24. Ein König von damals.

Schon lag der Herr Alkalde in tiefem Schlafe, indem er seinen Rücken dem seiner Ehehälfte zuwendete und, wie unser unsterblicher Quevedo sagt, auf diese Weise die Figur des österreichischen, zweiköpfigen Adlers bildete, als Toñuelo an die Thür des ehemaligen Schlafgemaches klopfte und den Herrn Juan Lopez benachrichtigte, daß die Seña Frasquita, die von der Mühle, mit ihm zu sprechen verlange.

Wir sehen davon ab, alle Flüche und Schwüre, welche das Aufstehen und Ankleiden des Dorfschulzen begleiteten, wiederzugeben und versetzen uns in den Augenblick, in dem die Müllerin ihn herankommen sah, wie er die Schläfrigkeit von sich zu schütteln suchte, gleich einem Gymnastiker, der seine Muskulatur versucht, und unter unendlichem Gähnen ausrief:

»Guten Abend, Seña Frasquita! Was bringt Sie hierher? Hat Ihnen Toñuelo nicht gesagt, daß Sie in der Mühle bleiben sollten? Gehorchen Sie so der Obrigkeit?«

»Ich muß meinen Lucas sehen,« antwortete die Navarresin. »Ich muß ihn auf der Stelle sehen. Sie sollen ihm sagen, daß seine Frau hier ist.«

»Ich muß! Ich muß! Frau, Ihr vergeßt, daß Ihr mit dem Könige sprecht.«

»Ach was, König hin, König her, Señor Juan, ich bin nicht zum Scherz aufgelegt! Ihr wißt wohl zur Genüge, was mir widerfährt. Und zur Genüge weiß ich, warum man meinen Mann arretiert hat.«

»Ich weiß nichts, Seña Frasquita... Und Euer Mann ist nicht arretiert, sondern schläft ruhig in diesem seinem Hause, und ist behandelt worden, wie ich achtbare Leute behandele. Du, Toñuelo! Toñuelo! geh nach dem Strohstall und sage dem Tio Lucas, daß er aufwache und hierhereile... Also, nun erzählen Sie mir, was Ihnen zugestoßen ist. Haben Sie sich gefürchtet, allein zu schlafen?«

»Schämt Euch, Señor Juan! Ihr wißt wohl, daß mir weder Euer Ernst, noch Euer Scherz gefällt. Das, was mir passiert ist, ist sehr einfach — Ihr und der Señor Corregidor habt mich ins Verderben stürzen wollen, und Ihr seid gründlich hineingefallen! Hier stehe ich, ohne daß ich zu erröten brauche, und der Herr Corregidor liegt in der Mühle im Sterben.«

»Im Sterben? der Herr Corregidor?« rief sein Untergebener aus. »Frau, wißt Ihr, was Ihr sagt?«

»Das, was Ihr sagt. Er ist in den Mühlgraben gefallen und wäre beinahe ertrunken und hat sich eine Lungenentzündung geholt, oder was weiß ich. Das ist Sache der Corregidora. Ich will meinen Mann holen und werde wahrscheinlich morgen gleich nach Madrid gehen, um es dem Könige zu erzählen...«

»Teufel, Teufel!« murmelte Señor Juan Lopez. »Du, Manuela, Mädchen, geh und sattle mir das Maultier. Seña Frasquita, ich gehe nach der Mühle. Wehe Euch, wenn Ihr dem Herrn Corregidor ein Leid zugefügt habt!«

»Señor Alkalde! Señor Alkalde!« rief in diesem Augenblicke Toñuelo aus, der mehr tot als lebendig eintrat. »Tio Lucas ist nicht im Strohstall. Sein Esel ist auch nicht an der Krippe, und die Hofthür ist offen... Der Vogel ist davongeflogen.«

»Was sagst du da?« schrie Señor Juan Lopez.

»Heilige Jungfrau von Carmen! Was wird in meinem Hause passieren?« rief die Seña Frasquita aus. »Laßt uns eilen, Señor Alkalde, laßt uns keine Zeit verlieren! Wenn mein Mann den Corregidor zu dieser Stunde trifft, dann schlägt er ihn tot.«

»Glaubt Ihr denn, daß der Tio Lucas in der Mühle ist?«

»Wie soll ich es nicht glauben? Ich sage noch mehr ... Als ich kam, habe ich mich mit ihm, ohne ihn zu kennen, gekreuzt. Ohne Zweifel war er es, der inmitten eines Saatfeldes Feuer angeschlagen hat. Mein Gott, wenn man bedenkt, daß die Tiere mehr Verstand haben als die Menschen. Denn Ihr müßt wissen, Señor Juan, unsere beiden Eselinnen haben sich erkannt und sich begrüßt, während mein Lucas und ich uns weder begrüßt, noch erkannt haben.«

»Das ist mir ein schöner Lucas, Ihr Lucas,« erwiderte der Alkalde. »Nun, wir werden ja gleich unterwegs sein und bald zu beschließen haben, was mit euch allen zu machen ist. Mit mir könnt Ihr aber nicht spielen! Ich bin der König! Aber nicht ein König, wie wir ihn in Madrid haben, oder im Prado, sondern wie der einst in Sevilla, den sie Pedro den Grausamen nannten. Du, Manuela! bring mir den Stock und sage deiner Frau, daß ich fortgehe.«

Die Magd, die eigentlich hübscher war, als es sich für die Alkaldin und die Moral schickte, gehorchte, und da das Maultier des Herrn Juan Lopez gesattelt war, so machten sich die Seña Frasquita und er, von dem unvermeidlichen Toñuelo gefolgt, auf den Weg nach der Mühle.

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