Wirtschaftliche Stellung der Frau im deutschen Altertum

Wenn wir uns nun anschicken, die Frage zu beantworten: was wurde im Mittelalter aus den zahlreichen Frauen, die ihren »natürlichen Beruf« zu erfüllen verhindert waren? so müssen wir uns vor allen Dingen von der Anschauung los machen, welche den meisten von uns aus unseren frühesten Schuljahren anklebt. Wir hören da nach den Schilderungen in Tacitus’ »Germania« von der hohen Achtung, der fast göttergleichen Verehrung, welche dem Weibe bei den alten Germanen gezollt wurde; aber wir übersehen nur zu leicht, dass derselbe Tacitus die Stellung der Frau in der Wirtschaft so beschreibt, dass wir mit Notwendigkeit auf eine grosse Ueberlastung des weiblichen Geschlechts schliessen müssen. Der Mann achtet keine Tätigkeit ausser derjenigen mit dem Schwerte. Träge liegt er im Frieden auf der Bärenhaut; Schlaf, Trunk und Würfelspiel füllen seine Zeit. Die Sorge für Feld, Haus und Herd bleibt den Frauen, die mit den Kindern, den Schwachen und Unfreien die Wirtschaft führen. Neben der erhaltenden und verwaltenden Tätigkeit des Hauses, die heutzutage den Frauen hauptsächlich zufällt, hatten sie also auch die gesamte Gütererzeugung zu bewerkstelligen; oder, um einen geläufigen Ausdruck zu gebrauchen: die Frau ernährte die ganze Familie. Sie war Arbeiterin, Wirtschaftsführerin, Haushälterin und Erzieherin der Kinder zugleich. Die Germanen machten also in ihrer primitiven Periode keine Ausnahme von der Erwerbsordnung, die wir noch heute bei Naturvölkern finden.

Dieser Zustand änderte sich nach den grossen Wanderungen, als in währenden Friedenszeiten und bei wachsender Bevölkerung die deutschen Männer sich herabliessen, auch den Acker zu bebauen. Immer aber blieb noch ein grosser Teil der Landwirtschaft, namentlich die Be- und Verarbeitung vegetabilischer Stoffe, den Frauen überlassen. Auch als mehr und mehr aus der alten geschlossenen Hauswirtschaft einzelne Tätigkeiten als Gewerbe sich absonderten, blieb das Arbeitsgebiet der Frau immer noch sehr gross, wie wir deutlich aus der Verteilung der Arbeiten in den grundherrlichen Grosswirtschaften erkennen. Da finden wir unter den männlichen Leibeigenen freilich schon Müller und Bäcker, Schneider und Schuster, Grobschmiede und Waffenschmiede; den Frauen lag aber nicht bloss die Arbeit in Küche und Keller, in Garten und Stall ob, sondern auch die Besorgung der Gewandung von der Schafschur und der Flachsbereitung bis zum Weben, Färben, Zuschneiden, Nähen und Sticken, ferner das Bierbrauen, Seifensieden, Lichterziehen und eine Menge von anderen Verrichtungen, die später nach und nach von besonderen Gewerbetreibenden übernommen wurden[8].

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