Viertes Kapitel.

Ein Abend in Onkel Tom's Hütte.

Onkel Tom's Hütte war ein kleines von Balken errichtetes Gebäude dicht bei „dem Hause“, wie die Neger par excellence die Wohnung ihres Herrn bezeichnen. Vor demselben lag ein sauberer Gartenfleck, in welchem jeden Sommer Stachelbeeren und Himbeeren und allerhand andere Früchte und Gemüse unter sorgsamer Hand blühten. Die ganze Front des Häuschens war von den Stauden einer einheimischen, immerblühenden Rose bedeckt, deren Ranken sich so verflochten, daß kaum eine Spur von den rauhen Balken sichtbar war. Auch verschiedene Jahresblumen, wie Goldlack, Nelken und Levkojen fanden hier im Sommer ein stilles Plätzchen, in dem sie ihre Pracht und ihre Wohlgerüche entfalten konnten, und waren der Stolz und die Freude Tante Chloë's.

Laßt uns in die Wohnung eintreten. Die Abendmahlzeit im Herrenhause ist vorüber, und Tante Chloë, die als oberste Köchin die Zubereitung desselben zu leiten pflegt, hat den Unterbeamten der Küche das Geschäft des Reinigens und Aufräumens überlassen, und sich in ihr eignes, behagliches Territorium begeben, um „ihrem Alten“ das Abendbrod zu reichen. Ihr dürft deshalb nicht daran zweifeln, daß sie es ist, die am Feuer steht, und mit ängstlicher Aufmerksamkeit gewisse zischende Gegenstände in einer Pfanne beobachtet, und von Zeit zu Zeit mit sehr ernster Vorsicht den Deckel der Backpfanne aufhebt, unter welchem ganz unzweifelhafte Anzeigen von „etwas Guten“ hervordampfen. Ihr Gesicht ist rund, schwarz und so glänzend, daß man glauben möchte, sie wäre, wie eine ihrer Theezwiebacke, mit Eiweiß überstrichen worden. Ihr ganzes, volles Gesicht strahlt unter ihrem wohlgestärkten Turbane von Zufriedenheit und Frohsinn, obgleich es, wenn wir doch einmal gestehen müssen, einen leichten Anstrich des Selbstbewußtseins verräth, welches der ersten Köchin in der ganzen Nachbarschaft, wofür Tante Chloë ganz allgemein galt und gehalten wurde, rechtmäßig zustand.

Eine Köchin war sie ohne Zweifel durch und durch. Allen Hühnern, Truthähnen und Enten auf dem Hühnerhofe wurde Angst, wenn sie Tante Chloë sich nahen sahen, und dachten augenscheinlich an ihr Ende; und gewiß ist, daß sie fortwährend über schmoren, braten und backen mit solcher Lebhaftigkeit nachdachte, daß sie jeden denkenden lebendigen Vogel dadurch in Schrecken setzen mußte. Ihr Kornkuchen, in allen seinen Modificationen war ein erhabenes Geheimniß für alle weniger geübten Küchenpraktikanten; und sie schüttelte ihre fetten Seiten vor Freude und Stolz, wenn sie von den fruchtlosen Versuchen erzählte, die einer oder der andre ihrer Collegen gemacht hatte, ihren Höhenpunkt zu erreichen.

Die Ankunft von Gästen im „Hause“, die Zubereitung von Mittag- und Abendessen im „großen Style“ erweckte alle ihre Lebensgeister; und kein Anblick war ihr erfreulicher als eine hohe Schicht Reisekoffer in der Veranda, denn dann hatte sie Aussicht auf neue Anstrengungen und neue Triumphe.

Grade in diesem Augenblicke schaut jedoch Tante Chloë in die Backpfanne, und wir wollen sie in dieser ihr innig verwandten Beschäftigung lassen, bis wir das Bild der Hütte vollendet haben.

In einer Ecke derselben steht ein Bett mit saubrer, weißer Decke; und an der Seite desselben lag ein Stück Teppich von ziemlich bedeutendem Umfange. Auf diesem Stücke Teppich hatte Tante Chloë ihren Stand, da sie unzweifelhaft zu den höheren Regionen des menschlichen Lebens gehörte, und dasselbe, so wie das Bett, bei dem es lag, und überhaupt die ganze Ecke des Zimmers, wurden mit rücksichtsvoller Achtung behandelt, und so viel wie möglich vor den Einbrüchen und Entheiligungen des kleineren Volkes geschützt. Diese Ecke war das Gastzimmer des Hauses. In einer andern Ecke stand ein Bett von weit unscheinbarerem Aeußern, und war augenscheinlich für den Gebrauch bestimmt. Die Wand über dem Kamin war mit einigen hellfarbigen Bildern aus der heiligen Schrift und einem Portrait General Washington's geschmückt, welches dergestalt gezeichnet und colorirt war, daß es ohne Zweifel diesen Helden in Erstaunen gesetzt haben würde, wenn er je einen Abdruck desselben gesehen hätte.

Auf einer rohen Bank in einer andern Ecke war ein Paar wollköpfiger Knaben mit glänzend schwarzen Augen und fetten, glänzenden Wangen beschäftigt, die ersten Gehversuche des jüngsten Kindes zu überwachen, welche, wie gewöhnlich, darin bestanden, sich auf den Füßen zu erheben, einen Augenblick zu schwanken, und dann wieder umzufallen, wobei jeder erfolglose Versuch mit schallendem Gelächter begleitet wurde.

Ein Tisch, schon etwas rheumatisch in seinen Gliedmaßen, befand sich vor dem Feuer, und war mit einem Tuche bedeckt, welches Tassen und Schalen, von unzweifelhaft schönem Muster, mit noch anderen Symptomen eines herannahenden Mahles trug. An diesem Tische saß Onkel Tom, Mr. Shelby's bester Sklave, den wir, da er der Held unserer Erzählung ist, für unsere Leser daguerreotypiren müssen. Er war ein großer, kräftig gebauter Mann, mit breiter Brust, vom glänzendsten Schwarz und mit einem Gesichte, dessen ächt afrikanische Züge Ernst und Verstand in Verbindung mit natürlicher Herzensgüte verriethen. Es lag in seinem ganzen Aeußern eine gewisse Selbstachtung und Würde, verbunden mit vertrauungsvoller Einfachheit des Sinnes.

Er war grade in diesem Augenblicke sehr eifrig mit einer Tafel beschäftigt, welche vor ihm lag, und auf der er langsam und mit großer Sorgfalt einige Buchstaben nachzumalen versuchte, während Master Georg, ein muntrer, hübscher Knabe von dreizehn Jahren, diese Beschäftigung überwachte, und der Würde seiner Stellung als Lehrer vollkommen zu entsprechen schien.

„Nicht so, Onkel Tom, – nicht so,“ sagte er lebhaft, als Onkel Tom mühsam den Schweif seines G auf die falsche Seite gebracht hatte; „das macht Q, siehst Du?“

„Gott's Willen, wirklich?“ sagte Onkel Tom, ehrfurchtsvoll und bewundrungsvoll seinen jungen Lehrer anblickend, während dieser mit flüchtiger Hand zahllose Q's und G's zu seiner Erbauung auf die Tafel malte; und sodann den Griffel in seine dicken, schweren Finger nehmend, begann er sein Werk von Neuem.

„Wie leicht weiße Menschen Alles machen!“ sagte Tante Chloë, einen Augenblick inne haltend, während sie beschäftigt war, eine eiserne Pfanne mit einem Stück Speck auf der Gabel auszufetten, und blickte stolz auf Master Georg. „Wie er schreiben kann! und lesen dazu! Und dann Abends herunter zu kommen, und uns die Bibel vorzulesen, – s'ist mächtig interessant!“

„Aber Tante Chloë, ich werde mächtig hungrig,“ sagt Georg; „ist denn der Kuchen in der Pfanne noch nicht bald gut?“

„Beinahe, Master Georg,“ sagte Tante Chloë, den Deckel aufhebend und hinunter blickend; – „bräunt wunderschön, – prächtiges Braun. Für das, laßt nur Tante Chloë allein! Neulich Missis ließ Sally Versuch machen, 'nen Kuchen zu backen, – grade nur, um's zu lernen,“ sagte sie. „O geht, Missis,“ sagte ich, „es thut mir wirklich weh, zu sehen, die guten Sachen alle so wegzuwerfen! Kuchen riß ganz auf an einer Seite, – keine Form, nichts – nicht mehr als mein Schuh, geht!“

Und mit diesen Schlußworten, dem Ausdrucke über die Ungeschicklichkeit Sally's, nahm Tante Chloë den Deckel der Backpfanne schnell hinweg, und ließ einen schön gebackenen Pfundkuchen sehen, dessen sich kein städtischer Zuckerbäcker zu schämen gehabt haben würde. Da dieser augenscheinlich der wesentlichste Bestandtheil des Gastmahls war, so begann Tante Chloë nunmehr sehr ernstlich den Tisch herzurichten.

„Hier, Ihr, Mose und Pete! geht aus dem Wege, Ihr Niggers! – Geh' Polly, mein Honig, – Mama gibt ihrem Kinde was, nachher. Nun, Master Georg, Sie, nehmen Sie die Bücher fort da, und setzen Sie sich zu meinem Alten, und ich will die Würste heraus nehmen, und Ihre Teller sollen im Augenblick voll Kuchen sein.“

„Ich sollte zum Abendessen in's Haus kommen,“ sagte Georg, „aber ich wußte was besser war, Tante Chloë.“

„Ja, ja, Sie wußten's – Sie wußten's, Zuckerkind,“ sagte Tante Chloë, die dampfenden Kuchen auf seinen Teller häufend; „Sie wußten's, alte Tante würde schon s'Beste aufheben für Sie. O freilich!“ Und mit diesen Worten gab Tante Chloë Georg einen Stoß mit ihrem Finger, und wandte sich dann wieder mit großer Geschäftigkeit zu ihrer Pfanne.

„Nun soll's an den Kuchen gehen,“ sagte Master Georg, als die Thätigkeit der Pfanne etwas nachgelassen hatte, und schwang dabei ein großes Messer über besagtem Artikel.

„Gott's willen, Master Georg!“ rief Tante Chloë, mit großem Ernste ihm in den Arm fallend, „Sie wollen ihn doch nicht mit dem großen, schweren Messer schneiden? Zerquetschen ja Alles, verderben's ganz und gar. Hier, ich habe ein altes, dünnes Messer; ich halt's immer scharf, grade dazu! Hier, nun, sehen Sie, – geht aus einander leicht wie 'ne Feder! Nun essen's los! – s'nichts zu beißen drin.“

„Tom Lincoln sagt,“ bemerkte Georg, mit vollem Munde redend, „daß ihre Jinny eine bessere Köchin wäre, als Du.“

„Kommt nichts drauf an, was die Lincoln's sagen, – gar nicht!“ sagte Tante Chloë verächtlich; „sind nichts, ich meine neben unsern Leuten. Sind ganz achtbare Leute, ganz genug, in 'ner einfachen Art; aber was in großen Style machen – nichts davon, keinen Begriff davon. Just nun, stellen Sie Master Lincoln neben Master Shelby! Guter Gott! und Missis Lincoln! – kann sie auftreten wie meine Missis – so glänzend verstehen Sie? O nichts! gehn Sie mir, sagen Sie mir nichts von den Lincoln's!“ – und Tante Chloë warf ihren Kopf in die Höhe, wie Jemand, der sich selbst bewußt war, etwas von der Welt zu verstehen.

„Gut, aber ich habe Dich doch selbst sagen hören, Tante Chloë,“ sagte Georg, „daß Jinny eine gute Köchin sei.“

„Ganz richtig,“ sagte Tante Chloë, – „und das 's wahr. Gut, gewöhnlich, einfachen kochen – Jinny kann; – kann gutes Brod backen, – Kartoffeln kochen, – ihr Kornkuchen sind nicht extra, nein, Jinny's Kornkuchen sind nicht extra; aber nun höher 'nauf, in höheren Zweigen, was kann sie? – lieber Gott! Sie kann Pasteten machen, – gewiß, sie kann, – aber was für Teig und Kruste? Kann sie den wirklichen, leichten Teig machen, der Ihnen im Munde zerfließt und aufgeht wie ein Hauch? Just, hören Sie, – ich ging da h'nüber, wenn Miß Marien's Hochzeit war, und Jinny just zeigte mir die Hochzeitpasteten. Jinny und ich sind's gute Freunde immer, Sie wissen. Ich sagte nichts, nimmer, Master Georg! Gewiß, glauben's mir, – könnte nicht 'nen Augenblick schlafen, die ganze Woche, wenn ich solches Gebäck Pasteten gemacht hätte; – waren nichts werth, gar nichts!“

„Ich glaube, Jinny hat gedacht, sie wären vortrefflich,“ sagte Georg.

„Nicht wahr? – so sie dachte. Da war sie, zeigte sie, ganz unschuldig, – sehen Sie's just hier, Jinny wußte's nicht. Geht mir, die Familie ist nichts! Wie kann sie's wissen? Nicht ihre Schuld. Ah, Master Georg, Sie kennen nicht halb Ihre Privilegien in Ihrer Familie, und in 'er Auferziehung!“ Bei diesen Worten seufzte Tante Chloë und schlug ihre Augen mit tiefer Bewegung auf.

„Ganz gewiß, Tante Chloë, ich kenne alle meine Pasteten und Puddings-Privilegien,“ sagte Georg. „Frage nur Tom Lincoln, ob ich mich nicht jedesmal damit rühme, wenn ich ihn treffe und ihn auslache.“

Tante Chloë lehnte sich in ihren Stuhl zurück und lachte aus Herzenskräften über den Witz des jungen Herrn, lachte, bis die Thränen ihre schwarzen, glänzenden Backen hinunterliefen, während sie abwechselnd dabei beschäftigt war, ihn im Scherze zu stoßen und zu schlagen und ihm zu sagen, daß er fortgehen solle und daß er ein Bösewicht sei, – daß er im Stande sei, sie zu tödten und daß er sie sicherlich nächstens umbringen werde, und verfiel dabei zwischen diesen blutigen Prophezeihungen in immer neue Ausbrüche des Lachens, die immer länger anhielten, bis endlich Georg wirklich zu glauben begann, er sei ein höchst gefährlich witziger Mensch, und daß er wohl Acht geben müsse, auf was er spreche.

„Und das haben Sie Tom gesagt? Haben Sie? O Herr, was die Jugend nicht alles thut? Haben ihn ausgelacht, und wie haben Master Georg ihn ausgelacht!“

„Ja,“ sagte Georg, „ich sagte zu ihm, ‚Tom, Du mußt 'mal Tante Chloë's Pasteten sehen; das ist die rechte Art!‘ sagte ich.“

„'S ist ein Jammer, nun, Tom kann nicht,“ sagte Tante Chloë, auf deren menschenfreundliches Herz Tom's ungünstiges Loos einen tiefen Eindruck zu machen schien. „Sollten ihn doch 'mal zu Mittag laden, 'mal dieser Tage, Master Georg,“ fügte sie hinzu; „'s würde sich ganz hübsch von Ihnen machen. Sie wissen's, Master Georg, Sie sollen sich nicht über Niemand erheben, wegen Ihrer Priv'legien, weil alle unsre Priv'legien uns sind gegeben. Wir sollen immer daran denken,“ sagte Tante Chloë ganz ernsthaft.

„Gut, ich will Tom an irgend einem Tage in der nächsten Woche hierher einladen,“ sagte Georg, „und Du thust Dein Bestes, Tante Chloë, und er soll die Augen aufreißen. Soll er uns nicht so viel essen, daß er für vierzehn Tage genug hat?“

„Ja, ja, – gewiß!“ sagte Tante Chloë ganz erfreut, – „Sie sollen sehen. O Herr! an manche von unsern Mahlzeiten zu denken! Wissen's noch die große Hühnerpastete, die ich machte, wenn General Knox war hier? Ich und Missis, wir beinahe hatten was Streit, wegen des Teigs. Was manchmal solche Damen Einfälle haben, – weiß nicht; aber manchmal, wenn ein Mensch just am meisten Verantwortlichkeit hat auf sich, so zu sagen, und ist 'ne ganz wichtige Sache, solche Damen haben den Einfall um Einen herumzuhängen, und sich in Alles zu mischen! Nun, Missis wollte, ich sollte's so machen, und dann sollt' ich's so machen; und endlich wurd ich beinahe unartig und sagte: ‚Nun, Missis, schauen Sie auf die schönen, weißen Hände, Ihre, mit langen Fingern, alle mit blanken Ringen, just wie meine weißen Lilien, wenn der Thau drauf liegt; und nun schauen Sie meine großen, schwarzen Hände. Nun, denken Sie nicht, daß der Herr gewollt hat, ich soll den Pastetenteig machen, und Sie sollen im Zimmer bleiben?‘ Da haben Sie's, Master Georg, so unartig war ich.“

„Und was sagte Mutter?“ fragte Georg.

„Sagte? – je nun, sie lachte gar mit den Augen, – den schönen, großen Augen, ihren, und sagte: ‚Gut Tante Chloë, ich glaube, Du hast recht,‘ sagte sie, und fort ging sie in's Zimmer. Sie hätte mir eins an den Kopf geben sollen, daß ich so unartig war; aber so ist's, – ich kann nichts thun mit Damen in der Küche!“

„Wohl, Du legtest große Ehre mit dem Gastmahle ein, – ich entsinne mich deutlich, Jedermann sagte es,“ bemerkte Georg.

„Und stand ich nicht hinter der Thür des Speisezimmers an dem Tage? und sah ich nicht, wie General Knox dreimal seinen Teller hinreichte, grade nach dieser Pastete? – und, sagte er: ‚Sie müssen eine außerordentliche Köchin haben, Mistreß Shelby.‘ – O Herr! ich hätte aus einander gehen mögen!“ –

„Und der General, er weiß, was kochen ist,“ fügte Tante Chloë hinzu, sich stolz aufrichtend. „Sehr hübscher Mann, der General! Er kommt von der ersten Familie in Virginien! Er weiß was es heißt, so gut wie ich – der General. Sehen Sie, da sind Punkte in allen Pasteten, Master Georg; aber 's weiß nicht jeder, was das ist oder sein soll. Aber der General, er weiß es; o, ich merkt's, was er sagte. Ja, er weiß, was die Punkte sind!“

Um diese Zeit war Master Georg endlich zu dem Punkte gelangt, den selbst ein Knabe (unter besondern Umständen) erreichen kann, daß er in der That keinen Bissen mehr hinunterbringen konnte, und hatte deßhalb Zeit, die Reihe von Wollköpfen und leuchtenden Augen zu bemerken, die aus einem entfernten Winkel seine Operationen mit hungrigem Magen beobachtet hatten.

„Hier, Du, Mose, Pete,“ rief er, freigebig große Stücke vom Kuchen vor sich abbrechend und ihnen zuwerfend; „Ihr wollt was haben, nicht wahr? Komm, Tante Chloë, backe ihnen ein paar Kuchen.“

Und Georg und Tom begaben sich nach einem bequemen Sitze in der Kaminecke, während Tante Chloë, nachdem sie einen ansehnlichen Haufen Kuchen gebacken hatte, ihr jüngstes Kind auf den Schooß nahm, und nun begann abwechselnd dessen Mund und ihren eigenen zu füllen und angemessene Antheile an Mose und Pete auszutheilen, welche es vorzuziehen schienen, ihre Portionen zu verzehren, während sie sich auf dem Erdboden, unter dem Tische, umherwälzten und einander kitzelten.

„O geht, wollt Ihr?“ sagte die Mutter, ihnen von Zeit zu Zeit, wenn die Bewegungen derselben zu lästig wurden, einen Stoß mit dem Fuße unter dem Tische gebend. „Könnt Ihr nicht artig sein, wenn weiße Leute hier sind bei Euch? Wollt Ihr? ruhig da, oder ich setze Euch ein Knopfloch tiefer, wenn Master Georg fort ist!“

Was diese schreckliche Drohung für eine Bedeutung hatte, läßt sich schwer sagen, gewiß ist aber, daß sie einen sehr geringen Eindruck auf die jungen Sünder machte.

„Na, denn!“ sagte Onkel Tom, „die sind so voller Uebermuth, die können sich nicht ordentlich betragen.“

Die Knaben tauchten unter dem Tische hervor, Gesicht und Hände wohl bedeckt mit einer Mischung von Fett, Zucker und Schmutz, und begannen ein herzhaftes Küssen des jüngsten Kindes.

„Fort mit euch!“ sagte die Mutter, die wolligen Köpfe bei Seite stoßend. „Ihr müßt ja alle zusammenkleben und nie wieder los kommen, wenn Ihr's so macht. Fort, geht an den Brunnen, und wascht Euch!“ sagte sie, diese Worte mit einem Schlage begleitend, welcher einen furchtbaren Schall verursachte, aber keine andere Wirkung zu haben schien, als ein noch größeres Gelächter auf Seiten der Kinder zu erzeugen, während sie über einander zur Thür hinauspurzelten und im vollsten Jubel aus Leibeskräften schrieen.

„Gab es je solche ungezogenen Bälge?“ sagte Tante Chloë, halb schmunzelnd, während sie ein altes Handtuch hervorsuchte, welches besonders für solche Zwecke gehalten wurde, etwas Wasser aus dem halbzerbrochenen Theetopfe darauf schüttete und jene pflasterartige Mischung von dem Gesichte und den Händen des jüngsten Kindes abwusch, worauf sie es in Tom's Schooß setzte und sodann das Geschirr und die Ueberreste des Abendessens wegzuräumen begann. Das Kind benutzte diese Zwischenzeit dazu, an Tom's Nase zu zupfen, ihm das Gesicht zu zerkratzen und die kleinen, fetten Hände in sein wolliges Haar zu stecken, was ihm besonderes Vergnügen zu gewähren schien.

„Ist's nicht ein prächtiges Kind?“ sagte Tom, es von sich entfernt haltend, um es in seiner ganzen Länge zu betrachten; und sodann aufstehend setzte er es auf seine breite Schulter und begann mit ihm zu springen und zu tanzen, während Master Georg mit dem Taschentuche nach ihm schnappte, und Mose und Pete, welche inzwischen zurückgekehrt waren, dergestalt hinter her brüllten, daß Tante Chloë erklärte, sie verliere ihren Kopf in dem Lärmen. Da jedoch, ihrer eigenen Angabe zufolge dies eine chirurgische Operation war, welche sich täglich wiederholte, so verminderte diese Erklärung nicht im geringsten die Heiterkeit der Kinder, bis sie sich vollständig müde getanzt, gewälzt und geschrieen hatten.

„Na, denn, hoffe, nun seid Ihr fertig,“ sagte Tante Chloë, die inzwischen ein aus einem rohen Kasten bestehendes Rollbett hervorgezogen hatte; „nun, Mose und Pete, hier hinein, denn wir haben jetzt Betstunde.“

„O Mutter, noch nicht. Wir wollen mit in Betstunde, – Betstunde ist so komisch, – wir gern in Betstunde.“

„Ah was, Tante Chloë, schieb's wieder hinunter, und laß sie mit aufbleiben,“ sagte Master Georg mit Bestimmtheit, der rohen Maschine einen Stoß gebend.

Nachdem Tante Chloë auf diese Weise den Schein gewahrt hatte, schien sie höchlich erfreut, den Kasten wieder bei Seite schieben zu können, indem sie sagte: „Gut, vielleicht thut's ihnen gut!“

Nunmehr löste sich das Haus in eine Comite auf, um die Vorbereitungen und Vorrichtungen für die Betstunde zu berathschlagen.

„Wo nun Stühle her bekommen, ich weiß wahrlich nicht,“ sagte Tante Chloë.

Da die Betstunde seit längerer Zeit regelmäßig jede Woche bei Onkel Tom gehalten worden war, ohne Hülfe von mehr „Stühlen,“ so war einige Aussicht vorhanden, daß sich gegenwärtig vielleicht ein Ausweg finden lassen werde.

„Onkel Pete hat beide Beine von der alten Stuhl abgesungen – vorige Woche,“ bemerkte Mose.

„Du geh! weiß gewiß, Du hast sie abgebrochen, selbst,“ sagte Tante Chloë, „so einer von Deinen Streichen.“

„Aber er steht noch,“ sagte Mose, „wenn er nur an der Wand stehen bleibt.“

„Denn Onkel Pete muß nicht sitzen drin, denn er rückt immer, wenn er anfängt singen. Einen Abend er beinahe durch das ganze Zimmer gerückt,“ sagte Pete.

„Ho, denn lass' ihn sitzen drin,“ sagte Mose, „und denn er wird anfangen: ‚O Heilige und Sünder kommt –‘ und denn bricht er ein;“ – und Mose ahmte dabei den näselnden Ton des alten Mannes genau nach und wälzte sich zugleich an der Erde, um ein Bild der zu erwartenden Katastrophe zu geben.

Während Mose und Pete dies zwischen sich verhandelten, waren zwei leere Fässer in die Hütte gerollt worden, und nachdem beide durch an die Seiten gelegte Steine einen festen Stand bekommen hatten, wurden Bretter darüber gelegt, so daß durch diese Vorrichtung, mit Hülfe verschiedentlicher umgestülpter Eimer und anderer ähnlicher Hausgeräthe, die Vorbereitungen beendigt waren.

„Master Georg liest die Bibel so wunderschön, na, ich weiß, er wird doch hier bleiben, und uns was lesen,“ sagte Tante Chloë, – „ich dächte, s'wäre gleich viel mehr interessant.“

Georg bequemte sich sehr gern dazu, denn welcher Knabe ist nicht jeder Zeit zu Allem bereit, was ihm eine Art Wichtigkeit verleiht. Das Zimmer füllte sich bald mit einer gemischten Versammlung vom alten, greisen achtzigjährigen Patriarchen bis zum jungen Mädchen und dem fünfzehnjährigen Buben hinab, von denen Mehrere nachbarlichen Familien angehörten und Erlaubniß erhalten hatten, dieser Versammlung beizuwohnen.

Nach einer einleitenden Unterhaltung über die verschiedenartigsten Gegenstände, je nachdem sie gerade die Interessen der anwesenden Andächtigen berührten, begann zum augenscheinlichen Ergötzen Aller der Gesang. Selbst die störende Einwirkung der näselnden Töne konnte den mächtigen Eindruck der natürlich schönen Stimmen in Gesängen, die zugleich lebhaft und geistig waren, nicht vernichten. Der Text war zuweilen der wohlbekannter gewöhnlicher Kirchenhymnen, und zuweilen von einem unbestimmteren, milderen Charakter, wie er namentlich in den freien Brüderversammlungen zu hören ist.

In vielen dieser Gesänge kamen wiederholte Beziehungen auf „die Ufer des Jordan“, „die Felder Canaan's“ und „das neue Jerusalem“ vor; denn der Geist des Negers, von Natur mit Leidenschaftlichkeit und Einbildungskraft begabt, wählt sich Hymnen und Ausdrücke eines lebhaften, malerischen Charakters; und während die Anwesenden sangen, lachten Einige derselben, und Andere weinten, und noch Andere schlugen die Hände zusammen, oder drückten sich die Hände in Entzückung, als wenn sie schon glücklich am jenseitigen Ufer des Flusses angelangt wären.

Master Georg las auf Verlangen die letzten Kapitel der Offenbarung, wobei er oft durch Ausrufungen wie: „O hört nur das!“ „O denkt an das!“ „Wird das nicht alles geschehen?“ u. s. w. unterbrochen wurde.

Georg, der ein aufgeweckter Knabe, und in religiösen Gegenständen von seiner Mutter wohl unterrichtet worden war und sich hier ein Gegenstand allgemeiner Bewunderung sah, warf von Zeit zu Zeit Erklärungen seiner eignen Eingebung mit hinein, natürlich mit dem erforderlichen Ernste und der nöthigen Würde, wofür er von den Alten gesegnet und von den Jungen bewundert wurde; und Alle stimmten endlich darin überein, daß „ein Geistlicher es nicht besser auslegen könne, als er,“ und daß „es wirklich zum Erstaunen sei!“

Onkel Tom galt in der ganzen Nachbarschaft als eine Art Patriarch in religiösen Gegenständen. Da in seinem Geiste, vermöge natürlicher Anlage, das moralische Gefühl vorherrschend war, und da sein Geist einen größeren Umfang und größere Bildung besaß, als seine Gefährten sich dessen zu rühmen vermochten, so wurde er von Allen mit großer Achtung und als eine Art Geistlicher angesehen; und der einfache, herzliche, aufrichtige Ausdruck seiner Ermahnungen hätte vielleicht selbst höher gebildete Personen erbauen können. Aber es war namentlich die Art des Gebets, worin er sich auszeichnete. Nichts konnte die rührende Einfachheit, die kindliche Begeisterung seines Gebetes übertreffen, so getreu gehalten in der Sprache der Bibel, die ein so integrirender Theil seines Wesens geworden zu sein schien, daß sie unwillkührlich seinen Lippen entfloß. Er betete in der Ausdrucksweise eines frommen, alten Negers „gerade hinauf.“ Und einen solchen Eindruck äußerte stets sein Gebet auf die Empfindungen der Andacht unter seiner Zuhörerschaft, daß oft Gefahr drohte, es möchte ganz verloren gehen unter dem Ausbruche der Gefühle und Antworten von allen Seiten.

Während sich diese Scene in der Hütte des Sklaven zutrug, fand eine davon sehr verschiedene in dem Salon des Herrn statt.

Der Sklavenhändler und Mr. Shelby saßen wieder in dem früher erwähnten Eßzimmer beisammen, an einem Tische, der mit Papieren und Schreibmaterialien bedeckt war.

Mr. Shelby war beschäftigt, verschiedene Packete Wechsel zu überzählen und zu überrechnen, und schob sie sodann zu dem Händler hinüber, der sie ebenfalls nachzählte.

„Alles richtig,“ sagte der Händler; „nun also unterzeichnen diese da!“

Mr. Shelby zog hastig die Verkaufsbriefe an sich und unterzeichnete sie, wie ein Mann, der über ein unangenehmes Geschäft hinwegeilt, und schob sie sodann mit dem Gelde zur andern Seite hinüber. Haley zog hierauf aus einer stark abgenutzten Brieftasche ein Pergament hervor, welches er, nachdem er es zuvor überblickt hatte, an Mr. Shelby aushändigte, der es mit einer Bewegung unterdrückten Eifers an sich nahm.

„Wohl, die Sache ist gemacht,“ sagte der Händler aufstehend.

„Ist abgemacht!“ sagte Mr. Shelby in sinnendem Tone und wiederholte nach einem langen und tiefen Athemzuge: „ist abgemacht!“

„Ihr scheint mir nicht sonderlich damit zufrieden zu sein,“ sagte der Händler.

„Haley,“ sagte Mr. Shelby, „ich hoffe, Ihr werdet nicht vergessen, was Ihr mir auf Eure Ehre versprochen habt, daß Ihr nämlich den Tom nicht verkaufen wollt, ohne vorher zu wissen, in was für Hände er geht.“

„Warum? Ihr habt jetzt gerade dasselbe gethan,“ sagte der Händler.

„Umstände, wie Ihr wohl wißt, nöthigten mich,“ sagte Shelby in stolzem Tone.

„Wohl, sehet, die können mich auch nöthigen,“ sagte der Händler. „Indeß, will mein Bestes thun, ihm 'ne gute Koje zu verschaffen; – und was mich betrifft, so braucht Ihr nicht besorgt zu sein, daß ich ihn schlecht behandele. Wenn's etwas in der Welt gibt, wofür ich dem Herrn dankbar bin, so ist's, daß ich nicht grausam bin.“

Nach den Erläuterungen, welche der Händler zuvor über die Principien seiner Menschlichkeit gegeben hatte, fühlte sich Mr. Shelby durch diese Erklärungen nicht sonderlich beruhigt; allein da sie die einzige Beruhigung waren, die er finden konnte, so ließ er den Händler schweigend gehen und suchte Zerstreuung in einer einsamen Cigarre.

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