Statuten

Dieses Vorgehen der Kirche fand unter den Bürgern lebhafte Nacheiferung. Hier und da wurden Vermächtnisse gestiftet, um denen, welche ein gefallenes Mädchen heirateten, eine Summe Geldes zu gewähren. Ausserdem wurden aus Privatmitteln zahlreiche Rettungshäuser gegründet, die nach dem Muster der Bekinenhäuser eingerichtet waren und von diesen oft schwer zu unterscheiden sind. Schon im Jahre 1302 errichtete ein Speierer Bürger eine solche Anstalt, in welcher öffentliche Frauen aufgenommen, genährt und gekleidet wurden. Noch weiter ging 1303 Heinrich von Hohenberg, ein Scholar zu Colmar, der in verschiedenen Städten Rettungshäuser begründete, in welchen je 10 bis 25 Frauen Aufnahme, Ernährung und Bekleidung erhielten. Die Mittel brachte er durch Sammlung milder Beiträge auf. Auch in Strassburg stiftete er einen Bussschwesternverein, welchen der Bischof Johann von Dirpheim am 8. Oktober 1309 bestätigte. »Sklaven«, sagte er, »erlangen, wenn sie der Freiheit wiedergegeben werden, alle Rechte freier Männer; es wäre daher unbillig, wenn Frauen, die Sklavinnen der Sünde gewesen, nicht ähnlich behandelt würden, sobald sie sich zu einem besseren Lebenswandel bekehren.« Der Bischof nahm sie deshalb in seinen besonderen Schutz und erklärte sie von allem Makel frei; ihres früheren Standes sollte nie mehr gedacht werden. Die Bussschwestern oder bekehrten Frauen, wie Heinrich von Hohenberg sie selbst nannte, trugen Röcke und Mäntel von Sackleinwand, daher sie auch den Namen Sack-Bekinen erhielten. Die Gunst der Bürger wandte sich ihrer wohltätigen Anstalt in reichem Masse zu; indessen wurde sie schon 1315 infolge einer Pest zu einem Spital umgewandelt, in das die Schwestern als Pflegerinnen und Pfründnerinnen aufgenommen wurden.

Eine ähnliche Anstalt schufen 1384 drei Bürger von Wien. Ratsherren waren die Vorsteher ihres Hauses und eine der Schwestern die Meisterin der übrigen. Der damalige Landesherzog gewährte nicht allein dem Hause Steuerfreiheit, sondern er verordnete auch, dass jeder, welcher eine der Insassinnen zum Weibe nehme, an seiner Ehre und seinen Zunftrechten keinen Eintrag erleiden dürfe. Schmähungen oder Kränkungen jener bussfertigen Frauen sollten strenge bestraft, aber auch diejenigen von ihnen, welche in ihr früheres Leben zurückfielen, ertränkt werden. Die Anstalt wurde sowohl aus der Stadtkasse als auch durch Vermächtnisse von Bürgern und Bürgerinnen bedeutend vergrössert und bestand in segensreichem Wirken bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts.

Ueber Italien und Frankreich hatten sich diese Anstalten teilweise schon früher ausgebreitet. Nicht überall bewährten sie sich. Nicht wenige erlagen der allgemeinen Sittenverderbnis des XV. Jahrhunderts, ja manche boten gerade dem Uebel einen Schlupfwinkel, das sie bekämpfen wollten.

Eine eigentümliche Beleuchtung des mittelalterlichen Frauenelends bieten die Statuten des 1497 gestifteten Hauses der Pariser Büsserinnen (filles pénitentes), welche der Bischof Simon von Champigny selbst aufgesetzt hatte. Nach diesen sollten nur solche Mädchen aufgenommen werden, die unter 30 Jahren alt wären und nachweisbar eine Zeit lang ein lüderliches Leben geführt hätten. »Um zu verhüten, dass junge Personen deswegen lüderlich werden, damit sie hernach hier eine Stelle bekommen, so sollen die, welche schon einmal abgewiesen sind, davon auf immer ausgeschlossen sein. Ueberdies sollen diejenigen, welche um die Aufnahme angehalten haben, in die Hände ihres Beichtvaters einen Eid ablegen, dass sie nicht selig werden wollen, wenn sie aus der Absicht lüderlich geworden wären, um mit der Zeit in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden, und man soll ihnen sagen, dass, wenn man erfahren würde, sie hätten sich aus diesem Grunde verführen lassen, sie von dem Augenblicke an dieses Kloster meiden müssten, wären sie gleich schon eingekleidet und hätten ihre Gelübde getan.« Der Missbrauch, welchem durch diese Bestimmungen vorgebeugt werden sollte, muss nicht selten gewesen sein. In Deutschland liess man nach dieser Richtung Milde walten; ja viele Reuerinnenklöster gingen bald dazu über, auch unbescholtene Mädchen aufzunehmen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass sie auf diesem Wege manche von dem Beginn eines schlechten Lebenswandels abhielten, dessen Entstehungsursache ja hauptsächlich die Verlassenheit und das Elend war.

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