XXXVI. PETER SUCHENWIRT

The most gifted verse-writer of the poetically barren 14th century. He was a ‘wandering singer’ who depended for his livelihood upon the patronage of princes and spent the most of his life in Austria. He died about 1400. The selection is a translation of his Red’ von der Minne.

A Discourse of Love.

Ich wanderte an einem Tag

In einen wonniglichen Hag,

Darin die Vögel sungen;

Da kam ich unbezwungen

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Auf einem wonniglichen Raume

Zu einem dichtbelaubten Baume,

An deren Wurzeln wundervoll

Hervor ein kaltes Brünnlein quoll.

Da fand ich sitzen hart anbei

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Drei Frauen alle mangelfrei,

Minne, Stæt’ und Gerechtigkeit.

Die erste klagt’ ihr Herzensleid,

Bezwungen von des Schmerzes Not;

Sie sprach: “Ich bin beinahe tot

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An Ehren und an Sinnen:

Die mich sollten minnen,

Sie sind ein ehrloses Geschlecht.

Da ich nun, Minne, mit Unrecht

Auf Erden kam zu solchem Leben,

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Sollt ihr getreuen Rat mir geben.

Gerechtigkeit, in Gottes Namen,

Von dem die zehn Gebote kamen,

Macht, dass mein Recht mir werd’ erteilt:

Wer Minne lasterhaft vergeilt

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Und reiner Frauen Würdigkeit,

Der büss’ es! Das ist nun mein Leid.”

Gerechtigkeit sprach zu der Stæte:

“Wir hätten nötig gute Räte,

Um recht zu richten die Geschicht’.”

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Frau Stæte sprach mit Worten schlicht:

“Nun hört und merkt, was ich will sagen:

Wem Minne Hass mag tragen,

Den wollen wir in aller Schnelle

Sogleich verhören auf der Stelle.”

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Gerechtigkeit tat auf den Mund:

“Macht uns allhier mit Worten kund,

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Durch wen Ihr leidet solche Pein.”

Frau Minne sprach: “Der Jammer mein

Ist leider hart und schauderhaft,

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Weil mancher Prahler lügenhaft

Von reinen Frauen faselt. Ach,

Dass Gott ihn nicht mit seinem Schlag

Getroffen aller Welt zur Lehr’!

Das würde mich erfreuen sehr,

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Wie ich bekenne öffentlich.

Die schnöden Dinge liebt er sich

Und schwatzt von dem, was er nie sah.

Drum sollt’ er in die Höll’ und da

Die heisse Loh ihn sengen,

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Der Teufel hart bedrängen,

Zur Ahndung seiner falschen List,

Weil er ein loser Schwätzer ist.

Darüber sollt ihr richten mir.”

Gerechtigkeit erwidert’ ihr:

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“So sei’s! Ein Urteil soll geschehn:

Ihn soll kein lieblich Aug’ ansehn,

Von einer reinen Frauen zart;

Ihr Mund sei gegen ihn verspart,

Dass ihm kein Gruss mag werden kund

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Von einem rosenroten Mund.

Das ist der strenge Wille mein.”

Frau Stæte sprach: “Ich leid’ auch Pein

In meinem Herzen mannigfalt:

Ich habe Diener, jung und alt,

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Die sagen, dass sie stätig sein

Und tun das öffentlich zum Schein

Bei reinen Frauen manchmal kund;

Doch tief in ihres Herzens Grund

Liegt falscher List ein grosser Hort:

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Das ist der Seele arger Mord

Und reiner Frauen Ungewinn.

Ich wollt’, wer hätt’ so falschen Sinn,

Dass dem doch aus dem Munde sein

Die Zähne wüchsen, wie dem Schwein;

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Daran erkenntlich wären die Leut’,

Und reine Frauen leicht befreit

Von jener Schälkchen loser Schar

Mit Worten sanft und doch nicht wahr,

Mit Zungen, die wie Messer schneiden;

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Ach, was muss man davon leiden!

Und noch eins mich mit Schmerz bewegt:

Dass mancher Blau am Leibe trägt

Und wähnt davon stätig zu sein,

Weil er in blauer Farbe Schein

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Erzeiget sich den Frauen gut.

Mich dünkt nun so in meinem Mut:

Wäre die Farbe, wie man hört,

Die Elle hätte wohl den Wert

Von hundert Gulden sicherlich;

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Doch Stæte wiegt im Herzen sich,

Sie tut nicht von der Farbe kommen,

Drum kann es manchem wenig frommen,

Wenn er der Unstæt’ huldigt

Und wird von Fraun beschuldigt.”

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Ich hört’ ihr Plaudern mannigfalt,

Und was zu tun, entschied ich bald.

Ich ging hinzu und sprach kein Wort.

Frau Minn’ erblickte mich sofort,

Die war gar wundersam geziert:

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“Sag’ mir, mein lieber Suchenwirt,”

Sprach sie, “was tust du hie?”

Geschwinde fiel ich auf ein Knie.

“Gnade, Frau,” darauf sprach ich;

“Der Mai hat Blumen wonniglich

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Im ganzen Land herumgestreut,

Dass manches Herze wird erfreut,

So wie die kleinen Vögelein.

Ich kam verlockt vorn Augenschein

Auf diesen Anger wunderbar;

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Da wurde Euer ich gewahr

Und hörte Eure Klage gross.”

Sie sprach: “Ich bin der Freuden bloss

Und weiss, was ich beginnen soll.

Die Welt ist schlechter Kniffe voll:

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Hast du gehört des Jammers Pein,

So handle nach dem Willen mein

Und tu’ es offenherzig kund

Den Edlen hier zu mancher Stund’,

Dass sie vor Schande hüten sich.”

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“Das tu’ ich gerne, Frau,” sprach ich.

So schied ich von der Minne dann

Beglückt und ohne argen Wahn.

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