Französisch-Indochina, ein schmaler Küstenstreifen, der sich östlich von Birma und Siam an der chinesischen Südsee hinzieht, steht, wie sein Name besagt, jetzt unter französischer Oberhoheit. Das Land zerfällt politisch in Kambodscha, Kotschinchina, Annam und Tonkin und umfaßt an Völkern die Kambodschaner oder Khmer, die Annamiten, die Tonkinesen, die Laotier und einige mehr oder weniger „wilde“ Stämme.
Kambodscha, vordem ein mächtiges Reich am Unterlaufe des Mekong — im sechzehnten Jahrhundert erstreckte es sich über einen Teil von Siam, über Annam und Laos — hatte unter der Dynastie der Khmer eine hohe Stufe auf dem Gebiete der Künste und Wissenschaften erreicht; von dem Abglanz dieser hohen Kultur legen zahlreiche Ruinen Zeugnis ab. Sodann aber warfen sich die Siamesen zu den Herren dieses Landes auf und zuletzt eigneten es sich die Franzosen an.
Die Kambodschaner sind mittelgroße (Männer im Durchschnitt hundertdreiundsechzig Zentimeter), dabei aber kräftig gebaute Leute mit kurzem Schädel, geradestehenden, selten geschlitzten Augen, breiter, an der Wurzel eingesattelter, wenig vorspringender Nase, straffem, tiefschwarzem Haar und rötlichbrauner Hautfarbe; im allgemeinen läßt sich an ihrem Äußeren ein gewisser negerähnlicher Einschlag (Mischung mit Negritos!) nicht verkennen. Die Männer tragen eine fest anliegende Jacke und einen Sampot, das ist ein Stück Zeug, das sie um die Hüften und darauf zwischen den Beinen derart hindurchschlingen, daß bauchige Hosen daraus entstehen; die Frauen tragen außer dem Sampot noch einen Überwurf oder öfters eine große farbige Schärpe, die Rücken und Arme freiläßt. Beide Geschlechter lassen sich das Kopfhaar bürstenartig kurz schneiden; ein etwaiges Streichen mit der Hand über die Haare, auch wenn es aus Zärtlichkeit geschehen sollte, wird als schwere Beleidigung, als Zauberei aufgefaßt. — Die Kambodschaner wohnen in Häusern auf Pfählen, die stets einstöckig sind, in der Annahme, daß es einem Menschen Unglück bringen würde, wenn einer ihm über seinem Kopfe umherginge. Die Kambodschaner sind nämlich sehr abergläubisch. Wie die Siamesen, Annamiten und so weiter glauben sie an Glücks- und Unglückstage, achten auf Wahrzeichen und lassen sich das Horoskop stellen.
Ihre Religion ist eine Mischung von Buddhismus und Brahmanismus, ähnlich wie die Religion der Singhalesen. Nach außen bekennen sie sich zu ersterem, aber der Aberglaube an gute und böse Geister, die in ihrer Umgebung leben und Ehrerbietung erfordern, ist allenthalben unter ihnen verbreitet. Zu den wohlwollenden Geistern zählen die Nak Ta, deren Aufenthaltsort man in schöne alte Bäume legt. Früher brachte man ihnen anscheinend Menschenopfer dar, jetzt beschränkt man sich auf solche in Gestalt von Büffeln, Ziegen, Hühnern, Reis und Obst. Ein einflußreicher Geist ist ferner der Arak, ein gleichsam gottgewordener Ahne, der die Familien beschirmt und der besonders in Krankheitsfällen angerufen wird. Größere Macht als den guten Geistern wird von den Kambodschanern den bösen (Pray) zugeschrieben; daher sind sie besonders bemüht, diese zu versöhnen und in guter Stimmung zu erhalten. Die gefährlichsten Geister sind die von Frauen, die im Kindbett gestorben sind oder einen gewaltsamen Tod durch den Werwolf, den Chul und die Hexe gefunden haben. Alle Krankheiten, alles Ungemach schreibt man ihnen zu; daher spielt auch die Magie in der Heilkunde der Kambodschaner eine große Rolle.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 448. Sänften in Gestalt geflochtener Bambuskörbe,
in denen bei den buddhistischen Aufzügen in Kambodscha die Opfergaben (Früchte, Reis, Münzen) den Priestern dargebracht werden.
Eine große Vorliebe bekunden die Kambodschaner für das Feiern von Festen; nicht nur alle Tage, die die Lehre Buddhas als heilig vorschreibt, werden festlich, unter anderem durch Aufzüge (Abb. 448), begangen, sondern auch alle diejenigen Volksbräuche, die auf animistischer Grundlage beruhen. Eine große Feierlichkeit knüpft sich an das „Wasserfest“. Es ist dies eine Regatta religiösen Charakters, die alljährlich vor dem Könige in Pnom Penh auf dem Tonle Sap stattfindet. Im Palast spielt sich dann auch die Segnung des „Wassers des Eides“ ab; ein jeder Bewohner des Landes, der im Dienste des Königs steht, schwört ihm Treue, indem er das Wasser trinkt, das ihn bei Bruch des Eides vergiften würde. — Wie in Siam ist jeder weiße Elefant Eigentum des Königs (Abb. 447).
Phot. A. Cabaton.
Abb. 449. Leichenzug in Kambodscha.
Im Vordergrunde wird in einer Sänfte unter einem großen Schirm der „Führer der Seele“ einhergetragen. Er steht mit dem Sarg durch ein langes weißes Band in Verbindung, dessen eines Ende auf seinem Kopf, das andere an einem baumwollenen Halsband des Toten befestigt ist.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 450. Szene aus einem Begräbnisse in Kambodscha.
Auf der Sänfte wird der Katafalk mit dem Toten getragen. Oft wartet man in einer Familie, bis mehrere Tote für die sehr kostspielige Verbrennung beisammen sind.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 451. Hand eines vornehmen Annamiten.
Das Kind der Kambodschaner erhält im Alter von sechs Monaten seinen Namen; dieser feierliche Augenblick wird mit allerlei Förmlichkeiten begangen. Sobald das „Haarbüschel rasiert“ wird — eine Vorschrift für beide Geschlechter — wird der Name geändert. Hierauf suchen die Knaben als Novizen das Kloster auf, um hier unterwiesen zu werden. Nach Abschluß ihrer Lehrzeit nehmen sie Aufenthalt im Gemeindehaus und bleiben hier bis zu ihrer Hochzeit. Ein Stelldichein mit jungen Mädchen ist nicht erlaubt; die Kambodschaner legen großen Wert auf Jungfräulichkeit vor der Ehe. Die jungen Mädchen leben mit ihren Eltern zusammen, bis sie in das Reifealter kommen. Dann müssen sie auf Verlangen ihrer Eltern „in den Schatten treten“. An dem Abend, wo sich bei ihnen die ersten Regeln zeigen, befestigen die Eltern Baumwollfäden um das Handgelenk und bringen den Ahnen ein Opfer dar, bestehend in Speisen, Kerzen und Räucherwerk, wobei sie ihnen dieses Ereignis förmlich kundgeben. Gleichzeitig pflanzen sie einen Bananenbaum, dessen Früchte entweder das junge Mädchen genießt oder an die Mönche schickt. Darauf zieht es sich für längere Zeit zurück; diese Abgeschlossenheit währt einige Monate bis mehrere Jahre, je nach der Lebensstellung und dem Vermögen der Familie. Es werden ihm von den Eltern gute Lehren mitgegeben, die etwa lauten: „Laß dich vor keinem fremden Manne sehen, nimm ebenso wie die Mönche deine Speise nur zwischen Sonnenaufgang und Mittag ein, iß nur Reis, Salz, Kokosnuß, Erbsen, Sesam und Früchte, enthalte dich des Fleisches und Fisches; bade dich nur, wenn die Nacht eingetreten ist, das heißt wenn keiner dich mehr erkennt, damit du von keinem Menschen gesehen wirst.“ Während der ganzen Zeit seiner Abgeschlossenheit bleibt das Mädchen tagsüber im Hause, es geht nicht einmal nach der Pagode; nur während der Dunkelheit wird es von dieser Pflicht befreit. Dann steckt es ein Betelmesser und den Behälter für den zum Betelkauen erforderlichen Kalk zu sich, zündet Lichter und Räucherkerzen an und geht hinaus, um das Ungeheuer, das die Finsternis schickt, indem es die Sterne zwischen den Zähnen schüttelt, anzubeten und Glück für sich herabzuflehen. Das „Heraustreten aus dem Schatten“ wird wiederum durch Gebete und ein Festessen feierlich begangen. Manchmal schließt sich hieran das Färben der Zähne, das sonst meistens bei der Heirat stattfindet. Bei den jungen Männern wird diese Zeremonie entweder bereits bei der Aufnahme in den Mönchorden oder bei der Heirat vorgenommen. Der Vorgang spielt sich für ein junges Mädchen unter allerhand Förmlichkeiten ab. In seiner Abwesenheit breitet ein weiser Mann auf der Erde ein Baumwolltuch aus, legt darauf zunächst acht Strohhalme in der Richtung der Himmelsgegenden, einen Napf aus Kokosnußschale, ein Webeschiffchen und einen Bronzebecher, streut dann noch ungedroschenen Reis darauf, so daß die Gegenstände bedeckt sind, streicht das Ganze glatt und deckt es mit den Zipfeln des Tuches zu. Auf dem so zubereiteten Sitz läßt er das Mädchen Platz nehmen. Nachdem einige Gebete gesprochen worden sind, stampfen zwei alte Leute, Mann und Frau, in einem Mörser Lack, und sieben Knaben ahmen das Stampfen mit Bananenzweigen nach; sie singen dabei den Refrain: „Großvater Kuhê, Großmutter Kuhê, stampft den Lack gut, damit er an den Zähnen hängen bleibe.“ Jedesmal, wenn sie das Wort stampfen aussprechen, lassen die beiden alten Leute den Stampfer in dem Mörser niederfallen. Ist der Lack genügend zerkleinert, dann wird er noch durch ein Stück Musselin gesiebt. Daraufhin wird ein Kokosblatt in der Form eines menschlichen Gebisses zugeschnitten, ein Stückchen Baumwollzeug mit dem flüssig gemachten Lack getränkt und dem Mädchen auf die Zähne gelegt, damit es beides bis zum Morgen im Munde liegen läßt; es darf nur in Pisangblätter speien, die nach Form eines Näpfchens zusammengenäht sind. Um Mitternacht werden dann die bösen Geister beschworen und gegen Morgengrauen brechen die sieben Knaben im Zuge in die Nachbarschaft auf, um auf die Hühner und Enten der Eingeladenen Jagd zu machen. Bei Tagesanbruch verläßt das junge Mädchen das Haus und betet die Sonne an, indem es sich vor ihr dreimal in den Staub wirft. Der alte Großvater macht darauf die Bewegung, als ob er ihm mit Hammerschlägen die Zähne ausschlagen wollte und bestreicht es mit Ruß. Schließlich muß sich das Mädchen noch vor dem Hausaltar niederwerfen.
Mit ungefähr sechzehn Jahren gehen Jünglinge wie auch Jungfrauen die Ehe miteinander ein. Die Eltern pflegen wohl die Vorbereitungen dazu zu treffen, ohne die Beteiligten zu fragen, indessen berücksichtigen sie doch eine etwaige Abneigung der Tochter gegen ihren Auserwählten. Nachdem der Jüngling ihnen die erforderlichen Geschenke an Arekanuß, Betel, Gambier, Reiswein und Tabak dargebracht hat, findet die Verlobung statt. Darauf begibt er sich auf unbestimmte Zeit in das Haus seiner Schwiegereltern. Von diesem Augenblick an gilt das Paar in den Augen der Öffentlichkeit für verheiratet, denn eine Hochzeitszeremonie findet für gewöhnlich nicht statt, aus dem einfachen Grunde, weil dadurch für den jungen Mann große Unkosten entstehen. Er muß nämlich nicht nur seinen Schwiegereltern am Hochzeitstage eine Menge ausbedungener Geschenke machen und seiner Frau mancherlei Schmucksachen verehren, sondern auch viele Gaben freiwillig an Bekannte verteilen und sie in ausgiebiger Weise bewirten.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 452. Gerichtsszene bei den Annamiten.
Der Richter bestätigt mit erhobenem Finger das Urteil, das ein Mann zu seiner Rechten vorliest. Der Büttel ist im Begriff, dem Verurteilten die vorgeschriebenen hundert oder zweihundert Schläge mit einem Rohrstock zu verabreichen.
Wie überall in Indochina ist das Begräbnis der wichtigste Moment im Dasein des Kambodschaners. Es besteht in der Feuerbestattung; nur sehr fromme Anhänger des Buddhismus bestimmen, daß ihr Fleisch in Stücke geschnitten und den Vögeln zum Fraß vorgeworfen wird. Während die ärmeren Volksschichten ihre Toten möglichst schnell verbrennen, schieben die wohlhabenderen die Einäscherung auf lange Zeit, auf Monate und selbst Jahre hinaus. Im letzteren Falle begräbt man sie vorher noch oder bewahrt sie in hermetisch verschlossenen Särgen im Hause auf. Drei Tage lang wird bei der Leiche Wache gehalten und gebetet, darauf wird sie auf einen mit Goldflitter, Blumen und Lichtern geschmückten Katafalk gelegt. Sie bekommt eine kleine Stange Gold oder Silber in den Mund gesteckt und eine Kette aus weißen Baumwollfäden um den Hals gelegt, dessen Enden außerhalb des Sarges an einem Stück weißen Baumwolltuches befestigt werden; das andere Ende des Tuches hält der jüngste Sohn oder Enkel. Dieser fährt beim Begräbnis auch vor dem Katafalk in einer Sänfte als „Führer der Seele“ (Abb. 449 und 450). Auf einem Wagen wird die Leiche zum Scheiterhaufen befördert, begleitet von einer Musikbande, gemieteten Trauerweibern und den Angehörigen, die in Weiß gekleidet sind und sich ihren Kopf zum Zeichen der Trauer haben scheren lassen. Ehe die Leiche verbrannt wird, vergehen immer noch einige Tage. Beim ersten Knistern des Feuers erhält der junge „Seelenführer“ das Novizenkleid aus den Händen eines Priesters.
Die Annamiten, die sich hauptsächlich in Annam, Tonkin und Kotschinchina angesiedelt haben und aus Tibet stammen sollen, besitzen ebenfalls eine kleine (etwa hundertfünfundfünfzig Zentimeter hohe), aber ein wenig gedrungenere Gestalt als die Kambodschaner, einen kurzen Kopf, ein breites Gesicht mit sehr häufig (drei Viertel der Fälle) schiefstehenden Mongolenaugen, sowie schwarzes, straffes Haar; im allgemeinen weisen sie mehr den Typus der gelben asiatischen Rasse auf. Ihre Haut ist heller als die der Kambodschaner, weswegen sie sich als weiße Menschen betrachten und auf jene mit einer gewissen Verachtung herabsehen.
Phot. Mme Basalle.
Abb. 453. Annamitische Schauspieler.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 454. Kampfszene auf einer annamitischen Bühne zwischen zwei hohen Prinzenmandarinen
in reich verzierter Tracht, hinter denen je ein Page mit dem Banner steht.
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GRÖSSERES BILD
Beide Geschlechter kleiden sich in schwarze Beinkleider aus Seide und in einen langen schwarzen oder blauen Überwurf aus dem gleichen Stoff, wodurch Männer und Weiber, zumal beide auch langes Haar tragen, schwer voneinander zu unterscheiden sind.
Allgemein verbreitet ist auch unter den Annamiten das Schwärzen der Zähne, wie wir es bereits von den Kambodschanern her kennen gelernt haben. Nur ist hier das ganze Verfahren viel langwieriger, so daß das arme Opfer infolge der verminderten Nahrungsaufnahme, der Abgeschlossenheit und Aufregungen schließlich ganz entkräftet wird. Zunächst werden die Zähne mittels einer Paste, die man auf ein zugeschnittenes Palmblatt streicht und auf die Zähne legt, rot gefärbt. Um mit der Zunge diese Auflage nicht in Unordnung zu bringen, muß die betreffende Person, an der die Färbung vorgenommen wird, mit offenem Munde daliegen, darf keine warmen, sondern nur kalte Speisen, am besten Reis, der in kleinen Klumpen hinuntergeschlungen wird, genießen, und dieses während ganzer vierzehn Tage. In gleicher Weise wird sodann eine schwarze Lacktinktur aufgetragen, diesesmal aber nur zwei Tage lang. Schließlich wird den Zähnen mittels pulverisierter Kohle aus gebrannter Kokosnußschale noch Glanz gegeben. Bei der Vornahme dieses Verfahrens darf keine Frau zusehen, die Trauer hat, noch eine, die schwanger ist oder menstruiert, weil sie sonst mißlingen würde. Trotz der großen Beschwerden, die das Schwärzen der Zähne mit sich bringt, lassen eitle Mädchen und Jünglinge es doch alle drei Jahre von neuem wieder vornehmen. — Ein weiterer Brauch der Annamitinnen ist das Entfernen der Schamhaare. Vornehme Annamiten tragen wohlgepflegte Fingernägel von ungewöhnlicher Länge als Zeichen dafür, daß sie nicht zu arbeiten brauchen (Abb. 451).
Phot. Henri Maire.
Abb. 455. Buddhistische Prozession. Auf einem Altar werden Opfergaben zu der Pagode gefahren.
Die beiden buddhistischen Feste, anläßlich deren Opfer gebracht werden, sind die des „Throeu Con He Kak Thoeu“ und das „Blütenfest“, zu denen das ganze Dorf nach der entfernten Pagode wandert.
Über den Charakter der Annamiten sprechen sich die meisten Kenner der Verhältnisse ziemlich ungünstig aus; sie gelten für hinterlistig, rachsüchtig, falsch, lügnerisch und in hohem Grade diebisch, die annamitische Justiz (Abb. 452) ist indessen sehr streng; andere Beobachter aber heben dagegen ihre Bescheidenheit, Gastfreundschaft, Unterwürfigkeit, Höflichkeit, Hochachtung vor höher Stehenden und große Liebe zu den Eltern, sowie ihre Betriebsamkeit hervor. Die letztere macht sich auf dem Gebiete der technischen Fertigkeiten (Schnitzerei, Stickerei, Perlmutterarbeiten und so weiter) bemerkbar, wobei auch ein gewisser künstlerischer Sinn sich verrät. — Leidenschaftlich huldigen die Annamiten dem Spiel, sie zeichnen sich dabei durch Ruhe, Berechnung und Kaltblütigkeit aus. Selbst kleine Kinder kann man die Spielhöllen aufsuchen sehen. Auch für Theateraufführungen haben sie großes Interesse (Abb. 453 und 454).
Große Religiosität bekunden die Annamiten gerade nicht. Die herrschende Religion ist zwar der Buddhismus (Abb. 455), aber er ist auch hier wie anderwärts mit volkstümlichen, abergläubischen Vorstellungen von Geistern und Dämonen durchsetzt. Der Kaiser und die höheren Beamten bekennen sich zur Lehre des Konfuzius. Daneben hat aber auch das Christentum zahlreiche Anhänger gefunden. — Die große Furcht der Annamiten vor den Geistern, besonders vor den zahlreichen bösen, den Ma, erfordert, daß sie ihnen beständig Opfer darbringen, um sie zu besänftigen; diese Gaben pflegen in ein wenig Reis oder kleinen Kupfermünzen oder stangenähnlich geformtem Goldpapier, an dem die Geister ebensolche Freude wie an massivem Gold haben sollen, zu bestehen. Vor dem Tiger im besonderen haben die Annamiten große Angst und reden ihn daher nur mit „Herr Tiger“ an; ebenso fürchten sie die Ma-qui, die umherirrenden Seelen derer, die kein Begräbnis gefunden haben. Gewisse andere Tiere, wie der Elefant, der Walfisch, der Delphin stehen in dem Rufe, einen wohltätigen Einfluß auszuüben.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 456. Szene aus einem annamitischen Leichenzug.
Der vornehm ausgestattete Katafalk, „das goldene Haus des Toten“, wird von fünfzehn Trägern getragen.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 457. Szene aus einem annamitischen Leichenzug.
Der Altar der Vorfahren mit der Tafel des Verstorbenen wird in dem Zuge mitgefahren.
Für Schwangere sind besonders die Geister Ma Con Ranh gefährlich, die das Bestreben haben sich zu verkörpern und mit Vorliebe dazu die werdende Leibesfrucht auswählen. Die Folge ist dann, daß diese abstirbt und die Mutter ein totes Kind zur Welt bringt. Daher werden ihnen während der Schwangerschaft und nach der Geburt Opfer dargebracht. Der Annamitin ist es verboten, im eigenen Hause niederzukommen. Daher errichtet man bei den wohlhabenderen Leuten für die Schwangere im Hofe, also ziemlich nahe der eigentlichen Wohnung, eine besondere kleine Bambushütte, in der sie während ihrer schweren Stunde auf einem auf vier Pfählen ruhenden Bambuslattenlager aushalten und auch noch einen Monat lang nach ihrer Niederkunft verweilen muß. Ärmere Leute sind auf kleine schmutzige Winkel angewiesen, um niederzukommen, und nicht selten vollzieht sich der Akt vor den Augen des Publikums auf der Straße. Die Nachgeburt wird von der Hebamme — alte Frauen leisten bei der Geburt Beistand — in einen Fetzen Stoff gewickelt und gegen Abend oder in der Nacht an einem von ihr geheim zu haltenden Orte vergraben. Die abgefallene Nabelschnur wird dagegen sorgfältig aufbewahrt und findet als Zusatz zu einem Mittel gegen das Fieber, falls das Kind in den ersten Jahren daran erkranken sollte, Verwendung. Nach der Geburt eines Kindes hütet man sich für einige Tage, irgend ein Wort auszusprechen, das mit Tod, Krankheit, Unglück und so weiter in Zusammenhang steht, aus Furcht, das Kind könnte von einem solchen Mißgeschick heimgesucht werden. In dieser Zeit darf man im Hause auch nichts braten, weil sonst Mutter und Kind einen bläschenartigen Ausschlag bekommen würden. Ist das Kind einen Monat alt geworden, dann erhält es einen Namen, vorzugsweise einen häßlichen, wie Hund oder Schwein, um die bösen Geister fernzuhalten. Erkrankt es etwa, dann wird es angeblich an einen Priester verkauft, der es sofort wieder, aber unter einem anderen Namen, an die Familie zurückveräußert, in der Hoffnung, die bösen Geister dadurch irrezuführen. Hat ein Knabe das erste Lebensjahr erreicht, dann werden vor ihm Arbeitsgeräte, Waffen, ein Schreibtisch und ein Mandarinensiegel ausgebreitet; aus der Bewegung, die seine Hand gegen den einen oder den anderen Gegenstand macht, schließt man auf den Beruf, den er künftig ergreifen wird.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 458. Hochzeitsszene bei den Laotiern.
Vor den Opferpfosten bindet der Priester mit einem Baumwollfaden die Hände des Paares zusammen und dreht als Opfer einem Huhne den Hals ab.
Die Annamiten gehen mit achtzehn oder zwanzig Jahren die Ehe ein, je nach dem Geschlecht. Die Eltern bringen die Angelegenheit in Ordnung, setzen aber die Ahnen vorher von ihrem Entschluß in Kenntnis; diejenigen, die es angeht, werden jedoch nicht gefragt. Selbst Kinder in der Wiege werden schon verlobt. Ist der Bräutigam wohlhabend, dann bringt er seiner Verlobten Geschenke dar, die nicht selten einen bedeutenden Wert aufweisen, Juwelen, Lackkästen, Stoffe, Kerzen, Reiswein, Betel und ein großes, fettes Schwein. Arme Jünglinge treten bei ihrem Schwiegervater in Dienst. Die eigentliche Hochzeit, eine rein häusliche Angelegenheit, erfordert vom Bräutigam neue Geschenke; es ist üblich, daß diese möglichst viel in Rot, der Farbe des Glücks, gehalten sind. In dem Hause beider Parteien werden den Ahnen Opfer dargebracht; darauf bringt der Bräutigam seiner Braut ein paar Störche, das Sinnbild der Treue, zum Geschenk dar, das Paar wirft sich vor den Gottheiten, die über die Ehe wachen, dem „Genius der rotseidenen Fäden“ und der „Frau Mond“ auf die Erde und überreicht ihnen die Störche. Mit einem Festessen findet der erste Hochzeitstag seinen Abschluß. Am anderen Morgen wird die junge Frau prachtvoll angekleidet und in das Heim ihres Mannes geleitet; sie wirft sich hier vor den Schutzgeistern der Ehe, den Ahnen, ihren Schwiegereltern und deren Angehörigen nieder. Die Opfergabe vor dem Altar der Vorfahren macht dabei den wesentlichsten Teil der Hochzeitszeremonie aus. Von diesem Augenblick an ist die Frau in die Familie ihres Gatten eingetreten, zu deren Religion sie fortan sich auch bekennt. Obgleich die Annamitin in ihrem Hause, besonders als Mutter, der Achtung sich erfreut, so ist ihr Los doch kein beneidenswertes. Die Scheidung wird dem Manne leicht gemacht; er kann sie aus sieben Gründen beantragen, von denen die drei wichtigsten Unfruchtbarkeit, Schwatzhaftigkeit und Eifersucht sind. Die reichen Annamiten, die es sich leisten können, leben in Polygamie; indessen genießt nur die Frau, die unter den geschilderten Förmlichkeiten geheiratet wurde, Ansehen und Macht.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 459. Vermummungen der Laotier beim „Feste des Kalenderendes“.
Da das Familienleben der Annamiten sich auf dem Ahnenkult aufbaut, so kommt dem Begräbnis, durch das der Verstorbene zu den Ahnen aufrückt, die größte Bedeutung zu; es muß unter feierlichen Zeremonien begangen werden, weil sonst die Seele des Toten in die Hölle kommen würde. Dem Sterbenden wird ein Stück weißer Seide, die „weiße Seele“ auf die Brust gelegt, damit sich darin die scheidende Seele beim letzten Atemzuge verfange. Priester halten die Leichenwache bei brennendem Räucherwerk; vor der Tür wird kleines Kupfergeld ausgestreut, um die bösen Geister anzuziehen. Nachdem der Tote mit besonderem Weihwasser gewaschen und von seinen Söhnen und Enkeln angekleidet worden ist, erhält er die „letzte Mahlzeit“, ein paar Reiskörner und etwas Geld, in den Mund gesteckt und wird in einen möglichst reich und kunstvoll ausgestatteten Sarg gelegt. Dieser wird geschlossen, mit allerlei Amuletten bedeckt und auf einen mächtigen Katafalk aus Holz gestellt (Abb. 456), der einem mehrstöckigen Gebäude nicht unähnlich sieht und rot sowie mit Goldlack angestrichen ist. Die Angehörigen, welche die in Indochina übliche weiße Trauerkleidung angelegt haben, umgeben ihn unter Wehklagen. Nachdem ein Zauberer noch den Paß für die große Reise ausgestellt hat, wird die Leiche auf den Friedhof überführt. Voran geht ein Mann mit einer brennenden Fackel, ihm folgt ein anderer mit einem Banner, dessen Inschrift oder Form Rang und Stand des Verstorbenen verkündet, dahinter gehen Leute, die Gegenstände aus Gold- und Silberpapier verteilen, in der Voraussetzung, daß die bösen Geister sie mit großer Befriedigung aufnehmen. Weiter folgt dann die „Halbkutsche der Seele“, oft von Musikanten umgeben. Es ist dies ein kleiner, mit Perlen aus Goldpapier verzierter Aufbau, der in den Falten der „weißen Seele“ eine rotlackierte Gedenktafel mit der Darstellung des Verstorbenen in seinem neuen Range, ferner einen kleinen Altar, winzige Papiermodelle von Gegenständen, die dem Toten teuer waren, Kleider, Gebrauchsgegenstände und Goldpapierstangen trägt. Ganz zuletzt kommen mitten in einer Musikbande der Leichenwagen selbst und vor ihm noch, aber rückwärts tretend, die Söhne und Schwiegersöhne des Verstorbenen. Die übrigen Familienangehörigen folgen in weißer Kleidung. Auf dem Begräbnisplatz wird die „weiße Seele“ dreimal davon in Kenntnis gesetzt, daß der Tote begraben wird, was dann auch geschieht; sie selbst aber wird in feierlichem Zuge ins Haus zurückgebracht, wo die Gedenktafel auf dem Ahnenaltar (Abb. 457) Aufstellung findet. Fünfzig Tage oder ein Jahr darauf geben die Erben allen Teilnehmern beim Begräbnis ein Festessen.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 460. Ein Musiker, der dem jungverheirateten Paare eine Serenade darbringt.
Das Instrument ist ein Flaschenkürbis, an dem drei Bambusflöten befestigt sind.
Die Bevölkerung des Laosgebietes umfaßt eine Anzahl Stämme, zumeist arischer oder indonesischer Abstammung, die hauptsächlich die Täler der großen Flüsse Mekong, Menam und Salouen längs der westlichen Grenze Annams bewohnen. Die Laotier sind von mittlerer Größe, wie die Annamiten, indessen noch mehr untersetzt. Sie zeichnen sich durch ziemliche Intelligenz und Sanftmütigkeit aus. Die Kleidung der Männer gleicht der der Annamiten, die Frauen tragen einen längsgestreiften, bis an die Fußgelenke reichenden Rock und eine Schärpe von irgend einer auffälligen Farbe. Ihre Haartracht ist je nach der Gegend verschieden; die der verheirateten Frauen unterscheidet sich im allgemeinen von der der jungen Mädchen. Die Männer tragen das Kopfhaar kurz geschnitten.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 461. Szene vom Hochzeitsfest der Laotier.
Die Nichteingeladenen stürzen sich über die Mahlzeitreste her, die für sie bereitgestellt wurden.
Die Religion der Laotier ist eine abgeschwächte Form des Buddhismus auf der üblichen animistischen Grundlage. Jedem wichtigen Ereignis im Leben muß eine Opfergabe, zumeist aus einem Krug Reiswein bestehend, vorausgehen. Beim Genuß dieses Getränkes, das nicht länger als zwei Monate und nicht kürzer als zehn Nächte gegärt haben darf, wird eine bestimmte Zeremonie beobachtet. Der Krug wird an einer Stange befestigt, darauf versenkt der Häuptling einen langen hohlen Rohrstock, an dessen Ende eine Kerze zum Vertreiben der bösen Geister brennt, in die Flüssigkeit, und ein jeder der Anwesenden muß den Mund vollsaugen; ist der Krug leer, wird er von neuem gefüllt. Zahlreiche Feste werden hier ebenso wie in Siam auch anderwärts gefeiert. Beim Feste des „Endes des Kalenders“, das unserem Neujahrsfest entspricht, wird das alte Jahr unter großem Gepränge hinausgeleitet. Die jungen Mädchen bespritzen dabei die Jünglinge entweder mit wohlriechendem Wasser oder auch mit Schmutz, was diese ihrerseits mit Humor aufnehmen; Schauspieler legen sich zur Erinnerung an die ersten Menschen von Laos, die ein zottiges Fell besaßen, ähnliche Gewänder an, setzen sich bizarre Gesichtsmasken mit beweglichen Kinnladen auf, knien nieder, schreiten im Takte einher und halten Reden, in denen sie jedermann im neuen Jahre alles erdenkliche Gute wünschen (Abbild. 459).
Der Verlobung der jungen Leute pflegt ein umfangreiches Flirten vorauszugehen. Wenn die Feldarbeit getan ist, dann finden die jungen Burschen Zeit, den Mädchen den Hof zu machen. Diese stellen sich, wenn sie das heiratsfähige Alter erreicht haben, mit buntschillernden Schärpen angetan auf besonders dazu erbauten Bühnen jenen zur Schau. Vor ihnen brennen Lampen ähnlich den Rampenlichtern eines Theaters, ein Tablett mit Betelpriemen und Speinapf (Bambusglied) wandert von Hand zu Hand. Die jungen Männer hocken vor den Mädchen und erschöpfen sich in allerhand Artigkeiten in Versen, die die Mädchen schlagfertig mit lustigen und selbst spitzigen Worten erwidern. Endlich kommt es dabei zur Verlobung und zur Hochzeit, deren Zeremonien denen in Siam und Kambodscha im allgemeinen gleichen. Bei bestimmten wilden Stämmen werden dem Paare von einem Zauberer einfach die Hände mit einem Baumwollfaden zusammengebunden, nachdem ein Huhnopfer vorausgegangen ist (Abb. 458). Die Frauen bringen an Geschenken in lange Streifen geschnittenes rohes Fleisch, zu Kugeln geformten Reisbrei, gebratene Heuschrecken und Reiswein dar. Tanz und Gesang unter Musikbegleitung auf primitiven Instrumenten beschließen die Hochzeit (Abb. 460 und 461).
Phot. H. Baudesson.
Abb. 462. Stangen mit wippenden Peitschen,
die zu Ehren eines Toten von den Laotiern errichtet werden.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 463. Szene aus einer Totenfeier der Laotier.
Der Büffel für das Opfer wird herbeigeschleppt.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 464. Szene aus einer Totenfeier der Laotier.
Der Büffel wird zum Andenken an den Verstorbenen geschlachtet.
Zu einem Sterbenden wird eine Zauberin gerufen; sie streichelt den Kranken, zündet sechs kleine Kerzen an und sagt eine ganze Litanei von Beschwörungen her, wobei sie immer schneller redet, je weiter die Flammen herunterbrennen. Darauf nimmt sie den Mund voll Wasser und spritzt es in feinem Sprühregen dem Patienten auf den Magen, um anscheinend aus ihm etwas zu entfernen. Endlich schwenkt sie triumphierend einen Stein als die Ursache aller Unruhe in der Luft. Wenn trotzdem der Kranke seinem Leiden unterliegt, so trifft die Schuld hierfür ausschließlich die Angehörigen, die vielleicht eine Ziege dem bösen Geist opferten, die zu mager war, so daß er dadurch keine Befriedigung empfand. Die Leiche wird sofort in eine Kiste gelegt (Abb. 467) und erhält etwas Reisbrei als Nahrung für die Seele in den Mund; darauf versucht jemand durch lautes Brüllen in die Ohren den Toten ins Leben zurückzurufen. Am sechsten Tage endlich wird die Leiche durch ein Loch in der Wand hinausbefördert und auf den Friedhof getragen; die Angehörigen folgen ihr im Gänsemarsch. Damit der Tote im Jenseits auch seine Lieblingsgegenstände wieder finde, legt man sie ihm noch in den Sarg, bevor er der Erde übergeben wird. — Alljährlich finden Erinnerungsfeiern an die Toten unter großem Gepränge statt. Die Dorfbewohner rüsten sich dazu, indem sie ihre Hütten neu bedecken, ihren Boden kehren und Pfähle mit riesigen Peitschen an der Spitze errichten (Abb. 462), die sie außerdem mit Blätterwerk schmücken. Zu Ehren eines jeden Dorfbewohners, der im Laufe des Jahres ins Jenseits eingegangen ist, wird ein Büffel geopfert (Abb. 463 und 464), auf dessen blutigen Körper von einem Kinde die Kleider des Verstorbenen gelegt werden. Unter Vorantritt eines Tamtamschlägers nähert sich ihm nun die Familie, die Frauen werfen sich unter Wehklagen mit verwirrten Haaren auf die Erde, währenddessen der Zauberer mit Trauerstimme die Vorzüge des Verblichenen verkündet.
Die Moïstämme: Der mittlere Teil Indochinas (von Yünnan an bis Kotschinchina herunter) wird von einer Reihe „wilder“ Stämme bewohnt, die man, zumal sie in ihrem Äußeren und auch in ihrer Kultur ziemlich übereinstimmen, unter der Kollektivbezeichnung der Moï zusammenfaßt. Je nach dem Gebiete, in dem sie wohnen, führen sie andere Namen, so nennt man sie zum Beispiel in Annam im besonderen Moï, in Kambodscha Peurong, in Laos Khas und so weiter. Sie bieten einen ziemlich einheitlichen Typus dar, der auf Verwandtschaft mit den Indonesiern einerseits und den Chinesen anderseits hinweist. — Die Moïstämme sind Jäger, betreiben aber auch primitiven Ackerbau. Sie ernten die Reisfrucht noch durch Abreißen mit den Händen und kochen ihr Wasser in hohlen Bambusröhren. Sie gehen zumeist noch unbekleidet einher und benutzen primitive Waffen, Speere, Bogen und vergiftete Pfeile.
Phot. Henri Maitre.
Abb. 465. Opferhütte der Moïstämme.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 466. Für die junge Mutter ist es bei den Laotiern Vorschrift, längere Zeit an einem Feuer auszuharren,
das nur durch ganz besondere Hölzer unterhalten werden darf. Täglich bringen ihr die Freundinnen das erforderliche Holz und nehmen dafür die Mahlzeit bei ihr ein.
Die Moï sind durchweg reine Animisten, die alles in der Natur für belebt, mit einer Seele ausgestattet halten. Allerdings sollen sie auch an ein höheres Wesen, das Himmel und Erde geschaffen hat und der Gott des Donners ist, glauben. Sie verehren es in Gestalt eines Steines in einer etwa zwei Meter hoch auf Pfählen ruhenden Bambushütte, der man am Eingange der Dörfer begegnet (Abb. 465). Vor der Hütte sind außerdem noch vier oder fünf kleine Mulden auf Bänken etagenförmig in verschiedener Höhe aufgestellt, sie enthalten ebenso wie das Innere der Hütte Opfergaben für den höchsten Geist, etwas Reis, Hirschknochen, Stücke eines gekochten Hühnerkopfes und in Form von Elefantenzähnen und Rhinozeroshörnern zugeschnittene Holzklötze. Diese Gaben sind für den höchsten Geist bestimmt, von dem man annimmt, daß er in der Nacht auf der Erde erscheine, eine kleine Leiter, die zu der Hütte führt, hinaufsteige, die Opfergaben mustere und, wenn er alles in Ordnung findet, befriedigt wieder umkehre, dagegen, falls etwas sein Mißfallen erregen sollte, den Blitz in das Dorf einschlagen lasse und die Ernte schädige. Alljährlich muß die Hütte vor der Saatzeit erneuert werden; dabei wird ein Fest abgehalten und die Opfergaben werden mitgebracht, die in ihr bis zum nächsten Jahre verbleiben. Neben dieser obersten Gottheit glauben die Moï noch an zahllose kleinere Geister, Phi genannt, mit denen sie sich Berge, Wälder, Wasserfälle, Quellen, Sümpfe und so weiter belebt denken, und von denen sie auch annehmen, daß sie gelegentlich sichtbare Formen, wie Menschen, Tiger und Schlangen annehmen können. Sie sind den Menschen teils gut, teils böse gesinnt. Zauberer vermitteln den Verkehr zwischen ihnen und den Erdgeborenen. Eine wichtige Aufgabe dieser Zauberer besteht auch darin, Kranke zu beschwören. Nach dem Glauben der Moï geht die Seele eines Menschen bei seinem Tode in die Dörfer und bringt deren Bewohner Krankheit und Tod. Sobald ein Mensch also erkrankt ist, muß der Zauberer herauszufinden suchen, welche abgeschiedene Seele, Cong genannt, dafür verantwortlich zu machen ist. Die nördlichen Jarai, Malang, Bahmar und ihre Nachbarn bauen eine Reihe Zauberpflanzen an, die einen Einfluß auf solche Krankheitsgeister ausüben sollen. Beim Säen dieser Kräuter wird dem obersten Gotte ein Huhn oder ein Schwein geopfert, damit er einen guten Geist aufs Feld in die aufgehende Saat sende. — Die Moï glauben auch an Vorbedeutungen, im besonderen an die Töne, die gewisse Tiere von sich geben und die je nach der Richtung, aus der sie kommen, als günstige oder ungünstige gedeutet werden. — Bei den Mongstämmen werden Hütten und selbst ganze Dörfer für eine gewisse Zeit, von einer Nacht bis zu mehreren Tagen je nach dem Anlaß (Niederkunft, Erkrankung von Menschen und Tieren, Saat, Ernte und so weiter), „isoliert“; währenddessen sind die Einwohner gezwungen zu Hause zu bleiben, und Fremde dürfen unter keinen Umständen das Haus oder Dorf betreten; zum Zeichen dessen befestigt man einen Zweig an der Tür.
Jedweder Vorwand wird von den Moï dazu benutzt, um ein Fest zu feiern, das hauptsächlich im tüchtigen Essen und Trinken besteht; man feiert den Beginn des neuen Jahres, das Einsetzen der Regenzeit, das Bestellen der Felder, das Säen, das Aufsprießen der ersten Halme, das Einernten, das Bergen der Frucht unter Dach und Fach und andere Gelegenheiten mehr. Bei der Geburt wird der Mutter der gekochte Saft eines Sapan genannten Baumes, den der Vater einsammelte, verabreicht, um ihr Kraft zu geben; nach der Geburt wird ihr Körper mit Ingwer eingerieben und sie selbst muß mit dem Kinde eine Woche lang nahe an einem Feuer ausharren (Abb. 466). Hieran schließt sich ein Fest mit Namensgebung. — Ehen werden entweder durch Neigung der jungen Leute, von denen der Jüngling dem Mädchen einen Antrag macht, oder auf Vorschlag der Eltern geschlossen. Daraufhin siedelt er zu den Eltern der Braut über, um für sie zu arbeiten. Bei der Hochzeit beschwört ein Zauberer die Schutzgeister, das junge Paar zu beschirmen, mischt Schweineblut mit Reiswein und beschmiert damit die Füße von Mann und Frau. — Polygamie kommt nur bei reichen Männern vor.
Phot. H. Baudesson.
Abb. 467. Sarg der Laotier aus einem Baumstamm.
Beim Tode eines Moï begeben sich sämtliche Dorfinsassen auf den Ruf eines Gongs in das Haus des Verstorbenen; die Leiche wird mit allem Schmuck, den der Tote besaß, aufgebahrt und mit einem Tuche bedeckt. Am anderen Morgen wird im Walde ein großer Baum ausgesucht und zum Sarg ausgehöhlt (Abbildung 467). Während seiner Anfertigung bleiben die trauernden Freunde und Nachbarn im Hause des Toten und werden auf Kosten der Familie mit Essen und Trinken bewirtet. Drei bis vier Männer halten Leichenwache und fächeln die Fliegen mit Wedeln vom Toten ab. In den mit Malereien verzierten Sarg werden neben den Toten allerlei kleinere Gegenstände, die ihm gehörten, gelegt. Er wird sodann in der Erde beigesetzt. In der Gruft werden unter dem Sarg am Kopfende ein Korb mit Reis und ein Krug mit Reiswein, darüber eine Bambus- und Blätterschicht gelegt und daneben zwei Bambusrohre senkrecht aufgestellt, die bis über die Erdoberfläche hinausreichen und zur Aufnahme von Speise und Trank dienen, die man täglich der Seele des Toten spendet. Um das zugeschüttete Grab wird noch ein etwa ein Meter breiter und zwei Meter tiefer Graben kreisförmig herumgezogen; die dabei ausgeworfene Erde wird zu einem mächtigen Grabhügel von zwei bis zweieinhalb Meter Höhe aufgetürmt, aus dem die Speiseröhren hervorragen. Später errichtet man über dem Grabhügel auf einer Stange eine Miniaturhütte (ähnlich unserem Taubenschlag) und legt in sie etwas zu essen hinein. Um die Seele des Verstorbenen aufzunehmen, die sonst ins Dorf zurückkehren und seine Bewohner belästigen würde, läßt man zum Schluß noch ein lebendiges Huhn frei. — Die südlichen Jarai umgeben ihre Gräber mit einem rechtwinkligen Palisadenzaun aus dicken Bambusstäben, und setzen an die vier Ecken je einen mächtigen Pfosten, der oben in eine geschnitzte große Trauermaske mit zwei Elefantenzähnen endigt (Abb. 468). Die Gräber von Häuptlingen werden mit einem hohen schmalen Dach aus geflochtenem Bambus bedeckt, das bei den nördlichen Jarai oft die Höhe von fünf Metern erreicht und mit seltsamen Verzierungen in Kreide und rotem Lehm bedeckt wird. Den Nächststehenden des Verstorbenen ist es verboten, während der Monate bis zum Abschluß der Trauer irgend einem Geschäfte nachzugehen. Bei dem Radestamm stellen die geschnitzten Grabpfosten trauernde Frauen in hockender Stellung dar (Abb. 469).
Phot. Henri Maitre.
Abb. 468. Gräber der südlichen Jarai.
Phot. L. de Lajouquire.
Abb. 469. Häuptlingsgräber bei dem Radestamm.
Phot. Charles Hose.
Abb. 470. Chinese beim Opiumrauchen.