EIN MANN MIT TIEFEN AUGEN

Ein Mann mit tiefen Augen ging vorbei.

Ein Patriarch stand am Wege, und sprach ihn an.

»Du kommst doch von Osten? So begegnetest du der Karawane? Bei Engaddi, denk' ich? Wieviele Reisende waren dabei? Und vieviele Kamele führten sie mit sich?«

»Ich habe sie nicht gezählt«, antwortete der Fremde. Der Greis sah ihn an.

»Ganz recht – Warst du nicht dort am Brunnen zwischen Edon und Gaza? Du riefst doch wohl dreimal den Namen des Heiligen, der den Brunnen grub?«

Der Fremde entgegnete verwundert: »Welches Heiligen? Was meinst du?«

Da lächelte der Greis.

»Hörtest du, ob es Myrrhe ist oder Balsam, was der Vierfürst Antipas in diesem Jahre als Tribut erhalten soll?«

»Ich weiss von alledem nichts«, sagte der Fremde gleichgültig.

»Hast du denn garnichts von dem König gehört, den ich nannte?«

»Nein.«

Sie standen an einem Gräberfeld.

»Hier,« sagte der Greis, »hier wächst nun Gras über gar viele, die jüngst noch jauchzten, die glücklich waren und stark! Da liegen sie nun allesamt zerstreut zwischen Sand und Asche!«

»Nein,« erwiderte der Fremde, »nicht hier! Sie sind fortgeflogen! Wer begraben wird, der geht in das grosse Grenzenlose!«

Er ging weiter. Die Abendsonne vergoldete ihn, bis seine Gestalt in der düsteren Wüste verschwand.

Der Greis sah ihm nach.

»Wahrlich,« dachte er, »dieser war ein Prophet – er weiss nur von dem, was verborgen ist!« …

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