Die »Frauenfrage« bildet nach allgemeiner Annahme eine Zeitfrage von so eigenartig modernem Charakter, dass es von vornherein fraglich erscheinen könnte, ob man berechtigt sei, diesen Ausdruck auch auf Erscheinungen der Vergangenheit anzuwenden. Wenn wir aber überall da von »Fragen« reden, wo wir die vorhandenen Zustände in einem auffälligen Widerspruche sehen zu dem, was Vernunft und Gerechtigkeit fordern, so wird es wohl kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass wir auch von Fragen der Vergangenheit sprechen dürfen, wo wir immer derartige Widersprüche zwischen dem, was war, und dem, was hätte sein sollen, entdecken. Es ist dabei ziemlich gleichgültig, ob die tatsächlich vorhandenen Widersprüche als »Fragen« in das Bewusstsein der Zeitgenossen getreten sind; es genügt vollständig, wenn ein derartiger Widerspruch nachgewiesen werden kann, oder wenn sich Versuche und Anstalten zu seiner Beseitigung erkennen lassen. Oder wollte etwa jemand leugnen, dass die moderne Frauenfrage lange vor der Zeit schon existiert hat, wo sie anfing, in populären Vorträgen, auf »Frauentagen« oder bei ästhetischen Teegesellschaften verhandelt zu werden?