‚Dannen gie dô Sîvrit zer porten ûf den sant A.451
in sîner tarnkappen, dâ er ein schiffel vant.
dar an sô stuont vil tougen daß Sigmundes kint:
er vuorte eß balde dannen, als ob eß wæte der wint.
Den schifmeister niemen sach; daß schiffel sêre vlôß A.452
von Sîvrides kreften: die wâren alsô grôß.
si wânden, daß eß vuorte ein sunder starker wint:
nein, eß vuorte Sîvrit, der schœnen Siglinde kint.
Bî des tages zîte und bî der einen naht A.453
kom er zeime lande mit michelre maht,
hundert langer raste und dannoch lîhte baß;
daß hieß Niblunge, dâ er den grôßen hort besaß.
Der helt vuor aleine ûf einen wert breit: A.454
daß schif gebant vil balde der rîter vil gemeit.
er gie zuo eime berge, dar ûfe ein burc stuont,
und suohte herberge, sô die wegemüede tuont.
Dô kom er vür die porten: versloßßen im diu stuont: A.455
jâ huoten si ir êre, sô noch die liute tuont.
anß tor begunde bôßen der unkunde man:
daß was wol behüetet; dô vant er innerthalben stân
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Einen ungevüegen, der der burc phlac, A.456
bî dem zallen zîten sîn gewæfen lac.
der sprach: ‚wer ist der bôßet sô vaste an daß tor?‘
dô wandelte sîne stimme der küene Sîvrit dâ vor
Und sprach: ‚ich bin ein recke: nu sliuß ûf daß tor. A.457
ich erzürne eteslîchen noch hiute dâ vor,
der gerne samphte læge und hete sîn gemach.‘
daß muote den portenære, dô daß Sîvrit gesprach.
Nu hete der rise küene sîn wæfen an getân, A.458
sîn helmen ûf sîn houbet: der vil starke man
den schilt vil balde zucte, daß tor er ûf swief:
wie rehte gremlîchen er dô an Sîvriden lief!
Wie er getorste wecken sô manegen küenen man? A.459
dô wurden slege swinde von sîner hant getân.
dô begunde im schirmen der hêrlîche gast;
doch schuof der portenære, daß sîn gespenge zebrast
Von einer îsenstangen: des gie dem helde nôt. A.460
ein teil begunde vürhten der helt den grimmen tôt,
dô der portenære sô krefteclîchen sluoc.
dar umbe was im wæge sîn hêrre Sîvrit genuoc.
Si striten alsô sêre, daß al diu burc erschal: A.461
dô hôrte man daß dießen in Niblunge sal.
er twanc den portenære, daß er in sît gebant;
diu mære wurden künde in al der Niblunge lant.
Dô hôrte daß strîten verre durch den berc A.462
Albrîch der küene, ein wildeß getwerc.
Er wâfent sich balde und lief, dâ er dâ vant
disen gast vil edele, dâ er den risen vaste gebant.
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Albrîch was küene, dar zuo stark genuoc. A.463
helm unde ringe er an dem lîbe truoc
und eine geisel swære von golde an sîner hant.
dô lief er harte swinde, dâ er Sîvriden vant.
Siben knöphe swære hiengen vor dar an, A.464
dâ mit er umb die hende den schilt dem küenen man
sluoc sô bitterlîchen, daß im des vil zebrast.
des lîbes kom in sorge dô der wætlîche gast.
Den scherm er von der hende gar zebrochen swanc: A.465
dô stieß er in die scheide ein wâfen, daß was lanc.
sînen kamerære wold er niht slahen tôt:
er schônde sîner liute, als im tugent daß gebôt.
Mit starken sînen handen lief er Albrîchen an A.466
und vie bî dem barte den altgrîsen man:
er zogte in ungevuoge, daß er vil lûte erschrê.
zuht des jungen heldes diu tet Albrîche wê.
Lûte rief der küene: ‚nu lâßet mich genesen. A.467
und möhte ich iemens eigen ân einen recken wesen
(dem swuor ich des eide, ich wær im undertân),
ich diente iu, ê ich sturbe,‘ sprach der listige man.
Er bant ouch Albrîchen sam den risen ê: A.468
die Sîvrides krefte tâten im vil wê.
daß twerc begunde vrâgen: ‚wie sît ir genant?‘
er sprach: ‚ich heiße Sîvrit: ich wânde, ich wære iu wol bekant.‘
‚Sô wol mich dirre mære,‘ sprach Albrîch daß getwerc. A.469
‚nu hân ich wol ervunden diu hêrlîchen werc,
daß ir von wâren schulden muget landes hêrre wesen,
ich tuon, swaß ir gebietet, daß ir lât mich genesen.‘
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Dô sprach der hêrre Sîvrit: ‚ir sult vil balde gân A.470
und bringet mir der besten recken, die wir hân,
tûsent Niblunge, daß mich die hie gesehen:
sô wil ich iu leides lâßen hie niht geschehen.‘
Dem risen und Albrîche lôste er dô diu bant. A.471
dô lief Albrîch balde, dâ er die recken vant:
sorgende wacter der Niblunge man.
er sprach: ‚wol ûf, ir helde, ir sult ze Sîvride gân.
Si sprungen von den betten und wâren vil bereit. A.472
tûsent rîter snelle die wurden wol gekleit.
si giengen, dâ si vunden Sîvriden stân.
dô wart ein schœne grüeßen, ein teil mit werken getân.
Vil kerzen was enzündet, man schancte im lûtertranc. A.473
daß si kômen schiere, er seit ins allen danc.
er sprach: ‚ir sult hinnen mit samt mir über vluot.‘
des vant er vil bereite die helde küene unde guot.
Wol drîßec tûsent recken wâren schiere komen: A.474
ûß den wurden tûsent der besten dô genomen.
den brâhte man ir helme und ander ir gewant,
wan er si vüeren wolde in daß Prünhilde lant.
Er sprach: ‚ir guoten rîter, daß wil ich iu sagen, A.475
ir sult vil rîchiu kleider dâ ze hove tragen,
wan uns dâ sehen müeßen vil minneclîchiu wîp.
dar umbe solt ir zieren mit guoter wæte den lîp.‘
Nu sprichet lîhte ein tumber: ‚eß mac wol lüge wesen: C.
wie möhte sô vil rîter bî ein ander sîn genesen?
wâ nâmen si die spîse, wâ nâmen si gewant?
sine kundenß niht verenden, und ob in dienten drîßec lant.‘
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Sîvrit was sô rîche, als ir wol habt gehôrt. C.
im diente daß künecrîche und Nibelunge hort:
des gaber sînen degenen vil volleclîch genuoc,
wan sîn wart doch niht minre, swie vil man von dem schatze truoc.
An einem morgen vrüeje huoben si sich dan: A.476
waß sneller geverten Sîvrit dô gewan!
si vuorten ros diu guoten und hêrlîch gewant:
si kômen weigerlîchen in daß Prünhilde lant.
Dô stuonden in den zinnen diu minneclîchen kint. A.477
dô sprach diu küneginne: ‚weiß iemen, wer die sint,
die ich dort sihe vließen sô verre ûf dem sê?
si vüerent segel rîche, diu sint noch wîßer danne snê.‘
Dô sprach der vogt von Rîne: ‚eß sint mîne man; A.478
die hete ich an der verte hie nâhen bî verlân.
die hân ich besendet: die sint nu, vrouwe, komen.‘
der hêrlîchen geste wart mit zühten war genomen.
Dô sach man Sîvriden vor ime schiffe stân A.479
in hêrlîcher wæte und ander manegen man.
dô sprach diu küneginne: ‚her künec, ir sult mir sagen,
sol ich die geste grüeßen oder sol ich grüeßen si verdagen?‘
Er sprach: ‚ir sult enkegen in vür daß palas gên, A.480
ob ir si sehet gerne, daß si daß wol verstên.‘
dô tete diu küneginne, als ir der künic riet;
Sîvriden mit dem gruoße si von den anderen schiet.
Man schuof in herberge und behielt in ir gewant. A.481
dô was sô vil geste komen in daß lant,
daß si sich allenthalben drungen mit ir scharn.
dâ wolden die vil küenen heim zen Burgunden varn.
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Dô sprach diu küneginne: ‚ich wolde im wesen holt, A.482
der geteilen kunde mîn silber und mîn golt
mîn und des küneges gesten, des ich sô vil hân.‘
dô antwurte Dankwart, des küenen Gîselhêres man:
‚Vil edel küneginne, lât mich der slüßßel phlegen. A.483
ich trûweß sô geteilen,‘ sprach der küene degen,
‚swaß ich erwerbe schande, die lât mîn eines sîn.‘
daß er milte wære, daß tete er grœßlîchen schîn.
Dô sich Hagenen bruoder der slüßßele underwant, A.484
sô manege rîche gâbe bôt des heldes hant:
der einer mark gerte, dem wart sô vil gegeben,
daß die armen alle muosen vrœlîchen leben.
Wol bî hundert phunden gab er âne zal. A.485
genuoge in rîcher wæte giengen vor den sal,
die nie dâ vor getruogen sô hêrlîchiu cleit.
daß gevriesch diu künegîn: eß was ir swære unde leit.
Dô sprach diu küneginne: ‚hêr künic, ich het des rât, A.486
daß iuwer kamerære mir wil mîner wât
lâßen niht belîben: er swendet gar mîn golt.
derß noch understüende, dem wolde ich immer wesen holt.‘
‚Er gît sô rîche gâbe, jâ wænet des der degen, B.
ich habe gesant nâch tôde: ich wils noch lenger phlegen.
ouch trûwe ichß wol verswenden, daß mir mîn vater lie.‘
sô milten kamerære gewan noch küneginne nie.
Dô sprach von Troneje Hagene: ‚vrouwe, iu sî geseit, A.487
eß hât der künic von Rîne golt unde kleit
alsô vil ze gebene, daß wir des haben rât,
daß wir von hinnen vüeren iht der Prünhilde wât.‘
[S. 166]
‚Nein, durch mîne liebe,‘ sprach diu künegîn, A.488
‚nu lât mir ervüllen zweinzec leitschrîn
von golde und ouch sîden, daß geben sol mîn hant,
sô wir über komen heim in der Burgunden lant.‘
Mit edelem gesteine ladet man ir diu schrîn. A.489
ir selber kamerære dâ mite muosen sîn:
sine wolde es niht getrouwen dem Gîselhêres man.
Gunther und Hagene dar umbe lachen began.
Dô sprach diu küneginne: ‚wem lâße ich mîniu lant? A.490
diu sol ê hie bestiften mîn und iuwer hant.‘
dô sprach der künic edele: ‚nu heißet her gân,
der iu dar zuo gevalle, den sul wir voget wesen lân.‘
Ein ir hôhsten mâge diu vrouwe bî ir sach, A.491
er was ir muoter bruoder, zuo dem diu maget sprach:
‚nu lât iu sîn bevolhen mîn bürge und ouch daß lant,
unze daß hie rihte des künic Guntheres hant.‘
Dô welt si ir gesindes zweinzec hundert man, C.
die mit ir ze Rîne solden varn dan,
zuo jenen tûsent recken ûß Nibelunge lant.
si rihten sich zer verte: man sach si rîten ûf den sant.
Si vuorte mit ir dannen sehs und ahzec wîp, A.492
dar zuo hundert meide: vil schœne was der lîp.
sin sûmten sich niht langer, si wolden gâhen dan.
die si dâ heime ließen, hei, waß der weinen began!
In tugentlîchen zühten diu vrouwe rûmte ir lant: A.493
si kuste ir næhsten vriunde, die si bî ir vant.
mit guotem urloube si kômen ûf den sê;
zuo ir vater lande kom diu vrouwe nimmer mê.
[S. 168]
Man hôrte ûf ir verte maneger hande spil; A.494
aller kurzwîle der hêten si vil.
ouch kom in zuo ir reise ein rehter waßßerwint.
si vuoren von dem lande: daß beweinde maneger muoter kint.
Doch wolde si den hêrren niht minnen ûf der vart: A.495
eß wart ir kurzwîle unz in ir hûs gespart
ze Wormeß zuo der bürge an eine hôhzît,
dar si vil vreuden rîche kômen mit ir helden sît.
[S. 170]