Der sweher Kriemhilde gie, dâ er si vant. X.1013
er sprach ze der küneginne: ‚wir suln in unser lant.
wir wæne unmære geste bî dem Rîne sîn.
Kriemhilt, vil liebiu vrouwe, nu vart ir zuo dem lande mîn.
‚Sît daß uns untriuwe âne hât getân A.1014
hie in disen landen des iuwern edelen man:
des sult ir niht enkelten: ich tuon iu triuwen schîn
durch iuwers mannes liebe unde des edelen kindes sîn.
‚Ir sult ouch haben, vrouwe, allen den gewalt, 1015
den iu tet ê Sîvrit kunt, der degen balt.
daß lant und ouch diu krône sî iu undertân.
iu suln gerne dienen alle Sîvrides man.‘
Dô seite man den knehten, si solden rîten dan: 1016
dô wart michel gâhen nâch rossen getân.
bî ir starken vînden was in daß leben leit.
vrouwen unde meiden hieß man suochen diu kleit.
Dô der künic Sigemunt wolde sîn geriten, 1017
dô begunde ir muoter Kriemhilde biten,
daß si bî ir mâgen solde dâ bestân.
dô sprach diu vreuden arme: ‚daß kunde müelîch ergân.
[S. 348]
‚Wie möht ich den immer mit ougen an gesehen, 1018
von dem mir armen wîbe sô leide ist geschehen?‘
dô sprach der junge Gîselher: ‚liebiu swester mîn,
du solt durch dîne triuwe hie bî dîner muoter sîn.
‚Die dir hânt beswæret und betrüebet dînen muot, 1019
der bedarftu niht ze dienste, du zere mîn eines guot.‘
si sprach zuo dem recken: ‚jane mag es niht geschehen.
von leide müese ich sterben, swenne ich Hagene solde sehen.‘
‚Des tuon ich dir ze râte, vil liebiu swester mîn. 1020
du solt bî dînem bruoder Gîselhere sîn.
jâ wil ich dich ergetzen dînes mannes tôt.‘
dô sprach diu Gotes arme: ‚des wære Kriemhilde nôt.‘
Dô eß ir der junge sô güetlîch erbôt, A.1021
dô begunde ouch vlêgen Uote und Gêrnôt
und ir getriuwe mâge, si bâtens dâ bestân,
si hete lützel künnes under Sîvrides man.
‚Si sint iu alle vremede,‘ sô sprach Gêrnôt. A.1022
‚niemen lebt sô starker, ern müeße ligen tôt.
daß bedenket, liebiu swester, und trœstet iuwern muot,
belîbet bî den vriunden; eß wirt iu wærlîchen guot.‘
Si lobete Gîselhere, si wolde dâ bestân. 1023
diu ros gezogen wâren Sigmundes man,
als si wolden rîten ze Niblunge lant;
dô was ouch ûf gesoumet al der recken gewant.
Dô gie hêr Sigemunt vür Kriemhilde stân: 1024
er sprach zuo der vrouwen: ‚Sîvrides man
wartent bî den rossen, nu suln wir rîten hin,
wan ich vil ungerne hie bî den Burgunden bin.‘
[S. 350]
Dô sprach vrou Kriemhilt: ‚mir râtent vriunde mîn, 1025
swaß der ist getriuwe, ich sul hie bî in sîn:
ich habe niemen mâge in Niblunge lant.‘
leit was eß Sigmunde, dô erß an Kriemhilde vant.
Dô sprach künic Sigemunt: ‚lât iuß nieman sagen: 1026
vor allen mînen mâgen sult ir krône tragen
vil gewalteclîchen, als ir habt ê getân:
irn sult des niht enkelten, daß wir den helt verlorn hân.
‚Und vart mit uns widere durch iuwer kindelîn; 1027
daß ensult ir niht verweiset, vrouwe, lâßen sîn,
swenn iuwer sun gewahset, der trœstet iu den muot.
die wîle sol iu dienen manec küene degen guot.‘
Si sprach: ‚mîn hêr Sigemunt, jane mag ich rîten niht. 1028
ich muoß hie belîben, swaß halt mir geschiht,
bî mînen mâgen, die mir helfen klagen.‘
do begunden disiu mære den guoten recken missehagen.
Si sprâchen al gelîche: ‚sô möhten wir wol jehen, 1029
daß uns êrste wære leide geschehen,
woldet ir belîben bî unsern vînden hie:
so geriten hovereise noch helde sorclîcher nie.‘
‚Ir sult âne sorge Got bevolhen varn: 1030
man gît iu guot geleite, ich heiß iuch wol bewarn
zuo iuwerme lande; mîn liebeß kindelîn
daß sol ûf genâde iu recken wol bevolhen sîn.‘
Dô si wol vernâmen, daß si niht wolde dan, A.1031
dô weinden al gelîche Sigmundes man.
wie rehte jæmerlîche schiet dô Sigmunt
von vrouwen Kriemhilde! dô was im ungemüete kunt.
[S. 352]
‚Sô wê der hôhzîte,‘ sprach der künic hêr. 1032
‚eß geschiht von kurzwîle vürbaß nimmer mêr
künege noch sînen mâgen, daß uns ist geschehen.
man sol uns nimmer mêre hie zen Burgunden sehen.‘
Dô sprâchen offenlîche Sîvrides man: 1033
‚eß möhte noch diu reise in ditz lant ergân,
sô wir den noch vunden, der uns den hêrren sluoc.
si hânt von sînen mâgen starker vînde genuoc.‘
Er kuste Kriemhilde: jæmerlîch er sprach, 1034
dô si belîben wolde und er daß rehte ersach:
‚nu rîten vreuden âne heim in unser lant!
alle mîne sorge sint mir êrste nu bekant.‘
Si riten ân geleite von Wormeß über Rîn: 1035
si mohten wol des muotes sicherlîchen sîn,
ob si in vîentschefte wurden an gerant,
daß sich weren wolde der küenen Niblunge hant.
Sine gerten urloubes dâ ze keinem man. A.1036
dô sach man Gêrnôten und Gîselheren gân
zuo im minneclîchen: in was sîn schade leit:
des brâhten in wol inne die helde küene unt gemeit.
Dô sprach gezogenlîche der fürste Gêrnôt: A.1037
‚Got weiß wol von himele, an Sîvrides tôt
gewan ich nie schulde: ich hôrte ouch nie gesagen,
wer im hie vîent wære: ich soll in billîche klagen.‘
Dô gab im guot geleite Gîselher daß kint. A.1038
er brâhte sorgen âne, die noch bî leide sint,
den künec bî sînen recken heim ze Niderlant.
wie lützel man der mâge dar inne vrœlîche vant!
[S. 354]
Wie si nu gevüeren, des kan ich niht gesagen. 1039
man hôrte zallen zîten hie Kriemhilde klagen,
daß ir niemen trôste daß herze noch den muot,
eß entæte Gîselher: der was getriuwe unde guot.
Prünhilt diu schœne mit übermüete saß. A.1040
swaß geweinde Kriemhilt, ummære was ir daß.
sine wart ir guoter triuwen nimmer mê bereit;
sît tet ouch ir vrou Kriemhilt diu vil herzenlîchen leit.
[S. 356]