Tatsächliches Verhältnis

Trotz dieser anscheinend in der Natur der Sache liegenden grundsätzlichen Ausschliessung der Frauen wenigstens vom zünftigen Gewerbebetrieb sehen wir das ganze Mittelalter hindurch die Frauen vielfach im Gewerbe tätig — ein Beweis, dass eine derartige Beschäftigung derselben durch die tatsächlichen Verhältnisse sich als notwendig aufdrängte. Ja wir finden sogar Frauenarbeit in einer Reihe von Berufsarten, von denen sie gegenwärtig tatsächlich ausgeschlossen ist.

Ich will hier die Tatsache nicht weiter betonen, dass die Witwe eines Meisters das Geschäft ihres Mannes forttreiben durfte; das ist bekannt genug. Ueberdies ist dieses Vorrecht in manchen Gewerben und Städten zeitlich begrenzt oder an die Bedingung der Wiederverheiratung mit einem Gesellen des gleichen Handwerks geknüpft. Ich will auch kein grosses Gewicht darauf legen, dass Frauen und Töchter, oft auch die Magd eines Handwerkers demselben im Geschäfte helfen konnten; das liess sich bei aller Bevormundung, die dem Mittelalter eigen war, so leicht nicht verbieten. Viel wichtiger erscheint mir, dass Frauen und Mädchen innerhalb eigener oder fremder Gewerbebetriebe zahlreiche Verwendung fanden, bald als abhängige Lohnarbeiterinnen, bald sogar als selbständige Meisterinnen. War das betreffende Gewerbe zünftig, so konnten hier und da die Frauen in eigenem Namen den Zünften mit gleichem Rechte wie die Männer angehören; war es unzünftig, so waren sie selbstverständlich keinerlei Beschränkungen unterworfen. Endlich finden wir sogar Gewerbe mit zünftiger Ordnung, die ausschliesslich aus Frauen bestanden.

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