Wie Kriemhild ihr Leid zu rächen gedachte.
In so hohen Ehren, das ist alles wahr, 1437
Wohnten sie beisammen bis an das siebte Jahr.
Eines Sohns war genesen derweil die Königin:
Das schien König Etzel der allergröste Gewinn.
Bis sie es erlangte, ließ sie nicht ab davon, 1438
Die Taufe must empfangen König Etzels Sohn
Nach christlichem Brauche: Ortlieb ward er genannt.
Darob war große Freude über Etzels ganzem Land.
Der Zucht, deren jemals zuvor Frau Helke pflag, 1439
Fliß sich Frau Kriemhild darauf gar manchen Tag.
Es lehrte sie die Sitte Herrat die fremde Maid;
Die trug noch in der Stille um Helke schmerzliches Leid.
Vor Heimischen und Fremden gestanden allesamt 1440
Beßer und milder hab eines Königs Land
Nie eine Frau beseßen: das hielten sie für wahr.
Des rühmten sie die Heunen bis an das dreizehnte Jahr.
Nun wuste sie, daß Niemand ihr feindlich sei gesinnt, 1441
Wie oft wohl Königinnen der Fürsten Recken sind,
Und daß sie täglich mochte zwölf Könge vor sich sehn.
Sie vergaß auch nicht des Leides, das ihr daheim war geschehn.
Sie gedacht auch noch der Ehren in Nibelungenland, 1442
Die ihr geboten worden und die ihr Hagens Hand
Mit Siegfriedens Tode hatte gar benommen,
Und ob ihm das nicht jemals noch zu Leide sollte kommen.
"Es geschäh, wenn ich ihn bringen möcht in dieses Land." 1443
Ihr träumte wohl, ihr gienge bei Etzel an der Hand
Geiselher ihr Bruder; sie küsst' ihn allezeit
In ihrem sanften Schlafe: das ward zu schmerzlichem Leid.
Der üble Teufel war es wohl, der Kriemhilden rieth, 1444
Daß sie in Freundschaft von König Gunther schied
Und ihn zur Sühne küsste in Burgundenland.
Aufs Neu begann zu triefen von heißen Thränen ihr Gewand.
Es lag ihr an dem Herzen beides, spat und fruh, 1445
Wie man mit Widerstreben sie doch gebracht dazu,
Daß sie minnen muste einen heidnischen Mann:
Die Noth hatt ihr Hagen und Herr Gunther angethan.
Wie sie das rächen möchte, dachte sie alle Tage: 1446
"Ich bin nun wohl so mächtig, wem es auch missbehage,
Daß ich meinen Feinden mag schaffen Herzeleid:
Dazu wär ich dem Hagen von Tronje gerne bereit.
"Nach den Getreuen jammert noch oft die Seele mein; 1447
Doch die mir Leides thaten, möcht ich bei denen sein,
So würde noch gerochen meines Friedels Tod.
Kaum kann ich es erwarten," sprach sie in des Herzens Noth.
Es liebten sie Alle, die dem König unterthan, 1448
Die Recken Kriemhildens; das war wohlgethan.
Ihr Kämmerer war Eckewart: drum ward er gern gesehn:
Kriemhildens Willen konnte Niemand widerstehn.
Sie gedacht auch alle Tage: "Ich will den König bitten," 1449
Er möcht ihr vergönnen mit gütlichen Sitten,
Daß man ihre Freunde brächt in der Heunen Land.
Den argen Willen Niemand an der Königin verstand.
Als eines Nachts Frau Kriemhild bei dem König lag, 1450
Umfangen mit den Armen hielt er sie, wie er pflag
Der edeln Frau zu kosen, sie war ihm wie sein Leib,
Da gedachte ihrer Feinde dieses herrliche Weib.
Sie sprach zu dem König: "Viel lieber Herre mein, 1451
Ich wollt euch gerne bitten, möcht es mit Hulden sein,
Daß ihr mich sehen ließet, ob ich verdient den Sold,
Daß ihr meinen Freunden wäret inniglich hold."
Da sprach der mächtge König, arglos war sein Muth: 1452
"Des sollt ihr inne werden: was man den Helden thut
Zu Ehren und zu Gute, mir geschieht ein Dienst daran,
Da ich von Weibesminne nie beßre Freunde gewann."
Noch sprach zu ihm die Königin: "Ihr wißt so gut wie ich, 1453
Ich habe hohe Freunde: darum betrübt es mich,
Daß mich die so selten besuchen hier im Land:
Ich bin allen Leuten hier nur als freundlos bekannt."
Da sprach der König Etzel: "Viel liebe Fraue mein, 1454
Däucht' es sie nicht zu ferne, so lüd ich überrhein,
Die ihr da gerne sähet, hieher zu meinem Land."
Sie freute sich der Rede, als ihr sein Wille ward bekannt.
Sie sprach: "Wollt ihr mir Treue leisten, Herre mein, 1455
So sollt ihr Boten senden gen Worms überrhein.
So entbiet ich meinen Freunden meinen Sinn und Muth:
So kommen uns zu Lande viel Ritter edel und gut."
Er sprach: "Wenn ihr gebietet, so laß ich es geschehn. 1456
Ihr könntet eure Freunde nicht so gerne sehn,
Der edeln Ute Kinder, als ich sie sähe gern:
Es ist mir ein Kummer, daß sie so fremd uns sind und fern."
Er sprach: "Wenn dirs gefiele, viel liebe Fraue mein, 1457
Wollt ich als Boten senden zu den Freunden dein
Meine Fiedelspieler gen Burgundenland."
Die guten Spielleute ließ man bringen gleich zur Hand.
Die Knappen kamen beide, wo sie den König sahn 1458
Sitzen bei der Königin. Da sagt' er ihnen an,
Sie sollten Boten werden nach Burgundenland.
Auch ließ er ihnen schaffen reiches herrliches Gewand.
Vierundzwanzig Recken schnitt man da das Kleid. 1459
Ihnen ward auch von dem König gegeben der Bescheid,
Wie sie Gunthern laden sollten und Die ihm unterthan.
Frau Kriemhild mit ihnen geheim zu sprechen begann.
Da sprach der reiche König: "Nun hört, wie ihr thut: 1460
Ich entbiete meinen Freunden alles, was lieb und gut,
Daß sie geruhn zu reiten hieher in mein Land.
Ich habe noch gar selten so liebe Gäste gekannt.
"Und wenn sie meinen Willen gesonnen sind zu thun, 1461
Kriemhilds Verwandte, so mögen sie nicht ruhn
Und mir zu Liebe kommen zu meinem Hofgelag,
Da meiner Schwäger Freundschaft mich so sehr erfreuen mag."
Da sprach der Fiedelspieler, der stolze Schwemmelein: 1462
"Wann soll euer Gastgeber in diesen Landen sein?
Daß wirs euern Freunden am Rhein mögen sagen."
Da sprach der König Etzel: "In der nächsten Sonnenwende Tagen."
"Wir thun, was ihr gebietet," sprach da Werbelein. 1463
Kriemhild ließ die Boten zu ihrem Kämmerlein
Führen in der Stille und besprach mit ihnen da,
Wodurch noch manchem Degen bald wenig Liebes geschah.
Sie sprach zu den Boten: "Ihr verdient groß Gut, 1464
Wenn ihr besonnen meinen Willen thut
Und sagt, was ich entbiete heim in unser Land:
Ich mach euch reich an Gute und geb euch herrlich Gewand.
"Wen ihr von meinen Freunden immer möget sehn 1465
Zu Worms an dem Rheine, dem sollt ihrs nie gestehn,
Daß ihr mich immer sähet betrübt in meinem Muth;
Und entbietet meine Grüße diesen Helden kühn und gut.
"Bittet sie zu leisten, was mein Gemahl entbot, 1466
Und mich dadurch zu scheiden von all meiner Noth.
Ich scheine hier den Heunen freundlos zu sein.
Wenn ich ein Ritter hieße ich käme manchmal an den Rhein.
"Und sagt auch Gernoten, dem edeln Bruder mein, 1467
Daß ihm auf Erden Niemand holder möge sein:
Bittet, daß er mir bringe hierher in dieses Land
Unsre besten Freunde: so wird uns Ehre bekannt.
"Sagt auch Geiselheren, ich mahn ihn daran, 1468
Daß ich mit seinem Willen nie ein Leid gewann:
Drum sähn ihn hier im Lande gern die Augen mein;
Auch will ich all mein Leben ihm zu Dienst verpflichtet sein.
"Sagt auch meiner Mutter, wie mir Ehre hier geschieht; 1469
Und wenn von Tronje Hagen der Reise sich entzieht,
Wer ihnen zeigen solle die Straßen durch das Land?
Die Wege zu den Heunen sind von frühauf ihm bekannt."
Nun wusten nicht die Boten, warum das möge sein, 1470
Daß sie diesen Hagen von Tronje nicht am Rhein
Bleiben laßen sollten. Bald ward es ihnen leid:
Durch ihn war manchem Degen mit dem grimmen Tode gedräut.
Botenbrief und Siegel ward ihnen nun gegeben; 1471
Sie fuhren reich an Gute und mochten herrlich leben.
Urlaub gab ihnen Etzel und sein schönes Weib;
Ihnen war auch wohlgezieret mit guten Kleidern der Leib.
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