Zehntes Kapitel.

Das Eigenthum wird fortgeschafft.

Der Februarmorgen blickte trübe und feucht durch Onkel Tom's Hüttenfenster. Er schien auf traurige Gesichter, den Spiegel trauriger Herzen. Vor dem Feuer stand der Tisch, auf dem eine Plettdecke lag; über einem Stuhl am Feuer hingen einige grobe, aber reine Hemden, und Tante Chloë hatte ein andres vor sich auf dem Tische ausgebreitet. Sorgfältig plettete sie jede Falte und jede Naht mit der gewissenhaftesten Genauigkeit, und hob nur von Zeit zu Zeit ihre Hand zum Gesichte auf, um die Thränen abzuwischen, die herabliefen.

Tom saß dabei, die aufgeschlagene Bibel auf dem Knie haltend, und seinen Kopf in die Hand lehnend, – aber keiner sprach. Es war noch früh, und die Kinder lagen alle fest schlafend in ihrem Rollbette.

Tom, der im vollsten Maße das sanfte, weiche Gefühl für Häuslichkeit hatte, welches ein besondrer charakteristischer Zug dieses unglücklichen Geschlechtes ist, stand auf und ging schweigend an das Bett seiner Kinder, um sie zu betrachten.

„'s ist das letzte Mal,“ sagte er.

Tante Chloë antwortete nicht, sondern plettete nur mit erhöhtem Eifer das grobe Hemd weiter, das bereits so glatt war wie Hände es machen konnten; und indem sie endlich ihr Eisen mit einem verzweifelnden Stoße bei Seite schob, setzte sie sich am Tische nieder, und erhob ihre Stimme, und weinte.

„Glaube schon, wir müssen gefaßt sein; aber, o Herr! wie kann ich? Wenn ich nur wüßte, wo Du hinkämst, und wie sie Dich behandeln werden! Missis sagt, sie will versuchen, und Dich einlösen in ein oder zwei Jahren; aber, o Herr, da kommt ja keiner zurück, der hingegangen ist! Jeder wird ja umgebracht! Hab's ja gehört, wie sie abgetrieben werden da in den Plantagen!“

„'s wird derselbe Gott da sein, Chloë, wie hier.“

„Mag sein,“ sagte Tante Chloë, „aber der Herr läßt schreckliche Dinge geschehen, manchmal. Ich kann da keinen Trost drin finden, – nein!“

„Ich bin in Gottes Hand,“ sagte Tom, „nichts kann gehn weiter als er es will; und da ist eins, wofür ich ihm kann dankbar sein. Ich bin's, der verkauft ist, und hinunter gehen muß, und nicht Du oder die Kinder. Ihr seid hier sicher; – was kommt, kommt nur über mich, und der Herr wird mir helfen, – ich weiß, er wird.“

Braves, männliches Herz! – das seinen eignen Kummer niederdrückt, um andre geliebte Wesen zu trösten! Tom sprach mit schwerer stockender Stimme, aber sprach brav und männlich.

„Laß uns an unsre Wohlthaten denken!“ fügte er mit bebender Stimme hinzu, als wenn er dessen gewiß wäre, daß er das Bedürfniß fühle, an diese sehr ernstlich zu denken.

„Wohlthaten!“ sagte Tante Chloë, „sehe keine Wohlthat drin! 's ist nicht recht! 's ist nicht recht, daß es so sein muß! Master hätte 's nie sollen so kommen lassen, daß Du für seine Schulden genommen werden konntest. Hast ihm Alles verdient, was er für Dich kriegt, doppelt. Er war Dir Deine Freiheit schuldig, und hätte sie Dir geben sollen, vor Jahren schon. Mag sein, daß er sich jetzt nicht helfen kann, aber ich fühle 's, 's ist doch unrecht; – nichts bringt das heraus aus mir. Solches treues Geschöpf, wie Du gewesen bist, – hast immer seine Geschäfte vorgesetzt, überall, vor Deinen eignen, – und immer an ihn mehr gedacht als an Dein eigen Weib und Kinder! Wer Herzliebe und Herzblut verkaufen kann, um herauszukommen aus seiner Noth, – der Herr wird ihm schon dafür lohnen!“

„Chloë! nun, wenn Du mich lieb hast, sprichst Du nicht so, wenn 's vielleicht grade das letzte Mal ist, daß wir so mit einander reden! Und ich sage Dir, Chloë, 's geht mir ganz zuwider, ein Wort gegen Master zu hören. Ist er nicht als ein Säugling in meinen Arm gelegt worden? – 's ist natürlich, daß ich viel auf ihn halte, – und Master kann nicht so viel auf den armen Tom halten. Masters sind gewöhnt, sich alle solche Sachen thun zu lassen, und denken natürlich nicht so viel davon; – 's kann's Niemand erwarten. Setz' ihn andern Mastern an die Seite, – wer hat die Behandlung und 's gute Leben, wie ich's gehabt habe? Und er hätte das nie über mich kommen lassen, wenn er 's hätte vorher sehen können. Ich weiß gewiß!“

„'s ist gut, irgendwo steckt da doch was Unrecht's,“ sagte Tante Chloë, in der ein hartnäckiger Gerechtigkeitssinn vorherrschend war; – „ich kann's nicht ausfinden, wo es steckt, aber irgendwo ist was Unrecht's, – das weiß ich gewiß.“

„Du solltest aufblicken zum Herrn über uns, – er ist über Alle – kein Sperling fällt vom Dache ohne ihn.“

„Es will mich nicht trösten, aber 's kann wohl sein, es sollte,“ sagte Tante Chloë. „Aber 's Reden hilft alles nichts; ich will nur jetzt den Kornkuchen herausnehmen, und Dir ein gutes Frühstück zurecht machen, denn wer weiß, wenn Du wieder eins findest.“

Um die Leiden der nach dem Süden verkauft werdenden Neger gehörig zu würdigen, müssen wir daran erinnern, daß alle instinktmäßigen Neigungen dieses Geschlechtes besonders stark sind. Ihre Anhänglichkeit an Orte namentlich ist dauernd; sie sind zwar nicht kühn und unternehmend, aber häuslich und anhänglich. Man rechne hinzu alle die Schrecken, mit denen Unwissenheit das Fremde, Unbekannte bekleidet, und ferner den Umstand, daß nach dem Süden verkauft werden dem Neger von früher Jugend an als der äußerste, schrecklichste Grad von Strafe vorschwebt. Die Drohung, welche mehr schreckt, als gepeitscht werden oder Tortur irgend einer Art, ist die, den Fluß hinab geschickt zu werden. Wir haben selbst den Ausdruck dieses Gefühl's und den ungekünstelten Schrecken beobachtet, mit dem sie in ihren Mußestunden bei einander sitzen, und sich schauderhafte Geschichten von dem Süden erzählen, der ihnen als

„Das unentdeckte Land, von dessen Gränzen
Kein Reisender je kehrt,“

gilt. Ein Missionär unter den entflohenen Negern in Canada erzählte uns, daß viele von ihnen bekannt hätten, verhältnißmäßig gütigen Herrn entflohen zu sein, und sich den Gefahren der Flucht ausgesetzt zu haben, lediglich durch den furchtbaren Schrecken dazu bewogen, den sie vor dem Verkauftwerden nach dem Süden hegten, einem Schicksale, das drohend über den Häuptern Aller, über Männern, Weibern und Kindern hänge. Dies erfüllt den Afrikaner, der von Natur geduldig und schüchtern ist, mit heroischem Muthe, und läßt ihn Hunger, Kälte und Schmerzen tragen, und sich den Gefahren der Wildniß, und den noch schrecklicheren Strafen des Wiedereinfangens aussetzen.

Das einfache Morgenmahl dampfte jetzt auf dem Tische, denn Mistreß Shelby hatte Tante Chloë von ihren Dienstleistungen im Herrenhause für diesen Morgen entbunden. Die arme Seele hatte alle ihre geringen Kräfte zu diesem Abschiedsmahle erschöpft, – hatte ihre besten Hühner geschlachtet und gebraten, und ihren Kornkuchen mit der gewissenhaftesten Genauigkeit, ganz nach dem Geschmacke ihres Mannes, zubereitet, und brachte endlich noch ein Paar Krüge hervor mit einigen aufbewahrten Raritäten, die nur bei ganz besondern Gelegenheiten zum Vorschein kamen.

„O Pete,“ sagte Mose triumphirend, „haben wir nicht ein prächtiges Frühstück auf dem Tisch!“ in demselben Augenblicke nach einem Stücke Huhn greifend.

Tante Chloë gab ihm eine unerwartete Ohrfeige. „Da nun, kräht über 's letzte Frühstück, das Euer armer Tate hier zu Hause essen wird!“

„O Chloë!“ sagte Tom sanft.

„Ach, ich kann mir nicht helfen,“ sagte Tante Chloë, ihr Gesicht in der Schürze bergend! „ich bin so voll Jammer, das macht mich so häßlich.“

Die Knaben blieben still stehen, und sahen erst ihren Vater, und dann ihre Mutter an, während das jüngste Kind an den Kleidern derselben empor kletterte, und einen gebieterischen, befehlenden Schrei zu erheben begann.

„Da!“ sagte Tante Chloë, ihre Augen trocknend und das Kind aufhebend; – „nun bin ich fertig, denk' ich, – nun iß etwas, – das hier ist mein bestes Huhn. Da, Jungens, sollt' auch was haben, arme Bälger! Mamme ist häßlich gegen Euch gewesen.“

Die Knaben bedurften keiner zweiten Einladung, sondern machten sich mit großem Eifer an die Vorräthe, und es war gut, daß sie es thaten, denn sonst würde von keiner Seite zu diesem Zwecke viel gethan worden sein.

„Nun,“ sagte Tante Chloë, nach dem Frühstück geschäftig aufstehend, „ich muß nun Deine Kleider zusammenthun. 's ist zwar so gut, wie nicht; werden sie doch alle nehmen. Kenne ihre Wege, – sind schmutzig, wie Koth, sind sie! Also hier, Deine Unterjacken, gegen den Fluß, hier in der Ecke; sei vorsichtig, denn 's wird Dir keiner wieder welche machen. Dann hier sind Deine alten Hemden und hier die neuen. Habe die Strümpfe hier gestopft, gestern Abend, und neue Hacken eingesetzt, – aber, o großer Gott, wer wird sie je wieder ausbessern?“ und Tante Chloë war von Neuem so überwältigt, daß sie ihren Kopf an die Seite des Kastens lehnte und schluchzte. „Nur dran zu denken! – kein Mensch, der was für Dich thun wird, krank oder gesund! Ich weiß nicht, wozu ich noch gut sein soll!“

Die Knaben, nachdem sie Alles verzehrt hatten, was auf dem Tische zu finden war, begannen ihre Aufmerksamkeit auf das zu richten, was um sie vorging; und als sie ihre Mutter weinen sahen und das traurige Gesicht ihres Vaters gewahrten, fingen sie auch an zu wimmern und ihre Hände zu den Augen zu erheben. Onkel Tom hatte das jüngste Kind auf seinem Knie, und ließ es sich nach Herzenslust damit vergnügen, sein Gesicht zu kratzen und sein Haar zu zausen, während es von Zeit zu Zeit laute Ausbrüche von Wonne hören ließ, die augenscheinlich aus eigenen inneren Betrachtungen hervorgingen.

„Krähe nur, krähe, armes Geschöpf!“ sagte Tante Chloë, „kommst auch noch an die Reihe! wirst leben und sehen, wie Dein Mann verkauft wird, oder selbst verkauft werden; – und diese armen Jungen da werden auch verkauft werden, ohne Zweifel, wenn sie zu was gut sind, – taugt nicht, wenn Niggers zu was gut sind!“

In diesem Augenblicke rief einer der Knaben laut: „Da, Missis kommt herein!“

„Sie kann nichts mehr helfen; – was nützt 's kommen?“ sagte Tante Chloë.

Mrs. Shelby trat ein. Tante Chloë setzte ihr einen Stuhl in einer auffallend mürrischen Weise hin. Sie schien jedoch weder die Handlung noch die Art und Weise zu beachten. Sie sah blaß und aufgeregt aus.

„Tom,“ sagte sie, „ich komme um –“ aber plötzlich inne haltend und die schweigende Gruppe vor sich betrachtend, setzte sie sich nieder auf den Stuhl, bedeckte ihr Gesicht mit dem Taschentuche und brach in heftiges Schluchzen aus.

„Nun, Missis, o nein, nicht – das nicht?“ sagte Tante Chloë, ihrerseits auch in Weinen ausbrechend, und einige Augenblicke lang war die ganze Gesellschaft in Thränen. Und in diesen Thränen, die Alle gemeinschaftlich vergoßen, Hohe und Niedere, schmolz aller Groll und alle Bitterkeit der Unterdrückten hinweg. O Ihr, die Ihr Leidende besucht, wißt Ihr nicht, daß Alles, was Euer Geld kaufen kann, wenn es mit kaltem, abgewandtem Gesichte gegeben wird, nicht so viel werth ist, wie eine warme Thräne, die aus wahrem Mitgefühl geweint wird?

„Mein guter Tom,“ sagte Mrs. Shelby, „ich kann Dir nichts geben, was für Dich von Nutzen wäre. Wollte ich Dir Geld geben, so würde es Dir nur genommen werden. Aber ich verspreche Dir heilig und vor Gott, daß ich Dich nicht aus meinen Augen verlieren und Dich zurückkaufen will, sobald ich genug Geld dazu aufbringen kann, bis dahin vertraue auf Gott!“

Hier riefen plötzlich die Knaben, daß Master Haley komme und unmittelbar darauf flog durch einen sehr unceremoniösen Stoß die Thür auf. Da stand Haley in sehr übler Laune, indem er die vorhergehende Nacht einen langen Ritt gemacht hatte und das in Verfolgung seiner Beute gehabte Mißgeschick nicht sonderlich zur Aufheiterung seines Gemüthes beitrug.

„Komm,“ sagte er, „Nigger, bist Du fertig? – Diener, Madame!“ fügte er, seinen Hut abnehmend, hinzu, als er Mrs. Shelby gewahrte.

Tante Chloë machte den Kasten zu und band einen Strick darum, und stand dann auf, den Händler finster anblickend, wobei ihre Thränen sich in Feuerfunken zu verwandeln schienen.

Tom erhob sich geduldig, um seinem neuen Herrn zu folgen, und legte den schweren Kasten auf seine Schulter. Seine Frau nahm das jüngste Kind auf den Arm, um ihn bis an den Wagen zu begleiten, und die andern Kinder, noch immer weinend, folgten nach.

Mrs. Shelby trat zu dem Händler heran und hielt ihn einige Augenblicke fest, indem sie in sehr eifrigem Tone zu ihm sprach; und während dieß geschah, bewegte sich die ganze Familie einem Wagen zu, der angespannt und bereit vor der Thür stand.

Alle Sklaven der Besitzung, Alt und Jung, hatten sich in großer Menge versammelt und umgaben ihn, um ihrem alten Genossen ein letztes Lebewohl zu sagen. Tom war von Allen als der erste Diener und als ihr christlicher Lehrer angesehen worden, und es zeigte sich deßhalb unter ihnen, namentlich unter den Weibern, viel aufrichtige Theilnahme und Betrübniß.

„Wie, Chloë, Du trägst's besser als wir?“ sagte eins der Weiber, welches in heftigem Weinen begriffen war und die finstere Ruhe bemerkte, mit der Chloë am Wagen stand.

„Bei mir ist's mit den Thränen vorbei!“ entgegnete sie, grimmig den Händler anblickend, der sich näherte, „mag nicht weinen vor dem alten Schuft da!“

„Steig hinein!“ sagte Haley zu Tom, während er durch die Menge von Sklaven hindurchschritt, die ihn mit finsteren Blicken betrachteten.

Tom stieg ein und Haley zog unter dem Wagensitze ein Paar schwerer Fußschellen hervor, welche er um seine Fußgelenke befestigte. Ein unterdrücktes Stöhnen von Unwillen rann durch die ganze Versammlung, und Mrs. Shelby rief von der Veranda aus hinab:

„Mr. Haley, ich versichere Sie, diese Vorsicht ist ganz unnöthig.“

„Weiß nicht, Madame,“ entgegnete Haley, – „habe schon fünfhundert Dollar hier auf dem Platze verloren, kann mich durchaus nicht solcher Gefahr noch 'mal aussetzen.“

„Was konnte sie anders von ihm erwarten?“ sagte Tante Chloë, innerlich empört, während ihre beiden Knaben die Lage ihres Vaters nun mit einem Male zu begreifen schienen, und sich an die Kleider ihrer Mutter hängend heftig schluchzten und stöhnten.

„Es thut mir leid,“ sagte Tom, „daß Master Georg nicht hier ist.“

Georg hatte einen Ausflug in die Umgegend auf einige Tage unternommen, um einen Jugendfreund zu besuchen; und da er früh am Morgen abgereist war, ehe das Gerücht von Tom's Unglück sich allgemein verbreitet hatte, so war es ihm unbekannt geblieben.

„Bringt Master Georg meinen Gruß,“ sagte er dringend zu seiner Frau und den Umstehenden.

Haley hieb auf die Pferde, und mit einem festen, traurigen Blicke, den er unverwandt auf seine heimathliche Stätte richtete, sah Tom sie allmählig vor seinen Augen verschwinden.

Mr. Shelby war um diese Zeit nicht zu Hause. Er hatte Tom im Drange der Nothwendigkeit verkauft, um aus der Gewalt eines Mannes zu kommen, den er fürchtete, – und sein erstes Gefühl nach dem Abschlusse des Geschäftes war das innerer Beruhigung gewesen. Allein die Vorstellungen seiner Frau erweckten seine halb schlummernde Reue, und Tom's männliche Uneigennützigkeit hatte die Peinlichkeit seiner Empfindungen erhöht. Vergeblich sagte er sich, daß er ein Recht habe es zu thun, – daß Jedermann es thue, – und daß Viele sogar es thäten, ohne die Entschuldigung der Nothwendigkeit für sich zu haben, – sein Gefühl wollte sich dadurch nicht beruhigen lassen; und um nicht die traurigen Schlußscenen mit ansehen zu müssen, hatte er eine kleine Geschäftsreise in die Umgegend unternommen, in der Hoffnung, daß bei seiner Rückkehr Alles vorüber sein werde.

Tom und Haley rasselten den staubigen Weg entlang, bei allen den vertrauten Oertern vorüber fliegend, bis die Gränzen der Besitzung hinter ihnen lagen, und sie sich auf der offenen Landstraße befanden. Als sie ungefähr eine Meile weit gefahren waren, hielt Haley plötzlich vor der Thür eines Hufschmieds an, nahm ein paar Handschellen aus dem Wagen hervor und trat damit in die Schmiede, um eine Aenderung derselben vornehmen zu lassen.

„Diese hier sind etwas zu klein für seinen Bau,“ sagte Haley, die Handschellen zeigend und auf Tom deutend.

„Mein Seel'! ist denn das nicht Shelby's Tom? – er hat ihn doch nicht verkauft?“ sagte der Schmied.

„Ja, er hat ihn verkauft,“ entgegnete Haley.

„Warum nicht gar, wirklich?“ sagte der Schmied, „wer hätte das gedacht! Je, ich glaube, Ihr habt nicht nöthig, ihn auf diese Weise fest zu machen, – er ist die treueste, beste Seele –“

„Ja, ja,“ sagte Haley, „aber Eure guten Seelen sind grade die rechten, um davon zu laufen. Die Dummen, die nichts darnach fragen, wohin sie gehen, und andere Versoffene, die sich aus nichts was machen, die bleiben und haben's eher gern, nach allen Gegenden herumgerollt zu werden; aber grade diese Hauptkerle, die hassen's wie die Sünde. Hilft nichts, – die Schellen müssen dran, – hat Beine, wird sie schon gebrauchen – kein Zweifel!“

„Na, Mann,“ sagte der Schmied, unter seinem Arbeitszeug umher suchend, „die Plantagen da unten sind auch nicht grade der Platz, wo ein Kentucky-Nigger hin verlangt; sie sterben da ziemlich schnell, – nicht wahr?“

„O ja, sterben ziemlich schnell; von Klima und sonst so sterben sie so, daß immer ein ziemlich starker Markt ist,“ sagte Haley.

„Man sollte aber doch meinen, daß es ein Jammer wäre, so 'nen ruhigen, ordentlichen, guten Kerl zu haben, so einen wie Tom, und ihn denn nun da fertig machen zu lassen in den Zucker-Plantagen.“

„Na, er hat 'ne gute Aussicht. Ich habe versprochen, was für ihn zu thun; – will sehen, daß ich ihn bei irgend 'ner guten, alten Familie in's Haus bringen kann; und wenn er dann 's Fieber aushält und 's Klima, na, so hat er 's so gut wie 's irgend ein Nigger nur verlangen kann.“

„Seine Frau und Kinder hat er wohl da gelassen?“

„Ja; aber wird schon 'ne andre da kriegen; – 's gibt ja Weiber genug da überall,“ sagte Haley.

Tom saß inzwischen traurig außerhalb der Schmiede, während diese Unterhaltung geführt wurde. Plötzlich hörte er einen schnellen, kurzen Hufschlag hinter sich, und ehe er sich vollständig von seiner Ueberraschung erholen konnte, sprang Master Georg in den Wagen, schlang in wilder Aufregung seine Arme um Tom's Nacken, und schluchzte und schalt aus Leibeskräften.

„Ich sage, es ist abscheulich! Ich frage nichts danach, was sie sagen, wer 's auch ist! Es ist eine Schande! Wenn ich ein Mann wäre, sollten sie es nicht thun, – sollten sie es ganz bestimmt nicht thun!“ rief er mit unterdrücktem Schluchzen.

„O Master Georg! das thut mir wohl!“ sagte Tom. „Ich konnt 's nicht tragen, daß ich fort mußte, ohne Sie noch 'mal gesehen zu haben! Das thut mir wahrlich wohl, – Sie können's nicht glauben!“

Bei diesen Worten machte Tom eine Bewegung mit seinen Füßen, und Georg's Blicke fielen auf die Fessel.

„Welche Schande!“ rief er, seine Hände aufhebend. „Ich schlage den alten Kerl nieder, – ja, ich thue es!“

„Nein, Sie thun 's nicht, Master Georg; und müssen nicht so laut sprechen. Es kann mir zu nichts helfen, ihn ärgerlich zu machen.“

„Gut, ich will es nicht thun, um Deinetwillen; aber nur dran zu denken, – ist es nicht abscheulich? Sie haben mich nicht holen lassen, haben mir nicht einmal Nachricht davon gegeben, und wenn Tom Lincoln nicht gewesen wäre, so hätte ich gar nichts davon gehört. Ich sage Dir, ich habe sie ausgescholten, Alle zusammen zu Hause!“

„Das war wohl nicht recht, Master Georg!“

„Ich konnte nicht anders! Es ist eine Schande, sage ich! – Sieh' hier, Onkel Tom,“ fügte er dann hinzu, seinen Rücken gegen die Schmiede wendend und in geheimnißvollem Tone sprechend: „ich habe Dir meinen Dollar gebracht!“

„O, ich kann ihn ja nicht annehmen, Master Georg, nein, um Alles in der Welt nicht!“ sagte Tom ganz gerührt.

„Aber Du sollst ihn nehmen!“ sagte Georg; „sieh' hier, – ich sagte es Tante Chloë, daß ich's thun wollte, und sie hat mir den Rath gegeben, ein Loch hineinzubohren und eine Schnur hinein zu ziehen, so, nun kannst Du ihn um den Hals hängen und ihn verstecken; sonst würde dieser gemeine Räuber ihn Dir wegnehmen. Ich sage Dir, Tom, ich möchte mit ihm anbinden! es würde mir gut thun!“

„Nein, thun Sie 's nicht, Master Georg, denn es würde mir nichts Gutes bringen!“

„Wohl, ich will es nicht thun, um Deinetwillen,“ sagte Georg, seinen Dollar geschäftig um Tom's Hals hängend; „aber nun knöpfe Deinen Rock fest drüber zu und bewahre ihn, und jedes Mal, wenn Du ihn ansiehst, so denke daran, daß ich zu Dir hinunter kommen will und Dich zurück holen. Ich habe mit Tante Chloë darüber gesprochen; ich habe ihr gesagt, daß sie nichts fürchten soll; ich will dafür sorgen, und ich will Vater'n zu Tode ärgern, wenn er 's nicht thut!“

„O Master Georg, Sie müssen nicht so von Ihrem Vater reden.“

„Gott, Onkel Tom, ich meine ja nichts Böses!“

„Und nun, Master Georg,“ fuhr Onkel Tom fort, „Sie müssen immer ein guter Sohn sein; bedenken Sie, wie viele Herzen da sind, die an Ihnen hängen. Halten Sie immer fest an Ihrer Mutter und fallen Sie nie in solche thörichten Wege, wie Knaben sie manchmal haben, und wollen zu groß sein, um auf ihre Mutter zu hören. Will Ihnen was sagen, Master Georg, der Herr gibt manche gute Dinge zweimal, aber 'ne Mutter gibt er nur einmal. Sie werden nie wieder 'ne solche Frau finden, Master Georg, und wenn Sie hundert Jahr alt werden. Also nun, Sie halten fest an ihr, und werden groß, und werden ihr Trost sein, – da, das ist mein guter Sohn, – nicht wahr, Sie wollen?“

„Ja, ich will, Onkel Tom,“ sagte Georg ernsthaft.

„Und sein Sie vorsichtig was Sie sprechen, Master Georg. Junge Leute, wenn sie in Ihr Alter kommen, sind eigenwillig, manchmal, – 's ist Natur; aber wirkliche Gentlemen, wie Sie einer sein werden, ich hoffe, lassen nie Worte fallen über ihre Eltern, die nicht ehrerbietig sind. Sie sind doch nicht böse, Master Georg?“

„O nein, gewiß nicht, Onkel Tom; Du hast mir immer gute Lehren gegeben.“

„Bin älter, Sie wissen,“ sagte Tom, indem er die schönen lockigen Haare des Knaben mit seiner großen starken Hand strich, aber dabei mit einer Stimme sprach, die so weich wie die eines Weibes war, „und ich sehe Alles was in Ihnen steckt, – Klugheit, Stand, Lesen, Schreiben, – und Sie werden aufwachsen und ein großer, gelehrter, guter Mann sein, und alle Leute im Orte, und Ihr Vater und Ihre Mutter werden stolz auf Sie sein. Sein Sie auch ein guter Herr, wie Ihr Vater, – und ein guter Christ, wie Ihre Mutter. Denken Sie an Ihren Schöpfer in den Tagen wo Sie jung sind, Master Georg.“

„Ja, ich will wirklich gut sein, Onkel Tom, ich gelobe 's Dir!“ sagte Georg, „und sei Du nicht muthlos. Ich will Dich auf jeden Fall zu uns zurück haben. Wie ich Tante Chloë diesen Morgen gesagt habe, – ich will Dein Haus neu ausbauen lassen und Du sollst ein eignes Zimmer haben mit einem Teppich darin, wenn ich ein Mann bin. O, Du sollst noch gute Zeiten haben!“

Haley trat in die Thüre der Schmiede mit den Handeisen in der Hand.

„Hört, Mister Haley,“ sagte Georg mit einer Miene großer Ueberlegenheit, während er aus dem Wagen sprang, „ich werde es meinen Eltern anzeigen, wie Ihr Onkel Tom behandelt!“

„Soll mir lieb sein,“ sagte der Händler.

„Ich sollte denken, Ihr müßtet Euch schämen, Euer ganzes Leben lang Männer und Weiber aufzukaufen und sie wie Vieh zusammen zu schließen! Ich sollte meinen, Ihr müßtet Euch selbst abscheulich vorkommen!“ sagte Georg.

„So lange Eure vornehmen Leute noch Männer und Weiber kaufen wollen, – bin ich so gut wie jene,“ sagte Haley; „'s ist nicht schlechter verkaufen, als kaufen.“

„Ich werde keines von beiden thun, wenn ich ein Mann bin,“ sagte Georg. „Ich schäme mich heut, daß ich ein Kentuckier bin; – früher war ich immer stolz darauf.“ Und Georg saß auf seinem Pferde so grade, und blickte mit einer solchen Miene um sich, als erwarte er, daß der ganze Staat davon durchdrungen werden solle.

„Leb' wohl, Onkel Tom, behalte guten Muth!“ sagte Georg.

„Leben Sie wohl, Master Georg,“ entgegnete Onkel Tom, ihn zärtlich und mit Bewunderung anblickend. „Gott der Allmächtige segne Sie! – Ach, Kentucky hat nicht Viele wie Sie!“ fügte er hinzu, als das freie, offene Gesicht des Knaben seinem Blicke entzogen war. Fort flog Georg, und Tom schaute ihm nach, bis der Hufschlag seines Pferdes nicht mehr zu hören war, – der letzte Ton, der letzte Blick aus seiner Heimath. Aber über seinem Herzen schien eine warme Stelle zu sein, da wo jene jugendlichen Hände den kostbaren Dollar hingelegt hatten. Tom hob seine Hand auf und drückte sie fest auf sein Herz.

„Nun höre, Tom, ich will Dir was sagen,“ sagte Haley, während er an den Wagen trat und die Handschellen hinein warf, „ich meine, Du sollst 's gut bei mir haben, wie 's meine Nigger immer haben; und also sag' ich Dir gleich zum Anfang, Du bist ehrlich gegen mich, und ich bin gut gegen Dich. Bin nie hart gegen meine Nigger, – thue immer 's Beste für sie, was ich kann. Also, Du siehst, das Gescheidste ist, Du bist ruhig und zufrieden und machst mir keine Streiche; denn die Niggerstreiche kenn' ich alle, und werde damit fertig. Wenn Niggers ruhig sind und versuchen nicht davon zu laufen, so haben sie gute Zeit bei mir; und wenn nicht, na, denn so ist 's ihre eigne Schuld und nicht meine.“

Tom versicherte Haley, daß er nicht die Absicht habe, davon zu laufen. Die Ermahnung schien in der That ziemlich überflüssiger Weise an einen Mann gerichtet zu sein, der schwere Fußeisen an seinen Beinen trug. Allein Mr. Haley hatte die Gewohnheit angenommen, sein Verhältniß zu neuen Waarenartikeln stets mit kleinen derartigen Ermahnungen zu eröffnen, die darauf hinwirkten, wie er glaubte, ihnen guten Muth und Zutrauen einzuflößen, und die Nothwendigkeit unangenehmer Scenen zu verhüten.

Und hier nehmen wir für jetzt von Onkel Tom Abschied, um die Schicksale andrer Personen unserer Erzählung zu verfolgen.

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