2. Der Zusammenstoß mit einem Stern.

Das, was wir oben von unsichtbaren Sternen gesagt haben, lenkt unsere Aufmerksamkeit sofort auf die Möglichkeit irgend einer uns drohenden Gefahr, die durch unseren rasenden Lauf durch das Weltall für uns heraufbeschworen werden kann.

Es ist, was diese Körper anbelangt, ein wirklich blindes Hineinrennen in das undurchdringliche Dunkel; denn wir könnten ihre Nähe nur aus der auf uns geübten Anziehungskraft erkennen, und das wäre viel zu spät, um einem Zusammenstoß auszuweichen; falls dies überhaupt im Bereiche des Möglichkeit stände. Ebenso sprechen wir von diesen dunklen Weltkörpern als von „toten Sternen“; denn es wird angenommen, daß es früher leuchtende Sonnen waren, die ihr Leben ausgelebt haben und völlig erkaltet sind. Ein einziger dieser drohenden Körper würde, wenn er unsere Bahn kreuzte, genügen, unser ganzes Sonnensystem zu zerschmettern. Und die Möglichkeit einer solchen Katastrophe besteht zweifellos, wenn sie auch in weiter, weiter, unübersehbarer Ferne liegen mag.

Könnte nun eine solche weltzerstörende Katastrophe vorhergesehen werden? Gewiß. Die Wirkungen der Anziehungskraft würden den Schlüssel dazu bieten auf das Vorhandensein eines unsere Bahnen störenden Körpers; und wir könnten aus ihnen auch die Geschwindigkeit berechnen, mit der wir uns dem Tod, Zerstörung und Verderben bringenden fremden Weltkörper nähern. Würde es sich um einen massiven Körper handeln, wie beispielsweise die Sonne, so würden wir mit unseren modernen Hilfsmitteln schon Jahre vorher herausfinden, wann uns der Zusammenstoß im Weltenraume bevorsteht. Und man kann sich auch denken — obwohl der gegenwärtige Stand der Wissenschaft noch nicht so weit ist —, daß wir von der Gegenwart des unsichtbaren Körpers auch durch das Spektrum der unsichtbaren Strahlen, die von jedem Körper auszugehen scheinen, Kenntnis bekommen könnten. Das würde in gewisser Hinsicht eine Anwendung der X-Strahlen, zur Entdeckung von außerhalb unseres Raumes, für uns sonst verborgenen Körpern sein. Und so würde nicht Licht, sondern „sichtbare Finsternis“ in den Dienst der Wissenschaft gestellt werden, und dadurch würden Dinge entdeckt werden, an die jetzt zu denken für uns unmöglich ist. All die auf eine oder die andere Weise erhaltenen Berechnungen und die sichtbarste Gewißheit eines bevorstehenden Zusammenstoßes könnten die Katastrophe nicht verhindern. Es sei denn, daß die Wissenschaft soweit fortschreitet, daß sie den Menschen fähig macht, die Erde in ihrem Lauf zu lenken. Das ist aber nicht nur an sich und für sich ganz undenkbar, sondern würde auch durch die schon erwähnte Tatsache geradezu hoffnungslos unmöglich gemacht werden, daß an dieser Bewegung der Erde das ganze Sonnensystem teilnimmt, und es müßte dann nicht die Erde allein aus ihrem Lauf gelenkt werden, sondern es wäre vor allem nötig, die Sonne selbst auf andere Bahnen zu lenken.

Wir würden in ein Feuerbad von einer Million Grad gestürzt werden — —

Es ist also der ganzen Sachlage nach zweifellos unmöglich, einem Zusammenstoß zu entgehen, wenn irgend einer jener großen, toten Weltkörper in unserer Bahn oder in der Bahn unserer Sonne liegt, und wir werden den Folgen eines solchen Zusammenstoßes hilflos überantwortet.

Kann nun die Wissenschaft uns sagen, worin die Folgen bestehen würden? Ganz gewiß kann sie das, und nichts ist leichter, als dies in allgemeinen Zügen vorauszusagen. Wenn wir an irgend einem Tage unsere Zeitung nehmen und darin ein Telegramm irgend eines großen Observatoriums lesen würden, in welchem stände, daß in der vorangegangenen Nacht sich eine unverkennbare Beschleunigung in der Bewegung der Erde gegen den Herkules zu gezeigt habe, so würde kein Astronom der Welt sich über die Ursache dieser beschleunigten Bewegung im Unklaren sein, und er würde sich entsetzt sagen, daß irgend ein bisher unbekannter Körper von unglaublicher Kraft mit im Spiele sei und seine Anziehungskraft auf die Erde ausübe.

Wie gesagt, würde sich das schon Jahre vorher erkennen lassen; aber man würde nicht gleich mit Sicherheit auf die Art des Zusammenstoßes schließen können. Das zu können, wäre erst den letzten Monaten vor der Katastrophe vorbehalten. Dann aber könnte man jedes Stadium der furchtbaren Welttragödie vorhersagen. Die Observatorien würden plötzlich der Mittelpunkt alles Nachrichtenwesens der Erde werden; denn keine andere Frage, als nur die eine würde die Welt noch interessieren. Der Wahnsinn der Furcht würde die ganze Menschheit erfassen, und es ist fraglich, ob viele Menschen den Mut fänden, der Katastrophe ins Auge zu sehen, und sich nicht schon vorher vernichten würden.

Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß die Sonne von unserem Sonnensystem die erste wäre, die den Zusammenstoß mit dem fremden Weltkörper erhalten müßte. Das kommt daher, daß das ganze System nicht staffelweise, sondern flach durch den Raum eilt; und infolgedessen würde sein Zentrum als der förmliche Brennpunkt der gesamten Anziehungskraft zuerst dem selbst mitangezogenen fremden Körper entgegengeschleudert werden. Dieser Körper würde, soweit wir die toten Sterne bisher berechnen können, die Sonne an Massigkeit weit überragen oder ihr zum mindesten gleich sein. Wenn sie nun mit einer Geschwindigkeit von vielen hundert Meilen in der Sekunde aufeinander zustürzen würden, dann würde er in der furchtbaren Hitze, die sich dadurch allein schon entwickeln würde, schmelzen wie Wachs. Wir selbst und all die anderen Planeten würden in ein Feuerbad gestürzt werden, das eine Temperatur von einer Million Grade haben würde. Einen Augenblick, bevor diese Hitzewelle uns treffen würde, würden unsere Städte, unsere Hügel und Berge gegen den Himmel emporragen, und einen Augenblick später werden sie nichts anderes als ein Meer von Dunst und Dampf sein.

Jenem furchtbaren Hitzbad aber würde die Sonne selbst auf dem Fuße folgen und die Vernichtung vollenden; denn der Sonnenball würde sich mit der Geschwindigkeit des Lichtes nach allen Seiten hin ausdehnen und seine feurigen Massen würden nach allen Seiten hin überfluten und würden alles vernichten und verzehren, gleichsam als wolle er die riesige Ausdehnung wiedergewinnen, die er zum Anfang der Zeiten hatte, als er noch eine bloß nach Verdichtung strebende Nebelmasse war, und die Planeten noch nicht aus ihm heraus geboren waren. Lange aber, ehe dieser Zustand wirklich erreicht werden würde, müßte unser ganzes Sonnensystem in wilde Unordnung durch die große Anziehungskraft seitens der störend in seine Bahnen tretenden Weltkörper geraten. Die Planeten hätten längst ihre Bahnen verlassen und würden im Weltraum hin- und herrennen, gleich einer Herde von Schafen, in deren Mitte ein Wolf gerade eingebrochen wäre. Die Herrschaft der Sonne, der wir die große Weltordnung verdanken, wäre gebrochen, und die verlassenen Planeten würden sich gegenseitig in das Verderben rennen, und diejenigen, die in verhältnismäßig unmittelbarer Nähe zueinander stehen, würden zweifellos mit weltzerstörender Kraft aneinander prallen. Wahrscheinlich würde der Mars es sein, der mit der Erde zusammenstößt, oder aber die Venus. In jedem Falle wäre der Zusammenstoß die völlige Vernichtung der kollidierenden Welten, und der alte Prophet mit seiner Vision von den sich öffnenden Himmeln und der in glühenden Flammen schmelzenden Erde gäbe ein wundervolles Zukunftsbild von dem, was die moderne Wissenschaft als das Schicksal der Erde erklärt hat, und das durch die große Flucht des Sonnensystems durch den Weltraum der Erde bevorsteht. Der alte Glaube, daß der Allmächtige, wenn die Zeit vollendet sein wird, in seinem Zorn Feuer auf die Erde wird regnen lassen, kann aber vor der Wissenschaft nicht bestehen; denn wenn ein solches Ende der Erde wirklich beschieden sein sollte, so wird das Schauspiel ein anderes sein.

Die Zerstörung der Erde muß an sich selbst schon auch die vieler anderer Weltkörper nach sich ziehen, die ebenso groß, oder noch größer sind als die Erde. Selbst der Mond würde genügen, uns, wenn die Weltordnung ihr Ende findet, vollständig zu zerschmettern. Der Mond wiegt nämlich 75000000000000000000 Tonnen. Würde diese Masse auf die Erde stürzen, so würde das mit einer Geschwindigkeit von sechs Meilen in der Sekunde geschehen. Welche unglaubliche Hitze allein durch diesen Zusammenstoß schon entstehen würde, das entzieht sich geradezu jeder menschlichen Berechnung. In jedem Falle aber würde der Zusammenstoß allein sowohl unseren Erdball als auch den Mond zersplittern und zerschellen, als wären beide nur Glaskügelchen, die durch einen Schrotschuß zertrümmert werden. Die bloße Annäherung an einen toten Stern würde genügen, den Mond aus seiner Bahn herauszureißen, und wenn die Richtung dieser Bewegung der Erde zuginge, dann wären die Folgen die, die ich eben beschrieben habe. Wenn nun die Erde wirklich bestimmt ist, ein so gewaltiges, tragisches Ende zu nehmen, dann sind die Vorbedingungen zu solcher Katastrophe ganz zweifellos durch die seltsame und unerklärliche Flucht unserer Sonnensysteme durch das Weltall gegeben.

Wenn die mit uns zusammenstoßende Masse im Vergleich zur Erde ungemein dicht wäre, wie beispielsweise der Planet Merkur, so würde kurz vor dem wirklichen Zusammenstoß ein ganz merkwürdiges Ereignis sich zeigen. Die Anziehungskraft des sich uns nähernden Planeten würde auf die Luft, das Wasser und alle frei beweglichen Gegenstände weitaus größer sein, als die Kraft der Erde, diese festzuhalten, und sie würden sofort von der Erde fortfliegen, gleich als wollten sie ihrem Schicksal vorgreifen und dem Tode noch eher entgegen gehen. Furchtbare, nach oben gehende Wirbelwinde würden alles mit sich fortreißen und der Vernichtung entgegenziehen. Die Erde würde klaffen und riesige Wassersäulen würden gen Himmel steigen und in das Weltall verschwinden; und ebenso würden mächtige Flammen und glühende Ströme aus dem Erdinnern hervorbrechen, und der Flammenregen würde nicht auf die Erde hinab, sondern von dieser gen Himmel gehen. Und Menschen und Tiere würden selbstverständlich diesem riesigen Aufsaugeprozeß folgen und von den Wirbeln und Wassern und Flammensäulen mitgerissen werden in das All, in das Nichts.

Die Erde würde klaffen und riesige Wassersäulen würden gen Himmel steigen.

Und das Heulen der Winde, das Krachen der sich losreißenden und im Fluge zusammenstürzenden Dinge und das Brüllen der Wasser und das Bersten der Erde würden sich zu einer grandiosen Sinfonie der Vernichtung vereinen, wie sie die Welt bisher noch nicht gehört. Alles Bewußtsein wäre geschwunden, alles Fühlen und Denken hätte längst aufgehört, und man würde von der Katastrophe wie von einem Dilirium erfaßt werden, das den Tod seiner Schrecken berauben würde. Und auf alle denkenden und fühlenden Wesen sowohl wie auf alle leblosen Materien würde die alles in Dunst und Nebel auflösende Hitze fallen, ohne daß ein einziger Schrei dadurch den Opfern entrissen würde. Nun wird ganz natürlich gefragt werden können, ob es denn im Weltall schon jemals ein Beispiel solcher Weltenzerstörung gegeben habe? Diese Frage kann durch neuere Beobachtungen nur in bejahendem Sinne beantwortet werden. Der rätselhafte „neue Stern“, der im Jahre 1900 im Sternbild des Perseus erschien, war ein Beispiel dafür. Die natürliche und allgemein angenommene Erklärung für das plötzliche Erscheinen dieses Sternes war einzig und allein die, daß er das Resultat eines Zusammenstoßes war, wie der eben geschilderte, und die Wahrscheinlichkeit, daß diese Ansicht der Astronomen eine richtige ist, wurde dadurch erst recht bekräftigt, daß dieser Stern sich in einen Nebel auflöste. Dieses eine Beispiel ist aber keineswegs das einzige, das die Astronomie ins Treffen führen kann.

Im übrigen ist noch eine andere Möglichkeit da, die sich bei einem Zusammenstoß unseres Sonnensystems mit einem toten Stern ereignen könnte. Diese ist keineswegs so furchtbar, wie die früher geschilderte. Eine der neuesten Entdeckungen der Astronomie war die der Existenz einer großen Anzahl von Sternen, die unsichtbare Begleiter haben, welche in einzelnen Fällen ebenso massiv sind wie die Sterne, die sie begleiten. Es kann nun keineswegs angenommen werden, daß diese „toten Sterne“, die sich einem „lebendigen“ so eng angeschlossen haben, aus derselben Originalmasse entstanden sein sollten wie dieser; denn in diesem Falle hätten sie unmöglich so lange vorher verlöschen können. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die beiden Weltenkörper infolge ihrer Bewegung durch den Weltenraum zusammengekommen sind. Kein Zusammenstoß fand dabei statt; aber die gegenseitige Anziehungskraft hat sie seitdem zu nahen und untrennbaren Begleitern gemacht. Dasselbe könnte auch unserer Sonne geschehen, wenn sie in ihrem Lauf nahe genug an einen solchen „toten Stern“ gelangen würde. Dann könnte sie ihn sehr leicht als Begleiter mit sich ziehen oder von ihm mitgezogen werden, und dann hätte unser Sonnensystem zwei Sonnen, eine lebendige, strahlende, und eine lichtlose, tote. Aber auch dieser günstige Fall wäre keineswegs ein sehr angenehmer; denn die Planeten würden trotzdem aus ihrer gegenwärtigen Bahn gerissen und viele von ihnen würden dabei zugrunde gehen. Da einige aber dennoch der Zerstörung entgehen könnten, so wäre dieser Fall immer noch weit günstiger.

Unser Sonnensystem hätte zwei Sonnen, eine lebendige, strahlende, und eine lichtlose, tote.

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