Ehe wir zur Betrachtung dieser Verhältnisse übergehen, müssen wir kurz die Frage berühren, wie weit Beschränkungen des Rechts zur Verehelichung das Uebel noch vermehrten.
Hier tritt zunächst das Cölibat der Geistlichkeit uns entgegen. Ihre Zahl war allerwärts in den Städten unverhältnismässig gross. Sie lässt sich in Frankfurt a. M. für das XIV. und XV. Jahrhundert bei einer Einwohnerzahl von 8000–10000 auf 200–250 Personen berechnen[4]. Für Lübeck darf man in derselben Zeit 250–300 Weltgeistliche und gegen 100 Klosterbrüder annehmen[5]. In Wismar belief sich um 1485 die Zahl der Weltgeistlichen auf 150; in Nürnberg wird 1449 der geistliche Stand auf 446 (einschliesslich der Dienerschaft) angegeben. Wie ungünstig ihre Ehelosigkeit die Heiratsziffern des weiblichen Geschlechts in diesen kleinen Gemeinwesen beeinflussen musste, liegt auf der Hand.
Sodann wirkte die zünftige Ordnung des Gewerbebetriebes nachteilig auf das Heiratsalter eines grossen Teiles der männlichen Bevölkerung ein. Die Verehelichung des Handwerkers hing von seiner Zulassung zur Meisterschaft ab, und diese wieder von Bedingungen, welche die Angehörigen der Zunftmitglieder begünstigten[6]. Der Geselle durfte als solcher im allgemeinen nicht heiraten[7]. Infolge der Schliessung vieler Zünfte, der Beschränkung der Betriebsstätten und Verkaufsbänke bildete sich deshalb im XIV. und XV. Jahrhundert ein eigener Gesellenstand, der keine Aussicht auf Selbständigmachung und Familiengründung hatte. Indessen zeugen doch die vielfachen Verbote der Zunftstatuten, verheiratete Gesellen anzunehmen, sowie viele Beispiele der Frankfurter Steuerlisten dafür, dass Gesellenheiraten nicht eben selten waren. Auf keinen Fall aber waren sie so leicht und häufig, wie heute die Ehen der Fabrikarbeiter.