2 From ‘Critical Forests’2: Power, not sequence of tones, the essence of poetry.

Ich läugne es also, dass Gegenstände, die auf einander oder deren Teile auf einander folgen, deswegen überhaupt Handlungen heissen: 355 und ebenso läugne ich, dass, weil die Dichtkunst Successionen liefre, sie deswegen Handlungen zum Gegenstande habe. Der Begriff des Successiven ist zu einer Handlung nur die halbe Idee: es muss ein Successives durch Kraft sein: so wird Handlung. Ich denke mir ein in der Zeitfolge wirkendes Wesen, ich denke mir Veränderungen, die durch die Kraft einer Substanz auf einander folgen: so wird Handlung. Und sind Handlungen der Gegenstand der Dichtkunst, so wette ich, wird dieser Gegenstand nie aus dem trocknen Begriff der Succession bestimmt werden können: Kraft ist der Mittelpunkt ihrer Sphäre.

Und dies ist die Kraft, die dem Innern der Worte anklebt, die Zauberkraft, die auf meine Seele durch die Phantasie und Erinnerung wirkt: sie ist das Wesen der Poesie. —Der Leser sieht, dass wir sind, wo wir waren, dass nämlich die Poesie durch willkürliche Zeichen wirke; dass in diesem Willkürlichen, in dem Sinne der Worte, ganz und gar die Kraft der Poesie liege; nicht aber in der Folge der Töne und Worte, in den Lauten, so fern sie natürliche Laute sind. . . .

Handlung, Leidenschaft, Empfindung!—auch ich liebe sie in Gedichten über alles: auch ich hasse nichts so sehr als tote stillstehende Schilderungssucht, insonderheit, wenn sie Seiten, Blätter, Gedichte einnimmt; aber nicht mit dem tödlichen Hasse, um jedes einzelne ausführliche Gemälde, wenn es auch coexistent geschildert würde, zu verbannen; nicht mit dem tödlichen Hasse, um jeden Körper nur mit Einem Beiworte an der Handlung Teil nehmen zu lassen, und denn auch nicht aus dem nämlichen Grunde, weil die Poesie in successiven Tönen schildert, oder weil Homer dies und jenes macht und nicht macht—um deswillen nicht.

Wenn ich Eins von Homer lerne, so ist’s, dass die Poesie energisch wirke: nie in der Absicht, um bei dem letzten Zuge ein Werk, Bild, Gemälde (obwohl successive) zu liefern, sondern, dass schon während der Energie die ganze Kraft empfunden werden müsse. Ich lerne von Homer, dass die Wirkung der Poesie nie aufs Ohr, durch Töne, nicht aufs Gedächtnis, wie lange ich einen Zug aus der Succession behalte, sondern auf meine Phantasie wirke; von hieraus also, sonst nirgendsher, berechnet werden müsse. So stelle ich sie gegen die Malerei und beklage, dass Hr. L. diesen Mittelpunkt des Wesens 356 der Poesie, ‘Wirkung auf unsre Seele, Energie,’ nicht zum Augenmerke genommen.

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