From Klinger’s ‘Storm and Stress,’ Act 1, Scene 1.1

Zimmer im Gasthofe.

Wild, La Feu, Blasius (treten auf in Reisekleidern).

Wild. Heida! nun einmal in Tumult und Lärmen, dass die Sinnen herumfahren wie Dachfahnen beim Sturm! Das wilde Geräusch hat mir schon so viel Wohlsein entgegengebrüllt, dass mir’s wirklich ein wenig anfängt besser zu werden. Soviel hundert Meilen gereiset, um dich in vergessenden Lärmen zu bringen—tolles Herz! du sollst mir’s danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwar! —Wie ist’s euch?

Blasius. Geh zum Teufel! Kommt meine Donna nach?

La Feu. Mach dir Illusion, Narr! Sollt’ mir nicht fehlen, sie von meinem Nagel in mich zu schlürfen, wie einen Tropfen Wasser. Es lebe die Illusion! —Ei, ei! Zauber meiner Phantasie, wandle in den Rosengärten von Phyllis’ Hand geführt—

Wild. Stärk’ dich Apoll, närrischer Junge!

La Feu. Es soll mir nicht fehlen, das schwarze verrauchte Haus gegenüber, mitsamt dem alten Turm, in ein Feenschloss zu verwandeln. Zauber, Zauberphantasie!— (lauschend) Welch lieblich geistige Symphonieen treffen mein Ohr? —Beim Amor! ich will mich wie ein alt Weib verlieben, in einem alten baufälligen Haus wohnen, meinen zarten Leib in stinkenden Mistlaken baden, bloss um meine Phantasie zu scheren. Ist keine alte Hexe da, mit der ich scharmieren könnte? Ihre Runzeln sollen mir zu Wellenlinien der Schönheit werden; ihre herausstehende schwarze Zähne zu marmornen Säulen an Dianens Tempel; ihre herabhangende lederne Zitzen Helenens Busen übertreffen. Einen so aufzutrocknen, wie mich! —He, meine phantastische Göttin! —Wild, ich kann dir sagen, ich hab’ mich brav gehalten die Tour her. Hab’ Dinge gesehen, gefühlt, die kein Hund geschmeckt, keine Nase gerochen, kein Aug gesehen, kein Geist erschwungen—

373 Wild. Besonders wenn ich dir die Augen zuband. Ha! Ha!

La Feu. Zum Orcus! du Ungestüm!— Aber sag’ mir nun auch einmal, wo sind wir in der wirklichen Welt jetzt? In London doch?

Wild. Freilich. Merktest du denn nicht, dass wir uns einschifften? Du warst ja seekrank.

La Feu. Weiss von allem nichts, bin an allem unschuldig.— Lebt denn mein Vater noch? Schick doch einmal zu ihm, Wild, und lass ihm sagen, sein Sohn lebe noch. Käme soeben von den Pyrenäischen Gebirgen aus Friesland. Weiter nichts.

Wild. Aus Friesland?

La Feu. In welchem Viertel der Stadt sind wir dann?

Wild. In einem Feenschloss, La Feu! Siehst du nicht den goldnen Himmel? die Amors und Amouretten? die Damen und Zwergchen?

La Feu. Bind’ mir die Augen zu! (Wild bindet ihm zu.) Wild! Esel! Ochse! nicht zu hart! (Wild bindet ihn los.) He! Blasius, lieber, bissiger, kranker Blasius, wo sind wir?

Blasius. Was weiss ich?

Wild. Um euch einmal aus dem Traum zu helfen, so wisst, dass ich euch aus Russland nach Spanien führte, weil ich glaubte, der König fange mit dem Mogol Krieg an. Wie aber die spanische Nation träge ist, so war’s auch hier. Ich packte euch also wieder auf, und nun seid ihr mitten im Krieg in Amerika. Ha! lass mich’s nur recht fühlen, auf amerikanischem Boden zu stehen, wo alles neu, alles bedeutend ist. Ich trat ans Land—O dass ich keine Freude rein fühlen kann!

La Feu. Krieg und Mord! o meine Gebeine! o meine Schutzgeister! —So gib mir doch ein Feenmärchen! o weh mir!

Blasius. Dass dich der Donner erschlüg’, toller Wild! was hast du wieder gemacht? Ist Donna Isabella noch? He! willst du reden? meine Donna!

Wild. Ha! Ha! Ha! du wirst ja einmal ordentlich aufgebracht.

Blasius. Aufgebracht? Einmal aufgebracht? Du sollst mir’s mit deinem Leben bezahlen, Wild! Was? bin ich wenigstens ein freier Mensch. Geht Freundschaft so weit, dass du in deinen Rasereien einen durch die Welt schleppst wie Kuppelhunde? Uns in die Kutsche zu binden, die Pistole vor die Stirn zu halten, immer 374 fort, klitsch! klatsch! In der Kutsche essen, trinken, uns für Rasende auszugeben, In Krieg und Getümmel von meiner Passion weg, das einzige, was mir übrig blieb—

Wild. Du liebst ja nichts, Blasius.

Blasius. Nein, ich liebe nichts. Ich hab’s so weit gebracht, nichts zu lieben, und im Augenblick alles zu lieben, und im Augenblick alles zu vergessen. Ich betrüge alle Weiber, dafür betrügen und betrogen mich alle Weiber. Sie haben mich geschunden und zusammengedrückt, dass Gott erbarm’! Ich hab’ alle Figuren angenommen. Dort war ich Stutzer, dort Wildfang, dort tölpisch, dort empfindsam, dort Engelländer, und meine grösste Conquete machte ich, da ich nichts war. Das war bei Donna Isabella. Um wieder zurückzukommen—deine Pistolen sind geladen—

Wild. Du bist ein Narr, Blasius, und verstehst keinen Spass.

Blasius. Schöner Spass dies! Greif zu! ich bin dein Feind den Augenblick.

Wild. Mit dir mich schiessen? Sieh, Blasius! Ich wünschte jetzt in der Welt nichts als mich herumzuschlagen, um meinem Herzen einen Lieblingsschmaus zu geben. Aber mit dir? Ha! Ha! (Hält ihm die Pistole vor.) Sieh ins Mundloch und sag, ob dir’s nicht grösser vorkommt als ein Tor in London? Sei gescheit, Freund! Ich brauch’ und lieb’ euch noch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine grössre Narren und Unglücksvögel zusammen führen als uns. Deswegen müssen wir zusammen bleiben, und auch des Spasses halben. Unser Unglück kommt aus unserer eignen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabei getan, aber weniger als wir.

Blasius. Toller Kerl! Ich bin ja ewig am Bratspiess.

La Feu. Mich haben sie lebendig geschunden und mit Pfeffer eingepökelt. —Die Hunde!

Wild. Wir sind nun mitten im Krieg hier, die einzige Glückseligkeit, die ich kenne, im Krieg zu sein. Geniesst der Scenen, tut was ihr wollt.

La Feu. Ich bin nicht für’n Krieg.

Blasius. Ich bin für nichts.

Wild. Gott mach euch noch matter! —Es ist mir wieder so taub vorm Sinn. So gar dumpf. Ich will mich über eine Trommel 375 spannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O könnte ich in dem Raum dieser Pistole existieren, bis mich eine Hand in die Luft knallte! O Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du die Menschen!

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