Sie ritten auf einander los
Und trafen sich mit hartem Stoss,
Der eine hoch, der andre klein,
Denn Laurin hatte kurze Bein’.
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Fehl ging des Herrn Witeges Schuss,
Doch traf der Zwerg, ihm zum Verdruss,
Und stach ihn nieder in den Klee.
Kein Unglück tat ihm je so weh.
Laurin, der kühne,
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Sprang nieder auf das Grüne;
Er wollte nehmen schweres Pfand,
Den rechten Fuss, die linke Hand,
Und wäre Dietrich nicht gekommen,
Er hätte solches Pfand genommen.
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Erzürnt sprang Dieterich heran,
Und sprach, beschirmend seinen Mann:
“He da, du kleiner Wicht,
Behellige ihn nicht!
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Er ist mir zugesellt,
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Das wisse ja die Welt,
Und mit mir hergekommen.
Würd’ ihm solch Pfand genommen,
Des hätt’ ich immer Schande,
Wenn man es mir im Lande
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Nachsagte, mir dem Berner; nicht
So leicht ertrüg’ ich solch Gerücht.”
Da sprach Laurin, der kleine Mann:
“Was geht mich wohl dein Name an?
Die Märe von dem Berner
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Will ich nicht hören ferner;
Davon hab’ ich genug vernommen.
Mich freut, dass du hierher gekommen:
Du musst mir geben schweres Pfand,
Den rechten Fuss, die linke Hand.
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Du sollst mich kennen lernen, traun!
Den Garten hast du mir verhaun,
Zertreten unter Füssen.
Das sollst du mir nun büssen.
Ich dünk’ euch wohl nicht gross,
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Doch wäre euer Tross
Dreitausend stark und mehr,
Ich schlüg’ das ganze Heer.”
Herr Dietrich hatte gnug gehört;
Er sah sich um nach seinem Pferd,
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Erreichte es in schnellem Lauf,
Sprang ohne Stegereif hinauf,
Ergriff den Ger mit starker Hand—
Da kam sein Meister Hildebrand,
Und dieser vielerfahrne Mann
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Rief also seinen Herren an:
“Mein lieber Dieterich,
Sei klug und höre mich!
Verwirfst du meine Lehre,
Verlierst du wohl die Ehre.
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Verkennst du doch den Wicht!
Dein Reiten taugt hier nicht.
Hättst du die ganze Welt im Bann,
Er sticht dich nieder auf den Plan;
So verlierst du deine Ehr’
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Und darfst dann nimmermehr
Als Fürst mit Fürsten gehen.
Zu Fusse sollst du ihn bestehen,
Steig’ ab vom Rosse auf das Feld;
Das rat’ ich dir, du kühner Held.
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Und höre einen weitern Rat:
Durch Schmiedewerk, wie er es hat,
Kommst du dem Zwerg, wie auch es sei,
Mit Schneidewaffen niemals bei.
Hau’ mit dem Knopf2 ihm um die Ohren
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Und mache ihn also zum Toren.
So trägst du, dir und uns zum Lohn,
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Mit Gottes Hilf’ den Sieg davon.”
Des Meisters Rat war nicht verlorn,
Er sprang von seinem Ross in Zorn:
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“Laurin, ich widersage dir;
Nun, räche deinen Grimm an mir.”
“Ja wohl,” so sprach der Kleine,
“Das tu’ ich ganz alleine.”
Den Schild zu fassen er begann
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Und lief den Berner hastig an.
Er schlug ihm einen grimmen Schlag,
So dass sein Schild auf Erden lag.
Des Berners Zorn war gross;
Er stürtzte auf das Männlein los
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Und schlug auf seinen Schildesrand,
So dass er fiel ihm aus der Hand.
Herr Dieterich von Bern
Hätt’ ihn betäubet gern;
Er rannt’ ihn an und mit dem Knopf
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Schlug er ihn grimmig auf den Kopf,
Dass weit und breit erklang der Ton
Des Helmes und der goldnen Kron’.
Es schwindelte dem Zwerg sogar,
Er wusste nicht, wie’s mit ihm war.
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Er griff in seine Tasche klein
Und holte sich sein Tarnkäpplein,
Worin er gleich unsichtbar ward.
Jetzt ging’s dem Berner erst recht hart.
Der Kleine schlug ihm hier und dort
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Furchtbare Wunden fort und fort,
So dass dem schwergeprüften Mann
Dass Blut nun durch die Brünne rann.
Da sprach der Held von Bern:
“Ich schlüge dich ja gern,
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Doch weiss ich nicht zur Frist,
Wo du zu treffen bist.
Wohin bist du gekommen?
Wer hat dich mir entnommen?”
Der Berner holte aus und schlug
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In grimmem Zorn ob dem Betrug;
Und ellenweit die Waffe sein
Biss in die Felsenwand hinein.
All unverletzt der kleine Mann
Lief abermals den Berner an,
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Der, hart bedrängt, den Streichen
Nicht wusste zu entweichen.
Er kam in furchtbare Gefahr,
Wiewohl er stark und weise war
Und sich aufs Waffenwerk verstand.
Da sprach der weise Hildebrand:
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“Wirst du von einem Zwerg erschlagen,
Kann ich dich nicht so sehr beklagen.
Dir könnt’ es bass gelingen,
Wollt’ er nur mit dir ringen.
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Ergreif’ und halte fest den Butzen,
So ist sein Käpplein ohne Nutzen.”
Der Berner sprach: “Ja, käm’s zum Ringen,
Es könnte mir doch bass gelingen.”
Er trug dem Zwerge grimmig Hass.
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Als dieser nun bemerkte, was
Der Held von ihm begehrte,
Wie bald er’s ihm gewährte!
Er schleuderte sein Schwert von sich
Und stürtzte auf Herrn Dieterich.
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Kraftvoll ergriff der Kleine
Des Riesen starke Beine,
Und beide fielen in den Klee;
Die Schande tat dem Berner weh.
Da sprach—er war ja gleich zur Hand—
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Der weise Meister Hildebrand:
“Dietrich, lieber Herre mein,
Zerreiss’ ihm doch das Gürtelein,
Davon er hat Zwölfmännerkraft;
So magst du werden siegehaft.”
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Nun ging es an ein starkes Ringen,
Noch wollt’s dem Berner nicht gelingen.
Gross war Herrn Dieterichs Bemühn:
Man sah’s ihm aus dem Munde sprühn,
Wie Feuer aus der Esse tut;
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Nicht mehr verträglich war sein Mut.
Zuletzt griff er ins Gürtlein zäh
Und hob das Zwerglein in die Höh’
Mit rasender Gebärde
Und schmiss es auf die Erde.
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Ums Gürtlein war es jetzt getan,
Dem Laurin war es übel dran;
Denn als der Kleine fiel zu Hauf,
Griff Hildebrand das Gürtlein auf,
Das jenem Riesenkraft verlieh.
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Jetzt kam der Zwerg in Not; er schrie
Und heulte, dass der Schall
Ertönte über Berg und Tal.
Demütig rief er Dietrich an:
“Warst du je ein guter Mann,
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So friste mir das Leben.
Ich will mich dir ergeben,
Ich will dir werden untertan
Mit meinem Gut von heute an.”