Achtes Kapitel.

Ein würdiges Trio.

Die Dämmerung begann gerade herein zu brechen, als Elisa ihren verzweifelten Rückzug über den Fluß unternahm. Die grauen Abendnebel, welche langsam vom Flusse aufstiegen, umhüllten sie, als sie am jenseitigen Ufer verschwand, und der angeschwollene Lauf des Stromes mit den wogenden Eismassen bildete eine hoffnungslose Schranke zwischen ihr und ihrem Verfolger. Haley kehrte deßhalb langsam und mißmuthig nach dem kleinen Wirthshause zurück, um darüber nachzudenken, was weiter zu thun sei. Die Wirthsfrau öffnete die Thür eines kleinen Zimmers, dessen Boden mit einem Fragmente von Teppich bedeckt war, und in welchem ein Tisch mit einer glänzend schwarzen Wachstuchdecke, sowie verschiedene schlanke, hochlehnige Holzstühle standen, während über dem Kamine und oberhalb eines schwellenden, dampfenden Feuers mehrere Papierbilder mit hellen und grellen Farben die Wand bedeckten. Ein langer, harter, hölzerner Sitz breitete seine unbequeme Länge vor dem Kamine aus, und hier ließ Haley sich nieder, um über die Unbeständigkeit menschlichen Glückes und menschlicher Hoffnungen im Allgemeinen zu reflektiren.

„Wozu brauchte ich den verdammten kleinen Balg nun?“ sagte er zu sich selbst, „daß ich mich wie einen Affen habe behandeln lassen müssen, – was ich bin!“ und erleichterte sein Herz sodann dadurch, daß er eine nicht sehr ausgewählte Litanei von Verwünschungen und Schimpfnamen gegen sich ausstieß, welche, obgleich jeder mögliche Grund vorhanden ist, sie als passend zu erachten, wir hier des guten Geschmackes halber unerwähnt lassen wollen.

Aus diesen Selbstbetrachtungen wurde er durch eine laute und unharmonische Stimme eines Mannes erweckt, welcher vor der Thür des Hauses abzusteigen schien. Er eilte an das Fenster.

„Beim Himmel! nun, wenn das nicht gerade so was ist, was die Leute Vorsehung nennen,“ sagte Haley. „Glaube wahrhaftig, das ist Tom Locker.“

Haley eilte hinaus. Am Schenktische, in der Ecke des Zimmers, stand ein fleischiger, muskulöser Mann, volle sechs Fuß hoch und im Verhältniß ebenso breit. Er trug einen Rock von Buffalohaut, mit der rauhen Seite nach Außen, was ihm ein wildes Aeußere verlieh, welches mit dem ganzen Ausdrucke seiner Physiognomie in vollem Einklange stand. In seiner Kopf- und Gesichtsbildung zeigte sich jedes Organ, welches Rohheit und rücksichtslose Gewaltthätigkeit verrieth, in der höchst vollkommensten Ausbildung. In der That, wenn sich unsere Leser einen Bullenbeißer in menschlicher Gestalt, mit einem Rock und Hut umherwandelnd denken könnten, so würden sie keine unrichtige Vorstellung von der Erscheinung und dem Eindrucke seiner Körperbildung haben. An seiner Seite befand sich ein Reisegesellschafter, welcher in verschiedenen Beziehungen ein vollständiges Gegenstück zu ihm bildete. Er war klein und schlank, und geschmeidig wie eine Katze in seinen Bewegungen, und hatte einen lauernden Ausdruck in seinen stechenden, schwarzen Augen, mit denen jeder Zug seines Gesichts im Einklang zu stehen schien. Seine schmale, lange Nase lief in einer solchen Richtung aus, als wolle sie sich in die Natur aller Dinge im Allgemeinen einbohren; sein glattes, dünnes, schwarzes Haar war sorgfältig nach vorn zusammen gelegt, und alle seine Wendungen und Bewegungen drückten eine trockene, vorsichtige Schärfe aus. Der große, dicke Mann schenkte ein Bierglas halb voll mit reinem Branntwein ein und stürzte es hinunter, ohne ein Wort zu sagen. Der kleine Mann stand auf den Zehen, und nachdem er seinen Kopf zuerst nach der einen, und dann nach der andern Seite vorgestreckt, und in allen Richtungen nach den verschiedenen Flaschen gerochen hatte, bestellte er endlich mit einer dünnen, zitternden Stimme und mit besonders vorsichtiger Miene ein Glas Sodawasser. Als er es eingeschenkt hatte, betrachtete er es mit scharfem, wohlgefälligem Blicke, wie ein Mann, der der Meinung ist, das Rechte gefunden und den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, und schritt sodann dazu, es in langsamen und wohlbedachten Schlückchen zu leeren.

„Wahrhaftig, wer hätte das gedacht, daß ich's so gut treffen sollte? Sieh da, Locker, wie geht's Euch?“ sagte Haley vortretend und seine Hand dem großen Manne entgegen streckend.

„Der Teufel!“ war die höfliche Antwort. „Was bringt Euch denn hierher, Haley?“

Der Mann mit dem lauernden Blicke, welcher den Namen Marks führte, hielt sofort mit seinem Schlürfen inne und streckte seinen Kopf vor, und betrachtete scharf und neugierig die neue Bekanntschaft, so wie eine Katze zuweilen ein wehendes, trockenes Blatt oder irgend einen andern ähnlichen Gegenstand der Verfolgung betrachtet.

„Na, ich sage, Tom, das ist der glücklichste Zufall in der Welt. Ich bin in 'ner teufelsmäßigen Patsche, und Ihr sollt mir 'raushelfen.“

„Uf! so? – wahrscheinlich!“ grunzte sein höflicher Freund. „Man kann sicher auf so 'was rechnen, wenn Ihr Euch freut, Einen zu sehen, daß Ihr ihn zu irgend 'was braucht. Was gibts denn nun?“

„Ihr habt 'nen Freund hier?“ sagte Haley, etwas zweifelhaft auf Marks blickend, – „vielleicht ein Compagnon?“

„Ja,“ entgegnete Jener. „Hier, Marks! hier, das ist der Kerl, mit dem ich in Natchez zusammen war.“

„Werde mich freuen, seine Bekanntschaft zu machen,“ sagte Marks, seine lange, dünne Hand wie eine Rabenklaue ausstreckend. „Vermuthe, Mr. Haley?“

„Derselbe,“ sagte Haley. „Und nun, meine Herren, da wir hier so glücklich zusammen getroffen sind, so denke ich, ich kann hier 'ne Kleinigkeit zum Besten geben, hier da, in der Wirthsstube. Also nun, alter Affe,“ sagte er zu dem Manne hinter dem Schenktische, „bring' uns heißes Wasser und Zucker und Cigarren, und 'ne gute Quantität ‚ächten Stoff‘, und dann wollen wir 'mal lustig sein.“

Der Anordnung gemäß wurden die Lichter angezündet, das Feuer zur hellen Flamme aufgestört, und bald saßen unsere drei Ehrenmänner um den Tisch, welcher mit den vorher aufgezählten Erfordernissen guter Kameradschaft reichlich bedeckt war.

Haley begann einen pathetischen Vortrag seiner eigenthümlichen Unglücksfälle, welchem Locker mit geschlossenem Munde und finsterer, mürrischer Aufmerksamkeit zuhörte. Marks, welcher mit großer Aengstlichkeit und Sorgsamkeit und sehr lebhaften Bewegungen beschäftigt war, sich ein Glas nach seinem eigenen, besonderen Geschmacke zu bereiten, blickte von Zeit zu Zeit von seiner Beschäftigung auf, und indem er sodann seine lange, scharfe Nase und Kinn bis beinahe in Haley's Gesicht steckte, schien er der ganzen Erzählung die gespannteste Aufmerksamkeit zu widmen. Der Schluß derselben schien ihn außerordentlich zu belustigen, denn er schüttelte schweigend seine Schultern und Seiten, und preßte seine dünnen Lippen mit dem Ausdrucke großen inneren Vergnügens zusammen.

„Also richtig angeführt, – nicht so?“ sagte er, – „he, he, he, he! – 's war gut gemacht!“

„Der verdammte Kinderhandel macht Einem unmenschliche Umstände im Geschäfte,“ sagte Haley mit sehr verdrießlicher Miene.

„Wenn wir 'ne Brut Dirnen ausfinden könnten, die nach ihren Jungen nichts fragen, – ich sage Euch, 's würde der größte moderne Fortschritt sein, den ich kenne, – nicht wahr?“ sagte Marks, indem er seinen Scherz mit einem stillen und wohlgefälligen Lächeln begleitete.

„Ganz recht,“ sagte Haley, – „ich hab's nie begreifen können; Junge machen ihnen doch 'ne schreckliche Menge Umstände; man sollte doch denken, sie müßten froh sein, wenn sie sie los würden, – aber nein. Und je mehr Umstände solch' ein Junges macht, und je weniger es nütze ist im Allgemeinen, desto mehr hängen sie dran.“

„Ja, Mr. Haley,“ sagte Marks, – „just reicht mir das heiße Wasser, – ja, Ihr sagt just das, was ich denke, und wir Alle. Einmal kauft' ich 'ne Dirne, als ich noch im Geschäfte war, – und 's war ein strammes, nettes Mensch, und die hatte ein Junges, ein elendes, kränkliches Ding, bucklich, und wer weiß was Alles. So gab ich's also weg an 'nen Mann, der's versuchen wollte und 's aufziehen, – kostete nichts, natürlich; – dachte nimmer, wißt Ihr, daß sie was darnach fragen würde, – aber, o Herr, nun hättet Ihr sehen sollen, wie sie los ging. Wahrhaftig, mir kam's vor, als wenn sie 's Balg gerade darum lieber hätte, just weil's so elend war und immer schrie und sie plagte; – und sie wollt' sich's nicht beibringen lassen und wollt's nicht glauben, und schrie und lief umher, als wenn sie Alles verloren hätte. 's ist meiner Seel' drollig, daran zu denken. Ja, was die Weiber für Begriffe haben, – da ist kein Ende dran!“

„Just so mit mir,“ sagte Haley. „Vorigen Sommer, unten am Flusse, kriegt' ich 'ne Dirne mit in den Handel, die hatte ein Kind, und 's sah ganz gut aus, und hatte Augen so hell wie Eure; aber, wie ich's näher besah, fand ich, 's war stockblind. So, wißt Ihr, dacht' ich, 's hätte weiter nichts auf sich, wenn ich's so mit weg gäbe in den Handel, ohne weiter was davon zu sagen; – und wurd's auch richtig los für ein Faß Whisky; aber wie 's von der Dirne los kriegen? – die war grade wie ein Tieger. Es war just ehe wir abgingen, und ich hatte meinen Trupp noch nicht zusammen gekettet; so – was hat sie zu thun? – sie springt auf 'nen Ballen Baumwolle wie 'ne Katze, und reißt einem von den Schiffsleuten ein Messer weg, und jagt 'ne Minute lang Alles in die Flucht, bis sie endlich sah, es half ihr nichts; und dann – dreht sie sich herum, und mit dem Kopf zuerst, und ihr Junges im Arm, stürzt sie sich in den Fluß, und, plump, – ging sie unter, und kam nie wieder herauf.“

„Pah!“ sagte Tom Locker, der diese Erzählungen mit schlecht verhehltem Widerwillen mit angehört hatte, – „Dummköpfe, alle beide! meine Dirnen machen mir solche Streiche nicht, – das sag ich Euch!“

„Wirklich! und wie macht Ihr's denn?“ fragte Marks dreist.

„Machen? was, – wenn ich 'ne Dirne kaufe, und sie hat ein Junges, das loszuschlagen ist, so geh' ich zu ihr 'ran, und halt' ihr meine Faust unter's Gesicht, und sage: ‚Gieb Acht, nun, wenn Du mir ein Wort hören läßt aus Deinem Munde, so zerschmettr' ich Dir 's Gesicht. Kein Wort will ich hören, – nicht den Anfang davon.‘ So sag' ich zu ihr, und: ‚das Junge da ist mein, und nicht Dein, Du hast nichts damit zu thun; – ich verkaufe 's an den Ersten besten, und merke Dir, daß Du mir keine Streiche machst, oder Du sollst wünschen, daß Du nie geboren worden wärest.‘ Sage Euch, sie merken's bald, s' ist kein Spaß zu machen, wenn ich sie habe. Ich mache sie so stumm wie Fische; und wenn eine anfängt, und schreit los, und dann –;“ und Mr. Locker ließ seine Faust mit einer solchen Gewalt auf den Tisch niederfallen, daß der unausgesprochene Schluß seiner Rede sich vollständig daraus erklären ließ.

„Das ist, was Ihr Nachdruck nennen könnt,“ sagte Marks, indem er Haley in die Seite stieß, und wieder in ein leises Kichern verfiel. „Ist Tom nicht ein kurioser Kerl? he, he, he! Tom, ich glaube, Ihr bringt's den Negerköpfen bei, – Euch verstehen sie, Tom, ohne Zweifel. Wenn Ihr nicht der Teufel selbst seid, so seid Ihr wenigstens sein Zwillingsbruder, – so viel sage ich!“

Tom nahm das Compliment mit angemessener Bescheidenheit auf, und begann eine so leutselige Miene anzunehmen, wie es, nach John Bunyan's Worten, „mit seiner hündischen Natur möglich war.“

Haley, welcher von den Vorräthen des Abends in reichem Maße zu sich genommen hatte, fühlte seine moralischen Fähigkeiten angeregt und gehoben, – was unter ähnlichen Umständen bei Männern von ernster und schweigsamer Natur kein ungewöhnliches Phänomen ist.

„Na, hört, Tom,“ sagte er, „Ihr seid wirklich zu schlecht, wie ich's immer gesagt habe. Ihr wißt, Tom, Ihr und ich haben öfters über diese Dinge gesprochen in Natchez, und ich habe Euch immer bewiesen, daß wir grade eben so viel machten und wären wohl auf in dieser Welt, wenn wir sie gut behandelten, und hätten außerdem mehr Aussicht endlich in's Himmelreich zu kommen, wenn Staub geht zu Staub, und dann nichts mehr zu holen ist, – Ihr wißt?“

„Pah!“ sagte Tom, „weiß ich nicht? – macht mir nicht übel mit Eurem Unsinn, – mein Magen ist so nicht in Ordnung;“ – und Tom schüttete ein halbes Glas reinen Brandwein hinunter.

„Ich meine,“ sagte Haley, sich in seinen Stuhl zurück legend, und sehr nachdrucksvoll gestikulirend, – „ich meine, 's war immer meine Absicht, meinen Handel so zu treiben, daß ich vor allen Dingen Geld bei verdiene, so viel wie Einer; aber dann, – Handel macht nicht Alles, und Geld macht nicht Alles, denn wir haben Seelen. Ich frage nichts darnach, nun, wer's hört, – und schere mich den Henker darum, – und kann's also grade heraus sagen. Ich glaube an Religion, und nächstens, wenn ich Alles sicher und in Ordnung habe, so will ich meine Seele auf diese Dinge richten; – also wozu nützt's, mehr Schlechtigkeit zu begehen, als durchaus nothwendig ist? – 's scheint mir gar nicht klug gethan.“

„Eure Seele richten!“ wiederholte Tom verächtlich; „sucht nur in Euch herum nach 'ner Seele, – thut besser, spart Euch alle Mühe, was das betrifft. Wenn der Teufel Euch durch ein Haarsieb siebt, so wird er keine finden.“

„Nun, aber, Tom, Ihr nehmt's übel,“ sagte Haley, „warum könnt Ihr's nicht gut aufnehmen, wenn ein Mensch zu Eurem Besten spricht.“

„Halt Euer Maul davon,“ entgegnete Tom brummisch. „Kann meist all' Euer Geschwätz aushalten, ausgenommen Euren frommen Unsinn. Und am Ende, was ist denn der Unterschied zwischen Euch und mir? 'S ist nicht, daß Ihr Euch ein Bißchen mehr daraus macht, oder daß Ihr ein Bißchen mehr Gefühl habt, – nein, 's ist reine, klare, hünd'sche Gemeinheit, – wollt' den Teufel betrügen, und Eure eigne Haut retten; – seh' ich nicht durch und durch? All Euer religiös Werden, wie Ihr's nennt, ist zu erbärmlich gemein für irgend eine Kreatur; – habt Euer ganzes Leben 'ne lange Rechnung mit dem Teufel gemacht, und wollt Euch dann davon schleichen, wenn's an's Zahlen geht! Pah!“

„Kommt', kommt', meine Herren, halt, das ist kein Geschäft,“ sagte Marks. „Ihr wißt, es giebt verschiedene Seiten, alle Dinge zu betrachten. Mr. Haley ist ein vortrefflicher Mann, ohne Zweifel, und hat sein eignes Gewissen; und Ihr, Tom, habt Eure Ansichten, und sehr gute, Tom; aber Streit anfangen, wißt Ihr, führt zu keinem Zwecke. Laßt uns also an's Geschäft gehen. Nun, Mr. Haley, was ist's? – Ihr wollt, wir sollen's übernehmen, die Dirne da einzufangen?“

„Die Dirne geht mich nichts an, – sie gehört Shelby; 's ist nur ihr Junges. Ein Esel war ich, daß ich den Affen gekauft habe!“

„Ihr seid meist immer ein Esel!“ sagte Tom brummisch.

„Na, Locker, keine Bisse weiter,“ sagte Marks, seine Lippen leckend; „Ihr seht, Mr. Haley will uns ein gutes Geschäft machen lassen, gewiß; nun seid 'mal ruhig; – diese Art Sachen abzumachen das ist grade mein Forte. Also, Mr. Haley, diese Dirne, – wie ist sie? was ist sie?“

„Nun, – weiß und hübsch, – gut aufgebracht. Ich hätte Shelby so 'n achthundert oder tausend für geboten, und doch noch ein gutes Geschäft mit gemacht.“

„Weiß und hübsch, – gut aufgebracht!“ sagte Marks, während seine scharfen Augen, Nase und Mund von Begierde strahlten; – „nun, schaut hier, Locker, ist das nicht eine prächtige Gelegenheit? Wir machen hier ein Geschäft für eigne Rechnung; – wir besorgen 's Fangen: – das Junge natürlich kriegt Mr. Haley, – und die Dirne bringen wir nach Orleans, und speculiren mit. Ist es nicht prächtig?“

Tom, dessen großer, schwerer Mund während der Mittheilung weit offen gestanden hatte, ließ ihn jetzt plötzlich zuschnappen, ungefähr so, wie ein großer Hund ein Stück Fleisch fest zu halten pflegt, und schien die Idee in Gemächlichkeit verdauen zu wollen.

„Seht,“ sagte Marks zu Haley, während er seinen Punsch umrührte, „seht, wir haben hier das ganze Ufer entlang, auf allen Punkten, Richter genug, die uns 'nen kleinen Gefallen in unsern Geschäften thun, – ganz billig. Tom besorgt das Festhalten und so, – und ich komme dann herein, – angezogen, – blanke Stiefeln, – alles großartig, wenn das Schwören abzunehmen ist. Solltet nur 'mal sehen,“ sagte Marks in einem Gefühle geschäftigen Stolzes, „wie ich dabei reden kann. Heut bin ich Mr. Twickem, von New-Orleans, – und morgen komm' ich von meinen Plantagen am Perl-Fluß; und ein andres Mal bin ich ein weitläufiger Verwandter von Henry Clay, oder sonst irgend 'nen alten Hahn in Kentucky. Ihr wißt, Talente sind verschieden. Tom ist ein Hauptkerl, wenn's an's Schlagen geht, – aber lügen, – nein, dazu ist er nichts nütze, Tom nicht, – seht, 's ist ihm gar nicht natürlich; aber, Herr, wenn da Einer ist, im ganzen Lande, der Alles und Jedes beschwören kann, und alle die Umstände und was dazu gehört, hinein bringen kann, und bringt's besser durch als ich, – den möcht' ich sehen! – Ich glaube, – meiner Seel' – ich käme durch, wenn auch die Richter genauer wären, als sie sind. Manchmal war's mir wirklich lieber, wenn sie genauer waren; – 's machte mehr Spaß, – wißt Ihr.“

Tom Locker, der, wie wir angedeutet haben, ein Mensch von langsamen Entschlüssen und Bewegungen war, unterbrach hier Marks dadurch, daß er seine schwere Faust in solcher Weise auf den Tisch niederfallen ließ, daß Alles davon wiederhallte. „Das 's genug!“ rief er.

„Gott sei bei Euch, Tom, Ihr braucht ja nicht alle Gläser zu zerbrechen!“ sagte Marks; „hebt Euch Eure Faust auf, wenn's Noth thut.“

„Aber, meine Herren, soll ich denn keinen Theil am Profit haben?“ fragte Haley.

„Ist 's nicht genug, wenn wir 's Junge für Euch fangen?“ sagte Locker. „Was wollt Ihr weiter?“

„So,“ sagte Haley, „wenn ich Euch 's Geschäft gebe, so ist's doch 'was werth, – wenigstens zehn Procent vom Profit, die Ausgaben abgerechnet.“

„Nu seht mir,“ sagte Locker mit einem schrecklichen Fluche seine schwere Faust von Neuem auf den Tisch nieder schlagend, – „kenn' ich denn Euch nicht, Daniel Haley? Denkt nur nicht, daß Ihr über mich kommen wollt! Nicht wahr, – Marks und ich, wir haben den Fanghandel angefangen grade nur um solchen Herren, wie Ihr seid, zu dienen, und nichts für uns selbst dabei zu haben? – Nein, noch lange nicht, wir wollen's Frauenzimmer haben – ganz, und Ihr haltet 's Maul, oder – versteht Ihr – wir wollen sie beide haben. – Wer sollt' uns hindern? – Habt Ihr uns nicht gezeigt, wie man 's machen muß? 'S ist uns so gut erlaubt wie Euch, denk' ich; – und wenn Ihr oder Shelby etwa Jagd auf uns machen wollt, – na, da seht zu wo die Rebhühner voriges Lager lagen; – wenn Ihr sie findet, soll's recht sein.“

„Schon gut, versteht sich, laßt 's nur so gehen,“ sagte Haley unruhig: – „Ihr fangt mir den Jungen dafür; – weiß ja, Tom, Ihr habt immer ehrlich mit mir gehandelt, und Euer Versprechen gehalten.“

„Ihr wißt's,“ sagte Tom, „daß ich keinen von Euren Schleich- und Schniffelwegen habe, aber ich will auch selbst den Teufel nicht belügen in meinem Geschäfte; – was ich sage, das halt' ich, – Ihr wißt das, Dan Haley!“

„Ganz recht, ganz recht, ich sagt's schon,“ entgegnete Haley, „und wenn Ihr mir nur versprechen wollt, den Jungen in acht Tagen oder so an irgend 'nen bestimmten Ort zu bringen, – das ist Alles, was ich will.“

„Aber, 's ist nicht Alles, was ich will, – lange nicht, –“ sagte Tom. „Ihr müßt nicht denken, ich bin mit Euch in Natchez im Geschäfte gewesen für nichts, Haley; – ich hab's gelernt von Euch 'nen Aal festzuhalten, wenn ich ihn gefangen habe. Ihr müßt mir fünfzig Dollar spucken, baar Geld, – oder mit dem Kinde geht's keinen Schritt vorwärts – kenne Euch!“

„Was, wenn Ihr ein Geschäft macht, was Euch 'en tausend oder sechszehnhundert rein einbringt, Tom, – das ist unbillig,“ sagte Haley.

„Ja, und haben wir denn nicht Geschäfte auf fünf Wochen vollauf, – mehr als wir machen können? Und wenn wir nun Alles liegen lassen und rennen hinter Eurem Jungen her und kriegen endlich 's Weibsstück doch nicht, – und Weibsvolk ist teufelmäßig zu fangen, – was dann? Werdet Ihr uns dann einen Cent bezahlen, – he, wollt Ihr? O ja, ich seh's Euch schon thun, – uf! – Nein, nein, Ihr schmeißt Eure fünfzig Dollar 'raus. Wenn wir 's Geschäft machen und 's lohnt sich, so sollt Ihr sie zurück haben; wenn nicht, so ist's für unsre Mühe, – das ist nicht mehr als billig, nicht wahr, Marks?“

„Versteht sich, versteht sich,“ sagte Marks mit versöhnendem Tone, – „'s ist nur ein Kostenvorschuß, versteht Ihr – he! he! he! – wir sind Advokaten. Wohl, wir müssen Alle bei guter Laune bleiben – versteht Ihr. Tom bringt Euch den Jungen wohin Ihr ihn haben wollt, – nicht wahr, Tom?“

„Wenn ich 's Junge finde, will ich's nach Cincinnati bringen und bei Granny Betcher, am Strande, lassen,“ sagte Locker.

Marks hatte inzwischen aus seiner Tasche eine schmutzige Brieftasche hervorgeholt, aus welcher er ein langes Papier herausnahm, sich niedersetzte und seine stechenden, schwarzen Augen darauf heftend, dessen Inhalt halblaut und abgebrochen zu lesen begann: „Barnes – Shelby Distrikt – Bursche Jim, dreihundert Dollar, todt oder lebendig. – Edwards – Dick und Luey – Mann und Frau, sechshundert Dollar; – Weib Polly mit zwei Jungen – sechshundert für sie oder ihren Kopf.“

„Ich laufe grade nur unsre Liste über, um zu sehen, ob wir das Geschäft handlich übernehmen können. Locker,“ sagte er nach einer Pause, „ich denke, wir müssen Adams und Springer auf die Spur setzen; die sind schon 'ne gute Weile hier notirt.“

„Werden zu viel fordern,“ sagte Tom.

„Das will ich schon abmachen; – sind noch jung im Geschäfte und müssen billig arbeiten,“ sagte Marks, während er fortfuhr zu lesen. „Hier sind drei ganz leichte Fälle, – haben natürlich nichts weiter zu thun, als sie niederzuschießen oder zu schwören, daß sie niedergeschossen sind, – können nicht viel fordern dafür. Die andern Fälle,“ fügte er hinzu, sein Papier wieder zusammenschlagend, „lassen sich schon noch 'ne Weile aufschieben. Also laßt uns die besondern Umstände hören, Mr. Haley. Ihr habt sie also gesehen, die Dirne, als sie an's Ufer kam?“

„Zuverlässig, – so deutlich, wie ich Euch sehe.“

„Und ein Mann half ihr das Ufer hinauf?“ fragte Locker.

„Freilich, das hab' ich gesehen.“

„Wahrscheinlich,“ sagte Marks, „ist sie irgendwo versteckt worden; aber wo – das ist die Frage. Tom, was sagt Ihr?“

„Müssen heute Abend noch über den Fluß, – keine Frage,“ sagte Tom.

„Aber da ist kein Boot,“ sagte Marks; – „und das Eis treibt fürchterlich, Tom, – ist's nicht gefährlich?“

„Weiß nicht – nichts, – aber 's muß geschehen,“ sagte Tom entschieden.

„Nun, aber,“ sagte Marks unruhig, „'s wird – seht nur,“ an das Fenster gehend, „'s ist finster wie in 'nem Wolfsrachen, und, Tom –“

„Kurz und lang, Ihr seid furchtsam, Marks; – kann aber nichts helfen, – müßt hinüber. Glaube gar, Ihr wollt hier ein paar Tage liegen bleiben, bis die Dirne in die Niederung geschleppt ist, nach Sandusky oder so, eh' Ihr Euch dran macht.“

„O nein, bin nicht furchtsam, – gar nicht,“ sagte Marks, „nur –“

„Was nur?“ sagte Tom.

„Ich meine 's Boot. Ihr seht, 's ist kein Boot hier.“

„Die Frau hat mir gesagt, daß eins kommt diesen Abend, und daß ein Mann drin überfahren will. Alles oder nichts, wir müssen mit ihm hinüber,“ sagte Tom.

„Ihr habt doch gute Hunde?“ sagte Haley.

„Die allerbesten,“ sagte Marks; „aber was helfen sie? Ihr habt nichts von ihr, um sie dran riechen zu lassen.“

„O ja,“ entgegnete Haley triumphirend. „Hier ist ihr Tuch, was sie in der Eile auf dem Bette zurückgelassen hat, – und ihr Hut auch.“

„Das ist gut,“ bemerkte Locker, „gebt's her.“

„Aber die Hunde könnten 's Weib beschädigen, wenn sie unversehends drauf zu kämen,“ sagte Haley.

„Freilich, das ist 'ne andre Frage,“ erwiderte Marks. „Unsre Hunde rissen neulich 'nen Kerl halb in Stücke, in Mobile, eh' wir sie von ihm loskriegen konnten.“

„Ja, also, seht, die Sorte wird verkauft darnach wie sie aussieht, also, seht, – das geht nicht,“ sagte Haley.

„Freilich,“ entgegnete Marks. „Außerdem, wenn sie irgendwo versteckt worden ist, hilft's auch nichts. Hunde sind nichts nütze hier in diesen Staaten, wo sie diese Ausreißer fahren; natürlich, sie können die Spur nicht finden. Sie sind nur weiter unten gut, in den Plantagen, wo die Niggers, wenn sie ausreißen wollen, selbst laufen müssen und keine Hülfe bekommen.“

„Na denn,“ sagte Locker, der inzwischen hinausgegangen war, um Erkundigungen einzuziehen, „ich höre, der Mann mit dem Boote ist gekommen; also Marks –“

Dieser Ehrenmann warf einen traurigen Blick auf die behaglichen Verhältnisse, die er verlassen mußte, aber erhob sich langsam von seinem Sitze, um zu gehorchen. Nach einigen weiter gewechselten Worten, das Uebereinkommen betreffend, händigte Haley mit sichtbarem inneren Sträuben, die fünfzig Dollar an Tom aus, und das würdige Trio trennte sich sodann für diesen Abend.

Wenn Einigen unter unsern gebildeten und christlichen Lesern die Gesellschaft zuwider ist, in welche sie in dieser Scene eingeführt worden sind, so müssen wir sie bitten, ihre Vorurtheile bei Zeiten zu bekämpfen, indem wir sie daran erinnern, daß das Geschäft des Einfangens der Sklaven jetzt angefangen hat zu einem gesetzlichen und patriotischen Berufe erhoben zu werden. Wenn all' das weite Land zwischen dem Mississippi und dem stillen Ocean ein großer Markt für Körper und Seelen wird und menschliches Eigenthum die locomotiven Tendenzen des neunzehnten Jahrhunderts beibehält, so können der Sklavenhändler und der Sklavenfänger leicht noch in den Reihen unserer Aristokratie Aufnahme finden.

Während diese Scene sich im Wirthshause zutrug, verfolgten Sam und Andy in höchster Selbstzufriedenheit ihren Rückweg. Sam befand sich im Zustande der vollkommensten Ausgelassenheit und drückte seinen Jubel durch übernatürliches Schreien und Geheul aller Art und durch die verschiedenartigsten Bewegungen und Verdrehungen seines ganzen Körpers aus. Zuweilen saß er rückwärts, mit dem Gesichte nach dem Pferdeschweife zugewendet und sprang dann plötzlich mit einem Schrei und Burzelbaume herum auf die andre Seite und zog sein Gesicht in eine ernste Länge und begann Andy in hochtrabenden Worten Vorhaltungen über sein Lachen und seine Narrenstreiche zu machen. Mit allen diesen Evolutionen gelang es ihm, die Pferde in vollster Eile zu erhalten, bis deren Hufe endlich zwischen zehn und elf Uhr auf dem gepflasterten Wege unter dem Balkone des Hauses erklangen. Mistreß Shelby flog hinaus auf den Balkon.

„Bist Du es, Sam? Wo sind sie?“ rief sie.

„Master Haley ausruht in dem Wirthshause; er 's schrecklich müde, Missis,“ entgegnete Sam.

„Und Elisa, Sam?“

„Sie 's über den Jordan, – wie man könnte sagen, im Lande Canaan.“

„Wie, Sam, was meinst Du?“ sagte Mrs. Shelby athemlos und beinahe ohnmächtig, als sie die mögliche Meinung dieser Worte faßte.

„Wohl, Missis, der Herr schützt die Seinen. Lizy ist über den Fluß gekommen, in Ohio, so merkwürdig, als wenn sie der Herr hinüber getragen hätte in 'nem feurigen Wagen und zwei Pferden.“

Sam's Frömmigkeitsader war immer sehr voll und warm, wenn er vor seiner Mistreß stand, und er pflegte sich dann stark in biblischen Figuren und Bildern zu bewegen.

„Komm' hier herauf, Sam,“ sagte Mr. Shelby, der seiner Frau in die Veranda gefolgt war, „und erzähle Deiner Mistreß, was sie zu wissen verlangt. Komm', komm', Emilie,“ fügte er dann hinzu, „Du bist kalt und frierst; Du gibst Dich Deinen Gefühlen zu sehr hin.“

„Meinen Gefühlen zu sehr hin? Bin ich nicht ein Weib und – eine Mutter? Sind wir nicht beide Gott für dieses arme Wesen verantwortlich? O mein Gott! schreibe diese Sünde nicht in unser Schuldbuch!“

„Welche Sünde, Emilie? Du siehst ja selbst, daß wir nur das gethan haben, was wir gezwungen waren zu thun.“

„Und dennoch lastet ein schreckliches Gefühl von Schuld auf mir,“ sagte Mrs. Shelby, – „ich kann es durch keine Vernunftgründe verscheuchen.“

„Hier Andy, Du, Nigger, sei munter!“ rief Sam unter der Veranda; „bringe hier diese Pferde in den Stall, – hörst nicht Master rufen?“ und gleich darauf erschien Sam, sein Palmblatt in der Hand, in der Thür des Zimmers.

„Nun, Sam, erzähle uns deutlich, was sich begeben hat,“ sagte Mr. Shelby. „Wo ist Elisa, wenn Du es weißt.“

„Wohl, Master, ich sah sie mit mein eigen Augen, wie sie ging 'nüber das schwimmende Eis. 's war ganz erstaunlich, 's war beinahe ein Wunder; – und dann sah' ich einen Mann, der half ihr 'nauf die Ohioseite, und dann war sie verschwunden in Nebel.“

„Sam, dies kommt mir etwas apocryphisch vor – dieses Wunder. Ueber das schwimmende Eis zu gehen, ist nicht so leicht,“ sagte Mr. Shelby.

„Leicht, – kein Mensch hätt's thun können ohne den Herrn. Ja, seht,“ sagte Sam, „'s war just so. Master Haley, und ich, und Andy, wir kommen an das kleine Wirthshaus am Flusse, und ich reite ein Stückchen voraus (war so begierig Lizy zu fangen, konnt' mich gar nicht halten) – und wie ich näher an's Fenster komme, da stand sie groß und breit, und Die hinter mir drein. So ich verliere meinen Hut, und schreie auf laut genug, um alle Todten aufzuwecken. Lizy, natürlich, hört's und duckt sich, wie Master Haley das Fenster passirt; und dann, seht, springt sie durch 'ne Seitenthür hinaus und hinunter an den Fluß. Master Haley sah sie ganz deutlich, und schrie uns zu, und er und ich und Andy, wir hinter ihr drein. – Sie springt grad' hinunter an den Fluß, und da ging ein Strom am Ufer entlang – zehn Fuß breit – und dahinter 'ne große Menge Eis auf und nieder – grade als wär's ein Eiland. Wir sind dicht hinter ihr, und ich dacht' mein Seel', er hätte sie sicher genug, – wenn sie mit einmal solchen Schrei ausstößt wie ich nimmer gehört, – und da war sie – grad' hinüber über den Strom – bis auf's Eis, und nun ging sie weiter – springend und schreiend, – und das Eis ging krack! – krack! – auf und nieder – und sie drüber weg springt grad' wie ein Bock! – O Herr! die Sprünge, die diese Dirnen in sich haben, 's ist unglaublich – denk' ich!“

Mrs. Shelby saß schweigend da, blaß vor innerer Aufregung, während Sam seine Geschichte erzählte.

„Gott sei gelobt, so ist sie nicht todt!“ sagte sie dann; „aber wo ist das arme Kind nun?“

„Der Herr wird sorgen,“ sagte Sam, seine Augen fromm aufrollend. „Wie ich gesagt habe, 's ist 'ne Vorsehung und kein Zweifel, wie Missis uns immer gelehrt hat. Da immer sind Werkzeuge, um des Herrn Willen zu thun. So, wenn's ich nicht gewesen wäre heut, sie wäre ein Dutzend Mal gefangen worden. War's nicht ich, der die Pferde los ließ diesen Morgen und bis gegen Mittag mit herum jagte? Und habe ich nicht Master Haley gut fünf Meilen weit vom Wege abgebracht, diesen Abend, oder er hätte Lizy so leicht eingeholt, wie ein Hund 'nen Affen. Diese Dinge alle Vorsehung.“

„Diese Dinge sind eine Art Vorsehung, die ich Dir in Zukunft rathe wohl zu vermeiden, Master Sam. Ich erlaube nicht dergleichen Streiche gegen Herren auf meiner Besitzung,“ sagte Mr. Shelby mit so vielem Ernste, wie er unter den obwaltenden Umständen in seinem Gesichte zusammenbringen konnte.

Es ist jedoch eben so vergeblich, einen Neger glauben machen zu wollen, daß man erzürnt gegen ihn sei, wie ein Kind; beide erkennen instinktmäßig den wahren Stand der Dinge, aller Bemühungen ungeachtet, den entgegengesetzten Eindruck zu erzeugen, und Sam wurde deßhalb durch diesen Vorwurf nicht im Geringsten entmuthigt, obgleich er die Miene ernster Betrübniß annahm und mit heruntergezogenen Mundwinkeln in höchst reuiger Haltung da stand.

„Master ganz recht – ganz recht; war sehr häßlich von mir – ohne Zweifel, – und natürlich, Master und Missis werden so 'was nicht gut heißen. Sehe das ein, ja – aber ein armer Nigger wie ich manchmal groß in Versuchung, häßlich zu handeln, wenn ein Mensch sich solchen Anschein geben will, wie da Mr. Haley; – er kein Gentleman; – wer so erzogen worden wie ich, das leicht kann sehen.“

„Gut, Sam,“ sagte Mrs. Shelby, „da Du Deine Fehler gebührender Maßen einzusehen scheinst, so magst Du nun zu Tante Chloë gehen und ihr sagen, daß sie Dir von dem kalten Schinken etwas geben soll, der von heut Mittag übrig geblieben ist. Du und Andy, Ihr müßt beide hungrig sein.“

„Missis groß viel zu gut für uns,“ sagte Sam, indem er seine Verbeugung mit großer Behendigkeit machte und das Zimmer verließ.

Unsere Leser werden bemerkt haben, was von uns schon früher angedeutet worden ist, daß Sam ein angeborenes Talent besaß, welches ihn in einem politischen Leben ohne Zweifel zu großer Auszeichnung erhoben haben würde, – das Talent, ein Kapital aus Allem zu machen, was sich ihm darbot, und es zu seinem besondern Preise und Ruhme zweckmäßig anzulegen. Nachdem er jetzt, wie er glaubte, hinreichende Frömmigkeit und Demuth an den Tag gelegt hatte, um sich die Zufriedenheit des herrschaftlichen Wohnzimmers zu sichern, klappte er sein Palmblatt um den Kopf mit einer Art rakish, free and easy air, und wandte sich dem Gebiete Tante Chloë's zu, mit der Absicht, diesen Abend in der Küche eine sehr bedeutende Rolle zu spielen.

„Ich will reden zu diesen Niggers,“ sagte er zu sich selbst, „nun ich 'ne Gelegenheit habe. Herr! wie will ich das rollen auf, daß sie sollen starren!“

Es muß hier erwähnt werden, daß es von jeher zu Sam's größten Genüssen gehört hatte, seinen Herrn als Diener auf Reisen zu politischen Versammlungen jeder Art begleiten zu dürfen, wo er, auf irgend einem eisernen Gitter sitzend oder hoch oben in einem Baume hängend, die Redner mit dem größten Wohlgefallen anzuhören schien, und sodann zu den verschiedenartigen Brüdern seiner eignen Farbe hinab stieg, welche sich zu demselben Zwecke hier versammelt hatten, und diese durch die seltsamsten Possen und Nachahmungen zu ergötzen suchte, welche jedoch alle von ihm mit dem feierlichsten und unerschütterlichsten Ernste zum Besten gegeben wurden; und obgleich die um ihn zunächst versammelten Zuhörer meist Brüder seiner eigenen Farbe waren, so geschah es doch nicht selten, daß diese von einem Kranze hellerer Gesichter eingeschlossen wurden, welche lachend und winkend zu Sam's größter Genugthuung zuhörten. Sam sah überhaupt die Redekunst als das Feld seines Berufes an und ließ keine Gelegenheit vorübergehen, diesen Beruf zu verherrlichen.

Leider herrschte zwischen Sam und Tante Chloë seit alten Zeiten eine Art chronischer Fehde, oder vielmehr eine entschiedene Kälte; allein, da Sam, als nothwendige Unterlage zu seinen Operationen, auf etwas Solides aus dem Departement der Vorrathskammer speculirte, so beschloß er bei dieser Gelegenheit den möglichst versöhnendsten Ton anzustimmen; denn er wußte sehr wohl, daß, obgleich die von „Missis“ gegebenen Befehle ohne Zweifel buchstäblich befolgt werden würden, es dennoch für ihn von Vortheil sein könne, wenn es ihm zugleich gelänge, den guten Willen Tante Chloë's für sich zu gewinnen. Er erschien deßhalb vor ihr mit einer rührenden Miene von Erschöpfung und Resignation, wie Jemand, der um eines verfolgten Mitmenschen willen namenlose Leiden ausgestanden hat, – brachte die von „Missis“ erhaltene Weisung vor, sich an Tante Chloë wegen der zur Wiederherstellung seines Gleichgewichts erforderlichen Speisen und Getränke zu wenden, – und erkannte dadurch auf unzweifelhafte Weise ihr Hoheitsrecht über das ganze Küchendepartement mit allen Zubehörungen an.

Die List gelang vollkommen; denn nie wurde eine arme, einfache, unschuldige Seele durch einen Stimmen sammelnden Parlamentscandidaten leichter gewonnen, als Tante Chloë durch Sam's Schmeicheleien; und wenn er selbst der verlorene Sohn gewesen wäre, so hätte er nicht mit mehr mütterlicher Freigebigkeit überschüttet werden können. Er fand sich also sehr bald, glücklich und ruhmvoll vor einer zinnernen Pfanne sitzend, welche eine Art olla potrida alles dessen enthielt, was in den letzten zwei bis drei Tagen auf den Tisch gekommen war. Saftige Scheiben Schinken, goldene Stücke Kornkuchen und Fragmente einer Pastete von jeder denkbaren mathematischen Figur, Hühnerflügel, Kropf und Magen, Alles zeigte sich in einer malerischen Mischung; und Sam, als Beherrscher alles dessen, was er übersehen konnte, saß mit fröhlich auf die Seite gedrücktem Palmblatte davor, und erlaubte huldreich Andy, an seiner rechten Seite zu sitzen.

Die ganze Küche war angefüllt mit seinen Gevattern, die von ihren verschiedenen Hütten herbeigeeilt waren und sich hineingedrängt hatten, um das Resultat der Tagesbegebenheiten zu hören. Jetzt hatte Sam's glorreiche Stunde geschlagen. Die Geschichte des Tages wurde mit jeder möglichen Ausschmückung wiederholt, die dazu dienen konnte, den Effekt zu erhöhen; denn Sam, gleich einigen unserer modernen Dilettanti, ließ nie eine Erzählung an ihrer Vergoldung dadurch verlieren, daß sie durch seine Hände ging. Brüllendes Gelächter begleitete den Bericht, und wurde von der jüngern Brut, welche in verschiedenen Gruppen auf dem Erdboden und in allen Ecken umher lag, aufgenommen und fortgesetzt. Sam hingegen bewahrte während dieses Tumultes und Gelächters den unerschütterlichsten Ernst, nur von Zeit zu Zeit seine Augen aufrollend und seinen Zuhörern unaussprechlich komische Blicke zuwerfend, ohne jedoch seinen salbungsreichen Ton zu verlassen.

„Seht, Landsleute,“ sagte Sam, während er eine Entenkeule mit großer Energie aufhob, – „Ihr seht nun, dieses Kind grade – wie das ist ein Schutz geworden für Euch alle, – ja, Euch alle, denn wer einen von unsern Leuten versucht zu langen, ist eben so gut, als wenn alle: Ihr seht, das Princip 's dasselbe, – das ist klar. Und jeder von diesen Treibern, der da kommt hier herum schnüffeln nach unsern Leuten, ja, er soll mich treffen in seinem Wege; – ich bin der Kerl, mit dem er anbinden muß, – ich bin der Kerl, zu dem Ihr alle kommen müßt, Brüder, – ich will aufstehen für Eure Rechte, – ich sie vertheidigen bis zum letzten Hauch!“

„Aber Sam, erst diesen Morgen sagtest Du mir, daß Du Master helfen wolltest, Lizy zu fangen, – scheint mir doch, 's hängt nicht recht zusammen, was Du sagst,“ bemerkte Andy.

„Ich will Dir sagen, Andy,“ entgegnete Sam mit dem Ausdrucke einer furchtbaren Ueberlegenheit, „mußt nicht sprechen, von was Du gar nicht verstehst, – Burschen wie Du, Andy, meinen's gut, aber können nicht die großen Princips von Handlungen colludiren.“

Andy machte eine verlegene Miene, besonders in Folge des gewichtigen Wortes „colludiren,“ welches alle die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft als entscheidend in der Sache ansahen, während Sam fortfuhr:

„Das war Gewissen, Andy; – als ich dachte drauf Lizy zu verfolgen, glaubt' ich, Master sitze den Weg; als ich fand, Missis saß den andern Weg, das war Gewissen noch mehr, – denn 's immer besser für unser Einen auf Missis Seite halten, – so Du siehst also, ich bin persistent auf jedem Wege, und halte auf Gewissen – und auf Princips. Ja, Princips,“ sagte Sam, einem Gänsehalse einen enthusiastischen Stoß versetzend, – „wozu sind Princips gut, wenn wir nicht persistent sind, ich möchte wissen? – Da, Andy, kannst den Knochen hier haben, – 's ist noch was dran.“

Da Sam's Zuhörer mit offenem Munde an seinen Worten hingen, so konnte er nicht anders als fortfahren.

„Dieser Gegenstand von Persistenz, Brüder Niggers,“ sagte Sam mit einer Miene, als wolle er auf ein höchst abstraktes Thema eingehen, – „ist ein Ding nicht ganz klar für manchen Einen. Seht, wenn ein Mensch ist ganz einen Tag und Nacht für eine Sache, und den nächsten für 'ne andre, die Leute sagen (natürlich genug) er ist nicht persistent; – Andy, reich' mir das Stück Kornkuchen da. – Aber wollen's näher anschauen. Ich hoffe, die Herren und die Damen vom schönen Geschlecht werden 'ne ordinäre Gleichung entschuldigen. Hier! ich will hinauf steigen den Heuhaufen. Gut, ich setze meine Leiter diese Seite, – 's geht nicht; – dann, versteht sich, ich setze meine Leiter just die andere Seite, – bin ich nicht persistent? Ich bin persistent, weil ich irgend eine Seite hinauf steigen will, wo meine Leiter ist; – seht Ihr nicht das alle?“

„'S ist das Einzige, wo Du je bist persistent in, Gott weiß!“ murmelte Tante Chloë, welche allmählig anfing aufsätzig zu werden, da die Fröhlichkeit des Abends für sie – nach einem biblischen Gleichnisse – „wie Essig auf der Kreide“ war.

„Ja, wirklich!“ sagte Sam, erfüllt von Abendessen und Ruhmgefühl, zu einer letzten Anstrengung sich erhebend. „Ja, meine Mitbürger und Damen vom andern Geschlecht im Allgemeinen, ich habe Princip's, – bin stolz zu bekennen, – sind vortrefflich in dieser Zeit und aller Zeit. Ich habe Princips, und halte fest dran wie vierzig; – ja, Alles was ich denke, ist Princip, ich gehe hinein; – ich fragte nicht, wenn sie mich verbrennen wollten lebendig, ich ging grade 'nauf an den Scheiterhaufen, ich wollte, – und sagte, hier ich komme, mein Blut zu gießen für meine Princips, mein Vaterland, und die gemeinen Vortheile der menschlichen Gesellschaft.“

„So,“ sagte Tante Chloë, „ich denke, eins von Deinen Princips wird sein, endlich zu Bett zu gehen, und nicht alle Welt aufzuhalten bis 'n frühen Morgen. Nu, Ihr da, Jungens, wenn Ihr nicht 'was an den Kopf haben wollt, macht fort, – mächtig schnell!“

„Niggers! Ihr alle!“ sagte Sam, sein Palmblatt mit Wohlwollen schwenkend, „ich gebe Euch allen meinen Segen; – geht zu Bett und seid gute Jungens!“

Und nach dieser pathetischen Benediktion zerstreute sich die Versammlung.

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