Sechstes Kapitel

Die Entdeckung.

Mr. und Mrs. Shelby fanden in Folge der langen Besprechung am Abend nicht sehr bald ihren Schlaf, und schliefen deßhalb am nächsten Morgen etwas länger als gewöhnlich.

„Ich wundre mich, wo Elisa bleibt,“ sagte Mrs. Shelby, nachdem sie die Glocke mehrmals vergeblich gezogen hatte.

Mr. Shelby stand vor seinem Toilettenspiegel, und wetzte sein Rasirmesser, und grade in diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und ein farbiger Knabe brachte das Rasirwasser herein.

„Andy,“ sagte seine Mistreß, „geh' an Elisa's Thür, und sage ihr, daß ich schon dreimal geschellt habe. Armes Wesen!“ fügte sie seufzend hinzu.

Andy kehrte bald zurück, aber mit Augen, die vor Erstaunen weit aufgerissen waren.

„O Missis! Lizy's Kommode ist alles offen, und ihre Sachen alles umher, – und ich glaube, sie ist davon!“

Mr. Shelby und seine Frau erkannten in demselben Moment, was geschehen war. Er rief: „Dann hat sie Verdacht geschöpft, und ist fort!“

„Gott sei gedankt!“ sagte Mrs. Shelby. „Ich hoffe es!“

„Weib, Du sprichst wie eine Thörin! Wahrhaftig, das wird eine schöne Verlegenheit für mich geben, wenn sie wirklich fort ist. Haley sah, daß ich zauderte, dieses Kind zu verkaufen, und nun wird er denken, ich habe mit dazu geholfen, es fortzuschaffen. Das berührt meine Ehre!“ Und Mr. Shelby verließ eiligst das Zimmer.

Nun begann etwa eine Viertelstunde lang ein Laufen und Schreien, und Thürenauf- und Zumachen, und Gesichter in allen Farben und Schattirungen wurden an verschiedenen Orten sichtbar. Nur eine Person, die vielleicht etwas Licht über die Sache hätte verbreiten können, sagte kein Wort, und das war die oberste Köchin, Tante Chloë. Schweigend und mit einer finstern Wolke auf ihrem sonst so frohen Gesichte, war sie beschäftigt, die Zwiebacke für das Frühstück zu rösten, als wenn sie von der allgemeinen Bewegung um sie her nichts hörte und sähe.

Sehr bald hing etwa ein Dutzend junger farbiger Sprößlinge, gleich ebenso vielen Krähen, auf dem eisernen Gitter der Veranda, jeder fest entschlossen, der Erste zu sein, der dem fremden Herrn die Nachricht bringe.

„Er wird ganz toll werden, mein Seel'!“ sagte Andy.

„Wird er nicht fluchen?“ sagte der kleine schwarze Jack.

„Ja, denn er flucht immer,“ sagte die wollköpfige Mandy. „Ich hören ihn gestern, bei Tische, ich hören denn Alles, weil ich in Missis Kammer gewesen, wo die großen Töpfe sein, – da ich Alles hören.“ Und Mandy, die nie zuvor in ihrem Leben an die Bedeutung eines Wortes, welches sie gehört, mehr gedacht hatte als eine schwarze Katze, gab sich nun das Ansehen eines besonderen Wissens, und vergaß dabei gänzlich zu erwähnen, daß, obgleich sie sich zur angegebenen Zeit zusammengekauert in der Geschirrkammer befunden, sie dort die ganze Zeit fest geschlafen hatte.

Als endlich Haley erschien, gestiefelt und gespornt, wurde er von allen Seiten mit der bösen Nachricht begrüßt. Die jungen Kobolde an der Veranda wurden in ihrer Erwartung, ihn „fluchen“ zu hören, nicht getäuscht, denn er that dies mit einer Geläufigkeit, die Alle höchlich ergötzte, während sie sich duckten und schmiegten, um außerhalb des Bereiches seiner Reitpeitsche zu sein, und dann, ihn in vollem Chore verhöhnend, unter endlosem Gelächter in einen Haufen auf dem dürren Rasen unter der Veranda zusammenfielen, und nach Herzenslust schrieen und lärmten.

„Wenn ich die kleinen Teufel nur hätte!“ murmelte Haley zwischen den Zähnen.

„Aber Ihr habt sie nicht!“ rief Andy mit triumphirendem Lachen hinter dem Rücken des unglücklichen Händlers her, als dieser entfernt genug war, um nicht mehr gehört zu werden, und schnitt ihm die abscheulichsten Gesichter nach.

„Nun wahrhaftig, Shelby, dies ist ein ganz sonderbarer Handel!“ sagte Haley, während er ohne Umstände in dessen Wohnzimmer trat. „Es scheint, die Dirne ist fort mit ihrem Jungen!“

„Mr. Haley, Mistreß Shelby ist gegenwärtig,“ sagte Shelby.

„Ah, ich bitte um Verzeihung, Madame,“ sagte Haley, sich ein wenig verneigend, doch immer noch mit finsterer Stirn; „aber ich muß es noch 'mal sagen, dies ist 'ne sehr sonderbare Nachricht. Ist es wahr, Herr?“

„Mr. Haley,“ sagte Shelby, „wenn Sie mit mir zu sprechen wünschen, so müssen Sie in Ihrem Betragen das Decorum eines Gentleman beobachten. Andy, nimm dem Herrn den Hut und die Reitpeitsche ab. Setzen Sie sich. Ja, mein Herr, ich bedaure Ihnen sagen zu müssen, daß das junge Frauenzimmer, nachdem es entweder unsere Unterhaltung behorcht oder deren Inhalt auf andere Weise erfahren hat, während der Nacht mit ihrem Kinde entflohen ist.“

„Ich muß gestehen,“ sagte Haley, „ich erwartete hier ehrlichen Handel.“

„Halt, Herr!“ sagte Mr. Shelby, sich scharf gegen ihn umwendend, „wie soll ich diese Bemerkung verstehen? Sobald Jemand meine Ehre in Zweifel zieht, so habe ich nur eine Antwort.“

Diese Worte machten Eindruck auf den Händler und er bemerkte nun mit gemäßigterer Stimme, daß es verdammt hart für einen Menschen sei, der sich ehrlich auf einen Handel eingelassen habe, auf diese Weise hintergangen zu werden.

„Mr. Haley,“ sagte Shelby, „wenn ich nicht annähme, daß Sie einigen Grund zur Unzufriedenheit hätten, so würde ich selbst nicht die rohe und unhöfliche Weise, mit der Sie diesen Morgen in dieses Zimmer traten, geduldet haben. Ich muß Ihnen jedoch so viel sagen, da es nothwendig zu sein scheint, daß ich keine Bemerkungen erlauben werde, die mich einer Unredlichkeit in diesem Geschäfte beschuldigen. Ueberdies werde ich es für meine Pflicht halten, Ihnen jeden möglichen Beistand durch Benützung meiner Pferde, Diener u. s. w. zu leisten. Also mit einem Worte, Haley,“ fügte er, plötzlich aus dem Tone einer gemessenen Kälte in seinen gewöhnlichen freimüthigen verfallend, hinzu, „das Beste, was Sie thun können, ist, guter Laune zu bleiben, und mit mir zu frühstücken, und dann wollen wir sehen, was zu thun ist.“

Nach diesen Worten erhob sich Mrs. Shelby, indem sie erklärte, daß ihre Geschäfte sie verhinderten, diesen Morgen beim Frühstücke gegenwärtig zu sein; und nachdem sie sodann eine Mulattin von ganz wohlgefälligem Aeußern beauftragt hatte, beim Frühstücke den Herren aufzuwarten, verließ sie das Zimmer.

„Alte Dame – mag ihren ergebenen Diener nicht leiden, durchaus nicht,“ sagte Haley, mit einiger Anstrengung, einen möglichst vertraulichen Ton anzunehmen.

„Ich bin nicht gewohnt, von meiner Frau in dieser Weise reden zu hören,“ bemerkte Mr. Shelby trocken.

„Bitte um Verzeihung; natürlich nur Scherz, – versteht sich,“ sagte Haley, ein Lachen erzwingend.

„Es giebt gewisse Scherze, die nicht angenehm sind,“ entgegnete Shelby.

„Verdammt dreist, seit ich die Papiere unterzeichnet habe, – der Teufel soll ihn holen!“ brummte Haley für sich. „Ganz vornehm seit gestern.“

Nie verursachte der Fall irgend eines Premierministers bei Hofe mehr Sensation als Tom's Schicksal unter seinen Gefährten auf dem Gute. Es war der Gegenstand des Gespräches in jedem Munde und überall; und auf dem Felde wie im Hause geschah fast nichts Anderes als daß die möglichen Folgen dieses Ereignisses besprochen wurden. Endlich trug Elisa's Flucht – ein ganz unerhörter Fall auf dem Gute – noch dazu bei, die allgemeine Aufregung zu erhöhen.

Der schwarze Sam, wie er gewöhnlich genannt wurde, weil seine Haut ungefähr um drei Schatten schwärzer war als die seiner andern ebenholzfarbigen Brüder auf dem Gute, betrachtete die Sache von allen Seiten und Gesichtspunkten mit einer Schärfe des Urtheils und einer Fürsorge für seine eigne Wohlfahrt, die dem besten Patrioten in Washington Ehre gemacht haben würde.

„Ein böser Wind, das weht hier jetzt, – das 's gewiß!“ sagte Sam mit geheimnißvoller Miene, während er beschäftigt war, seine Beinkleider höher hinaufzuziehen und an Stelle eines abgerissenen Knopfes einen langen Nagel zu befestigen. „Ja, 's ist ein böser Wind, das weht,“ wiederholte er. – „Da, Tom ist nieder, – natürlich, Platz für einen andern Nigger 'naufzukommen, – und warum ich nicht dieser Nigger? Tom – reitet in's Land, – Stiefeln geputzt – Paß in Tasche – ganz groß wie Kuffe – wer anders als er? Nu, warum nicht Sam? – Das ist, was ich wissen möchte.“

„Halloh, Sam, – Sam! Master will, Du sollst Bill und Jerry fangen,“ sagte Andy, Sams Selbstgespräch unterbrechend.

„Hoho, was 's nun los, Junge?“ fragte Sam.

„Haha, weißt nicht – gar – daß Lizy ist ausgerissen, mit ihrem Jungen?“

„Du geh' zu Deiner Großmutter!“ sagte Sam mit unaussprechlicher Verachtung, „wußt's 'nen Haufen früher als Du, dummer Nigger!“

„Gut, Master will, Bill und Jerry soll 'sattelt und 'zäumt werden; und Du und ich soll mit Master Haley gehen, und suchen nach ihr.“

„Gut, das 's die rechte Zeit!“ sagte Sam. „S' ist Sam, der jetz' nöthig ist, – in solcher Zeit; ja, er's der Nigger. Sehn, ob ich sie nicht fange, nun; Master soll sehen, was Sam kann!“

„Eh, aber Sam,“ sagte Andy, „Du besser denkst noch 'mal nach; denn Missis will nicht, sie soll gefangen werden, – Missis wird Dir in die Wolle fahren.“

„Hoho!“ sagte Sam, seine Augen weit aufreißend. „Wie wissen Du das?“

„Hört' sie sagen so – mir selbst – diesen Morgen, wenn ich Master Wasser brachte. Sie schickte mich nach Lizy, zu sehen, warum sie nicht kommen that, sie anziehen; und wenn ich ihr sagte, daß sie davon war, stund sie grad' auf und sagt: ‚Der Herr sei gelobt!‘ und Master, er schien ganz toll, er sagte: ‚Weib, sprichst wie ein Narr!‘ Aber eh, sie wird ihn bringen 'rum! weiß schon, ganz genau, wie das wird sein, – sage Dir, 's ist immer 's Beste, bei Missis stehen, – sage Dir!“

Der schwarze Sam kratzte sich nach dieser Mittheilung seinen wolligen Schädel, welcher, wenn er auch nicht sehr tiefe Weisheit enthielt, doch einen großen Theil jener besondern Art Klugheit besaß, die in der Volkssprache am besten dadurch auszudrücken ist: „daß er wußte, auf welcher Seite das Brod mit Butter geschmiert ist.“

„Kann's kein Mensch nie sagen, – was will geschehen in dieser Welt,“ sagte er endlich.

Sam sprach wie ein Philosoph, einen besondern Nachdruck auf „dieser“ legend, als wenn er eine ausgedehnte Kenntniß andrer Welten habe, und deshalb nach reiflicher Ueberlegung zu diesem Schlusse gelangt sei.

„Nun doch, ganz gewiß, hätte ich gesagt, Missis würde die ganze Welt nach Lizy durchfegen,“ fügte Sam sinnend hinzu.

„Und das würde sie,“ sagte Andy, „aber – kannst denn nicht durch 'ne Leiter sehen, schwarzer Nigger? Missis will nicht, daß dieser Master Haley Lizy's Jungen haben soll, – das ist's!“

„Hoh!“ rief Sam mit einer unbeschreibbaren Betonung, die nur Denen bekannt sein kann, welche sie unter den Negern gehört haben.

„Und ich will Dir noch mehr sagen, – und Alles,“ sagte Andy, „ich meine, am besten Du machtest jetzt hinter die Pferde her, – ganz schnell dazu, – denn ich höre Missis fragen nach Dir, – hast lange genug hier 'rum genarrt.“

Sam begann nunmehr in allem Ernste sich an das Geschäft zu machen, und erschien nach einiger Zeit mit Bill und Jerry in kurzem Gallop graden Weg's nach dem Hause zureitend, und indem er geschickt absprang, ehe noch die Pferde daran dachten, still zu stehen, brachte er sie, gleich einer Windsbraut, grade an die Seite des Pferdepfostens heran. Haley's Pferd, welches ein munteres junges Hengstfüllen war, schlug aus, und bäumte sich, und riß gewaltsam am Halfter.

„Hoho!“ sagte Sam, „scheu? bist du?“ und sein schwarzes Gesicht leuchtete von einem sonderbaren, boshaften Scheine. „Ich will dich festmachen,“ sagte er.

Auf dem Platze stand eine große Buche mit breiten schattigen Zweigen, deren kleine, scharfe, dreieckige Nüsse den Boden unterhalb bedeckten. Eine derselben zwischen seinen Fingern haltend, nahte sich Sam dem Füllen, streichelte und klopfte es, und bemühte sich scheinbar, die Unruhe desselben zu stillen. Unter dem Scheine, den Sattel befestigen zu wollen, schob er geschickt die kleine, scharfe Nuß darunter, so daß die geringste Last auf dem Sattel das reizbare Gefühl des Thieres schmerzhaft erregen mußte, ohne eine sichtbare Schramme oder Wunde zu verursachen.

„Da!“ sagte er, seine Augen mit einem beifälligen Grinsen rollend, „ich es festgemacht.“

In diesem Augenblicke erschien Mrs. Shelby auf dem Balkone, und winkte ihm. Sam näherte sich mit einem eben so festen Entschlusse, sich angenehm zu machen, als es je ein Bewerber um eine leere Stelle am Hofe von St. James oder in Washington that.

„Weshalb hast Du Dich so lange herum getrieben, Sam? Ich ließ Dir durch Andy sagen, eilig zu sein.“

„Gott helf mir, Missis,“ sagte Sam, „Pferde kann nicht alle im Nu gefangen werden; – waren ein gut Stück Weg die Weide hinunter gerannt, und Gott weiß, wo alles.“

„Sam, wie oft muß ich Dir sagen, nicht die Worte zu gebrauchen: ‚Gott helf, und Gott weiß,‘ und solche Dinge? Es ist sündlich.“

„O Gott sei mir gnädig! Ich 's ganz vergessen, Missis! Ich will nichts solches mehr sagen.“

„Ja aber, Sam, grade in diesem Augenblicke hast Du es wieder gesagt.“

„Habe ich? Gott! ich meine – ich wollts nicht sagen, Missis.“

„Du mußt auf Dich Acht geben, Sam.“

„Laßt mich nur zu Athem kommen, Missis, und ich will ganz ordentlich reden; – ich sehr Acht geben.“

„Gut, Sam, Du mußt mit Mr. Haley reiten, und ihm den Weg zeigen, und ihm helfen. Nimm die Pferde wohl in Acht, Sam, Du weißt, Jerry war vorige Woche etwas lahm; reite sie nicht zu schnell.“

Mrs. Shelby sprach die letzten Worte mit gedämpfter Stimme und besonderem Nachdrucke.

„Laßt mich nur machen!“ sagte Sam, seine Augen bedeutungsvoll rollend. „Gott weiß! – Hei! – hab's nicht gesagt, das!“ fügte er mit einer possierlichen Affectation von Schrecken hinzu, die selbst Mrs. Shelby wider Willen zum Lachen nöthigte. „Ja, Missis, ich die Pferde schon in Acht nehmen.“

„Nu, Andy,“ sagte Sam, als er zu seinem Stande unter der Buche zurückkehrte, „siehst Du, ich würd' gar nicht wundern, wenn den Herrn sein Thier 'nen Satz machen sollte, nachher, wenn er aufsteigen will. Weißt ja, Andy, Thiere machens so,“ und gab Andy bei diesen Worten in höchst bedeutungsvoller Weise einen Stoß in die Seite.

„Hei!“ sagte Andy, mit dem Ausdrucke augenblicklichen Verständnisses.

„Ja, siehst Du, Andy, Missis will Zeit gewinnen, – das ist klar, – das ein blinder Mann sieht. Ich will dazu was thun. Siehst nun, Du machst alle die Pferde da los, laß sie alle permiskus hier um diese da 'rum springen, und 'nunter da an den Wald, und ich denke, Master soll so schnell nicht fortkommen.“

Andy grinste.

„Siehst Du,“ sagte Sam, „siehst Du, Andy, wenn so was sollt' passiren, wie Masters Pferd widerspenstig sein, – und ausschlagen, – denn Du und ich just lassen gehn uns're, ihm zu helfen, eh' wir wollen ihm helfen, – o ja!“ Und Sam und Andy legten ihre Köpfe zurück, und brachen in ein unmäßiges aber unterdrücktes Lachen aus, und schnappten mit den Fingern, und schlugen mit den Hacken aus in unbegränztem Entzücken.

In diesem Augenblicke erschien Haley in der Veranda. Etwas besänftigt durch eine Anzahl Tassen vortrefflichen Kaffe's kam er schmunzelnd und schmalzend in ziemlich guter Laune heraus. Sam und Andy griffen nach gewissen Stücken von Palmblättern, die sie gewohnt waren, als ihre Hüte zu betrachten, und eilten nach dem Pferdepfosten, um dem „Master zu helfen.“

Sam's Palmblatt war auf sehr sinnreiche Weise von jeder Art Flechtung befreit, und die grade auf- und abwärts stehenden Nebenschößlinge verliehen der ganzen Kopfbedeckung einen solchen Schein von Freiheit und Trotz, daß sie irgend eines Fejee-Häuptlings würdig gewesen sein würde; während Andy den Scheitel seiner Kopfhülle mit einem geschickten Drucke zusammenpreßte, und sich so wohlgefällig umschaute, als wollte er sagen: „Wer sagt, daß ich keinen Hut habe?“

„Nun, Jungens,“ sagte Haley, „jetzt munter; wir haben keine Zeit zu verlieren.“

„Nicht einen Moment, Master!“ sagte Sam, indem er Haley die Zügel seines Pferdes in die Hände gab und den Steigbügel hielt, während Andy die andern beiden Pferde vom Pfosten los machte.

In demselben Augenblicke, wo Haley den Sattel berührte, hob sich das feurige Thier in einem plötzlichen Sprunge von der Erde, und warf seinen Herrn einige Fuß weit auf den weichen trockenen Rasen. Sam versuchte mit einem wilden Schreie einen Griff nach den Zügeln, aber erreichte weiter nichts, als daß er das vorher erwähnte, hoch aufstehende Palmblatt dem Pferde in's Auge stieß, was keineswegs zur Beruhigung der erregten Nerven desselben beitrug. Indem es ihn deßhalb mit heftiger Gewalt umrannte, zwei oder dreimal ein verächtliches Schnaufen ausstieß, und kräftig mit den Hufen in die Luft schlug, jagte es dem unteren Ende des freien Platzes zu, während Bill und Jerry ihm folgten, welche Andy, der Uebereinkunft gemäß, nicht verfehlt hatte, los zu machen, und nun mit verschiedenen wüthenden Ausrufungen zu noch größerer Eile antrieb. Und nun folgte eine Scene der größten Verwirrung. Sam und Andy rannen und schrieen, – Hunde bellten hier und dort, – und Mike, Mose, Mandy, Fanny, und alle die jüngeren Sprößlinge des Gutes, weiblichen wie männlichen Geschlechts, rannen und schlugen in die Hände, pfiffen und schrieen mit unmäßiger Geschäftigkeit und unermüdlichem Eifer.

Haley's Pferd, ein Schimmel, flüchtig und feurig, schien mit großem Wohlgefallen auf den Geist der ganzen Scene einzugehen; und indem es zu seinem Rennlaufe, einen freien Platz, von beinahe einer halben Meile Ausdehnung vor sich hatte, der nach allen Seiten hin sich in eine unbegränzte Waldung sanft abdachte, schien es besonderes Vergnügen daran zu finden, seine Verfolger nahe herankommen zu lassen, und dann, wenn sie sich ihm bis auf eine Hand breit genähert hatten, schnaubend und springend davon zu fliegen, und weit hinab in einen der Holzwege zu galoppiren. Nichts war Sam's Absicht weniger, als daß irgend eins der Pferde früher gefangen werden solle, als er für zeitgemäß hielt, – und dabei waren die Anstrengungen, die er machte, wirklich heroisch. Gleich dem Schwerdte Coeur de Lion's, welches stets voran und im dicksten Gefechte flammte, war Sam's Palmblatt überall sichtbar, wo nicht die entfernteste Gefahr vorhanden war, daß das Pferd gefangen werden könne; – da sprang er in vollem Laufe drauf los, und schrie: „drauf! drauf! fang ihn! fang ihn!“ in solcher Weise, daß in einem Augenblicke Alles in die vollständigste Verwirrung gesetzt war.

Haley rann inzwischen auf und ab, und schwor und fluchte und stampfte mit dem Fuße abwechselnd. Mr. Shelby bemühte sich vergeblich, Befehle vom Balkone aus hinunter zu rufen, und Mrs. Shelby stand bald lachend, bald sich wundernd am Fenster ihres Zimmers, – jedoch nicht ohne eine leise Ahnung dessen, was dieser ganzen Verwirrung zu Grunde lag.

Endlich, ungefähr gegen zwölf Uhr Mittags, erschien Sam triumphirend, auf Jerry reitend und Haley's Pferd an der Seite führend, welches zwar von Schweiß triefend war, aber dessen noch immer flammende Augen und ausgedehnten Nasenlöcher verriethen, daß der Geist der Freiheit es noch nicht gänzlich verlassen hatte.

„Er's gefangen!“ rief Sam mit triumphirender Miene. „Wenn's nicht ich gewesen wäre, die Alle hätten sich können quälen, – Alle! aber ich ihn gefangen.“

„Du!“ brummte Haley in keiner sehr liebenswürdigen Stimmung, „wenn Du nicht gewesen wärest, so würde Alles das nicht geschehen sein.“

„Gott helf mir! Master,“ sagte Sam im Tone tiefster Betrübniß, „ich, der 'rumgejagt und gerannt ist, daß der Schweiß mir 'nunter läuft!“

„Gut, gut!“ sagte Haley, „Du hast mich um beinahe drei Stunden mit Deinem verfluchten Unsinn gebracht; – nun fort, keine Narrheiten weiter.“

„Wie, Master?“ sagte Sam in einem beschwörenden Tone, „ich glaube, Ihr wollt uns Alle umbringen, – Pferde und Alle. Hier, wir sind Alle just fertig, umzufallen, und die Pferde rauchen nur so von Schweiß. Denke, Master wird nicht wollen aufbrechen, nur erst nach Tische. – Masters Pferd muß abgerieben werden, – hat sich ganz voll gespritzt; – und Jerry ist noch dazu lahm! – glaube nicht, Missis wird uns lassen reiten so just nun. Gott helf mir, Master, – wir wollen sie schon noch fangen, – warten thut nichts. Lizy nie war großer Läufer nicht.“

Mrs. Shelby, welche von der Veranda aus diese Unterhaltung nicht ohne großes Vergnügen mit angehört hatte, beschloß nunmehr, auch ihren Theil zu thun. Sie trat deßhalb hervor, drückte in höflichster Weise ihr Bedauern über Haleys Unfall aus, und bat ihn dringend, zum Mittagessen zu bleiben, indem sie hinzufügte, daß die Köchin es sofort auf den Tisch bringen sollte.

Unter diesen Umständen sah Haley sich genöthigt, sich, obgleich mit sehr zweifelhafter guter Laune, in das Wohnzimmer zu begeben, während Sam, seine Augen mit unaussprechlicher Bedeutung hinter ihm her rollend, sodann die Pferde mit der ernsthaftesten Miene nach dem Stalle führte.

„Hast ihn gesehen, Andy? hast ihn gesehen?“ sagte Sam, nachdem er glücklich hinter eine ihn verbergende Scheune gelangt war und die Pferde an einen Pfosten befestigt hatte. „O Herr, war's nicht ein Spaß, zu sehen – wie er tanzte und schlug und fluchte. Fluche nur, alter Kerl (sagt' ich zu mir), – willst Dein Pferd jetzt haben, oder willst warten, bis ich's fange? (sagte ich). O Herr, ich denke, ich seh'n noch jetzt!“ Und Sam und Andy legten sich gegen die Scheune und lachten aus vollem Herzen.

„Hätt'st nur sehen sollen, wie toll er aussah, als ich's Pferd 'rauf brachte. Guter Gott, glaub', er hätt' mich umgebracht, wenn er gedurft hätte; – und da stand ich – ganz unschuldig und demüthig.“

„O ja, ich sah Dich,“ sagte Andy, „bist Du nicht ein altes Pferd, Sam?“

„Glaub's beinahe, ich bin's,“ sagte Sam. „Hast nicht Missis gesehen – oben am Fenster? Ich sah's, wie sie lachte.“

„Nein,“ sagte Andy, „hatte so gelaufen, habe nichts gesehen.“

„Wohl, siehst Du,“ sagte Sam, indem er ernsten Gesichts dazu schritt, Haley's Tony abzuwaschen, – „ich habe mir angenommen eine Gewohnheit, was man Beobachtung nennen kann, Andy. S' ist 'ne sehr wichtige Gewohnheit, Andy; und ich rathe Dir's, zu üben, weil Du jung bist. – Heb' den Hinterfuß hier auf, Andy. Siehst, Andy, 's ist Beobachtung, was allen Unterschied macht zwischen Niggers. Hab' ich nicht gesehen, wo der Wind her kam, diesen Morgen? Hab' ich nicht gesehen, was Missis wollte, wenn sie auch nichts sagte? Das 's Beobachtung, Andy. Glaube, 's ist, was man 'ne Gabe nennen kann. Gaben ist verschieden in verschiedenen Leuten, aber Uebung thut groß viel.“

„So? ich glaube, wenn ich Deiner Beobachtung nicht geholfen hätte, diesen Morgen, würdest Deinen Weg nicht so gut gefunden haben,“ sagte Andy.

„Andy,“ erwiderte Sam, „bist ein hoffnungsvolles Kind, – kein Zweifel! Denke groß viel von Dir, Andy, – schäme mich nicht, Ideen von Dir anzunehmen. Sollen Niemand übersehen, Andy, denn der Klügste wird auch manchmal angeführt. Und nun, Andy, laß uns in's Haus gehen; – bin gewiß, Missis gibt uns 'nen ganz besonders guten Bissen – diesmal.“

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