Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt.
Jenseits des Rheins sah man dem Gestad 596
Mit allen seinen Gästen den König schon genaht.
Da sah man auch am Zaume leiten manche Maid:
Die sie empfangen sollten, die waren alle bereit.
Als bei den Schiffen ankam von Isenland die Schar 597
Und die der Nibelungen, die Siegfried eigen war,
Sie eilten an das Ufer; wohl fliß sich ihre Hand,
Als man des Königs Freunde jenseits am Gestade fand.
Nun hört auch die Märe von der Königin, 598
Ute der reichen, wie sie die Mägdlein hin
Brachte von der Veste und selber ritt zum Strand.
Da wurden mit einander viel Maid' und Ritter bekannt.
Der Markgraf Gere führte am Zaum Kriemhildens Pferd 599
Bis vor das Thor der Veste; Siegfried der Degen werth
Durft ihr weiter dienen; sie war so schön und hehr.
Das ward ihm wohl vergolten von der Jungfrau nachher.
Ortwein der kühne führte Ute die Königin, 600
Und so ritt mancher Ritter neben den Frauen hin.
Zu festlichem Empfange, das mag man wohl gestehn,
Wurden nie der Frauen so viel beisammen gesehn.
Viel hohe Ritterspiele wurden da getrieben 601
Von preiswerthen Helden (wie wär es unterblieben?)
Vor Kriemhild der schönen, die zu den Schiffen kam.
Da hub man von den Mähren viel der Frauen lobesam.
Der König war gelandet mit fremder Ritterschaft. 602
Wie brach da vor den Frauen mancher starke Schaft!
Man hört' auf den Schilden erklingen Stoß auf Stoß.
Hei! reicher Buckeln Schallen ward im Gedränge da groß!
Vor dem Hafen standen die Frauen minniglich; 603
Gunther mit seinen Gästen hub von den Schiffen sich:
Er führte Brunhilden selber an der Hand.
Wider einander leuchtete schön Gestein und licht Gewand.
In höfischen Züchten hin Frau Kriemhild gieng, 604
Wo sie Frau Brunhilden und ihr Gesind empfieng.
Man konnte lichte Hände am Kränzlein rücken sehn,
Da sich die Beiden küssten: das war aus Liebe geschehn.
Da sprach wohlgezogen Kriemhild das Mägdelein: 605
"Ihr sollt uns willkommen in diesem Lande sein,
Mir und meiner Mutter, und Allen, die uns treu
Von Mannen und von Freunden." Da verneigten sich die Zwei.
Oftmals mit den Armen umfiengen sich die Fraun. 606
So minniglich Empfangen war nimmer noch zu schaun,
Als die Frauen beide der Braut da thaten kund,
Frau Ute mit der Tochter: sie küssten oft den süßen Mund.
Da Brunhilds Frauen alle nun standen auf dem Strand, 607
Von waidlichen Recken wurden bei der Hand
Freundlich genommen viel Frauen ausersehn.
Man sah die edeln Maide vor Frau Brunhilden stehn.
Bis der Empfang vorüber war, das währte lange Zeit, 608
Manch rosigem Munde war da ein Kuß bereit.
Noch standen bei einander die Königinnen reich:
Das freuten sich zu schauen viel der Recken ohne Gleich.
Da spähten mit den Augen, die oft gehört vorher, 609
Man hab also Schönes gesehen nimmermehr
Als die Frauen beide: das fand man ohne Lug.
Man sah an ihrer Schöne auch nicht den mindesten Trug.
Wer Frauen schätzen konnte und minniglichen Leib, 610
Der pries um ihre Schöne König Gunthers Weib;
Doch sprachen da die Kenner, die es recht besehn,
Man müße vor Brunhilden den Preis Kriemhilden zugestehn.
Nun giengen zu einander Mägdelein und Fraun; 611
Es war in hoher Zierde manch schönes Weib zu schaun.
Da standen seidne Hütten und manches reiche Zelt,
Womit man erfüllt sah hier vor Worms das ganze Feld.
Des Könige Freunde drängten sich, um sie zu sehn. 612
Da hieß man Brunhilden und Kriemhilden gehn
Und all die Fraun mit ihnen hin, wo sich Schatten fand;
Es führten sie die Degen aus der Burgunden Land.
Nun waren auch die Gäste zu Ross geseßen all; 613
Da gabs beim Lanzenbrechen durch Schilde lauten Schall.
Das Feld begann zu stäuben, als ob das ganze Land
Entbrannt wär in der Lohe: da machten Helden sich bekannt.
Was da die Recken thaten, sah manche Maid mit an. 614
Wohl ritt mit seinen Degen Siegfried der kühne Mann
In mancher Wiederkehre vorbei an dem Gezelt;
Der Nibelungen führte tausend Degen der Held.
Da kam von Tronje Hagen, wie ihm der König rieth; 615
Der Held mit guter Sitte die Ritterspiele schied,
Daß sie nicht bestaubten die schönen Mägdelein:
Da mochten ihm die Gäste gerne wohl gehorsam sein.
Da sprach der edle Gernot: "Die Rosse laßt stehn, 616
Bis es beginnt zu kühlen, daß wir die Frauen schön
Mit unserm Dank geleiten bis vor den weiten Saal;
Will dann der König reiten, find er euch bereit zumal."
Das Kampfspiel war vergangen über all dem Feld: 617
Da giengen kurzweilen in manches hohe Zelt
Die Ritter zu den Frauen um hoher Lust Gewinn:
Da vertrieben sie die Stunden, bis sie weiter sollten ziehn.
Vor des Abends Nahen, als sank der Sonne Licht 618
Und es begann zu kühlen, ließ man es länger nicht:
Zu der Veste huben Fraun und Ritter sich;
Mit Augen ward geliebkost mancher Schönen minniglich.
Von guten Knechten wurden viel Pferde müd geritten 619
Vor den Hochgemuthen nach des Landes Sitten,
Bis vor dem Saale abstieg der König werth.
Da diente man den Frauen und hob sie nieder vom Pferd.
Da wurden auch geschieden die Königinnen reich. 620
Hin gieng Frau Ute und Kriemhild zugleich
Mit ihrem Ingesinde in ein weites Haus:
Da vernahm man allenthalben der Freude rauschenden Braus.
Man richtete die Stühle: der König wollte gehn 621
Zu Tisch mit den Gästen. Da sah man bei ihm stehn
Brunhild die schöne, die da die Krone trug
In des Königs Lande: sie erschien wohl reich genug.
Da sah man schöne Sitze und gute Tafeln breit 622
Mit Speisen beladen, so hörten wir Bescheid.
Was sie da haben sollten, wie wenig fehlte dran!
Da sah man bei dem König gar manchen herrlichen Mann.
Des Wirthes Kämmerlinge im Becken goldesroth 623
Reichten ihnen Wasser. Das wär vergebne Noth,
Sagte wer, man hätte je fleißgern Dienst gethan
Bei eines Fürsten Hochzeit: ich glaubte schwerlich daran.
Eh der Vogt am Rheine hier das Wasser nahm, 624
Zu Gunthern trat da Siegfried, er durft es ohne Scham,
Und mahnt' ihn seiner Treue, die er ihm gab zu Pfand,
Bevor er Brunhilden daheim gesehn in Isenland.
Er sprach zu ihm: "Gedenket, mir schwur eure Hand, 625
Wenn wir Frau Brunhild brächten in dieß Land,
Ihr gäbt mir eure Schwester: wo blieb nun der Eid?
Ihr wißt, bei eurer Reise war keine Mühe mir leid."
Da sprach der Wirth zum Gaste: "Recht, daß ihr mich mahnt. 626
Ich will den Eid nicht brechen, den ich schwur mit Mund und Hand,
Ich helf es euch fügen, so gut es mag geschehn."
Da hieß man Kriemhilden zu Hof vor den König gehn.
Mit ihren schönen Maiden kam sie vor den Saal. 627
Da sprang von einer Stiege Geiselher zu Thal:
"Nun heißt wiederkehren diese Mägdelein:
Meine Schwester soll alleine hier bei dem Könige sein."
Hin brachten sie Kriemhilden, wo man den König fand: 628
Da standen edle Ritter von mancher Fürsten Land.
In dem weiten Saale hieß man sie stille stehn;
Frau Brunhilden sah man eben auch zu Tische gehn.
Sie hatte keine Kunde, was da im Werke war. 629
Da sprach König Dankrats Sohn zu seiner Mannen Schar:
"Helft mir, daß meine Schwester Siegfrieden nimmt zum Mann."
Sie sprachen einhellig: "Das wäre gar wohl gethan."
Da sprach der König Gunther: "Schwester, edle Maid, 630
Bei deiner Zucht und Güte löse meinen Eid.
Ich schwur dich einem Recken, und nimmst du ihn zum Mann,
So hast du meinen Willen mit großen Treuen gethan."
Die edle Maid versetzte: "Lieber Bruder mein, 631
Ihr sollt mich nicht flehen, ich will gehorsam sein.
Wie ihr mir gebietet, so soll es sein gethan:
Dem will ich mich verloben, den ihr, Herr, mir gebt zum Mann."
Von lieber Augenweide Ward Siegfrieds Farbe roth: 632
Zu Diensten sich der Recke Frau Kriemhilden bot.
Man ließ sie mit einander in einem Kreise stehn,
Und frug sie, ob sie wolle diesen Recken ausersehn?
Scheu, wie Mädchen pflegen, schämte sie sich ein Theil; 633
Jedoch war Siegfrieden so günstig Glück und Heil,
Daß sie nicht verschmähen wollte seine Hand.
Auch versprach sich ihr zum Manne der edle Held von Niederland.
Da er sich ihr verlobte und sich ihm die Maid, 634
Ein gütlich Umfangen war da alsbald bereit
Von Siegfriedens Armen dem schönen Mägdlein zart:
Die edle Königin küsst' er in der Helden Gegenwart.
Sich schied das Gesinde. Als das geschah, 635
Auf dem Ehrenplatze man Siegfrieden sah,
Mit Kriemhilden sitzen; da dient' ihm mancher Mann.
Man sah die Nibelungen mit ihm den Sitzen sich nahm.
Der König saß zu Tische bei Brunhild der Maid. 636
Da sah sie Kriemhilden (nichts war ihr je so leid)
Bei Siegfrieden sitzen: zu weinen hub sie an,
Daß ihr manch heiße Thräne über lichte Wangen rann.
Da sprach der Wirth des Landes: "Was ist euch, Fraue mein, 637
Daß ihr so trüben laßet lichter Augen Schein?
Ihr solltet recht euch freuen: euch ist unterthan
Mein Land und reiche Burgen und mancher waidliche Mann."
"Recht weinen sollt ich eher," sprach die schöne Maid. 638
"Deiner Schwester wegen trag ich Herzeleid.
Ich seh sie sitzen neben dem Eigenholden dein:
Wohl muß ich immer weinen, soll sie so erniedrigt sein."
Da sprach der König Gunther: "Schweigt davon jetzt still, 639
Da ich euch ein andermal die Kunde sagen will,
Warum meine Schwester Siegfrieden ward gegeben.
Wohl mag sie mit dem Recken allezeit in Freuden leben."
Sie sprach: "Mich jammern immer ihre Schönheit, ihre Zucht; 640
Wüst ich, wohin ich sollte, ich nähme gern die Flucht
Und wollt euch nimmer eher nahe liegen bei,
Bis ich wüste, weshalb Kriemhild die Braut von Siegfrieden sei."
Da sprach König Gunther: "Ich mach es euch bekannt: 641
Er hat selber Burgen wie ich und weites Land.
Das dürft ihr sicher glauben, er ist ein König reich:
Drum gönn ich ihm zum Weibe die schöne Magd ohne Gleich."
Was ihr der König sagte, traurig blieb ihr Muth. 642
Da eilte von den Tischen mancher Ritter gut:
Das Kampfspiel ward so heftig, daß rings die Burg erklang.
Dem Wirth bei seinen Gästen ward die Weile viel zu lang.
Er dacht: "Ich läge sanfter der schönen Frauen bei." 643
Er wurde des Gedankens nicht mehr im Herzen frei,
Von ihrer Minne müße ihm Liebes viel geschehn.
Da begann er freundlich Frau Brunhilden anzusehn.
Vom Ritterspiel die Gäste bat man abzustehn: 644
Mit seinem Weibe wollte zu Bett der König gehn.
Vor des Saales Stiege begegneten da
Sich Kriemhild und Brunhild; noch in Güte das geschah.
Da kam ihr Ingesinde; sie säumten länger nicht: 645
Ihre reichen Kämmerlinge brachten ihnen Licht.
Es theilten sich die Recken in beider Könge Lehn.
Da sah man viel der Degen hinweg mit Siegfrieden gehn.
Die Helden kamen beide hin, wo sie sollten liegen. 646
Da dachte Jedweder mit Minnen obzusiegen
Den minniglichen Frauen: des freute sich ihr Muth.
Siegfriedens Kurzweil die wurde herrlich und gut.
Als Siegfried der Degen bei Kriemhilden lag 647
Und er da der Jungfrau so minniglich pflag
Mit seinem edeln Minnen, sie ward ihm wie sein Leben:
Er hätte nicht die eine für tausend andre gegeben.
Ich sag euch nicht weiter, wie er der Frauen pflag. 648
Nun hört diese Märe, wie König Gunther lag
Bei Brunhild der Frauen; der zierliche Degen
Hätte leichtlich sanfter bei andern Frauen gelegen.
Das Volk hatt ihn verlaßen zumal, so Frau als Mann: 649
Da ward die Kemenate balde zugethan.
Er wähnt', er solle kosen ihren minniglichen Leib:
Da währt' es noch gar lange, bevor sie wurde sein Weib.
Im weißen Linnenhemde gieng sie ins Bett hinein. 650
Der edle Ritter dachte: "Nun ist das alles mein,
Wes mich je verlangte in allen meinen Tagen."
Sie must ob ihrer Schöne mit großem Recht ihm behagen.
Das Licht begann zu bergen des edeln Königs Hand. 651
Hin gieng der kühne Degen, wo er die Jungfrau fand.
Er legte sich ihr nahe: seine Freude die war groß,
Als die Minnigliche der Held mit Armen umschloß.
Minnigliches Kosen möcht er da viel begehn, 652
Ließe das willig die edle Frau geschehn.
Doch zürnte sie gewaltig: den Herrn betrübte das.
Er wähnt, er fände Freude, da fand er feindlichen Haß.
Sie sprach: "Edler Ritter, laßt euch das vergehn: 653
Was ihr da habt im Sinne, das kann nicht geschehn.
Ich will noch Jungfrau bleiben, Herr König, merkt euch das,
Bis ich die Mär erfahre." Da faßte Gunther ihr Haß.
Er rang nach ihrer Minne und zerrauft' ihr Kleid. 654
Da griff nach einem Gürtel die herrliche Maid,
Einer starken Borte, die sie um sich trug:
Da that sie dem König großen Leides genug.
Die Füß und die Hände sie ihm zusammenband, 655
Zu einem Nagel trug sie ihn und hieng ihn an die Wand.
Als er im Schlaf sie störte, sein Minnen sie verbot.
Von ihrer Stärke hätt er beinah gewonnen den Tod.
Da begann zu flehen, der Meister sollte sein: 656
"Nun löst mir die Bande, viel edle Fraue mein.
Ich getrau euch, schöne Herrin, doch nimmer obzusiegen
Und will auch wahrlich selten mehr so nahe bei euch liegen."
Sie frug nicht, wie ihm wäre, da sie in Ruhe lag. 657
Dort must er hangen bleiben die Nacht bis an den Tag,
Bis der lichte Morgen durchs Fenster warf den Schein:
Hatt er je Kraft beseßen, die ward an seinem Leibe klein.
"Nun sagt mir, Herr Gunther, ist euch das etwa leid, 658
Wenn euch gebunden finden," sprach die schöne Maid,
"Eure Kämmerlinge von einer Frauen Hand?"
Da sprach der edle Ritter: "Das würd euch übel gewandt.
"Auch wär mirs wenig Ehre," sprach der edle Mann: 659
"Bei eurer Zucht und Güte nehmt mich nun bei euch an.
Und ist euch meine Minne denn so mächtig leid,
So will ich nie berühren mit meiner Hand euer Kleid."
Da löste sie den König, daß er nicht länger hieng; 660
Wieder an das Bette er zu der Frauen gieng.
Er legte sich so ferne, daß er ihr Hemde fein
Nicht oft darnach berührte: auch wollte sie des ledig sein.
Da kam auch ihr Gesinde, das brachte neu Gewand: 661
Des war heute Morgen genug für sie zur Hand.
Wie froh man da gebahrte, traurig war genug
Der edle Wirth des Landes, wie er des Tags die Krone trug.
Nach des Landes Sitte, die zu begehen Pflicht, 662
Unterließ es Gunther mit Brunhild länger nicht:
Sie giengen nach dem Münster, wo man die Messe sang.
Dahin auch kam Herr Siegfried; da hob sich mächtiger Drang.
Nach königlichen Ehren war da für sie bereit, 663
Was sie haben sollten, die Krone wie das Kleid.
Da ließen sie sich weihen: als das war geschehn,
Da sah man unter Krone alle Viere herrlich stehn.
Das Schwert empfiengen Knappen, sechshundert oder mehr, 664
Den Königen zu Ehren auf meines Worts Gewähr.
Da hob sich große Freude in Burgundenland:
Man hörte Schäfte brechen an der Schwertdegen Hand.
Da saßen in den Fenstern die schönen Mägdelein. 665
Sie sahen vor sich leuchten manches Schildes Schein.
Nun hatte sich der König getrennt von seinem Lehn:
Was man beginnen mochte, er ließ es trauernd geschehn.
Ihm und Siegfrieden ungleich stand der Muth: 666
Wohl wuste, was ihm fehlte, der edle Ritter gut.
Da gieng er zu dem König, zu fragen er begann:
"Wie ists euch gelungen die Nacht, das saget mir an."
Da sprach der Wirth zum Gaste: "Den Schimpf und den Schaden 667
Hab ich an meiner Frauen in mein Haus geladen.
Ich wähnte sie zu minnen, wie schnell sie mich da band!
Zu einem Nagel trug sie mich und hieng mich hoch an die Wand.
"Da hieng ich sehr in Aengsten die Nacht bis an den Tag. 668
Eh sie mich wieder löste, wie sanft sie da lag!
Das sei dir in der Stille geklagt in Freundlichkeit."
Da sprach der starke Siegfried: "Das ist in Wahrheit mir leid.
"Das will ich euch beweisen, verschmerzt ihr den Verdruß. 669
Ich schaffe, daß sie heute Nacht so nah euch liegen muß,
Daß sie euch ihre Minne nicht länger vorenthält."
Die Rede hörte gerne nach seinem Leide der Held.
"Nun schau meine Hände, wie die geschwollen sind: 670
Die drückte sie so mächtig, als wär ich ein Kind,
Daß Blut mir allenthalben aus den Nägeln drang.
Ich hegte keinen Zweifel, mein Leben währe nicht lang."
Da sprach der starke Siegfried: "Es wird noch Alles gut. 671
Uns Beiden war wohl ungleich heute Nacht zu Muth.
Mir ist deine Schwester wie Leben lieb und Leib!
So muß nun auch Frau Brunhild noch heute werden dein Weib.
"Ich komme heut Abend zu deinem Kämmerlein 672
Also wohl verborgen in der Tarnkappe mein,
Daß sich meiner Künste Niemand mag versehn.
Laß dann die Kämmerlinge zu ihren Herbergen gehn:
"So lesch ich den Knappen die Lichter an der Hand: 673
Bei diesem Wahrzeichen sei dir bekannt,
Daß ich hereingetreten. Wohl zwing ich dir dein Weib,
Daß du sie heute minnest, ich verlör' denn Leben und Leib."
"Wenn du sie nicht minnest," der König sprach da so, 674
"Meine liebe Fraue: des Andern bin ich froh;
Was du auch thust und nähmst du Leben ihr und Leib,
Das wollt ich wohl verschmerzen: sie ist ein schreckliches Weib."
"Das nehm ich," sprach da Siegfried, "auf die Treue mein, 675
Daß ich sie nicht berühre; die liebe Schwester dein
Geht mir über alle, die ich jemals sah."
Wohl glaubte König Gunther der Rede Siegfriedens da.
Da gabs von Ritterspielen Freude so wie Noth. 676
Den Buhurd und das Lärmen man allzumal verbot.
Als die Frauen sollten nach dem Saale gehn,
Geboten Kämmerlinge den Leuten, nicht im Weg zu stehn.
Von Rossen und von Leuten räumte man den Hof. 677
Der Frauen Jedwede führt' ein Bischof,
Als sie vor den Königen zu Tische sollten gehn.
Ihnen folgten zu den Stühlen viel der Degen ausersehn.
Bei seinem Weib der König in froher Hoffnung saß: 678
Was Siegfried ihm verheißen, im Sinne lag ihm das.
Der eine Tag ihn dauchte wohl dreißig Tage lang:
Nach Brunhildens Minne all sein Denken ihm rang.
Er konnt es kaum erwarten, bis vorbei das Mahl. 679
Brunhild die schöne rief man aus dem Saal
Und auch Kriemhilden: sie sollten schlafen gehn:
Hei! was man kühner Degen sah vor den Königinnen stehn!
Siegfried der Herre gar minniglich saß 680
Bei seinem schönen Weibe mit Freuden ohne Haß.
Sie kos'te seine Hände mit ihrer weißen Hand,
Bis er ihr vor den Augen, sie wuste nicht wie, verschwand.
Da sie mit ihm spielte und sie ihn nicht mehr sah, 681
Zu seinem Ingesinde sprach die Königin da:
"Mich wundert sehr, wo ist doch der König hingekommen?
Wer hat seine Hände mir aus den meinen genommen?"
Sie ließ die Rede bleiben. Da eilt' er hinzugehn, 682
Wo er die Kämmerlinge fand mit Lichtern stehn:
Die lescht' er unversehens den Knappen an der Hand:
Daß es Siegfried wäre, das war da Gunthern bekannt.
Wohl wust er, was er wolle: er ließ von dannen gehn 683
Mägdelein und Frauen. Als das war geschehn,
Der edle König selber verschloß der Kammer Thür:
Starker Riegel zweie die warf er eilends dafür.
Hinterm Bettvorhange barg er der Kerzen Licht. 684
Ein Spiel sogleich begannen, vermeiden ließ sichs nicht,
Siegfried der starke und die schöne Maid:
Das war dem König Gunther beides lieb und auch leid.
Da legte sich Siegfried der Königin bei. 685
Sie sprach: "Nun laßt es, Gunther, wie lieb es euch auch sei,
Daß ihr nicht Noth erleidet heute so wie eh:
Oder euch geschieht hier von meinen Händen wieder Weh."
Er hehlte seine Stimme, kein Wörtlein sprach er da. 686
Wohl hörte König Gunther, obgleich er sie nicht sah,
Daß Heimliches von Beiden wenig geschehen sei;
Nicht viel bequeme Ruhe im Bette fanden die Zwei.
Er stellte sich, als wär er Gunther der König reich; 687
Er umschloß mit Armen das Mägdlein ohne Gleich.
Sie warf ihn aus dem Bette dabei auf eine Bank,
Daß laut an einem Schemel ihm das Haupt davon erklang.
Wieder auf mit Kräften sprang der kühne Mann, 688
Es beßer zu versuchen: wie er das begann,
Daß er sie zwingen wollte, da widerfuhr ihm Weh.
Ich glaube nicht, daß solche Wehr von Frauen je wieder gescheh.
Da ers nicht laßen wollte, das Mägdlein aufsprang: 689
"Euch ziemt nicht zu zerraufen mein Hemd also blank.
Ihr seid ungezogen: das wird euch noch leid.
Des bring ich euch wohl inne," sprach die waidliche Maid.
Sie umschloß mit den Armen den theuerlichen Degen 690
Und wollt ihn auch in Bande wie den König legen,
Daß sie im Bette läge mit Gemächlichkeit.
Wie grimmig sie das rächte, daß er zerzerret ihr Kleid!
Was half ihm da die Stärke, was seine große Kraft? 691
Sie erwies dem Degen ihres Leibes Meisterschaft.
Sie trug ihn übermächtig, das muste nur so sein,
Und drückt ihn ungefüge bei dem Bett an einen Schrein.
"O weh," gedacht er, "soll ich Leben nun und Leib 692
Von einer Maid verlieren, so mag jedes Weib
In allen künftgen Zeiten tragen Frevelmuth
Dem Mann gegenüber, die es sonst wohl nimmer thut."
Der König hörte Alles; er bangte für den Mann. 693
Da schämte sich Siegfried, zu zürnen fieng er an.
Mit ungefügen Kräften ihr widersetzt' er sich
Und versuchte seine Stärke an Brunhilden ängstiglich.
Wie sie ihn niederdrückte, sein Zorn erzwang es noch 694
Und seine starken Kräfte, daß ihr zum Trotz er doch
Sich aufrichten konnte; seine Angst war groß.
Sie gaben in der Kammer sich her und hin manchen Stoß.
Auch litt König Gunther Sorgen und Beschwer: 695
Er muste manchmal flüchten vor ihnen hin und her.
Sie rangen so gewaltig, daß es Wunder nahm,
Wie Eins vor dem Andern mit dem Leben noch entkam.
Den König Gunther ängstigte beiderseits die Noth; 696
Doch fürchtet' er am meisten Siegfriedens Tod.
Wohl hätte sie dem Degen das Leben schier benommen:
Dürft er nur, er wär ihm gern zu Hülfe gekommen.
Gar lange zwischen Beiden dauerte der Streit; 697
Da bracht er an das Bette zuletzt zurück die Maid:
Wie sehr sie sich auch wehrte, die Wehr ward endlich schwach.
Gunther in seinen Sorgen hieng mancherlei Gedanken nach.
Es währte lang dem König, bis Siegfried sie bezwang. 698
Sie drückte seine Hände, daß aus den Nägeln sprung
Das Blut von ihren Kräften; das war dem Helden leid.
Da zwang er zu verläugnen diese herrliche Maid
Den ungestümen Willen, den sie erst dargethan. 699
Alles vernahm der König, doch hört ers schweigend an.
Er drückte sie ans Bette, daß sie aufschrie laut:
Des starken Siegfrieds Kräfte schmerzten übel die Braut.
Da griff sie nach der Hüfte, wo sie die Borte fand, 700
Und dacht' ihn zu binden: doch wehrt' es seine Hand,
Daß ihr die Glieder krachten, dazu der ganze Leib.
Da war der Streit zu Ende: da wurde sie Gunthers Weib.
Sie sprach: "Edler König, nimm mir das Leben nicht: 701
Was ich dir that zu Leide, vergüt ich dir nach Pflicht.
Ich wehre mich nicht wieder der edeln Minne dein:
Ich hab es wohl erfahren, daß du magst Frauen Meister sein."
Aufstand da Siegfried, liegen blieb die Maid, 702
Als dächt er abzuwerfen eben nur das Kleid.
Er zog ihr vom Finger ein Ringlein von Gold,
Daß es nicht gewahrte die edle Königin hold,
Auch nahm er ihren Gürtel, eine Borte gut. 703
Ich weiß nicht, geschah es aus hohem Uebermuth.
Er gab ihn seinem Weibe: das ward ihm später leid.
Da lagen bei einander der König und die schöne Maid.
Er pflag der Frauen minniglich, wie es geziemend war: 704
Scham und Zorn verschmerzen muste sie da gar.
Von seinen Heimlichkeiten ihre lichte Farb erblich.
Hei! wie von der Minne die große Kraft ihr entwich!
Da war auch sie nicht stärker als ein ander Weib. 705
Minniglich umfieng er ihren schönen Leib;
Wenn sie noch widerstände, was könnt es sie verfahn?
Das hatt ihr Alles Gunther mit seinem Minnen gethan.
Wie minniglich der Degen da bei der Frauen lag 706
In freundlicher Liebe bis an den lichten Tag!
Inzwischen war Herr Siegfried längst schon hindann:
Da ward er wohl empfangen von einer Frauen wohlgethan.
Er wich allen Fragen aus, die sie erdacht, 707
Und hehlt' ihr noch lang, was er mitgebracht,
Bis er daheim das Kleinod ihr doch am Ende gab:
Das brachte viel der Degen mit ihm selber ins Grab.
Dem Wirth am andern Morgen viel höher stand der Muth, 708
Als am ersten Tage: da ward die Freude gut
In allen seinen Landen bei manchem edeln Mann.
Die er zu Hof geladen, denen ward viel Dienst gethan.
Vierzehn Tage währte diese Lustbarkeit, 709
Daß sich der Schall nicht legte in so langer Zeit
Von aller Lust und Kurzweil, die man erdenken mag.
Wohl verwandte hohe Kosten der König bei dem Hofgelag.
Des edeln Wirthes Freunde, wie es der Herr gewollt, 710
Verschenkten ihm zu Ehren Kleider und rothes Gold,
Silber auch und Rosse an manchen fremden Mann.
Die gerne Gaben nahmen, die schieden fröhlich hindann.
Auch der kühne Siegfried aus dem Niederland 711
Mit seinen tausend Mannen —all das Gewand,
Das sie gebracht zum Rheine, ward ganz dahin gegeben,
Schöne Ross' und Sättel: sie wusten herrlich zu leben.
Bevor die reiche Gabe noch alle war verwandt, 712
Schon daucht es die zu lange, die wollten in ihr Land.
Nie sah man ein Gesinde mehr so wohl verpflegen.
So endete die Hochzeit: da schied von dannen mancher Degen.
* * * * *