht er nieder und andere Pflanzen, als Disteln oder Weissdorn oder andere nicht sehr nützliche oder selbst schädliche Kräuter, die lässt er stehen‹.
Im deutschen Werke finden wir das Vorbild zu diesen Stellen im C. XVII (24, 15 ff.): ›doch hewet ewer segensz neben recht. Mechtig plumen reut sie ausz, die distel lasset sie stan. Unkraut bleibt, die guten kreuter müssen verderben. Ir gicht, ewr segensz hawe fur sich. Wie ist dann dem, das sie mer distel dann gut plumen, mer meusz dann cameln, mer boser leut, dann guter unversert lest beleiben‹.
II, 54 lässt der tschechische Verfasser das Unglück von sich erzählen, wie es einst in bildlicher Darstellung aufgefunden worden war: ›Erfahre, wie uns die Römer malten, die doch weise Leute waren, und diese haben uns gemalt, wie sie es verstanden und wie sie uns kannten, doch nicht vollkommen, wie wir in Person sind, sondern so wie sie uns beschrieben.
Höre! zur Zeit des Romulus, der Rom erbaute; dieser erbaute nach der Gründung Roms einen Tempel, in dem er verschiedene Götter, das ist Götzenbilder, aufstellen liess: unter allen seinen Göttern liess er uns nun so malen und darstellen, und dann liessen seine Nachkommen, die mit der Zeit mächtig geworden waren, uns aus Stein aushauen und zierlich und verständig ringsum bemalen; es war dies die Person oder Gestalt eines grossen Mannes, und dieser Mann sass auf einem Hirsche, dargestellt wie zum Laufe oder Sprunge. Dieser Mann, der auf dem Hirsche sass, hatte die Augen verbunden, dass er nichts sah. Diesem Manne sprühten aus dem Munde feurige Funken, und diese Funken flogen hierhin und dorthin, einige zündeten, wohin sie fielen, und breiteten sich weit aus, andre Funken erloschen und verschwanden. Dieser Mann hielt auch in jeder Hand einen beschriebenen Zettel: in der rechten Hand einen, auf dem also geschrieben stand: Mit mir ist Widerwärtigkeit, in der linken Hand auf dem andern Blatte stand geschrieben: Mit mir ist Trauer und Betrübnis. Ueber dem Kopfe dieses besagten Mannes war, wie in der Luft, über ihm ein Blatt, auf dem geschrieben stand: Ich bin die feindliche Macht und Gewalt; unter den Füssen dieses Mannes war ein Blatt, auf dem also geschrieben stand: Ich bin die Schnelligkeit und Hurtigkeit des Augenblickes. Dieser Mann zog auch hinter sich einen fetten Ochsen mit zehn Hörnern. Auf diesem Ochsen war anstatt eines Reisesackes ein geflochtenes Netz. Gegen diesen Mann waren viele Leute mit verschiedenen Waffen. Da war der Kaiser, da waren Könige, da waren Fürsten, da waren Grafen, Ritter und Herren, da waren verschiedene Leute mancherlei Standes, angreifend und sich vertheidigend mit verschiedenen Angriffs- und Vertheidigungswaffen, vom höchsten Stande bis zum niedrigsten. Da war auch eine Nonne mit ihrem Psalter und ihrem faltigen Schleier, da war der Mönch mit seinem Antifonenbuche und seiner kurzen Kutte, da war eine Städterin mit ihrem gesteiften Schleier, da war auch eine Hofdame in stolzem Sinne und kühnem Schritte mit ihrem Bande und ihrem ... [104] Da war ein zahnloses Mütterchen, ein buckeliges, mit ihrem Spinnrocken. Alle diese Leute waren gegen diesen Mann, indem sie auf ihn hieben und schlugen, die Waffe auf ihn warfen, jeder mit dem, was er hatte, nach seinem Stande, aber nichts konnten sie ihm schaden. Und, wenn du, Tkadleček, von dieser Auslegung unserer Gestalt, die nicht wir, sondern die Römer von uns berichten, wissen willst, so lies den Fulgentius, diesen Meister, der in seinen Büchern von den Abbildungen, Gestalten und Personen verschiedener Tugenden und Untugenden schreibt, vielleicht findest du hier auch etwas von unserer Gestalt.‹
Die Vorlage, nach der er bei dieser Beschreibung gearbeitet, findet sich im deutschen Werke C. XVI. (23, 5 ff.) welche lautet: ›wann man uns vand zu Rome in einen tempel an einer want gemalet, als ein man auf einem ochsen sitzend, dem die augen verbunden waren. Derselbe man furet ein hawen in seiner rechten hant unde ein schaufel in der linken. Domit vacht er auf dem ochsen. Gegen im slug, warf und streit ein michel menig volkes allerlei leut, igliches mensch mit seines hantwerks gezeuge. Do was auch die nunne mit deme psalter. Die slugen und wurfen den man auf dem ochsen. In unser gedechtnisz bestreit der tot unde begrub sie alle.‹ Dass hier wirklich eine Darstellung des Todes zu Grunde liege, ist wol nicht zu bezweifeln.
Wackernagel a. a. O. S. 337. Anm. 128 führt mehrere Beispiele des reitenden Todes an, und S. 338 wird der Tod erwähnt fahrend auf einem mit Büffeln bespannten Wagen.[105]
Eine Darstellung des Unglückes aber in der Weise, wie der tschechische Verfasser es thut, ist ganz ohne Sinn und Bedeutung. Ausserdem aber verräth sich die Stelle selbst als blosse Nachbildung des Deutschen, da dieselbe in ihren einzelnen Theilen sich widerspricht, was nur daraus zu erklären ist, dass der Verfasser Anfangs Zusätze macht, dann aber auch Stellen aus dem Originale mit hineinbezieht, die den früheren Zusätzen widersprechen.
Im Ackermann 23, 5 fg. heisst es: ›wann man uns vand zu Rome in einen tempel an einer want gemalet.‹ Das erschien dem tschechischen Verfasser zu wenig gelehrt und so änderte er die Stelle in ›Höre zur Zeit des Romulus, der Rom erbaute; dieser erbaute, nachdem er zuerst Rom gegründet, einen Tempel‹ ... (s. o.), fügt aber gegen Schluss seiner Beschreibung (II, 55) ganz harmlos bei: ›Da war eine Nonne mit ihrem Psalter und ihrem faltigen Schleier, da war der Mönch mit seinem Antifonenbuche und seiner kurzen Kutte‹. Mönch und Nonne lebten also schon zur Zeit des Romulus! In dem deutschen Vorbilde fand er die Nonne; und in seiner Geschwätzigkeit fügt er den Mönch auch mit bei. Zwar liesse sich hier einwenden, dass der tschechische Verfasser die unrichtige Vorstellung gehabt hätte, als könnte zur Zeit des Romulus Mönch und Nonne d. h. das Christenthum gewesen sein. Dem aber widerspricht die oben angeführte Stelle selbst; es heisst nämlich dort: ›Dieser (Romulus) erbaute nach der Gründung Roms einen Tempel, in dem er verschiedene Götter das ist Götzenbilder aufstellen liess‹. Der Verfasser wusste mithin ganz gut, dass damals noch das Heidenthum herschte; es kann demnach diese Stelle nur gedankenlose Nachbildung des Deutschen sein.
Ganz deutlich ist aber die gewaltsame Aenderung, die sich der tschechische Verfasser mit der Stelle aus C. XVI (23, 18 ff.) des deutschen Werkes erlaubt. Dort sagt der Tod: ›Wir sein von dem irdischen paradeise. Do tirmt uns gott unde nant uns mit unserm rechten namen, do er sprach: Welliches tages ir der frucht empeissent, des todes wert ir sterben.‹ Nun sehe man, was der tschechische Verfasser daraus macht. II, 56 sagt das Unglück von sich: ›Unsere erste Macht und unsere erste Widerwärtigkeit hat sich gezeigt an dem ersten Menschen Adam darin, dass er durch das Kosten des Apfels unserer Macht überliefert ward, damit er dem ewigen Tode übergeben werde. Da wurde auf unser Veranstalten Adam dem ewigen Tode übergeben, und bis heute sind wir Unglück in Gesellschaft des Todes.‹
Die Bibelstelle, auf die die Worte des Ackermannes sich beziehen, ist Genes. II, 17. Hier ist aber nicht im entferntesten eine Andeutung einer solchen Vermittlerrolle des Unglückes, wie der tschechische Verfasser darstellt. Aber dieser lässt sich nicht beirren: mit geschwätziger Breite schildert er die Coalition mit dem Tode und fügt dann mit entsprechenden Aenderungen abermals eine Stelle aus dem deutschen Werke an. Anschliessend an die oben angeführte Stelle heisst es weiter: ›Da wurde uns und dem Tode volle Macht und Recht gegeben über alle seine Nachkommen bis zum Ende der Welt, damit wir keinen mit unsrer Widerwärtigkeit übergehen und diese Macht haben wir von dem hohen Schöpfer Himmels und der Erde. Du selbst hast es uns vorgeworfen und gesagt, du glaubest, dass wir mit dem Tode verbündet seien. Wisse das ganz bestimmt, dass es oft geschieht, dass das, was wir beginnen, der Tod vollendet. Hast du jemals unsre grossen Widerwärtigkeiten oder grossen Ereignisse wahrgenommen, ohne dass der Tod gleich zu Hülfe geeilt wäre? Das ist wol selten der Fall. Und wenn vielleicht der Tod nicht gleich da ist, so wird er oft von vielen Leuten, die in unsre Widerwärtigkeit fallen, erwünscht. Die in unsre Macht gelangen, verlangen nach dem Tode und bedürfen ihn auch wirklich oft. Lies den Aristoteles, der in seinen Büchern von dem Tode und Leben schreibt: Leben und Tod sind allen gemein, und das siehst du wol selbst, dass es nicht eben sehr wunderbar ist, dass das, was geboren wird, auch wieder stirbt. Wir aber sagen, dass es ebenso auch von uns gilt, denn wie alles, was geboren wird, wieder sterben muss, so muss auch alles, was auf der Welt ist, unsrer Widerwärtigkeit untergeben sein. Das haben wir auch schon früher gesagt. Und deshalb schreiben wir uns wegen dieser Macht über alle Leute, aller Welt also auf unsern Zetteln: Wir Unglück, Gottes Wille, Macht und Herrschaft aller Widerwärtigkeiten auf der Erde und in der Luft vom Anfange der Welt bis zum Ende derselben, vom Aufgange der Sonne bis zum Mittag, vom Mittag bis zum Untergange der Sonne, bis zur Mitternacht und von Mitternacht bis wieder zum Aufgange der Sonne haben wir die ganze Welt in unsrer Zucht, alle Welt ist uns zu allen Widerwärtigkeiten vollständig in unsre Macht gegeben‹.
Was für eine breite Ausführung musste da der tschechische Verfasser geben, bevor er einen noch leidlichen Uebergang zu der Stelle erhielt, die im Deutschen unmittelbar an die oben angeführten Worte der Bibel anschliesst (24, 2): ›Darumb wir uns also schreiben: wir Tot, herre und gewaltiger auf erden, in der luft und meres straum.‹
Nach diesen äussern und innern Beweisen wird es wol keinem Zweifel mehr unterliegen, dass das deutsche Werk als das Original anzusehen sei, aus dem der tschechische Verfasser schöpfte. Hiemit will ich aber keineswegs behaupten, dass das tschechische Werk eine blosse Uebertragung des deutschen sei: vielmehr sind die zahlreichen Excurse theils gelehrten Inhaltes, mitunter aber auch ganz gehaltlos, durchaus das Eigenthum des Nachbilders, die Form jedoch, sowie das Grundgerippe des tschechischen Werkes sind dem deutschen Originale entnommen. Zur nähern Beleuchtung dieser Thatsache will ich einen Theil des C. X (I. 65)[106] aus dem tschechischen Werke in wörtlicher Uebersetzung folgen lassen. Das Unglück spricht: ›Nach dem Geruche das Gewürze, nach der Wolle das Tuch, nach der Farbe den Unterschied, nach der Rede den Menschen können weise Leute unterscheiden. Das müssen auch wir dir, Tkadleček, sagen. Wir erkennen dies schon, hören und merken nach deiner Rede, dass du aus diesem Brunnen mit deinem gelehrten Sinne nicht getrunken hast, wie jene sieben Göttinnen im Heidenthume gethan haben, von denen der Meister Horaz, dieser Heide, erzählt, noch hast du vielleicht jemals von dem natürlichen Laufe irdischer Dinge gelesen, wovon ganz verständig Seneka erzählt und auch Aristoteles in seinen betreffenden Büchern, denn sonst könntest du wahrlich unsere Rede erwägen, da wir früher, wie jetzt schon so viel gesagt haben, und hättest dir sie tief in deinen Sinn und dein Herz geschrieben, und immerhin solch leichtfertige Reden, die zu nichts taugen, nie aus deinem Kopfe noch deinem Munde in so unverschämter Weise gelassen. Es sagte der Weise Pythagoras: Wer nicht schweigen kann, der weiss auch nicht, wann und wie er zu reden habe, und der Weise Sokrates sagt: So oft ein Mensch den andern schmäht und tadelt, denn vielleicht kann er von ihm nichts Gutes reden, so redet er nicht allein von dem Einen, sondern von Keinem etwas Gutes, denn er ist eben von dem Charakter, dass er nie von Jemandem etwas Gutes spricht. So thust du uns. Du verfluchst uns mit ungehörtem Fluche aus Zorn, rufst gegen uns Rache herab aus Hass, verlangst gegen uns Missgeschick aus Neid, wahrlich das thust du umsonst und ohne Noth. Und wenn es zum Aeussersten kommt, rede was du willst, rufe wie du willst, klage auf uns, so viel du können wirst, wir werden uns nichts darum kümmern, wir werden uns darum keine Sorgen machen. Wir sind schon an solche Rede, an solches Fluchen gewöhnt. Wahrlich uns ist dein Rufen, dein Geschrei wie das Geschrei des Gänserichs und das Geschnatter der Gans; dein Weinen gilt uns wahrlich so viel wie das Knarren und Knirschen eines nicht geschmierten Rades; drohen kannst du uns nicht, denn du bist zu schwach nicht mit deinen Kräften, sondern mit deinem Verstande. Wenn du hören willst wie, so höre, was Plato sagt: Unter allen Leuten sind die am stärksten, die ihren Zorn in ihrem Sinne überwältigen können. Da zeigt es sich schon, wie ohnmächtig und kraftlos du bist, weil du deinen Eifer und diesen Zorn gegen uns nicht überwältigen kannst; denn du zeigst an dir eine kindische Rede und eine solche Sprache, dass du den Verstand eines Kalbes an dir zu erkennen gibst und kindisches Gezänke zeigst du offen. Doch das wundert uns an dir, dass du dich nicht schämst. Doch es sagt der Weise Epikurus: Wer sich nicht zugestehen will, dass er schlecht handelt, der lässt sich auch nicht zurechtweisen, noch will er eine Zurechtweisung annehmen. Tkadleček, du ziehst ohne Noth den Hund am Schweife, ohne dass du ihn kennst; hüte dich, dass er dich nicht beisse; du streichelst ihn, während er schläft; wenn er dich fühlt, so wird er dich beissen; hüte dich, dass er dadurch nicht in Zorn geräth. Weisst du nicht, was der Weise Plato sagt? Aber wisse, also sprach er, dass unter allen Unvollkommenheiten, die ein Mensch an sich hat, der grösste Jammer mit dem ist, der gerne viel spricht und schändliche Reden führt. Es steht geschrieben: Willst du Frieden haben, so unterhalte kein Gezänk; willst du, dass man dich nicht schmähe, so reize ohne Noth keinen gegen dich. Willst du ohne Unannehmlichkeit leben, so kümmere dich nicht um das, was dich nichts angeht. Wir haben es dir schon früher eröffnet, was wir sagen, und das höre gut, und hast du vielleicht Ohren wie ein Kalb oder ein Esel, die sehr gross sind, mache sie gut auf und nimm immer unsre Rede sorgfältig zu Herzen. Weder Adel, noch Reichthum, noch Heldenmuth, noch Weisheit, noch Verrücktheit, noch irgend etwas, was auf Erden ist und in der Welt lebt und noch leben soll, hilft etwas: alles muss unsern Widerwärtigkeiten unterworfen sein und in unsere Macht fallen und durch unseren Stand gezüchtigt werden; nicht alt, nicht jung, nicht schön, nicht hässlich, nicht lieblich, nicht garstig, nicht Kaiser nicht König, nicht Kaiserin nicht Königin, nicht deren Herrschaften, nicht deren Kämmerer, nicht deren Hofmeister, nicht Marschälle, nicht Schenken, nicht Vorschneider, nicht Küchenmeister, nicht deren Städter, nicht deren Bauern: diese alle und andre gewöhnliche und vornehme Leute, die müssen insgesammt mit der Zeit vor uns weichen und uns freien Weg nach unsern Willen machen. Hast du je von einem König, Kaiser, Königin oder einem solchen Menschen aus hohen oder niedern Stande in Erfahrung gebracht, dass er ohne unsere Angriffe sei, und wenn du dies genau erfahren hast, so lass es uns sorgfältig wissen, und du wirst erfahren, dass wir (nicht?) getäuscht haben und nicht, dass diese genannten mächtigen und bekannten Leute ohne unsere Anfechtung waren. Und gewiss auch diese deine vollkommen freie, früher nicht freie, die ist uns noch nicht entgangen. Und wie willst du denn sagen, wie du es thust, dass all dein Gutes an ihr gelegen sei, da sie doch selbst nicht frei ist, noch frei sein wird; denn sie kann uns, das Unglück ebenso schnell bei sich haben, wie irgend ein Glück und gewiss noch früher, oder als irgend ein gutes Ereignis. Lies deshalb, guter Tkadleček, das Werk jenes Weisen Sokrates, der in seinen Büchern von der Natur des Menschen schreibt: Ein jeder Mensch eröffnet und verkündigt gleich bei seiner Geburt durch Weinen den Anfang seiner Leiden, die er auf der Welt haben soll, und da er noch nichts von den kommenden Dingen weiss, was er zu dulden hat oder was ihm begegnen wird, so fühlt die unwissende Seele blos die Widerwärtigkeiten, die auf der Welt sind, und diesem Menschen ist auf der Welt vielleicht Jammer und Weinen bestimmt. Weder ein Mensch aus vornehmem noch einer aus niederem Stande, weder Kaiser noch Bauer ist bei seiner Geburt ohne Weinen. Hör’ und sieh, was du lobst, wem du Lob zollst, sieh und merk’, wie viel Gutes an dieser deiner Heizerin, an deiner Auserwählten ist. Weil ein jeder Mensch, der geboren wird, gleich Anfangs bei seiner Geburt weint und jammert und vor seinem Elende erschrickt, so irrst du dich, wenn du etwa glaubst, dass diese deine Geliebte frei davon oder ohne Leiden war oder ohne Noth sein wird; und wenn es ihr so gehen soll wie jedem gewöhnlichen Menschen, was du nicht glaubst, wie soll denn dein Wohl an ihr liegen, die selbst jammerte und weinte, vor Noth, Arbeit und verschiedenen andern Unannehmlichkeiten auf der Welt Schrecken und Furcht empfand, bis sie in dieselben verfiel? Und du, Tkadleček, redest noch so viel von ihr, und schwatzest noch so viel über sie! Genug wäre dessen, wenn sie von Gott auserwählt oder vor der Zeit zu etwas ganz besonders Gutem bezeichnet worden wäre. Oder hältst du das für ein Geschenk, dass sie adelig war? Höre, Tkadleček, das ist sie nicht durch sich selbst, sondern durch die Verwandten, von denen sie abstammt. Denn läge es an ihr, so wäre sie lieber eine Fürstin als Vladikin, und wäre sie Fürstin, so wollte sie lieber Königin sein. Weil dies aber nicht an ihr liegt, was ist dir denn eingefallen, dass du von ihr nicht aufhören willst? Du sagst, sie sei reich an Ehren. Wundre dich nicht darüber, das bewirkt die angeborne Scham, die in dem jungen Blute liegt; warte nur, wenn du kannst, bis dieses jugendliche Blut verschwindet, dann schwindet auch die Scham, und schwindet die Scham, so wird sie vielleicht auch arm an Ehren. Wiederum sagst du, sie sei schön, lieblich; und was wunderst du dich denn darüber, als ob du früher nie derartiges gesehen oder gehört hättest. Wenn du ihr Alter abwartest, erwartest du auch, dass auch diese Schönheit mit dem Alter vergeht, dass all ihre Ueppigkeit verschwindet und zuletzt nichts von ihr sein wird, ausser was in ihrem Sinne ist; das wird sie zieren, das wird in Wahrheit Ehre und Zierde sein und wird ihr auch bleiben, zwar nicht immer, aber solange, als ihr Sinn sein wird. Tkadleček, scheint sie auch so schön zu sein und ist sie auch so schön, wie du sagst? Es kann sein, dass sie wirklich so schön war, oder dass sie nur so schön zu sein schien. Höre, was dazu Aristoteles der Weise sagt: Wenn die Leute Augen hätten wie ein Luchs, der so scharf sieht, dass er eine Wand durchblickt, dann möchten sie wohl inwendig diese Schönheit und Anmuth, die aussen ist oder als Zierde aufgetragen zu sein scheint, erblicken. Aber dass die Leute mitunter etwas für schön oder zierlich ansehen, das kommt nur daher, dass sie es nicht auch inwendig so deutlich sehen können, wie es sein sollte, und weil sie dies auch nicht sehen können, so irren sie sich, und das, was so erscheint, halten sie wirklich für so. Passend sagt dazu Aristoteles: Es ist unmöglich, das zu sein, was man nicht ist, und anderswo sagt er: Nicht Alles ist so, wie es zu sein scheint. Schweig, Tkadleček, rede nicht albern in deiner Rede; sehr kränkt es uns, dass du dich unsrer Rede nicht fügen willst. Höre doch, was dazu Aristoteles in seinen ersten Büchern Ethicorum sagt: Jeder beurtheilt das, was er kennt, gut. Wie willst denn du gut sprechen und es gut beurtheilen, dass sie schön, lieblich und anmuthig war, da du sie wahrlich nicht in ihrer Schönheit erkannt hast, woher sie dieselbe hat, oder was ihre Schönheit sei, oder woher sie gekommen und was für einen Zweck sie hat. Es betrübt uns sehr und schwer fällt es uns, zu hören, was du von ihr sagst, was du von ihr erzählst, anders, als du von uns hörst. Wir wollen dir etwas sagen und du höre dies! Im alten Testamente wurden vier Personen vor ihrer Geburt durch den Engel verkündet und deren Namen von den Engeln angegeben, von denen uns nicht so betrübendes widerfuhr, wie wir von dir genug misslicher Reden erfahren. Der eine, der durch den Engel verkündet wurde, war Ismaël, der Sohn Abrahams, von dem geschrieben steht in dem Buche Genesis im siebenzehnten Theile, der andre war Isak, von dem geschrieben steht in dem Buche Genesis im achtzehnten Theile, der dritte war Josias, von dem das Buch der Könige erzählt im dreiundzwanzigsten Theile, der vierte war Samson, von dem das Buch der Richter im vierzehnten Theile erzählt. Im neuen Testamente wurden zwei durch den Engel vorherverkündigt: Johann, der Täufer Gottes und Jesus, von denen im Buche des hl. Lukas im ersten Theile geschrieben ist. Und gleichwol haben wir nicht so viele Reden von diesen Guten gehört, wie wir von dir hören um diese deine Geliebte, die wenig und sehr wenig gilt im Vergleiche zu jenen Guten, die auch nicht ohne irdische Anfechtung blieben. Und weil diese nicht ohne Anfechtungen blieben, die in so glücklicher Weise vor ihrer Ankunft auf die Welt durch einen Engel vorher verkündet waren, wie willst denn du das erreichen und darum dich viel und heftig bemühen, damit deine Geliebte ohne Anfechtung oder du selbst ohne dieselben seiest, und du in ausserordentlichem Grade Gott theilhaftig seiest. Ei, Tkadleček, du kommst uns sehr lächerlich vor und ebenso lächerlich dein Jammer, weil du auch so kindisch mit uns redest und gerade, als ob du im Traume oder aus Leid etwas sinnest. Aber Leid und Wehmuth empfinden wir über dich, wohin es mit deinem natürlichen Verstande, mit deinem gelehrten Sinne, mit deinem Witze, deinen Beweisen und deinen Reden gekommen ist, womit du den thörichten Sinn andrer Leute überführt hast, und du willst schon selbst dies nicht mehr verstehen, dass du gegen dich selbst redest, dass deine Trösterin all deine Freude, dein Trost und deine ganze Fröhlichkeit sei. Und wenn dies auch der Fall gewesen wäre, hast du da nicht erfahren, was Aristoteles sagt: Unter allen Dingen, die auf der Welt sind, altert nichts früher dem Menschen als die Freude, das heisst: Unter allen Dingen schwindet bei dem Menschen nichts früher als die Freude und weltliche Lust. Ei sieh, was für eine Lust du gehabt hast, erwäge, was sie gewesen ist, was ihr mit Recht widerfahren ist, das verstehe und vergiss nicht, was daraus hätte entstehen können, was ihre Liebe Schlimmes und Unangenehmes hätte bringen können. Sieh an die Liebe und Milde Gottes, wie lange er Nachsicht gehabt, und erkenne selbst, worin du gefehlt und wie du dich schon selbst vergessen hast und soweit an dir selbst, dass du einen so thörichten, albernen und kindischen Sinn hast, zu glauben und zu meinen, wie wir dies aus deiner Rede hören und du sprichst und denkst, all dein Gut, deine Ehre, dein Glück, deine Lust liege nur allein an ihr, wofür du uns so grob zuredest wie wir gehört haben, und uns keine Ruhe geben willst. Und wenn du dies so wirklich in deinem ganzen Sinne und Herzen glaubst, wie du es im Munde führst und überall laut erzählst, so ist es uns wunderbar, sehr wunderbar: denn wir können uns nicht genug darüber wundern, wohin du deinen guten und vielseitigen Verstand gegeben oder wo du ihn gelassen. Der du so gern und viel gelesen hast, du hast das noch nicht gelesen, da du dessen vergessen hast. Höre, lieber Tkadleček, sage uns, warum du unter deinen andern Reden sagst, dass diese deine Geliebte ehrenreich und glücklich, und dass sie dazu ehrbar sei und dass sie deshalb ewig leben sollte. Wir wundern uns wahrlich darüber, woher du das erfahren oder gehört hast, oder was du damit meinst, dass du so viel von einer solchen sprichst, die nichts Anderes kannte noch etwas Anderes gelernt hatte, noch bei etwas Anderem gewesen ist, als dort wo ein Backofen, Ofen, Kalkofen oder Herd auszubrennen oder zu heizen war.‹
Dies ist etwa der vierte Theil des C. X.