Zu diesem deutschen Werke existiert ein Gegenstück in tschechischer Sprache unter dem Titel ›Tkadleček‹. Es ist ebenfalls ein Prosastück und wurde in zwei Theilen herausgegeben von Wenzel Hanka unter dem Titel: ›Starobylá Skládanie. Památka XIV. wěku. Tkadleček. W Praze 1824‹; d. h. Alte Schriftwerke. Ein Denkmal des XIV. Jahrhunderts. Tkadleček. Prag 1824.
Hanka benutzte bei der Herausgabe dieses Werkes, wie er selbst sagt, zwei Hss.: Eine aus der Bibliothek des Strahover Prämonstratenserklosters und eine zweite, früher im Privatbesitze Dobrovskýs, jetzt in der Bibliothek des böhmischen Museums befindlich unter der Signatur 4. H. 16. Es sind beide Papierhandschriften. Die erstere konnte ich nicht einsehen, da sie sich gerade in den Händen eines hiesigen Gelehrten befand. Die zweite ist auf 134 Blättern in kl. 8o geschrieben und sehr jung, in ganz modernem Einbande mit Lederrücken und Goldpressung; das Papier zeigt noch nicht die Spuren höheren Alters. Die Schrift ist anfangs sorgfältig, später flüchtiger.
Ueber die Ausgabe, die Hanka veranstaltet hat, will ich kein Urtheil fällen; ich mache nur aufmerksam auf die Aeusserung Gebauers über den kleinsten Fehler derselben. In seiner Abhandlung ›Ludvik Tkadleček‹ S. 115 in den ›Listy filologické a paedagogické red. J. Kvíčala, J. Gebauer, J. Niederle. Ročník druhý. V Praze 1875‹; d. h. philolog. und paedag. Blätter redig. v. J. Kvíčala, J. Gebauer, J. Niederle. II. Jahrgang. Prag 1875 sagt er: ›Nicht einmal die nachlässige und mitunter selbst unsinnige Interpunktion Hankas verdarb den Text so, dass die Elasticität des Stiles nicht ersichtlich wäre‹.
In seiner Vorrede sagt Hanka: ›Fünf Theile alter Schriftwerke, abgesehen von der Königinhofer Handschrift, in gebundener Rede sind glücklich veröffentlicht. Allerdings ist das nicht zum Lesen für Jedermann, wol aber für alle die, die ein gewichtiges Wort in der Beurtheilung der alten und neuen böhmischen Poësie zu ihrer Zeit mitreden wollen. Nicht umsonst sage ich auch der neuen, denn offenbar und augenscheinlich ist der Fortschritt der Poësie in dieser kurzen Zeit, seitdem fleissige und hoffnungsvolle Jünglinge an den Nachlässen des Geistes ihrer berühmten Vorfahren sich ergötzend deren Geniessbarkeit und Schönheit mit Vorsicht und Ueberlegung in ihren erfreulichen Werken zum Ausdrucke bringen. Unser ist es! so wollen wir sprechen, und so wollen wir es zu wahren suchen. Unser ist das, was uns Halbgelehrte nur deshalb absprechen, weil sie selbst es in ihrem Vaterlande nicht suchen können oder wollen, indem sie es den Russen, Polen, Kroaten und andern Blutsverwandten zuschreiben, deren Sprache sie nicht einmal kennen. Dieses Vorurtheil aus der Oeffentlichkeit auszurotten, erscheint mir gewiss von Wichtigkeit, und das ist der Sporn und Hauptgrund der Ausgabe dieser wertvollen Werke. Je mehr ihrer an das Licht wird gebracht werden können, um so mehr vergessener, uns jetzt fehlender, gut gebildeter Worte werden, ebenso wie Geschmeidigkeit, Anmuth und Stärke in unsere Sprache zurückkehren und sie mit der ihnen eigenen Kraft erfrischen.
Da ich mit herzlicher Freude sehe, wie die Poësie so gedeihlich sich erholt, so kann ich es nicht länger herausschieben, mit der alten Prosa hervorzutreten. Ich nehme zuerst den Tkadleček, nicht deshalb, als hätten wir keine ältern Handschriften, sondern weil er originell und weltlichen Inhaltes ist, und er eine grosse Belesenheit in griechischen und römischen Philosophen und Dichtern verräth. Lange schon hätte er wegen der Frische und grossen Gewandtheit seiner Sprache verdient gedruckt zu werden, was ihm auch, zwar nicht bei seinen Landsleuten im Originale, wol aber in deutscher Uebersetzung unter den ersten deutschen Drucken zu Theil wurde: Hie nach volgend etliche tzumale kluger und subtiler rede wissen. Wie eyner der was genant der Ackerman von behem, dem ein schöne liebe fraw sein Gemahel gestorben was, beschicket den tode und wie der tode im wider antwurt, vnd seczet also ye ein capitel vmb das ander, der capitel seind XXXII vnd vahet der ackermann an also zu klagen: Grimmer tilger aller leute Schedlicher achter aller Werlte. Es findet sich ein Abdruck davon in der kais. Wiener Hofbibliothek in Quart ohne Custoden und Signatur mit einem Holzschnitte.
Unser Schriftsteller Ludwig Tkadleček, so wie seine Geliebte Adelheid, lebten in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. als Hofleute in Gräz an der Elbe bei der verwittweten Königin Elisabeth. Es war Adelheid eine Schönheit ihrer Zeit, eine Zierde des königlichen Hofes, um die Tkadleček, als sie sich mit einem andern vermählte, nicht zu stillende Klage erhob, und so verewigte er seine Geliebte, deren Schönheit und Tugend mit seiner Feder, die er nach seinem Namen Weberschiffchen nannte. Der Kläger und das Unglück sind die Hauptpersonen dieser Schrift. Handschriften sind mir nur zwei bekannt: eine alte auf Blättern von Papier, der Trojanerkronik, dem Tristram und Mandiwill beigebunden, befindet sich jetzt auf dem Strahove und war einst im Besitze der Minoriten; eine neue Abschrift einer andern Handschrift hat mir gütigst unser geehrter Dobrowský geboten. Beide habe ich eifrig benutzt, eine aus der andern ergänzend, wobei mich in der Anordnung Herr Anton Liška, Professor des Neuhauser Gymnasiums, sehr thätig unterstützt hat‹.
Ueber den tschechischen Tkadleček spricht auch Jos. Dobrowský in seiner ›Geschichte der böhmischen Sprache und älteren Literatur Prag 1818‹ (in deutscher Sprache abgefasst.) S. 157. Nr. 9.: ›Tkadleček, der kleine Weber oder žalobnik a nesstěstj,[84] ein langes Gespräch zwischen dem Kläger und dem Unglücke, in der Handschrift A ehedem bei den P. P. Minoriten, der Geschichte von Troja beigebunden. Ich besitze auch eine neuere Abschrift nach einer andern Handschrift. Jat sem Tkadlecz vczenym rzadem, so fängt das 3. Kapitel dieses böhm. Originalwerkes an, bez drziewce, bez ramu a bez železa tkati vmiegi (für vmjm).[85] Sein wahrer Name sei aus 8 Buchstaben zusammengesetzt; der erste ist der 11te des Alphabets, der 2. der 20te, der 3te der 4te u. s. w. Nach der Enträthslung kommt nun Luduik heraus und seiner Geliebten Name Adliczka, mit dem Beinahmen Pernikařka. Sie war auf dem fürstlichen Hofe zu Grätz an der Elbe Einheitzerin (topiczka). Diese Beinahmen nimmt der Verfasser, der hier als Kläger auftritt, in figürlicher Bedeutung, und geht zu ihrem Lobe über. Ewig müsse er das Unglück hassen, weil es ihn von seiner Geliebten getrennt habe. Gegen seine Anklagen sucht das Unglück sich zu vertheidigen. Häufig werden die h. Schrift, Plato, Aristoteles, Cicero angeführt. Vor vielen andern albernen Faseleyen hätte diese Schrift, der guten originellen Ausdrücke wegen, wol verdient, gedruckt zu werden. Dies geschah in Böhmen nicht, wol aber ausserhalb. Mein sel. Freund Durich entdeckte einen alten Druck einer freyen deutschen Uebersetzung in der k. Hofbibliothek zu Wien. Das Werk ist in 4. ohne Custos und Signatur, mit einem Holzstiche geziert, der einen Bauer vorstellt, mit der Ueberschrift: Hie nach volgend u. s. w.[86] Dieser Anfang lautet nun im Böhmischen: Ach ach nastogte, Ach ach bieda, ach nasyle, Ach na tie ukrutny a wrucy shladiteli vssech zemi, sskodlivy sskuodce vsseho swieta smiely morderzi vssech dobrych lidij. [87] Das Original ist also viel wortreicher. Wie und warum man in die deutsche Bearbeitung für den Weber einen Ackersmann als Kläger aufnahm, kann ich nicht errathen‹.
Ganz dieselben Angaben über das tschechische Werk, die Hanka gegeben, hat auch Josef Jungmann in seinem Werke: ›Historie literatury české. Druhé wydání. w Praze 1849‹; d. h. Geschichte der böhmischen Literatur, 2. Aufl. Prag 1849 S. 32. N. 71 wiederholt.
Umfangreicher als die bisher erwähnten tschechischen Literarhistoriker behandelt Karl Sabina in ›Dějepis literatury československé staré a střední doby od Karla Sabiny v Praze 1866‹. D. h. Geschichte der čechoslavischen Literatur der alten Zeit und des Mittelalters. Prag 1866. Er bespricht das vorliegende Werk an 2 Stellen.
S. 104 sagt er: ›Gewiss hat die slavische Nationalität sich besonders dadurch (nämlich durch sittliche und geistige Stärke des Volkes) geschützt, dass die deutsche Sprache damals nicht zugleich auch Literatursprache in Böhmen wurde und mit ihrer äussern Macht sich zufriedenstellte; denn die Lieder der Minnesänger fanden keinen Eingang beim Volke, noch wurde irgend eine Gattung der Wissenschaft in deutscher Sprache gepflegt und wir haben keine Spur von irgend einer Literatur der in Böhmen ansässigen Deutschen, ausgenommen die Uebersetzung des böhmischen Dalimil und des Tkadleček, nach welchen Arbeiten, wie es scheint, die Hauptentwickelung der deutschen Literatur in Böhmen im XIII. und XIV. Jahrh. aufhörte‹.
S. 187 ff. geht er auf den Tkadleček näher ein: ›Das Sujet der Abhandlung war immer ein und dasselbe, nämlich die Liebe und das zarte Verhältnis beider Geschlechter zu einander. Da wurde alles benutzt, was sich nur in diesen Kreis einbeziehen liess, und wo schon weder Verstand noch Einbildungskraft ausreichte, da wurde die Allegorie eingemischt mit ihrem gewaltigen mythischen und symbolischen Apparate. Aus solchen dialectischen Versuchen entwickelte sich sogar ein eigener Stil, eine Art wunderbarer Beredtsamkeit von ein und derselben Sache, ja mitunter, so zu sagen, von Nichts. Es ist uns ein Beispiel solcher Art erhalten, ein ganz eigenes Büchlein, das man eigentlich schwer zu irgend einer schon bestehenden Gattung der Literatur zählen kann, und das wir nur deshalb in dem Kreis der Romane zählen, weil es eine romanhafte Grundlage hat und der Hauptgedanke durch romanhafte Beschaffenheit sich kennzeichnet. Dieses Büchlein ist unser böhmischer Tkadleček, bei dem nur am meisten zu beklagen ist, dass der Verfasser sich nicht an eine mehr objective Arbeit gewagt hat und sein hervorragendes Talent nicht anderen Seiten zugewendet hat. Der Tkadleček ist nur eine Episode eines Romanes, dessen Geschichte nicht niedergeschrieben wurde, sondern gerade im Leben sich zutrug, von dem dann in dieser Schrift nur raisonniert und Betrachtungen angestellt werden. Als originelles und selbständiges Beispiel literarischer Production, allerdings dem Zeitgeiste entsprechend abgefasst, aber ganz aus eigenen Kräften des Verfassers hervorgegangen und darauf beruhend, gehört es zu den interessantesten Erscheinungen unsrer mittelalterlichen Literatur.
Es enthält ein originelles Gespräch zwischen dem Kläger und dem Unglücke um den Verlust der Geliebten, und lässt sich als erster uns bekannter böhmischer Originalroman betrachten. Die Literaturgeschichte belehrt uns nur, dass Ludwig Tkadleček und seine Geliebte Adelheid in der 1. Hälfte des 14. Jahrhundertes am Hofe der verwittweten Königin Elisabeth in Königgrätz lebten. Es war Adelheid eine Schönheit ihrer Zeit, und als sie sich an einen andern verheirathete, begann Tkadleček sein nicht zu stillendes Wehklagen, und verewigte seine Geliebte, ihre Schönheit und Tugend mit seiner Feder, die er, seinem Namen entsprechend, Weberschiffchen nennt. Dieses Buch ist ausgezeichnet durch die Gewandtheit und Frische seiner Sprache. Dieses Gespräch stellt sich eigentlich nur als Epilog eines Romanes heraus, dessen Haupthandlung in die Vergangenheit fällt und im Hintergrunde steht; denn die Liebe des Tkadleček und deren Geschicke erfahren wir nur aus den Klagen, die deren unglücklicher Ausgang hervorgerufen hat, und in denen nur wie auf eine vergangene Thatsache hingewiesen wird.
Tkadleček war unzweifelhaft ein ungeheuer verliebter Schüler! Die Unterredung zeigt, dass er aus »gelehrtem, gebildetem Stande, von hervorragendem Range«, und für seine Gelehrsamkeit und Verstand gibt das Buch ein vollgültiges Zeugnis.
Inhalt und Tendenz dieses Gespräches ist folgender: Der Kläger, Tkadleček, »klagt, jammert und ruft offen und laut über das Unglück, schreit über dasselbe und schmäht es, und verflucht es mit manigfachen Verwünschungen.«— Er verflucht das Unglück nicht allein seinetwegen, sondern überhaupt, dass es viele ausgezeichnete Leute vernichtet hat.—Das Unglück antwortet dann dem Kläger, indem es ihm zu wissen gibt, weshalb es ihm mit einer Rede antworten will und fragt dann den Kläger, wer er sei, und weshalb er ihm so unverschämt zurede. Es hält ihm auch sein unmännliches Klagen vor. »Wie willst du denn mit deinem Sinne jemanden wohin leiten, wenn du ihn selbst nicht gebrauchen kannst!—Weshalb du lästerst, wissen wir nicht,« sagt das Unglück, »ausser dass wir jetzt unlängst in Graz an der Elbe, in dieser umwallten Stadt in Böhmen, mit unserer Macht und unserem Amte zwei junge Leute, einander an Jahren fast gleich, die mit einander seit einigen Jahren gut und ehrbar gelebt haben, getrennt und entfernt haben mit unserer Macht und nicht blos getrennt haben, sondern wir gedenken, sie von beiden Theilen bis zu ihrem beiderseitigen Tode nicht mehr zu vereinigen. Das geschah vor der Verbrennung dieser Stadt etwa im dritten Monate.«[88] Auf diese Weise wird uns bekannt der Ort und die Zeit, ja sogar schon die ganze Begebenheit. Nach dem Anzeichen wäre dies beiläufig das Jahr 1339, im welchem im April ganz Gräz abbrannte. Der Kläger nennt sich dann mit verstecktem Namen und bildlich, und gibt dem Unglück damit seinen Rang und Stand an, und weshalb er es schmäht; dass er nämlich der sei, der so unbarmherzig und so schmählich von seinem Troste getrennt und alles weltlichen Trostes damit beraubt sei.
»Sie war es«, sagt Tkadleček, »mit der ich seit einigen Jahren lebte, doch deucht es mir, als wäre ich mit ihr eine Stunde gewesen! Sie ist es, die immer mit mir gewesen ist und ich mit ihr ... doch sie hat sich von mir schon entfernt! Sie war mein Schild gegen alle weltlichen Feinde! ... Hinweg ist meines ganzen Wohles zuversichtliche Wahrsagerin; du Unglück, du hast mich mit ihr verfeindet. Hinweg gewendet von mir hat sie sich, sie denkt vielleicht nicht daran, zurückzukehren, vielleicht kann sie nicht, hat sie nicht die Absicht—will sie nicht! Allein bin ich geblieben in verwaistem Zustande durch ein so grosses Unglück! Hinweg ist die, die zu lieben meine Freude, mein Trost war; wenn ich mit dieser mich unterreden konnte, verlangte ich keine andere Speise.... Hinweg ist die, bei der ein Mensch, wenn man mit ihr hätte leben können, in Ewigkeit sich nicht bekümmert hätte!... Hinweg ist die, die meine Jugendjahre in aller Ehrbarkeit zur Mannbarkeit gebracht hatte, Verstand gab, den Muth erhöhte, Kurzweil vermehrte ... Verborgen hat sich mein tägliches Licht und hinweg begeben hat sich mein lichter Stern, nach dem ich mich mit meinem ganzen Sinn gerichtet habe, wie der Fährmann auf dem Meere nach dem himmlischen, umwölkten Sterne!—Hinweg ist der lichte Schein meiner Sonne!... Schon ist sie unter den Berg gesunken, in meinen Zeiten kehrt sie nicht wieder zu mir zurück!... Finstere Nacht hat mich in ihre Macht genommen; wo ich gehe, da irre ich und Nebel hat mich umfangen, schauend sehe ich nicht, ausblickend kann ich mich nicht bemerken, mich kennend habe ich mich selbst vergessen.... Ach Unglück, du hast mir schon meine Fahne herabgerissen, unter der ich meinen Verstand gerichtet habe.... Verloren habe ich den Kampf, an Ehre bin ich verringert! Wehe über den unglücklichen Tag, über die unglückliche Stunde, über die leidvolle Weile, in der mein Diamant zerbrochen ist!... Schon habe ich mein erstes und letztes Kleinod verloren, das ich als Schatz in meinem ungetheilten Herzen bewahrt habe, woran ich mich in Noth, und wann es nothwendig war, erfreute.... Hinweg ist sie, allein bin ich geblieben, ja weniger als allein, denn ich bin ohne sie wie ein halber Mensch—nicht mein, nicht ihr.«
Wer möchte nun—nach diesen Worten—dem Tkadleček lebendige Einbildungskraft und entflammtes Gefühl absprechen? Klingt das nicht so, wie wenn Abelard nach Heloise oder der modernere Werther klagen würde?—Aber das Unglück lässt nicht lange auf Antwort warten. Man kann sagen, dass, wie dieser ganze Roman von Allegorien überfliesst, auch das Unglück mannigfache Aufgaben auf sich nimmt, manchmal die des schlimmen Geschickes, manchmal des blossen Zufalles, manchmal des mahnenden und strafenden Pflegers, manchmal endlich vertritt es die Stelle des gesunden Verstandes. Es ist manchmal, wenn es spricht, als wenn der überlegende Verstand der zügellosen Einbildungskraft Antwort gäbe. Es sagt jenes selbst von sich, dass es das, was immer es gethan hat, gut und mit Recht gethan hat, seinem Stande gemäss, und dass, was immer auf Erden geboren wird, nicht ohne Unglück sein kann; es setzt auseinander, dass, wenn alle Leute, die schon von Anfang der Welt auf Erden waren, bis zu dieser Zeit ohne Unglück gewesen wären, dass alle herrschaftlich und ohne Standesunterschied nur sich zu Willen und Belieben wohnen und leben wollten, und dass bei solchem Laufe und Unordnung die Welt schon zu enge wäre für den menschlichen Stolz, Hochmuth und kühnen Sinn, und dass aus wahrem Stolze und Gewalt Einer den Andern verzehren würde!—Dem entgegen aber soll sich der Mensch auszeichnen durch Mässigung und weise Handlungen und thun, wie die Sonne, die der ganzen Welt leuchtet und in sich selbst Licht ist.
Der Kläger aber auf diese Vernunftgründe nicht achtend sagt, dass es nicht einmal möglich wäre, das Leid um die Braut fern zu halten von sich, weil er eine so liebe, holde und edle Braut verloren hätte!—Und er erzählt dazu von ihrer Gestalt und ihren Gewohnheiten. Sie ist »reich an ihrer Ehre«—sagt er—»schön und fröhlich über alle ihre Gespielinnen und Genossinnen; von ordentlichem Wuchse, anmuthiger Sprache, von liebem Anblicke, guten Gewohnheiten, schnellem Schritte, schönem Gange, fröhlichem und freundlichem Zureden, zarter Sprache.« »Ich bin nicht im Stande«, sagt Tkadleček weiter, »von ihr viel zu sprechen, ich bin nicht werth, sie zu loben, noch kann ich ihren Adel ganz beschreiben.... Ueberglückliche Welt, auf der je ein solches überaus edles Geschöpf ist. Wer sie kennt, trennt sich ihretwegen nicht gern von der Welt.« —Und weiter lobt dann Tkadleček auch den, der sie als sein Weib hat, und dass der mit einem Geschenke über alle Geschenke beschenkt ist, und dass kein anderes Geschenk auf der Welt wäre als ein gutes und vollendetes Weib!... »Ach, du allmächtiger, gewaltiger Gott!«—ruft Tkadleček—»was hast du mir für eine Freude gegeben und was für eine Freude habe ich gehabt in meinem jugendlichen Herzen, als ich sie muthig vor mir stehen sah, und ehrbar einherschreiten mit ihrem überaus vorzüglichen Gange, ihrem schönen Wenden, ihrem sachten und ruhigen Umblicken, ihrem lustigen Springen beim Umkehren ... gewiss ich kann sagen, dass ich dieser guten Gewohnheiten nie satt wurde.... Freue dich, du Mann, der du eine solche Gattin hast, ... Weisheit und ein gutes Weib kommt nur von Gott allein!... Ach könnte ich noch vor meinem Tode ihr liebes, anmuthiges, freundliches Wort hören, könnte ich nach Belieben mich mit ihr ausreden, könnte ich ihr öffnen mein geheimnisvolles trauriges und leidvolles Herz!« ...
Aber das Unglück lacht nur zu Alle dem und hält eine lange Rede von der Ehre und Unehrbarkeit u. s. w. und endlich räth es dem Tkadleček, weise zu sein, und wenn nicht Adelheid für ihn sei, dass er sich eine andere, vielleicht wieder eine solche Geliebte, wie diese achtenswerthe gewesen ist, suche. »Du hast uns früher,«—sagt das Unglück, —»gesagt, dass du Tkadlec[89] seist, das verstehen wir; dass du mit dem Kopfe aus dem Böhmerlande stammest, das verstehen wir auch; mit den Füssen von Allerwärts, das verstehen wir auch, ... wohin du dich wendest, auf welche Seite und welches Land immer, dass du dort wie zu Hause seiest.... Auch wissen wir, dass du in manchen Königreichen und manchen königlichen Städten gewesen bist;—aber sage uns ohne Redeschmuck und ohne Schrift, ob du schon einen solchen Menschen gesehen, oder von ihm gehört hast, wie du bist, Tkadleček, dessen Gutes ganz an einem einzigen Menschen und dazu an einem so leichten Menschen gelegen sei, wie diese deine Freude ist? Thu’ wie Thales und danke dem Glücke für die drei grössten Geschenke, womit es dich beschenkt hat: dass du ein Mensch bist und nicht ein Thier, so dass du weisst, was dem menschlichen Verstande gemäss sein soll und was nicht; dann dass du ein Mann bist und nicht ein Weib, und endlich, dass du ein literarisch Gebildeter und nicht ein Laie und dummer Mensch bist.—Gebrauche also deinen gelehrten Verstand. Du sagst, dass sie Hofheizerin war, du lobst ihre Ehrbarkeit und Vollkommenheit u. s. w.« Dann gibt sich das Unglück an die Auseinandersetzung weiblicher Tugenden und worauf sie beruhen. Es fragt, aus welchem Grunde ein Weib ehrbar sei und ob für sich oder für einen Anderen, und sagt, dass die Ehrbarkeit eines Weibes vierfach sei: aus Scham, aus Ueberlegung und Anhänglichkeit, aus Gewohnheit wie bei Hofleuten und endlich aus blosser List bei schmeichlerischen Leuten, die sich nur so zum Lobe oder des Nutzens halber zeigen u. s. w. »Aus welchen von diesen Ursachen war wol diese deine Heizerin vollkommen?« ruft das Unglück weiter; »ei Literat, erinnere dich! Schüler, sei bei Verstande! Höfling, sei nicht so dumm ... und halte das Ross deines Verstandes am Zaume. Wir sagen dies, auf dass du die Rede lassest von dieser Heizerin; ... du bist in den besten Jahren, ... und sie ist ja wol nichts anderes als jeder andere gewöhnliche Mensch.... Es gibt auf der Welt viel überaus guter und ehrenhafter, ... weit ist die Welt weiblicher Ehre, ... deine Füsse sind überall; sei nur nicht faul zu suchen. Solcher, wie sie, findest du, wohin du dich wendest, ... noch vollendetere! ... Vielleicht hast du selbst sie so vollkommen gemacht durch deine Rede und deinen Verstand; ... sei fröhlich und freue dich, dass du mit diesem Geschenke versehen, dass du der lebendige Meister davon bist.... Mit diesem deinem Verstande und deinem Wissen wirst du leicht eine andere gewinnen und vielleicht eine bessere, als diese deine Heizerin gewesen ist; ... glaube nicht, dass wenn du diese deine Heizerin, diese Backofenschürerin verloren hast, auch alle Zeit verloren hast. Es gibt noch viele Zeiten, bevor die Welt endet; ... lass fliessen im Wasser Eis und Schnee ... wisse, dass ein lebender Kopf einen Hutmacher erhält.«
Aber Tkadleček hört nicht auf zu seufzen und auf das Unglück zu schmähen; und sehr naiv sagt er von sich: »Ich bin wahrlich wie ein kleines Kind von der Mutter getrennt ... wie ein unerwachsenes Kätzchen von der Milch zurückgestossen! Wie ein Eselchen, das unausgebildet in seiner Kraft vor der Zeit zur Arbeit getrieben wird, so bin ich dir, Unglück, untergeben und in meinen jungen Jahren schon dir überantwortet.... Leichter ist es einem Wittwer; wenn der seine Freude verliert, so beweint er sie und weiss, dass das nicht anders sein kann, und vergisst sie mit der Zeit. Aber wie ist es mir möglich, meine überaus theure Heizerin zu beweinen, da sie noch lebt, noch gesund ist, in der besten Kraft und grössten Kurzweil, zwar nicht für mich, sondern für einen Andern!... Leute in meinen Jahren gehen von einer Freude in die andere: aber ich stehe schon wie ein dienstbarer und dummer Esel unter meiner Last in einem sumpfigen tiefen Thale, kann mir nicht herauf helfen. Ich bin überall fremd, wohin ich mich wende.... Freiheit habe ich keine, überall ist es mir eng, ich seufze und weine, ich habe nur Gelächter von schlimmen Leuten.... Ich schweife umher, keiner zieht mich zu sich, bald wird aus mir ein Greis.... Hohe Berge muss ich aufsuchen, tiefe Thäler durchkriechen, in finstere Wälder, in öde, ungewohnte Länder, zu unbekannten Leuten muss ich gehen.... Womit könntest du mir das ersetzen, Unglück? Mit nichts Gutem bist du versehen! Nichts thust du zur Zeit, Musse hast du nicht, nichts Gutes hast du bei dir, weder Erbarmen noch Mitleid. Du bist wie der Falke, wie der Sperber, wie Vögel, die vom Fange leben. Du bist wie ein Wolf, wie ein Luchs, Löwe und Bär ... was du thust, thust du zum Schaden der Leute; ... du bist schlimmer als der Henker, heuchlerischer als der Teufel...«. Darauf antwortet dann das Unglück sehr witzig dem Tkadleček und erzählt ihm von den Leiden der Menschen und legt ihm zum Schlusse die Liebe und deren verschiedene Arten auseinander, und wie einer sich von der Liebe befreien soll, der von ihr bemeistert ist.... »Erwäge deine Worte«, sagt es, »die du mit deiner Zunge gar unverständig schmiedest, indem du thust wie ein schlechter Müller, der die Mühlräder loslässt, damit sie mahlen, er selbst aber geht fort, und achtet nicht, wie sie gehen, und wie die Mühle mahlt.... Was klagst du, du guter, ehrbarer Tkadlec, du weiser Schüler, du pfiffiger! Ist es nicht besser, dass wir dich von dieser deiner Küchenkehrerin und Backofenheizerin, die durch ihre List den Ofen mancher guter, weiser, schöner Jünglinge mit heimlicher Liebe entzündet hat; ist es nicht besser, dass wir dich von dieser Lebzeltnerin, dieser Stubenfegerin befreit haben, als dass du in jener Welt ihretwegen verdammt werden sollst? Du solltest dich lieber dafür bedanken.... Hast du etwas Widerwärtiges auf dem Herzen, —verschweige es und bedecke dein Leid.«
Sehr interessant ist dann folgende Stelle, wo das Unglück den Tkadleček an seine eigene Ansicht von der Liebe erinnert, die er in irgend einem Buche niedergelegt hätte. Es scheint mithin, dass Tkadleček vor dieser Unterredung noch irgend eine andere Schrift verfasst, von der wir allerdings nichts Anderes wissen, als was hier erwähnt wird. Das Unglück sagt: »Sage uns, Tkadlec, wohin ist es mit deinem Werke und deinen Büchern gekommen, die du verfasst und zusammengestellt hast, von der Liebe (und zwar von der Verschiedenheit der Liebe, und du hast die Liebe in zwei Theile getheilt und sagst, dass sie heimlich und öffentlich, innerlich und äusserlich sei,) und von allen ihren Theilen ... darin hast du, in diesen deinen Büchern nicht nur die Lehre niedergelegt, wie ein Liebhaber aus feindlichen Unfällen sich ausreden soll, sondern auch noch viele andere Stücke, wovon wir wissen, wem zu Liebe du dies ausgesagt und niedergeschrieben hast u. s. w.... Aber, Tkadleček, weil du so klug und so viel von dieser Liebe gesagt hast, so sage uns doch, mit welcher Liebe liebtest du diese deine Gewisse, von der du immer schwatzest und so viele Reden machst?« Dann begibt sich das Unglück an die Betrachtung der »Complexe« oder »Temperamente«, von denen es ziemlich verkehrte Ansichten entwickelt. Die Physiologie allerdings trat diesmal sehr in den Hintergrund. Die Melancholiker wären nämlich von Allen die gröbsten und an Geist unter allen andern Leuten auch die dümmsten und am meisten vergesslichen! Dann verfolgt er, zwar etwas weitschweifig, aber nicht uninteressant, die Abhandlung über die Liebe, welche endet: »Keine Liebe ist ohne schweren Sinn und kein schwerer Sinn ohne Schmerz, und wo Schmerz, dort ist Noth, wo Noth, dort Trauer, wo Trauer, dort Wehklagen.... Die Liebe ist nur eine Fessel und Trauer und Leid!... So viele Beispiele haben wir dir schon gegeben, dass du es schon gleichsam mit der Hand fühlen könntest ... wir aber müssen diese deine feindliche Rede hören, und wir können nicht allen Hunden, wenn sie unnöthiger Weise bellen, ihren Mund zubinden, und es kann auch nicht immer jeder Hund, der viel bellt, wie er will, viel beissen!« ... »Wir sind ein Bote aus Gottes Hand«, sagt dann das Unglück von sich selbst; »aller feindlichen Handlungen flinker Vollstrecker, wir sind die biegsame Peitsche und der Stock und die Ruthe aller Schöpfung, wir sind der Mäher aller Wiesen und Rasenplätze, der verwelkten und jungen, mit der stumpfen und abgefeilten Sense. Unsere Botschaft ist nicht umsonst. Wir sind die Peitsche, deren Streich heftig geisselt, und nach dem es heftig brennt, und wir übergehen mit der Zeit keinen!... Wir sind der Stock, der sich nie und an keinem bricht, nicht krümmt, nicht zerknickt ... wir sind der Meister alles Handwerkes, aller Leute.... Nicht fragen wir nach Farben: ... da entflieht vor uns nicht die Lilie mit ihrer Schönheit und weissen Farbe, mit ihrer guten Hoffnung, da entfaltet sich uns die rothe Rose mit ihrer Scharlachfarbe brennender Liebe, da versteckt sich nicht vor uns weder der Klee, noch die Wolfsmilch, noch das Immergrün, das jeder begonnenen Liebe Führer ist. Da kann die Feldrose mit ihrer röthlichen Farbe aller Heimlichkeit uns nicht entlaufen. Da erhebt sich die ausgedachte und gestohlene graue Farbe, aus vielen zusammengesetzt, mit ihrem hohen Sinne nicht über uns, da widersetzt sich uns nicht die himmelblaue Kornblume oder der Wegewart mit seiner schlimmen Vorbedeutung, oder mit seiner Vollkommenheit u. s. w.« So ist hier eingeführt die Bedeutung der Farben und Blumen und dem Leser wird ihr allegorischer Sinn bekannt, wie er zu jenen Zeiten anerkannt wurde. »Wir sind ein tiefer Schacht, ohne Luft, mit verfaulten Säulen gestützt ... aus dem Niemand, der einmal hereinfällt, so leicht von selbst wieder herauskommt ... und je höher ein Mensch in seiner Ehre auf der Welt war, desto roher drücken wir ihn herunter ... was wir aber anfangen, das vollendet der Tod!« ... Auf des Tkadleček neuerlichen Angriff nimmt das Unglück abermals das Wort und beginnt seine Rede mit einer Fabel.—»Der Wolf war einmal sehr schwer krank«, sagt es, »und da er gesund werden wollte, versprach er in der Krankheit, kein Fleisch zu essen bis zu seinem Tode. Als er heil und gesund war, konnte er sich einst nichts zu seinem Frasse bei dem grossen Wasser erjagen und begab sich zu einem Bache, um Fische zu suchen, und es begegnete ihm ein Esel, der durch den Bach watete und von der Mühle einen Sack Mehl auf seinem Rücken trug. Der Wolf sagte zu ihm: Helfe dir Gott, lieber Hausen! was habe ich dich heute den ganzen Tag gesucht, bis ich dich getroffen habe. Der Esel antwortet: Lieber Wolf, ich bin ein Esel, ein dummes, dienstbares Thier und bin kein Hausen. Der Wolf antwortet: Hast du vielleicht nicht gehört, dass der Wolf in den Wäldern, die Maus im Loche und der Fisch gern im Wasser zu sein pflegt? Sieh, ich esse kein Fleisch, ausser nur das, was im Wasser ist; du bist jedenfalls ein Hausen oder ein Wels. Der Esel sagt ihm: Du irrst dich und hast dich schlecht unterrichtet. Der Wolf sagt: Sage du diese Rede dem, der keinen Fisch kennt, du bist immerhin Fischfleisch und ich verzehre dich; rede, was du willst, was ich kenne, das kenne ich.... So sei du, Tkadleček, kein Wolf und richte nicht nach deinem Vortheile.... Du thust uns, wie einem bösen Menschen.... Wer nicht darnach trachtet, dass ein Guter ihn liebt, der kann auch wieder keinen Guten lieben.... Viel Gutes haben wir dir gesagt, und du widersetzest dich uns immer.... Ist es nicht besser, dass wir dich von dieser deiner Lieben befreit haben?... Du bist auch befreit von aller ihrer Klugheit und ihrer List, durch die du von ihr gleichsam gebunden und ihr Gefangener warst.... Viele haben viele Anfechtungen, aber dennoch trachten sie, dass sie frei bleiben. Du aber, als du frei warst, hast dich freiwillig in das Gefängnis begeben, und jetzt, da du dich befreien kannst, klagst du über das, wovon du ledig bist. Gönne das einem Anderen und bleibe allein.... Wen gab es je, der mehr beunruhigt wäre, als ein Liebhaber? Und wer magert jemals mehr ab und welkt dahin durch irgend welchen Kummer und Arbeit und weltliche Mühe und altert und geht darin auf manigfaltige Weise zu Grunde, als ein junger, verliebter Mensch, der nicht weiss, woher die Liebe kommt, oder was sie ist, oder was mit ihm vorgeht?... Du klagst, Tkadleček, dass du sie verloren hast, und klagst nicht über dich selbst, dass du ihretwegen deinen Verstand verloren hast.... Glückliche Stunde, die dich von ihr getrennt hat! Denn beraubt all deines Verstandes bist du zurückgekehrt, ... du hast gesehen dein Irren, dass du der Liebe wegen Jahre lang nicht sehen konntest. Du bist zurückgekehrt zur Freude, ... du bist befreit von Kummer, ... leicht schläfst du, reissest dich nicht aus dem Traume, du bist ohne Unruhe, Kummer hast du nicht. Es ist besser, dass du sie jetzt verloren hast, als wenn der Fall eingetreten wäre, dass du sie mit der Zeit hättest verlieren wollen und nicht können.... Sind wir etwa Schuld daran? Haben wir dich von ihr ohne ihren Willen oder mit demselben befreit? Wenn mit ihrem Willen—so freue dich. Wenn sie dir treulos geworden ist, dann erinnere dich, Tkadleček, wie viel guten und edlen Jungfrauen und Frauen du treulos geworden bist. Daher schweig!... Du hast ja nur ein Fieber verloren, sei froh, dass du davon befreit bist.... Die Freiheit ist nicht mit Gold zu bezahlen.... Du machst aus dir einen Thoren und Verblendeten, während du dich, je länger, desto mehr vervollkommnen sollst.... Schweig mithin und schäme dich! Gedenke, dass wer alte Liebe und vergangene Minne aus seinem Herzen und Sinne nicht lassen will, der ihrer nie satt, noch von Trauer befreit wird ... dem wird keine Speise angenehm sein, der hat schon alles Gute und Schlimme, Gesundheit und Krankheit, Weisheit und Unverstand, Witz und Thorheit, wovon du, Tkadleček, weisst, wie du früher ein Buch von der Liebe verfasst hast.« Es räth ihm dann weiter, er möchte lieber diese Liebe und Klage lassen und sich lieber auf die Grammatik und Mathematik u. s. w., überhaupt auf Wissenschaft und Kunst werfen. Sehr interessant sind da die Definitionen verschiedener Wissenschaften, wie auch einige im Tkadleček angeführten Kenntnisse überhaupt sehr wunderbarer Art sind und in die Wissenschaftslehre jener Zeiten einen überraschenden Einblick gewähren. —»Die Philosophie ist der Acker aller Weisheit«, —heisst es dort—»aus dem hervorgeht und entstammt jedes Talent. Und dieses Talent theilt sich in zwei Theile, in Weisheit angeborener Sinne, die man von Natur erkennen kann, und in die Bereicherung vieler angeborener Sitten und Gewohnheiten« u. s. w.... Es wird dort auch unter den Wissenschaften angeführt Geomancia, Pyromancia, Chyromancia, Astrologia, Alchymia und eine ganze Reihe wahnwitziger Afterwissenschaften bis »zur Kunst, deren Name ist Neroka, die mit ihren süssen und gottesfürchtigen Gebeten, mit ihrem gewaltigen Beschwören und verschiedenen Dingen wahres Wissen sich erwirbt« u. s. w. Das Buch endet dann mit einer Mahnung des Unglückes, und wir erfahren nicht, ob Tkadleček etwas darauf gibt, oder nichts und ob er sein Jammern lässt. Diese Schrift also, die unvollendet geblieben ist, befriedigt nicht ganz; denn nicht blos, dass keine Handlung in derselben enthalten ist, sondern auch, dass es keine abschliessenden Gedanken am Schlusse, noch eine Darlegung eines vollkommenen Ausganges der angeführten gibt. Die Handlung liegt ganz im Hintergrunde, und diese Handlung ist sehr einfach, gewöhnlich, durch Nebenumstände nicht beleuchtet. Die Treulosigkeit der Geliebten, dass ist wahrlich ein Stoff, der alle Tage im Leben und im Romane vorkommt, der erst irgend eine Neuheit und Reiz erhält durch Vorführung begleitender Verhältnisse. Davon aber erfahren wir im Tkadleček nichts. Die Gespräche bewegen sich dort fast ausschliesslich nur auf dem Gebiete der Betrachtung, ohne Abschweifungen. Aber der Punkt, um den sich diese Gespräche bewegen, ist die Liebe, die Seele romanhafter Dichtung und des Romanes. Der Mangel an Handlung und unmittelbarer Entwicklung derselben ist allerdings der Hauptfehler dieses Werkes, der aber durch den Reichthum gehaltvoller Reflexionen und anmuthiger Bildlichkeit reichlich aufgewogen wird. Es zeigt sich uns gewiss in diesen Gesprächen ein genug buntes und lebendiges Bild der Zeit, in der sie entstanden, der vorherrschenden Meinungen in derselben, deren Vorurtheile, des Zeitgeistes und der herschenden Sitten, was alles aus dem Privatkreise hervorgeht, aus der einen und einzigen Hauptsituation, der freien Entwickelung, wie gerade der Augenblick es verlangt und keineswegs aus der rein objectiven Darstellung, worauf der Charakteristiker und Beobachter der Cultur achtet. Für den Forscher vergangener Cultur in Böhmen wird es nöthig sein, fleissig in dem Tkadleček nachzusehen, aus dem er gewiss manches lernt, das er in andern gerade belehrenden Schriften von den Sitten der Zeit des Tkadleček kaum zu lesen bekäme, auch manche Sprichwörter findet er dort, die Tkadleček »bäuerisch« nennt, wie: nach Geschmack Missgeschmack, nach Lachen Trauer u. a., auch schöne Sprachformen, die wir durch fremden Einfluss schon ganz verloren haben. Es wäre hier nicht am Platze, in alle Einzelheiten der Charakteristik dieses Buches sich einzulassen; es lag uns nur daran, in einer kurzen Bemerkung hinzuweisen auf die Schrift, deren Hauptgebrechen wir meist nur der nicht gereiften Zeit zuschreiben können, deren schöne Seiten hingegen gerade ein Verdienst des nicht gewöhnlichen Talentes des Verfassers sind. Aber nicht blos das Talent, der Verstand und Phantasie erregen unsere Aufmerksamkeit, sondern auch seine hohe Bildung, der Ueberblick über die allgemeine Literatur und die bewundernswerthe Belesenheit. Der ganze Charakter der Schrift verräth, dass Tkadleček in der Literatur seiner Zeit ganz zu Hause war. Wunderbare Metaphern und Hyperbeln, die er besonders in den ersten Abschnitten der Schrift gebraucht, sind ganz eingerichtet nach der Manier, die damals an den sogenannten Minnehöfen herschte und durch sie in die schöne Literatur jener Zeit eingeführt wurde. Geradezu auffallend aber ist die Bekanntschaft Tkadlečeks mit der alten griechischen und lateinischen Literatur, des alten und neuen Testamentes und der Schriften der Kirchenväter. Es liesse sich ein geistreiches Anecdoton von Aussprüchen alter Weisen zusammenstellen, die in dem Buche des Tkadleček angeführt sind, und es wäre dies eine ganz anständige Sammlung. Wir gewinnen damit neue Beweise von der Cultur in Böhmen zur Zeit, als in Europa ein neuer Geist erwachte, und es ist für uns um so mehr zu beklagen, dass so wenig dichterische Denkmale in böhmischer Sprache aus jenen Zeiten uns erhalten sind, da doch aus dem Buche des Tkadleček ersichtlich ist, dass selbst von ihm noch eine zweite Schrift, die über die Liebe handelt, herausgegeben wurde, von der wir allerdings nichts anderes wissen, als was er selbst aus derselben hier anführt. Wenn aber auch der Tkadleček den Liebhabern der Literatur, den Cultur- und Sprachforschern ein sehr interessantes und wichtiges Buch ist, so ist es doch nichts weniger durch übermässige Weitschweifigkeit, durch Wiederholung ein und desselben Gedankens und weite Auseinandersetzung, so zu sagen, Verwässerung des Planes und die schon lange todten und begrabenen Ansichten für einen gewöhnlichen Leser, der zwar eine belehrende, zugleich aber auch frische Unterhaltung sucht, ein nicht eben verdauliches Buch.—Damit es ein solches werde, müsste man die Pedanterie beseitigen und einen kurzen Auszug aus dem allzulangen Ganzen machen, wie dies einige französische Schriftsteller z. B. J. Janin und andere mit den alten weitschweifigen englischen Romanen, indem sie interessante und pikante Novellen schufen. Allerdings müsste dieser Auszug geistreicher ausgeführt sein, als die deutsche Uebersetzung des Tkadleček und der Auszug aus demselben, der gleich unter den ersten deutschen Drucken erschien und erneuert von Hagen herausgegeben wurde. In Böhmen erschien der Tkadleček gar nicht im Drucke, bis erst im J. 1824 in der Ausgabe von Hanka‹.
Aus den Angaben Al. Adalbert Šemberas, die im Wesentlichen mit den schon angeführten Daten übereinstimmen, will ich nur zwei Stellen anführen. (›Dějiny řeči a literatury české sepsal Alois Vojtěch Šembera. Vydání třetí ve Vídni 1869; d. h. Geschichte der böhm. Spr. und Literatur von Al. Adalbert Šembera. 3. Ausgabe. Wien 1869‹.)
S. 124 sagt er: ›Tkadleček oder die Unterredung zwischen dem Kläger und dem Unglücke über den Verlust der Geliebten. Ein originelles Werk aus dem XIV. Jahrhunderte, verfasst in ungebundener Rede von Ludwig zubenannt Tkadleček, der in Königgrätz lebte zur Zeit der Königin Elisabeth, genannt der pommerischen‹; und an einer andern Stelle ebendaselbst: ›Dieses Gespräch, das gewiss poëtischen Werth hat, wurde schon im XV. Jahrhunderte in das Deutsche übersetzt und gedruckt mit der Aufschrift: »Ackerman (statt: Weber) von Behem«.
Ziemlich eingehend behandelte den Gegenstand auch Dr. Gebauer a. a. O. in der Abhandlung: ›Ludwig Tkadleček‹, aus der ich im Folgenden die wichtigsten Angaben hervorheben will. S. 114 heisst es: ›Den Inhalt dieses Werkes bilden die Klagen eines Verliebten über die Untreue der Geliebten, auf die das Unglück antwortet und sich entschuldigt. Es ist dies ein Gemisch von Gelehrsamkeit und Talent; Gelehrsamkeit zeigt sich in den Citaten, Anspielungen und der stylistischen Form, Talent in dem gewandten Gebrauche alles Möglichen. Der Gegenstand würde genug geeignet gewesen sein zu einer poetischen Bearbeitung; aber unser Verfasser wählte nach dem Geschmacke seiner Zeit lieber die dialektische Gesprächsweise, den gelehrten Streit, deren Formen bekannt waren aus den Schulen und man kämpft hier von beiden Seiten mit Verstandesbeweisen aus der heil. Schrift, mit der Beweiskraft weltlicher Schriften, mit angebornen Beweisgründen und mit verschiedenen Beispielen (II. 79.). Seiner Zeit gefiel eine solche Lecture, uns ermüdet sie jetzt. Daher hat auch das ganze Werk keinen dichterischen Werth und nur in sprachlicher, rhetorischer und literarhistorischer Hinsicht kann man es beurtheilen. Was die Sprache anbelangt, so hat sich darüber schon Dobrovský geäussert: Vor vielen andern albernen Faseleien hätte diese Schrift der guten originellen Ausdrücke wegen wol verdient, gedruckt zu werden (Geschichte der B. Spr. 1818, 157), und Jungmann (Gesch. d. Literat. 1849, 32) nennt sie gleichfalls ein Buch, ausgezeichnet durch die Frische und Gewandtheit der Sprache. Damit stimmen wir vollkommen überein, der Verfasser war gewiss ein sehr gewandter böhmischer Stylist und fast möchten wir ihn den Meister der altböhmischen Belletristik nennen; nicht einmal die nachlässige und mitunter selbst unsinnige Interpunktion Hankas verdarb den Text so, dass die Elasticität des Styles nicht ersichtlich wäre. Aber mit alle dem wird nicht der Hauptfehler unseres Werkes verdeckt, der geschmacklose Inhalt und die unschöne Anlage, und wenn es trotzdem frühzeitig ins Deutsche übersetzt wurde, so können wir uns dies nur daraus erklären, dass der damalige Geschmack des Lesers mit Dialektik sich zufrieden stellte, wo er Poësie hätte verlangen können‹.
Weiterhin heisst es:
›Nach diesen Angaben lebte Ludwig Tkadleček zur Zeit des guten Kaisers Karl (I. 24), der in dieser Zeit böhmischer König war. Er war mit dem Kopfe aus dem Böhmerlande und mit den Füssen von allerwärts (I. 10. d. h., wie das Unglück später auslegt, lebte er an verschiedenen Orten) und lebte im Hofdienste (nach Jungmanns Auslegung an dem Hofe der verwittweten Königin Elisabeth, Lit.-Gesch. 1849, S. 32) in Gräz an der Elbe (I. 13. 85.). Hier erfreute er sich seit einigen Jahren (I. 13.) an der Liebe seiner Adelheid, bis sie das Unglück trennte im Jahre seit Erschaffung der Welt 5167, in demselben Jahre, als Gräz abbrannte und zwar den dritten Monat nach diesem Feuer[90] (ebd.). Hanka verlegt darnach die Trennung der Liebenden in das Jahr 1339, in welchem Jahre nach Bienenberg Gräz abbrannte. Die Jahreszählung vom Anfange der Welt ist entweder schlecht angegeben oder gründet sich auf eine andere Zählung, als die war, an die man sich in Westeuropa gewöhnlich hielt. Der Geburt nach war Tkadleček von mittlerem Stande (I. 74.), also aus dem niederen Adel, da sich nach seiner Auslegung an einem andern Orte (I. 23.) die Leute in drei Stände theilen: In den hohen Stand vom Kaiser zum Grafen, in den niederen Stand, in den der Adeligen, der Edelleute, der Ritter, Herren und Vladiken, und in den niedersten Stand, in den der Bauer und der Bürger gezählt wird.
Tkadleček war sein Zuname. Wie er an einem andern Orte den Zunamen seiner Geliebten in witziger Weise erklärt (I. 14.), so thut er es auch mit seinem (I. 9.) und in dieser Interpretation gibt er sich aus als Gelehrten und Literaten. Er sagt nämlich von sich, dass er ein Weber gelehrten Standes sei, dass er ohne Holz, ohne Rahmen und ohne Eisen weben könne; und an einem andern Orte (I. 12.) sagt das Unglück, dass in diesem Schlage und diesem Weberhandwerke, zu dem sich Tkadleček zählt, der grösste Meister Aristoteles war.
In seiner Jugend lebte er in manchen königlichen und fürstlichen Ländern (1. 74). Liebesabenteuer erlebte er wol genug, denn das Unglück macht ihm diesen Vorwurf: Du sprichst von ihrer (der Geliebten) Treulosigkeit—und Tkadleček, wie viel guten und edlen Jungfrauen und Frauen hast du dich oft treulos erwiesen! (II. 83.). Du warst auch einer von denen, die Alles von ihrer Seite aus wie in einem Drechselstuhle haben, aber sich selbst nicht überantworten wollten (II. 83.). Mit Adelheid traf er unzweifelhaft erst am Hofe in Gräz zusammen. Als die Treulose ihn verliess, und er deshalb auf das Unglück klagte, war er eben in der besten Lage und den besten Jahren (I. 92.), im Jugendalter (ebd.). An einigen andern Stellen wird sein Alter noch bestimmter angegeben, besonders I. 90, I. 91. und ganz besonders I. 87, wo wir erfahren, dass er schon den Jünglingsjahren entwachsen, die bis zu 24 Jahren reichen, dass er vor sich noch das Mannesalter habe, das bis zu 50 Jahren reicht, ebenso das Greisenalter, und dass er sich in der Jugend oder den jungen Jahren des Mannesalters befinde, die im Lateinischen juventus heisse (I. 83.).
Dass die treulose Geliebte des Tkadleček Adelheid hiess, lässt sich auch aus einem Räthsel mit dem ABC errathen (I 13.). Ihr Zuname war nun Pernikářka[91] (I. 14.) und dieser Name wurde ihr gegeben von dem Unglücke (oder dem Geschicke) nicht deshalb, als wäre sie eine solche, sondern deshalb, weil sie das Wort..., wenn sie es einmal irgendwo jemandem sagen wollte, in ihrem Sinne hin und herwälzte (d. h. wie eine Lebzeltnerin den Teig knetet, I. 14.).
Der Geburt nach stammte sie aus mittlerem (I. 80.) oder niederem Stande; genauer wird in dieser Hinsicht gesagt, dass sie adelig war (I. 33.), und aus einer andern Stelle (I. 69.) erhellt, dass sie aus Vladikengeschlechte abstamme. Ihrer Beschäftigung nach aber war sie nur Heizerin am fürstlichen Hofe (I. 33.),—etwas Anderes kannte sie nicht, noch hatte sie etwas Anderes gelernt, noch war sie wo anders als dort, wo der Backofen, Ofen, Kalkofen oder Feuerherd auszubrennen oder zu heizen war (I. 74.),— war sie etwa Hofdame deshalb, weil sie Hofheizerin war? (I. 77.) Ausserdem gibt er ihr auch verächtliche Namen: Backofenschürerin (I. 96., II. 13.), Küchenkehrerin (II. 13. 57.), Stubenkehrerin (II. 15.) u. dgl.
Im Folgenden geht Gebauer ein auf die Beweisführung, dass der Kläger, der sich als Tkadleček einführt, wirklich auch der Verfasser des vorliegenden Werkes sei, und dass er, nach einer Stelle in demselben zu schliessen, noch ein zweites Werk von der Liebe verfasst habe.
Seite 119 fährt er dann fort: ›Von seiner reichen Schulbildung zeugt auch der Umstand, dass er sich fast auf alle Autoren beruft, die in den mittelalterlichen Schulen bekannt waren; so citiert er oft den Isaias, Salomon, Job, David, Ezechiel, Jeremias, Augustin, Gregor, Bernhard u. a., aus den »Heiden« den Cato, Seneca, Ovid, Boethius, Virgil, Valerius, Horaz, Tullius (Cicero), Aristoteles, Socrates, Pythagoras, Plato, Diogenes und viele andere. Aus sehr zahlreichen Erwähnungen sieht man dann, dass er die altklassische Mythologie und Heroënsagen kannte (z. B. von Jason und Medea I. 11. 54. 56., von Pyramus und Thisbe I, 34.), ja aus der Anspielung auf Veles und Zmek zu schliessen (II. 2.), wusste er auch etwas aus der čecho-slavischen Mythologie. Aus der biblischen Geschichte erwähnt er Judit (I. 25.), Esther (I. 26.), Samson (I. 28.), Abraham (I. 70.), Josias (II. 23.), Josef und Pharao (II. 22.), Susana (II. 76.), Daniel (ebd.) u. a. und in der Weltgeschichte spielt er an auf Caesar (I. 24.), Alexander (I. 24. 30. 42., II. 11.) und Polykrates (I. 45., II. 95.) und die ungarischen Ereignisse (I. 24.). Auch von andern Wissenschaften und mancherlei Künsten seiner Zeit hatte er eine ziemliche Kenntnis, wie dies aus der Darlegung erhellt, wo das Unglück behauptet, dass ein jeder sich ihm unterwerfen müsse (II. 91.-94.).
Ausser diesen Zeugnissen von der Schulgelehrsamkeit finden wir auch in dem Werke des Tkadleček einige Fabeln, theils ausgeführt, theils nur angedeutet, und einige böhmische Sprichwörter und Redensarten, besonders die Fabeln, weshalb der Affe einen verstümmelten Schweif (I. 22. 28. 32.), weshalb der Hase lange Ohren hat (I. 22. 32.), weshalb der Hund die Katzen hasse (I. 22. 32.), von dem Wolfe, der die Gänse an dem Pfahle liess, damit er nicht in die Grube falle, von dem Wolfe, der vor den Leuten die Kutte anzog, damit diese ihn ehren (I. 80. 82.), von dem Löwen, der von einer kleinen Maus aus seinem Neste vertrieben wurde (II. 44.), und von dem Wolfe, der in der Krankheit versprach zu fasten und dann einen Esel für einen Fisch (Fastenspeise) verzehrte (II. 72.). Von diesen Fabeln findet sich, so viel ich weiss, nur die vorletzte in dem mittelalterlichen Aesop (z. B. in der Ausgabe Milichthalers Olm. 1584, im I. B. Nr. 18.), die übrigen haben andern Ursprung (die dritte vom Ende erinnert an eine Stelle des deutsch-franz. Reineke) und zwar zum Theile gewiss heimischen tschechoslavischen Ursprung. Auf diese Weise würde dem Verfasser Tkadleček auch das Verdienst gebühren, dass er uns aus der alten stammeseigenen Fabelliteratur wenigstens Etwas bewahrt hat, was an sich wirklichen Werth besitzt. Selbst die Fabel vom Wolfe, der in einer schweren Krankheit ein Gelübde ablegte, dass, wenn er gesund würde, er bis zu seinem Tode kein Fleisch essen wolle, und dann, als er gesund geworden, einen Esel in einer Furth überfiel und als Fastenspeise verzehrte, ist ein sehr wichtiges Ueberbleibsel seiner Art, weil es sich kühnlich mit guten äsopischen Fabeln vergleichen lässt‹.
Dies die wichtigsten Angaben Gebauers. Einiges Neue bringt Josef Jireček in dem Werke: ›Rukovět k dějinám Literatury české do konce XVIII. věku. Svazek II. v Praze 1876; d. h. Handbuch zur Geschichte der böhmischen Literatur bis zu Ende des XVIII. Jahrhunderts. 2. Band. Prag 1876‹. S. 289 sagt er: ›Tkadleček Ludwig, Höfling der Kaiserin Elisabeth, die als Wittwe nach Karl IV. von 1378 bis zu ihrem Tode 1393 mit ihrem Hofe in Königgrätz lebte. Ludwig entbrannte in Liebe zu der Hofdame Adelheid, und als diese sich an einen Andern verheirathete, tröstete er sich dadurch, dass er seinen Jammer niederschrieb. Er selbst sagt von sich, dass er ein Weber aus gelehrtem Stande sei, der ohne Holz, ohne Rahmen und ohne Eisen weben könne. Sein Schiffchen sei aus Vogelwolle (d. h. Feder), er sei mit dem Kopfe aus Böhmen, mit den Füssen von Allerwärts.
Daraus ist zuvörderst ersichtlich, dass der Beiname Tkadleček nur ein angenommener ist, anderseits wieder, dass dieser Ludwig ein gelehrter Mann war, wie auch sonst noch dies sein ganzes Werk beweist. Die Höflinge des kaiserlichen Hofes pflegten aus höheren Geschlechtern zu sein, und es ist kein Zweifel, dass auch Ludwig aus solchem Stande war. Unter den damaligen Personen kennen wir nur eine, auf die diese Merkmale passen und welche diesen Taufnamen führt, der zu jenen Zeiten in Böhmen unter dem Herrenstande ungewöhnlich war, d. i. Ludwig Berka, der im Herbste 1390 in Prag Baccalaureus wurde (Liber Dec. I. 269.).
Unter Adelheid ist vielleicht versteckt Adelheid, die Gemahlin Heinrich Berkas von Dub und Jestřeb, die im Jahre 1405 Wittwe wurde (Arch. č. III. 475.).
Gespräch zwischen dem Kläger und dem Unglücke. Hs. auf dem Strahov 1449. Herausgegeben von W. Hanka. Prag 1824 in 2 Theilen. Die altdeutsche Uebersetzung findet sich unter den ersten Drucken: Hie nach volgend etliche tzumale kluger vnd subtiler rede wissen, wie eyner, der was genant der Ackerman von behem beschiltet den tode u. s. w. (Dobr. L. G. 158.)‹.