Charles Dona Edward. Der Sport in 100 Jahren.


Der Sport in 100 Jahren.
Von Charles Dona Edward.

Dem Sport erwachsen schon jetzt für seine Zukunft ungeahnte Möglichkeiten. Es gehört daher wenig Phantasie dazu, ein Zukunftsbild zu entwerfen, so lange man sich auf dem Gebiete der Sachlichkeit bewegen und sich nicht in haltlosen Utopien ergehen will, die allerdings auch zu den Möglichkeiten, vorläufig aber noch nicht zu den Wahrscheinlichkeiten gehören. So dürfte es sich erübrigen, von dem „Maulwurfssport“ und dem „Salamandersport“ zu sprechen, von welchem einige unserer Romanciers vorahnend zu schwärmen wissen. Beide dieser Sportarten sind schon hinreichend durch die ihnen beigelegten Namen charakterisiert. Der eine ist der Feuersport, der andere der unterirdische Sport, der sich durch die Erde gräbt, ähnlich wie man sich etwa, um ins Schlaraffenland zu gelangen, durch den Hirsebreiberg hindurchgraben muß, während der andere der Feuersport ist, der ja allerdings in unseren Feueressern und in der Feuerschaukel der indischen Fakire seine Vorläufer hat. Solchen Sport aber zum Sport zu rechnen, hieße das Wesen des Sports vollkommen verkennen. Wasser, Luft und Erde müssen uns als Felder der Sportbetätigung genügen. Der Sport der Zukunft wird der Sport der rasenden, sich überbietenden Geschwindigkeiten sein; er wird der Sport mehr des Intellekts, als der physischen Kraft sein, denn trotz aller Körperkultur wird das menschliche Geschlecht allmählich „schwächer werden, um stark zu sein“. Es wird eine Ausbildung der Sinne nötig werden, die zweifellos auf Kosten des Körpers gehen wird. Fordert schon der jetzige Sport Blitzesschnelle der Gedanken, größte Geistesgegenwart, Anschauung, Kaltblütigkeit, Selbstbeherrschung und Selbstzucht in hohem Maße, hervorragende Charaktereigenschaften also, und ebensolche des Geistes, so wird das in Zukunft noch weit mehr der Fall sein. Mit der Erhöhung der Geschwindigkeit wachsen die Gefahren des Sports, und auch solche gibt es in arithmetischer Progression. Schon jetzt haben wir Geschwindigkeiten erreicht, die an das Fabelhafte grenzen, und die doch ein Nichts gegen die sind, die wir noch erreichen können, denn die Geschwindigkeit kennt keine Grenzen. Wenn heutzutage schon Motore gebaut werden, mit denen wir — falls wir uns eine asphaltierte Straße rund um die Erde gelegt denken — bequem in vierundzwanzig Stunden und noch weniger die ganze Welt umrunden könnten, so haben wir damit noch immer nicht das denkbar Mögliche geleistet, sondern stehen nach wie vor an den Anfängen einer Industrie, die noch so gut wie in den Kinderschuhen steckt. Ganz andere Kräfte, die wir jetzt erst zu kennen beginnen, werden uns dann zur Verfügung stehen und die Menschen werden stets kleiner und leichter werden, so daß Lewell wohl recht haben mag, wenn er sagt, wir werden künftig im Gehäuse einer Uhr mehr Kraft mit herumtragen können, als jetzt unsere Riesenschnellzugsmaschinen entwickeln. Damit ist aber die Richtschnur für unseren kommenden Sport auch gegeben, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach hauptsächlich im Wasser, unter Wasser und in der Luft abspielen wird, während neuere gegenwärtige Sportarten, die auf der Erdoberfläche getrieben werden, ganz zweifellos als solche verschwinden werden. Mit den Geschwindigkeiten werden nämlich die für neueren Sport notwendigen Distanzen sich zu ungeheuren erweitern. Der Modesport wird uns nicht mehr befriedigen können, und so wie man heutzutage schon Schach zwischen zwei Ländern und über den Ozean weg spielen kann, ohne daß die Partie länger dauert als eine in ein und demselben Klubzimmer gespielte, so wird man auch unsere edleren Ballspiele per Distanz spielen können. Heute schon tauchen, allerdings als Spielzeug, kleine Motorbälle auf, die man sich gegenseitig auf sechs- bis siebenhundert Meter zuwerfen kann; heute schon läßt man Aeroplanspielzeuge über die Teiche fliegen, an deren jenseitigem Ufer sie aufgefangen und zurückgesandt werden, und bald wird es einerlei sein, ob dieser Teich klein oder groß ist, ob er ein See oder ein Meer ist. Die Hilfsmittel der Wissenschaft sind heute soweit gediehen, daß man nicht nur annehmen, sondern schon bestimmt voraussagen kann, daß man jeden Mitspieler, sei er noch so weit, beim Spiele wird sehen, hören und sprechen können. — Luftballonwettfahrten und Flugwettfahrten haben wir schon jetzt, wir selbst aber werden noch Höhen- und Distanzflüge erleben, die den Flug des Adlers und der Schwalbe überbieten werden, ja, die Kraft unserer Motore wird hinreichen, um uns ohne weitere kostspielige und schwerfällige Apparate in die Luft zu erheben, so daß Flammarion recht behalten dürfte, der für die Zukunft nicht nur Luftflieger, sondern Luftschwimmer prophezeit. So wie die Erde durch Millionen von Jahren das Element der Menschen gewesen, so wird es jetzt eben die Luft werden, und auch unser Körper wird sich den neuen Lebensverhältnissen anpassen. Das Wasser dagegen wird niemals zum Element der Menschheit werden. Nur der Reiz, auch dieses zu meistern und die Widerstände zu überwinden, macht es zum Sportfeld, das es auch bleiben wird. Der mit einem kleinen Handmotor bewaffnete Schwimmer wird aber nicht mehr im Schwimmtempo die Wellen durchschneiden, sondern mit der Geschwindigkeit eines Torpedobootes, und das Ueberschwimmen des Aermelkanals, das heute noch der unbefriedigte Ehrgeiz der größten Heroen der Schwimmkunst ist, wird eine Leistung sein, die jedes Kind wird vollbringen können. Wenn Wells meint, wir würden dann den Fisch im Meer jagen, so wie man heute das Wild jagt, so kann er recht haben, denn wie heute der Skiläufer mit dem schnellsten Renntier Schritt zu halten vermag, so werden wir in Zukunft den schnellsten Fisch in seinem Element überholen können. Selbst oder in unseren Tauchbooten, die wahre Wunder an Schnelligkeit, Tauch- und Lenkbarkeit sein werden. Auch die Möglichkeit von Tauch- und Flugkombinationen ist nicht ausgeschlossen. Bekanntlich hat die Natur schon alles geschaffen, was der Mensch später erfindet. Es ist fast, als wolle die schöpferische Kraft der Natur spottend die Winzigkeit unseres Könnens demonstrieren. Und sie schuf neben den Wesen, die gehen und fliegen können, auch solche, die fliegen und tauchen können. Wenn diese Kombination aber in der Natur schon gegeben ist, dann wird sie die Kunst der Menschen auch noch vollbringen, und der Sport wird sich — ich weiß natürlich nicht, ob in hundert, fünfhundert oder tausend Jahren — auch diese Möglichkeit nutzbar machen und Konkurrenzen veranstalten, die nicht nur rund um die Erde, nicht nur in die Höhen des Chimborasso und des Mount Everest gehen, sondern aus diesen Höhen auch in die Tiefen des Meeres, und wieder in die Aetherhöhen empor führen werden. Der Sport wird also unbeschränkt in den Geschwindigkeiten, unbeschränkt in den Entfernungen und unbeschränkt in den Richtungen werden. So unbeschränkt, daß viele ja sogar davon träumen, weit über die Grenzen der Atmosphäre hinaus dringen und von Welt zu Welten wandern zu können. Daß das aber ein Traum der Zukunft ist, den die nahe und nächste Zukunft nicht erfüllen wird, das ist gewiß, und auf Jahrtausende hin soll Ich ja nicht prophezeien.

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