Ihr zwiespältiges Wesen

Wenn ich in diesem Sinne von einer Frauenfrage im Mittelalter sprechen will, so bin ich weit davon entfernt, mich auf den Standpunkt derjenigen zu stellen, welche die gesamte rechtliche, politische und soziale Stellung der Frau im Widerspruch finden mit den Forderungen der Vernunft und Gerechtigkeit. Von diesem Standpunkte aus gab es sicherlich im Mittelalter weit, weit mehr zu »fragen« und zu wünschen als heutzutage. Ich denke mich vielmehr auf jenen engeren Teil der Frauenfrage zu beschränken, den man vielleicht richtiger als »Frauenerwerbsfrage« bezeichnen würde. Freilich hat auch noch in diesem engeren Sinne heute die Frauenfrage eine doppelte Seite. Sie stellt sich dar einerseits als Frauenschutzfrage mit Bezug auf die zahlreichen weiblichen Arbeiter der Industrie, anderseits als Frage der Erweiterung des Erwerbsgebiets der Frauen für diejenigen weiblichen Glieder der gebildeten Klasse, welche aus irgend einem Grunde ausserhalb der natürlichen Tätigkeitssphäre ihres Geschlechtes in der Wirtschaft Verwendung suchen.

Welche von diesen beiden Seiten der Frauenerwerbsfrage man nun auch ins Auge fassen mag, immer wird man darauf zurückgeführt, die Wurzel derselben zu suchen in der Tatsache, dass gegenwärtig ein ansehnlicher Teil der Frauen innerhalb der Familie nicht diejenige Versorgungsgelegenheit findet, die wir ihm aus allgemeinen Gründen wünschen müssen. Diese Tatsache beruht in erster Linie auf einem statistischen Missverhältnis, welches obwaltet zwischen der Zahl der heiratsfähigen Frauen und Männer, sodann aber auf einer entweder notwendigen oder freiwilligen Enthaltung von der Ehe auf Seiten eines Teils der heiratsfähigen Männer.

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