Siebentes Kapitel

Der Kampf der Mutter.

Es ist unmöglich, sich ein mehr verlassenes und verlorenes menschliches Wesen zu denken, als Elisa in dem Augenblicke war, wo sie ihre Schritte von Onkel Tom's Hütte abwendete. Ihres Mannes Leiden und Gefahren, die Gefahr ihres Kindes, Alles vermischte sich in ihrem Geiste mit einem dunkeln, betäubenden Gefühle des großen Wagnisses, welches sie unternahm, indem sie die einzige Heimath verließ, die sie jemals gekannt hatte, und sich von dem Schutze einer Freundin losriß, die sie geliebt und geehrt hatte. Dazu kam die Trennung von jedem ihr vertrauten Gegenstande, – von dem Orte, an dem sie aufgewachsen war, den Bäumen, unter denen sie gespielt hatte, den Gebüschen, in denen sie so manches Mal Abends an der Seite ihres jungen Gatten gewandelt hatte, – jeder Gegenstand, der in der kalten, sternhellen Nacht vor ihr lag, schien sie vorwurfsvoll zu fragen, wohin sie sich von einer so glücklichen Heimath wenden wolle?

Aber stärker als Alles war das Gefühl der Mutterliebe, welches sich vor der so nahe drohenden, schrecklichen Gefahr zu einem Paroxismus von Raserei steigerte. Ihr Knabe war alt genug, um an ihrer Seite gehen zu können, und unter anderen Umständen würde sie ihn nur an der Hand geführt haben; allein jetzt machte sie der bloße Gedanke, ihn aus ihren Armen zu lassen, schaudern, und während sie eilends vorwärts schritt, preßte sie ihn mit krampfhaftem Drucke an ihren Busen.

Der gefrorene Boden knarrte unter ihren Füßen und sie zitterte bei diesen Tönen; jedes rauschende Blatt und jeder fliehende Schatten machte ihr Blut im Herzen erstarren und trieb ihre Füße zu noch größerer Eile an. Sie wunderte sich innerlich selbst über die Stärke, die sie zu durchströmen schien; denn sie fühlte die Last ihres Kindes wie die einer Feder, und jede neu aufsteigende Regung von Furcht schien die übernatürliche Kraft zu erhöhen, die sie forttrug, während von ihren bleichen Lippen häufige Anrufe an einen Freund im Himmel flossen: „Gott, hilf mir! Gott, rette mich!“

Wenn es Dein Harry wäre, Mutter, oder Dein William, der Dir morgen früh durch einen rohen Sklavenhändler entrissen werden sollte, – wenn Du den Mann gesehen und gehört hättest, daß die Papiere unterzeichnet und übergeben wären, und Du hättest nur Zeit von Mitternacht bis zum Morgen, um Deine Flucht zu bewerkstelligen, wie schnell würden Deine Schritte sein? Wie viel Meilen würdest Du nicht in jenen wenigen, kurzen Stunden zurücklegen können, mit dem Liebling an Deiner Brust, – die kleinen, schlafmüden Hände auf Deiner Schulter, und die zarten, weichen Arme um Deinen Nacken geschlungen?

Denn der Knabe schlief. Anfangs hatten ihn die Neuheit der Umstände und die Unruhe wach erhalten; aber seine Mutter hielt so ängstlich den Athem und jeden Laut zurück, und hatte ihn so fest versichert, daß, wenn er nur still sei, sie ihn sicherlich retten werde, daß er beruhigt ihren Nacken umschlang, und schon halb entschlummert nur noch Fragen an sie richtete.

„Mutter, ich brauche nicht wach zu bleiben, nicht wahr?“

„Nein, mein Liebling, schlafe, wenn Du müde bist.“

„Aber, Mutter, wenn ich einschlafe, wirst Du doch nicht zugeben, daß er mich nimmt?“

„Nein, so Gott mir helfe!“ sagte die Mutter mit blässerer Wange und hellerer Gluth in ihrem dunklen Auge.

„Gewiß nicht, Mutter?“

„Gewiß nicht!“ sagte die Mutter mit einer Stimme, vor der sie selbst erschrack, denn sie schien von einem geistigen Wesen in ihr zu kommen, das keinen Theil an ihr habe; und der Knabe senkte seinen kleinen, müden Kopf auf ihre Schulter, und war bald entschlummert. Wie die Berührung dieser warmen Arme, der sanfte Hauch seiner Athemzüge an ihrem Nacken ihren Bewegungen neues Leben und Feuer zu verleihen schienen! Es kam ihr vor, als wenn aus jeder Berührung, jeder Bewegung des schlummernden, auf sie vertrauenden Kindes elektrische Ströme neuer Kraft auf sie ausströmten. Erhaben ist die Herrschaft des Geistes über den Körper, die Fleisch und Nerven unüberwindlich macht, und die Sehnen sich wie Stahl spannen läßt, so daß Schwache so mächtig werden.

Die Grenzen der Farmbesitzung, die Gebüsche, die Waldung schwanden dämmernd an ihr vorüber, während sie weiter schritt; aber sie hielt nicht an, sie eilte vorwärts, einen vertrauten Gegenstand nach dem andern hinter sich zurücklassend, bis die röthlichen Strahlen des ersten Tageslichtes sie, manche lange Meile weit von jeder Spur vertrauter Gegenstände entfernt, auf der offenen Landstraße fanden.

Sie hatte öfters ihre Herrin auf Besuchen bei Bekannten in dem kleinen Dorfe T– nicht weit vom Ohioflusse, begleitet, und kannte den Weg dahin genau. Dorthin zu eilen und über den Ohiofluß zu fliehen, waren die ersten Umrisse ihres Fluchtplanes gewesen; darüber hinaus konnte sie nur auf Gottes Hülfe vertrauen.

Als Wagen und Pferde sich auf der Landstraße zu bewegen begannen, wurde sie vermöge der einem aufgeregten geistigen Zustande so eigenthümlichen Schärfe des Fassungsvermögens inne, daß ihr eilender Schritt und ihr verstörtes Aeußere Veranlassung zu Aufmerksamkeit und Verdacht geben könnten. Sie ließ deßhalb den Knaben auf die Erde nieder, brachte ihre Kleidung und Kopfbedeckung in Ordnung, und ging so schnell, wie es sich mit der Bewahrung des äußeren Scheines vertrug, weiter. In ihrem kleinen Vorrathe hatte sie für eine hinreichende Quantität von Kuchen und Aepfeln gesorgt, deren sie sich als Mittel bediente, um den Fortschritt des Kindes zu beschleunigen, indem sie den Apfel einige Schritte weit vorauswarf, dem der Knabe sodann mit allen Kräften nacheilte; und diese List öfters wiederholt, brachte sie über manche halbe Meile hinweg.

Nach einiger Zeit kamen sie an eine dichte Waldung, durch die ein klarer, murmelnder Bach floß. Da der Knabe über Hunger und Durst klagte, so stieg sie mit ihm über den umgebenden Zaun, setzte sich hinter einem großen Felsen nieder, der sie den auf der Landstraße Vorübergehenden verbarg, und reichte ihm sein Frühstück aus ihrem kleinen Bündel. Der Knabe wunderte sich und war traurig, daß sie nicht essen wolle; und als er seine Arme um ihren Nacken schlang und etwas Kuchen in ihren Mund zu drücken versuchte, war es ihr, als müsse das in ihrer Kehle aufsteigende Gefühl sie ersticken.

„Nein, nein, Harry, mein liebes Kind! Mutter kann nicht essen, bis Du in Sicherheit bist! Wir müssen fort, – fort, bis wir an den Fluß kommen!“ Und sie eilte wieder auf den Weg zurück, und zwang sich wieder, ordentlich und in ruhiger Haltung weiter zu gehen.

Sie war jetzt viele Meilen über denjenigen Theil der Gegend hinaus, wo sie persönlich bekannt war. Im Falle sie irgend Jemanden begegnen sollte, der sie kannte, dachte sie, daß die allbekannte Güte der Familie, der sie angehörte, jeden Verdacht insofern unterdrücken werde, als es eben um deßhalb unwahrscheinlich erschien, daß sie auf der Flucht sein könne. Da sie überdies so weiß war, daß ihre farbige Abstammung, ohne besonders scharfe Beobachtung, nicht erkennbar war, und ihr Kind dieselbe Farbe hatte, so war es für sie um so leichter, ihren Weg ohne Erregung von Verdacht fortsetzen zu können.

In dieser Annahme hielt sie um Mittag bei einem niedlichen, reinlichen Farmhause an, um sich auszuruhen und um ein Mittagsmahl für ihr Kind und sich selbst zu erlangen; denn, indem die Gefahr mit der zunehmenden Entfernung abnahm, ließ auch die übernatürliche Spannung ihres Nervensystemes nach, und sie fühlte sich ermattet und hungrig.

Die Wirthin, welche freundlich und geschwätzig war, schien froh zu sein, daß irgend jemand bei ihr eingekehrt sei, mit dem sie schwatzen könne, und nahm deßhalb Elisa's Angaben, „daß sie einen kleinen Ausflug mache, um Freunde einige Tage zu besuchen,“ ohne weitere Prüfung und Untersuchung als richtig an.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichte sie das Dorf T–, am Ohioflusse, müde zwar, und mit wunden Füßen, aber immer noch stark im Herzen. Ihr erster Blick war auf den Fluß, der gleich dem Jordan zwischen ihr und dem Canaan der Freiheit auf der andern Seite lag. Es war jetzt in der ersten Zeit des Frühjahrs, weßhalb der Fluß angeschwollen und unruhig war, und große Schollen schwimmenden Eises im trüben Wasser schwerfällig auf- und niederschwankten. Vermöge der eigenthümlichen Gestaltung des Ufers an der Kentucky-Seite, wo das Land sich weit in das Wasser hinein erstreckte, hatte sich das Eis in großen Massen angesammelt, und der enge Kanal, welcher diese Landzunge umfloß, war mit übereinander geschichteten Schollen so angefüllt, daß sich daselbst ein förmlicher Wall gebildet hatte, welcher das heranschwimmende Eis aufhielt, und dieses eine Art wellenförmigen Flosses bildete, welches den ganzen Fluß bedeckte und sich beinahe bis dicht an das Ufer der Kentucky-Seite erstreckte.

Elisa stand einen Augenblick still, diesen unglücklichen Zustand der Dinge betrachtend, welcher, wie sie sogleich erkannte, das Ueberfahren der gewöhnlichen Fähre verhindern mußte, und begab sich sodann in ein kleines Wirthshaus am Ufer, um Erkundigungen einzuziehen.

Die Wirthin, welche mit Braten und Schmoren, als Vorbereitungen zum Abendessen beschäftigt war, hielt, mit der Gabel in der Hand, inne, als Elisa's sanfte und klagende Stimme sie anredete.

„Was giebts?“ sagte sie.

„Geht jetzt hier keine Fähre über, die Reisende nach B– bringt?“ fragte Elisa.

„Nein, jetzt nicht!“ sagte das Weib. „Die Boote gehen jetzt nicht.“

Der Ausdruck von Furcht und getäuschter Hoffnung in Elisa's Gesichte fiel der Frau auf, und sie fragte:

„Ihr wollt wohl überfahren? – Jemand krank? Ihr scheint in großer Unruhe zu sein?“

„Ich habe ein Kind, das gefährlich krank ist,“ sagte Elisa. „Ich bekam gestern Abend die erste Nachricht davon, und bin nun den ganzen Tag gewandert, in der Hoffnung, hier eine Fähre zu finden.“

„So, das ist freilich unglücklich,“ sagte die Frau, deren mütterliche Sympathie angeregt worden war. „Ihr thut mir wahrlich leid. Solomon!“ rief sie dann zum Fenster hinaus nach einem kleinen Hintergebäude, worauf ein Mann mit einer Lederschürze und sehr schmutzigen Händen erschien.

„Höre, Sol,“ sagte die Frau zu ihm, „geht denn der Mann mit den Fässern heute Abend noch hinüber?“

„Er sagte, er woll's versuchen, wenn's einiger Maßen rathsam wäre,“ entgegnete der Mann.

„Da ist ein Mann hier, ein Stück Weg's weiter hinunter, der diesen Abend mit Waaren hinüberfahren will, wenn's geht; er wird zum Abendessen hier sein. So thut Ihr am besten, Ihr setzt Euch und wartet hier. Was für ein lieber kleiner Bube,“ sagte die Frau, dem Knaben ein Stück Kuchen reichend.

Allein das Kind, übermäßig erschöpft, weinte vor Müdigkeit.

„Armer Wurm! er ist nicht daran gewöhnt, so weit zu gehen, und ich habe ihn so getrieben,“ sagte Elisa.

„Nun, so nehmt ihn in das Zimmer da,“ sagte die Frau, ein kleines Schlafgemach öffnend, in welchem ein bequemes Bett stand.

Elisa legte den ermüdeten Knaben darauf, und hielt seine Hände in den ihrigen, bis er eingeschlafen war. Denn für sie war hier keine Ruhe. Wie ein Feuer in ihren Gebeinen trieb der Gedanke an ihren Verfolger sie weiter, und mit sehnsüchtigen Blicken schaute sie auf die finsteren, brausenden Wellen, die zwischen ihr und ihrer Freiheit lagen.

Allein hier müssen wir für jetzt von ihr Abschied nehmen, um den Lauf ihrer Verfolger zu begleiten.

Obgleich Mrs. Shelby versprochen hatte, daß das Essen so schnell wie möglich auf den Tisch gebracht werden solle, so zeigte sich doch bald, daß mehr als eine Person dazu erforderlich sei, um einen Handel zu machen. Ungeachtet dessen also, daß der Befehl in Haley's Gegenwart ertheilt, und wenigstens durch ein Dutzend jugendlicher Boten an Tante Chloë befördert worden war, ließ diese würdige Dame dennoch nichts als ein wiederholtes mürrisches Schnaufen als Antwort darauf hören, und fuhr in ihren Geschäften auf eine sehr gemächliche und umständliche Weise fort.

Aus irgend einem besondern Grunde, schien sich die allgemeine Meinung unter der Dienerschaft verbreitet zu haben, daß Mistreß über etwas Verzug nicht besonders ungehalten sein werde; und es war wunderbar, was für eine Menge widriger Umstände sich ereigneten, um den Lauf der Dinge zu verzögern. Ein unglücklicher Bursche schüttete die Sauçe aus; und dann mußte die Sauçe de novo gemacht werden, und zwar mit gehöriger Sorgfalt und Umständlichkeit, wobei Tante Chloë mit der hartnäckigsten Genauigkeit verfuhr, und auf alles Antreiben zur Eile nur kurz antwortete, „daß sie keine rohe Sauçe auf den Tisch bringen wolle, um Anderen beim Fangen behülflich zu sein.“ Ein Andrer stolperte und fiel mit dem Wasser nieder, und mußte deßhalb von Neuem an den Brunnen gehen, um frisches zu holen; und wieder ein Andrer schüttete die Butter als Hinderniß in den Lauf der Begebenheiten; und während dessen gelangten von Zeit zu Zeit kichernde Nachrichten in die Küche, daß Master Haley gewaltig unruhig sei, und auf seinem Stuhle nicht still sitzen könne, sondern unaufhörlich zwischen Fenster und Thür auf und nieder laufe.

„Geschieht ihm recht!“ sagte Tante Chloë unwillig. „Wird ihm schon noch schlimmer ergehen, bald, wenn er seine Wege nicht ändert. Sein Herr wird ihn rufen, und wie wird er dann aussehen!“

„Er kommt in die Hölle, ohne Zweifel!“ sagte der kleine Jack.

„Er verdient's!“ sagte Tante Chloë mit grimmiger Miene, – „ich sage Euch – er hat viele, viele, viele Herzen gebrochen!“ sagte sie, inne haltend in ihrer Beschäftigung, und mit aufgehobener Gabel in ihrer Hand; „'s ist, was Master Georg in der Offenbarung liest: – ‚Seelen, schreien unter dem Altare den Herrn um Rache an, gegen Solche!‘ – und der Herr wird sie hören! – er wird!“

Tante Chloë, welche in der Küche sehr geachtet war, wurde von Allen mit offenem Munde angehört; und da das Mittagessen endlich glücklich abgesendet worden war, so hatte die ganze Küchenbevölkerung Muße mit ihr zu schwatzen, und ihre Bemerkungen anzuhören.

„Solche müssen ewig brennen, – ganz gewiß, – nicht wahr?“ sagte Andy.

„Ich möchte sie brennen sehen, – mein Seel'!“ sagte der kleine Jack.

„Kinder!“ sagte hier plötzlich eine Stimme, welche Alle aufschreckte. Es war Onkel Tom, welcher in die Thür getreten war, und die Unterhaltung mit angehört hatte. „Kinder!“ sagte er, „ich fürchte, Ihr wißt nicht was Ihr sprecht. Ewig ist ein schreckliches Wort; – 's schaudert Einen dran zu denken; – solltet das keiner menschlichen Kreatur wünschen.“

„Wir wollen's Niemanden wünschen, – nur den Seelenverkäufern,“ sagte Andy; – „man kann sich nicht helfen, die sind so schlecht.“

„Thut nicht die Natur selbst schreien gegen sie?“ sagte Tante Chloë. „Reißen sie nicht den Säugling gerade weg von Mutters Brust, und verkaufen ihn, – und die kleinen Kinder, wenn sie schreien, und sich festhalten an Mutters Kleidern, – reißen sie sie nicht los und verkaufen sie? Reißen sie nicht Mann und Weib auseinander?“ fuhr sie zu weinen anfangend fort, – „wenn's ihnen auch das Leben nimmt? – und fühlen sie was dabei? – trinken und rauchen sie nicht, und sind ganz gleichgültig dabei? – O Herr, wenn der Teufel die nicht holt, – wozu ist er dann nütze?“ Und Tante Chloë bedeckte ihr Gesicht mit ihrer buntgefleckten Schürze, und fing in vollem Ernste bitterlich an zu weinen.

„Bittet für die, so Euch beleidigen, sagt das gute Buch,“ bemerkte Tom.

„Bitten für sie,“ sagte Tante Chloë; – „o Herr! das ist zu viel! Ich kann nicht für sie beten.“

„'s ist Natur, Chloë, und Natur ist mächtig,“ sagte Tom, „aber des Herrn Gnade ist mächtiger; – außerdem, solltest auch an den schrecklichen Zustand denken, in dem die Seele solcher armen Kreatur ist, die solche Dinge thut; – solltest Gott danken, Chloë, daß Du nicht bist wie sie. – Weiß gewiß, – wollte lieber zehntausendmal verkauft werden, als die Verantwortung haben, die solche arme Kreatur hat auf sich.“

„Ich auch, ein gut Theil lieber,“ sagte Jack. „O Herr, wie würde 's uns gehen, Andy?“

Andy zuckte mit den Achseln, und gab ein beifälliges Pfeifen zu vernehmen.

„Ich bin froh, daß Master heute früh nicht fortgegangen ist, wie er wollte,“ fuhr Tom fort; – „das hätte mir weher gethan, als verkauft werden. Vielleicht, es wäre natürlich für ihn gewesen, aber mir wär's hart angekommen, – hab' ihn ja gekannt, als er noch ein Säugling war. Aber ich habe Master gesehn, und bin versöhnt nun mit Gottes Willen. Master konnte sich nicht anders helfen; er hat recht gethan, aber fürchte, daß doch Alles wird zu Grunde gehen, wenn ich fort bin. Master kann nicht überall herumkriechen und aufpassen, wie ich habe gethan, – und alle Enden zusammenhalten. Die Jungens meinen's ganz gut, aber sind mächtig nachlässig. Das macht mir Sorge.“

In diesem Augenblicke erscholl die Glocke, und Tom wurde in's Zimmer berufen.

„Tom,“ sagte sein Herr in gütigem Tone zu ihm, „ich mache Dich aufmerksam darauf, daß ich diesem Herrn Verschreibungen über tausend Dollar gegeben habe für den Fall, daß Du nicht da sein solltest, wenn er Dich verlangt. Er hat heut mit seinen übrigen Geschäften zu thun, und Du kannst den Tag für Dich frei haben. Geh', wohin Du willst, mein alter Junge.“

„Dank schön, Master,“ sagte Tom.

„Und paß' auf,“ sagte der Händler, „und bring's nicht über Deinen Herrn mit einem von Deinen Niggerpfiffen, denn ich will jeden Cent aus ihm herausdrücken, wenn Du nicht da bist. Wär' er mir gefolgt, so hätt' er gar nicht einem von Euch – glatten Aalen getraut!“

„Master,“ sagte Tom, – sich grade aufrichtend, – „ich war just acht Jahr alt, wenn alte Missis Euch in meine Arme legte, und Ihr wart noch kein Jahr alt. ‚Da,‘ sagte sie, ‚Tom, das wird Dein junger Herr sein; nimm ihn wohl in Acht,‘ sagte sie. Und nun wollt' ich Euch fragen, Master, hab' ich Euch je ein Wort gebrochen oder Euch zuwider gehandelt, besonders, seit ich ein Christ bin?“

Mr. Shelby war von seinem Gefühle vollständig überwältigt und Thränen drangen aus seinen Augen hervor.

„Mein guter Junge,“ sagte er, „Gott weiß, daß das wahr ist, was Du sagst; und wenn es in meinen Kräften stände, es zu verhindern, so sollte Niemand in der Welt Dich kaufen dürfen.“

„Und so wahr ich eine christliche Frau bin,“ sagte Mrs. Shelby, „Du sollst wieder eingelöst werden, sobald ich einigermaßen Mittel zusammenbringen kann. Mr. Haley,“ fügte sie zu Haley gewendet hinzu, „merken Sie sich ja genau, an wen Sie ihn verkaufen, und lassen Sie mich es wissen.“

„Gott, ja, warum denn nicht?“ sagte der Händler, „kann ihn ja in einem Jahr wieder 'raufbringen, nicht viel abgenutzt, und ihn zurückhandeln.“

„Ich will dann mit Ihnen handeln, und es soll Ihr Nutzen sein,“ sagte Mrs. Shelby.

„Natürlich,“ sagte der Händler, – „'s mir Alles gleich, handle hin und zurück, wenn es nur ein gutes Geschäft gibt. Will ja nur meinen Lebensunterhalt verdienen, Madame, das ist Alles, was unser Einer will, denk' ich.“

Mr. und Mrs. Shelby waren innerlich empört über die unverschämte Vertraulichkeit des Händlers, aber dennoch fühlten Beide die absolute Nothwendigkeit, ihre Gefühle zurückzuhalten. Je gefühlloser und schmutziger er erschien, desto größer war Mrs. Shelby's Furcht, daß es ihm gelingen könne, Elisa und ihr Kind wieder einzufangen, und um so mehr fühlte sie sich deßhalb gedrungen, jeden weiblichen Kunstgriff zu benutzen, um ihn noch länger aufzuhalten. Sie lächelte ihm deßhalb beifällig zu, schwatzte vertraulich mit ihm und that Alles, was sie konnte, um ihm die Zeit unbemerkt entfliehen zu lassen.

Um zwei Uhr endlich führten Sam und Andy die Pferde vor, wie es schien, bedeutend erfrischt und ermuthigt durch den am Morgen gehaltenen Rennlauf.

Sam kam frisch geölt vom Essen, mit einem Ueberfluß von eifriger und williger Geschäftigkeit. Während Haley sich näherte, prahlte er gegen Andy von dem sichern, ganz unzweifelhaften Erfolge, den das Unternehmen haben müsse, nachdem er nun endlich so weit gekommen sei, „dran gehen“ zu können.

„Euer Herr hält wohl keine Hunde?“ sagte Haley nachdenkend, während er sich anschickte aufzusteigen.

„Die Menge,“ sagte Sam triumphirend; „da 's Bruno, – 's ist ein Brüller! und dann hat hier auch noch jeder Nigger ein paar junge Hunde von einer Sorte oder anderer!“

„Pah!“ sagte Haley, – und fügte noch etwas Anderes mit Bezug auf die erwähnten Hunde hinzu, worauf Sam murmelte:

„Seh' nicht ein, wozu – was nöthig – drauf zu fluchen.“

„Aber Euer Herr hält keine Hunde (ich weiß es ganz gewiß), um Niggers aufzuspüren.“

„Unsere Hunde alle haben sehr scharfen Geruch. Glaube, 's ist die rechte Sorte, – haben zwar nie keine Praxis gehabt. Brave Hunde, Master, auf Alles, wenn Ihr sie loslaßt. Hier, Bruno,“ rief er, einem umherschlendernden Neufundländer zupfeifend, worauf dieser mit gewaltigem Geräusche auf ihn zugesprungen kam.

„Du sollst gehenkt werden!“ sagte Haley aufsteigend. „Komm, kriech' hinauf nun.“

Sam kroch demgemäß hinauf, dabei jedoch auf geschickte Weise Gelegenheit findend, Andy zu kitzeln, was diesen nöthigte, in ein helles Lachen auszubrechen, in Folge dessen Haley in heftigem Unmuthe mit der Reitpeitsche nach ihm hieb.

„'s ist erstaunlich, Andy!“ sagte Sam mit schrecklichem Ernste. „Dieß ein sehr wichtiges Geschäft; – mußt hier keinen Spaß treiben; – das ist keine Art, Master zu helfen.“

„Ich werde den graden Weg nach dem Flusse nehmen,“ sagte Haley mit Bestimmtheit, als sie die Gränzen der Besitzung erreicht hatten. „Ich weiß, welchen Weg alle Die nehmen, – die laufen Alle in die Niederung.“

„Sicher,“ sagte Sam, „das ist die rechte Idee. Master Haley trifft's just in die Mitte. Nun, da sind zwei Wege an den Fluß, – der Holzweg und die Chaussee; – welchen will Master nehmen?“

Andy blickte unschuldig zu Sam auf, überrascht, diese neue Geographie zu hören, aber bestätigte augenblicklich, was jener gesagt hatte, durch eine lebhafte Wiederholung desselben.

„Natürlich,“ sagte Sam, „sollte eher denken, Lizy ist den Holzweg gegangen, weil er einsamer ist.“

Haley, obgleich er ein erfahrener alter Fuchs war und stets mißtrauisch, war dennoch nahe daran, sich durch diese Ansicht bestimmen zu lassen.

„Wenn Ihr nicht Beide so verdammte Lügner wäret!“ sagte er gedankenvoll, während er einen Augenblick nachsann.

Der tiefsinnige Ton, in dem dieß gesagt wurde, schien Andy so über alle Maßen zu amüsiren, daß er ein Stückchen hinter Haley zurückblieb und sich vor Lachen so schüttelte, daß er Gefahr lief vom Pferde zu fallen, während Sam's Gesicht unbeweglich den schwermüthigsten Ernst bewahrte.

„Natürlich,“ sagte Sam, „Master kann thun, was er will; – gehen den graden Weg, wenn Master hält's für's Beste, – uns Alles einerlei. Ja, wenn ich so drüber studire, denk' ich auch, der grade Weg ist am Besten, – ohne Zweifel.“

„Sie wird natürlich einen einsamen Weg gewählt haben,“ sagte Haley, laut denkend, und Sam's Bemerkung nicht beachtend.

„Läßt sich da nichts sagen,“ fuhr Sam fort; – „Weiber immer sonderbar, – Weiber immer thun, was Ihr denkt, – gewöhnlich grade 's Gegentheil. Weiber von Natur entgegen, – und so, wenn Ihr denkt, sie sind gegangen den Weg, 's ist gewiß, Ihr thut am Besten und nehmt den andern, – dann findet Ihr sie ganz sicher. Hier nun ist meine Meinung, Lizy hat den Holzweg genommen, – also wäre 's am Besten, den graden zu nehmen.“

Diese gründliche, geschlechtliche Ansicht über die weibliche Natur schien Haley nicht sonderlich für den chaussirten Weg bestimmen zu können, und er erklärte seinen festen Entschluß, den andern zu wählen, und fragte Sam, wann sie diesen erreichen würden.

„Ein Stückchen weiter hinauf,“ sagte Sam, indem er Andy einen Wink mit dem Auge der ihm zugewendeten Seite seines Kopfes gab, und fügte dann im ernstesten Tone hinzu: „aber ich habe drüber nachgedacht und 's ist mir ganz klar, wir sollten nicht diesen Weg gehen. Bin nie diesen Weg gekommen, 's ist ein verzweifelt einsamer, – könnten uns leicht verlieren, – Gott weiß, wo wir hinkommen könnten.“

„Thut nichts,“ sagte Haley, „ich will dennoch diesen Weg gehen.“

„Nun ich nachdenke drüber,“ fuhr Sam fort, „ist mir's, als hätt' ich hören sagen, daß der Weg ganz abgesperrt ist durch Dämme und Zäune, und so – nicht wahr, Andy?“

Andy wußte es nicht gewiß; er hatte nur „reden hören“ von dem Wege, aber war ihn nie selbst gegangen. Mit einem Worte, er hielt sich ganz neutral.

Haley, gewohnt, das Gewicht der Wahrscheinlichkeiten zwischen größeren und geringen Lügen gehörig abzuwägen, nahm an, daß dasselbe sich zu Gunsten des erwähnten Holzweges neige. Er glaubte, daß die erste Erwähnung desselben von Seiten Sam's unwillkührlich gewesen sei, und seine verwirrten Versuche, ihm davon abzurathen, hielt er für verzweifelte Lügen, die aus späterem Nachdenken und der Absicht hervorgingen, Elisa außer Gefahr zu bringen. Als Sam deßhalb den bewußten Weg anzeigte, nahm er mit entschiedener Wendung seine Richtung in denselben, während Sam und Andy ihm folgten.

Dieser Weg war in der That ein alter, der früher zum Flusse geführt hatte, aber seit vielen Jahren, nach Errichtung der Chausseestraße verlassen worden war. Ungefähr eine Stunde weit zu reiten war er offen, aber nachher durch verschiedene Zäune und Farmgebäude abgesperrt. Sam wußte dies alles ganz genau – und der Weg war in der That schon seit so langer Zeit unfahrbar geworden, daß Andy niemals davon gehört hatte. Er ritt deßhalb mit der Miene pflichtschuldiger Ergebung weiter, und nur von Zeit zu Zeit ließ er einzelne Ausrufe hören, wie, „daß es sehr holpriger Weg“ und „sehr böse für Jerry's Fuß“ sei.

„Na denn, ich will Euch was sagen,“ begann Haley plötzlich, „ich weiß, was Ihr wollt mit all dem Geschwätze, – Ihr wollt mich von dieser Straße abbringen, aber 's hilft Euch nichts, – also thut Ihr besser, Ihr haltet 's Maul.“

„Master will seinen eigenen Weg gehen!“ sagte Sam mit dem Ausdrucke schmerzlicher Ergebung, gleichzeitig jedoch Andy sehr bedeutungsvoll zuwinkend, dessen Entzücken jetzt nahe daran war loszubrechen.

Sam schien in besonders guter Laune zu sein und that, als wenn er sich außerordentliche Mühe gebe, die Gegend scharf zu beobachten, indem er bald ausrief, daß er „einen Weiberhut“ auf der Spitze einer entfernten Höhe sehe, und bald Andy fragte, „ob das nicht Lizy sei – da unten in dem Hohlwege,“ und dabei diese und ähnliche Ausrufungen immer grade dann erschallen ließ, wenn sie sich an einer besonders rauhen Stelle des Weges befanden, wo das schärfere Antreiben der Pferde für alle Theile besonders unangenehm war, so daß Haley dadurch in einem Zustande fortwährender Aufregung erhalten wurde.

Nachdem sie auf diesem Wege etwa eine Stunde lang geritten waren, lief derselbe plötzlich in einen Ackerhof aus, welcher zu einer bedeutenden Farmbesitzung gehörte. Keine Seele war daselbst sichtbar, da alle Arbeiter auf dem Felde beschäftigt waren; allein da das nächste Scheunengebäude klar und deutlich quer über dem Wege stand, so konnte kein Zweifel darüber obwalten, daß ihre Reise in dieser Richtung zu einem entschiedenen Ende gelangt sei.

„War's das nicht, was ich Euch vorher gesagt habe?“ sagte Sam mit der Miene beleidigter Unschuld. „Warum denken fremde Herren mehr zu wissen von der Gegend, als die, die drin geboren und erzogen sind?“

„Du Schuft!“ sagte Haley, „Du hast das Alles vorhergewußt.“

„Hab' ich's denn nicht gesagt, daß ich's wußte, und Ihr wolltet mir nicht glauben! Ich sagte Master, daß Alles wäre gesperrt und daß ich nicht dächte, wir könnten durchkommen – Andy hat's gehört.“

Es war Alles zu wahr, als daß es hätte in Abrede gestellt werden können, und der unglückliche Mann mußte seinen Aerger mit so viel Anstand niederbeißen, als er konnte. Alle drei nahmen dann ihre Wendung zur Rechten, in gerader Richtung nach der Landstraße.

In Folge aller dieser verschiedenen Verzögerungen war es ungefähr drei Viertelstunden später, nachdem Elisa ihr Kind in der Dorfschenke zur Ruhe niedergelegt hatte, als die Gesellschaft auf dasselbe Gebäude zugeritten kam. Elisa stand am Fenster, nach einer andern Richtung blickend, als Sam's scharfes Auge ihrer gewahr wurde. Haley und Andy waren einige Schritte weit hinter ihm zurück. In diesem kritischen Momente gelang es Sam, seine Kopfbedeckung zu verlieren, als wenn der Wind sie ihm abgeweht hätte, in Folge dessen er einen lauten, ihm eigenthümlichen Schrei ausstieß, durch welchen Elisa auf ihn aufmerksam wurde. Sie zog sich schnell vom Fenster zurück, an dem der ganze Zug vorüber ging, um an den Haupteingang zu gelangen.

Tausend Leben schienen in diesem Augenblicke in Elisa concentrirt zu sein. Ihr Zimmer gewährte durch eine Seitenthür einen Ausgang nach dem Flusse. Sie raffte ihr Kind auf und sprang die zum Ufer hinabführenden Stufen hinunter. Der Sklavenhändler bekam sie deutlich zu Gesicht gerade in dem Augenblicke, als sie unter dem Ufer verschwand, und indem er sich vom Pferde hinab warf, und Sam und Andy ihm zu folgen zurief, sprang er hinter ihr her wie ein Hund hinter einer gejagten Hirschkuh. In diesem schwindelnden Momente schienen Elisa's Füße kaum den Boden zu berühren und ein Augenblick brachte sie an den Wasserrand des Flusses. Dicht hinter ihr folgten Jene, und – wie gestählt von einer Kraft, wie sie Gott nur den Verzweifelnden verleiht, und mit einem wilden Schrei und flugartigen Sprunge, flog sie über den trüben Strom am Ufer hin bis auf die nächste Eisscholle. Es war ein unbegreiflicher Sprung, – der nur in Wahnsinn oder Verzweiflung gemacht werden konnte, und Haley, Sam und Andy schrieen instinktmäßig wie aus einem Munde auf und hoben ihre Hände auf, als sie ihn gewahrten.

Das riesige, grüne Eisstück, auf welchem sie Fuß faßte, krachte und senkte sich, als ihre Last darauf nieder fiel, aber sie hielt nicht einen Augenblick an. Unter wilden Schreien und mit verzweifelnder Kraft sprang sie auf ein anderes und wieder ein anderes Eisstück, während sie bald stolperte, bald sprang, bald ausglitt, und wieder aufsprang! Ihre Schuhe waren zurückgelassen – ihre Strümpfe von den Füßen geschnitten, – und jeder Fußtritt war mit Blut gezeichnet; aber sie sah nichts, sie fühlte nichts, bis nebelartig, wie im Traume, die Ohio-Seite des Flusses vor ihre Blicke trat und ein Mann ihr das Ufer hinauf half.

„Bist eine brave Dirne, wahrhaftig, wer Du auch immer sein magst!“ sagte der Mann mit einem Schwure.

Elisa erkannte die Stimme und das Gesicht eines Mannes, welcher nicht weit von ihrer alten Heimath eine Farm besaß.

„O Mr. Symmes! – retten Sie mich – bitte, retten Sie mich, – verbergen Sie mich!“ rief Elisa flehend.

„Wie, was ist das?“ sagte der Mann. „Ist denn das nicht Shelby's Dirne?“

„Mein Kind! – dieses Kind! – er hat es verkauft! Dort ist sein Herr!“ sagte sie, nach dem Kentucky-Ufer hindeutend. „O Mr. Symmes, Sie haben auch ein Kind!“

„Das habe ich,“ sagte der Mann, während er rauh, aber gütig sie das steile Ufer hinaufzog. „Ueberdieß bist Du eine brave Dirne. Ich achte Muth, wo ich ihn auch immer finde.“

Als Beide die Höhe des Ufers erreicht hatten, stand der Mann still.

„Ich möchte gern was für Dich thun,“ sagte er, „aber ich weiß keinen Ort, wo ich Dich hinbringen könnte. Das Beste, was ich thun kann, ist, daß ich Dir rathe, dort hinzugehen,“ sagte er, auf ein großes, weißes Gebäude deutend, welches isolirt an der Hauptstraße des Dorfes stand. „Geh dort hin; das sind gute Leute. Dort ist keine Gefahr für Dich, – die werden Dir helfen, – die sind in solchen Fällen immer bereit.“

„Gott segne Sie!“ rief Elisa inbrünstig.

„Keine Ursache, gar keine Ursache,“ sagte der Mann. „Was ich gethan habe, hat gar nichts zu bedeuten.“

„O, und nicht wahr, Herr, – Sie werden's Niemanden sagen?“

„Geh' zum Donnerwetter, Mädchen! Wofür hältst Du Einen? Versteht sich – nein,“ sagte der Mann. „Komm nun, geh' zu, wie eine brave, vernünftige Dirne, was Du bist. Hast Dir Deine Freiheit gewonnen und sollst sie behalten, so weit ich's helfen kann.“

Elisa wickelte ihr Kind dichter an ihren Busen, und schritt fest und eilig weiter. Der Mann blieb stehen und schaute ihr nach.

„Shelby wird dies vielleicht nicht gerade für 'nen sehr nachbarlichen Dienst halten, – aber was soll ein Mensch thun? Wenn er eine von meinen Dirnen auf demselben Striche findet, so mag er mir zurückzahlen. Hab's nie mit ansehen können, wie die armen Kreaturen rennen und keuchen, um sich zu retten, und dann die Hunde hinten drein. Weiß auch überhaupt nicht, warum ich für andere Leute jagen und fangen soll.“

So sprach dieser arme, heidnische Mann von Kentucky, welcher über seine constitutionellen Beziehungen und Verpflichtungen nie aufgeklärt worden war, und sich deßhalb verleiten ließ, in einer Art christlichen Weise zu handeln, welche er, wenn er sich in größerem Wohlstande befunden und mehr Aufklärung genossen hätte, – sich schwerlich erlaubt haben würde.

Haley hatte einen förmlich erstarrten Zuschauer der Scene abgegeben, bis Elisa am gegenüberliegenden Ufer verschwunden war, worauf er sich mit einem leeren, fragenden Blicke nach Sam und Andy umwandte.

„Das war kein übles Stückchen,“ sagte Sam.

„Ich glaube, das Weibstück hat sieben Teufel im Leibe!“ sagte Haley, „Gerade wie 'ne wilde Katze sprang sie!“

„Ja, nu,“ sagte Sam, sich in den Haaren kratzend, – „hoffe, Master wird uns entschuldigen – von dem Wege da. – Denke, habe nicht Courage genug – dazu!“ mit einem heiseren Lachen hinzufügend.

„Du lachst!“ sagte Haley brummend.

„Gott helf mir, Master, ich kann nicht anders – nun,“ sagte Sam, seinem lange zurückgehaltenen Entzücken vollen Lauf lassend. „'s sah so curios aus – wie sie sprang und hüpfte, – und nun, krack – das Eis – und plump! und platsch! – Spring' Du und – o Herr!“ – und Sam und Andy lachten, daß ihnen die Thränen an den Backen hinunter liefen.

„Wart', ich will Euch auf 'ne andere Weise lachen machen!“ sagte Haley, indem er mit der Reitpeitsche um ihre Köpfe schlug.

Beide duckten sich und rannen schreiend und jauchzend das Ufer hinab, und waren bei ihren Pferden, ehe er ihnen nachkommen konnte.

„Guten Abend, Master!“ rief Sam mit großem Ernste. „Vermuthe sehr, Missis wird um Jerry besorgt sein. Master Haley wird uns nicht länger brauchen, – Missis möcht' 's nicht gerne hören, wenn wir die Thiere über Lizy's Brücke ritten – heute Abend noch!“ und, Andy muthwillig in die Rippen stoßend, trabte er, von Letzterem gefolgt, in voller Eile davon, während der Wind ihr fernes, lautes Gelächter zu Haley zurücktrug.

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