Die Birmanen gehören zur Gruppe der Schanvölker und gleichen in ihrem Äußeren im großen und ganzen den Siamesen. Sie sind kräftig, wohlproportioniert und von ziemlicher Größe, die Höchstgewachsenen unter den Stämmen Hinterindiens. Ihre Hautfarbe ist braun, ihr Kopfhaar dicht, lang und schwarz. Ihre Gesichtszüge sind etwas edler als die der Siamesen, so daß sie, im besonderen Frauen, oft angenehm auffallen.
Die Kleidung ist bei beiden Geschlechtern die gleiche. Den Oberkörper bedeckt eine lose anliegende Jacke, den Unterkörper umhüllt von der Hüfte bis zu den Knien ein Stück Tuch oder noch häufiger Seidenstoff. Das Haar wird entweder auf dem Kopfe in einen Knoten geschlungen oder fällt chignonartig in den Nacken herab. Den Kopf umschlingt beim männlichen Geschlecht ein turbanartig umgebundenes Tuch (Abb. 412), die Frauen gehen barhäuptig, flechten sich aber Ketten und Blumen in die Haare (Abb. 411). Eine ganz eigenartige Form besitzen die geflochtenen großen Hüte der Schan, die zugleich als Schutz gegen den Regen dienen. Eine stete Begleiterscheinung der Birmanen ist sein Regenschirm aus braungefirnißtem, mit bunten Streifen besetztem Papier. Schmuck fehlt natürlich nicht, besonders beim weiblichen Geschlecht. Bei den Padaungfrauen sind schwere massive Ringe sehr beliebt, die um den Hals, die Unterarme und die Beine getragen werden und zusammen ein Gewicht von vierzig bis fünfzig Pfund ausmachen. Ganz besonders fallen davon die Ringe auf, die den Nacken wie ein steifer Stehkragen umgeben; sie werden nicht auf einmal, sondern nacheinander umgelegt, bis zu zweiundzwanzig Stück (Abb. 414). Nicht minder merkwürdig muten die Fußringe der Loilongfrauen an (Abb. 413). — Ein jeder Birmane, der etwas auf sich hält, läßt sich tatauieren, und zwar in Blau auf den Oberschenkeln, von der Hüfte bis zum Knie, und in Rot auf dem Oberkörper und den Armen (Abb. 416). Die eintatauierten Muster pflegen Tiere, im besonderen Tiger darzustellen, die von allerlei Schnörkeln umgeben sind.
Phot. Major Pearce.
Abb. 411. Mann und Frauen in der üblichen Landestracht auf einem Ochsenwagen, wie er auf dem Lande gebräuchlich ist.
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GRÖSSERES BILD
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 412. Ein vornehmer Birmane.
Phot. Sir George Scott.
Abb. 413. Loilong-Karen-Frauen mit sonderbarem Beinschmuck,
bestehend aus Messingringen, die an einem Rotangbande unterhalb des Knies hängen. Diese Ringe hindern die Bewegung erheblich. Keine Frau geht ohne Not aus und wenige kommen Zeit ihres Lebens weiter als eine Stunde von ihrem Dorfe. Die Arme sind von einer engen Messinghülse bis zu den Ellbogen bedeckt.
Bis zur Besitzergreifung durch die Engländer herrschte in Birma eine durchaus despotische Regierung. Erbliche Ehren gab es nicht, ein jeder konnte durch persönliche Tüchtigkeit es zu hohem Ansehen bringen, allerdings war dabei der Günstlingswirtschaft Tür und Tor geöffnet. Es gab eine Unmasse Beamte, von denen ein jeder durch irgend ein besonderes Merkmal an einem Gebrauchsgegenstand oder Schmuckstück, seien es Ohrringe, die Kopfbedeckung, der Regenschirm und so weiter als Rangabzeichen sich kenntlich machte. Die kleinen Bürger und Arbeiter gehörten dem Stande der Unfreien an; sie konnten jederzeit vom Könige zu seinen Dienstleistungen als Soldaten oder Sklaven verwendet werden.
Phot. H. G. A. Leveson.
Abb. 414. Padaungfrauen mit schweren Messingringen um Hals und Beine.
Trotz des großen Gewichts der Ringe wandern die Frauen stundenweit und verrichten alle ihre Arbeit auf dem Felde.
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GRÖSSERES BILD
Phot. N. Edwards, Littlehampton.
Abb. 415. Opfer vor einem Buddhabildnis in Rangoon.
Die Birmanen sind Anhänger der Lehre Buddhas (Abb. 415) und befolgen auch nach außen hin deren Gebote aufs strengste. Aber im Grunde ihres Herzens huldigen sie alle der Geisteranbetung. Besonders trifft dies für die auf niederer Kulturstufe stehenden Stämme in den Bergen zu, wie die Katschin, Karen, Tschin, Lahu, Akha, Wa und andere. Stets ist man darauf bedacht, die Geister, von denen man sich überall, in Wald und Flur, auf Flüssen, in den Bergen und anderwärts sonst, umgeben glaubt, fernzuhalten. Daher trifft man außerhalb der Umfriedigung der Dörfer Geistertore an; die Katschin legen von einem Baum zum anderen ein Bambusrohr quer über den Weg, der zum Dorfe führt, und behängen ihn mit Kreisen, Kreuzen und seltsamen Figuren aus gespaltenem Rohr, um dadurch die Geister, die ein böses Gewissen haben, von dem Betreten des Dorfes abzuhalten; sie sollen nämlich glauben, daß die verschiedenen Symbole, die im Winde wehen, so und so viele Fallen sind, die man ihnen stellt, und daher keine Lust verspüren, einen Umweg ins Dorf ausfindig zu machen, sondern vorziehen umzukehren. Die Schan von Nam Hkon errichten im Flusse ein Häuschen für die Geister (Abb. 417), hindern sie aber daran nachts an Land zu gehen, indem sie die Verbindungsbrücke, die sie sonst nötig haben, um ihnen ein Opfer zu bringen, einfach abbrechen. In jedem birmanischen Hause auf dem Lande hängt in einem viereckigen Bambusrahmen eine Kokosnuß und darüber als Turban ein rotes Stück Zeug; dies ist der Aufenthaltsort des Magayi Nat, des Hausgeistes, dem man täglich Opfergaben darbringt und jedes Kind, das im Hause geboren wird, in aller Form vorstellt. Recht bezeichnend für die Doppelreligion des Birmanen ist es, wenn er in einem Augenblick dem Hausgeiste ein Opfer darbringt und im nächsten den Bettelmönchen auf ihrer täglichen Runde Almosen reicht. Der Buddhismus ist eben seine angelernte Religion (Abb. 419), die Geisteranbetung seine rituelle. Auch jedes Dorf besitzt seinen Schutzgeist; er lebt im Dschungel, und daher steht sein Altar und seine Wohnung immer im Dickicht oder mitten in einer Bambusgruppe, auch am Fuße eines sehr großen Baumes, meistens eines Feigenbaumes (Abbild. 418). In dieser seiner kleinen Behausung findet man oft die Figur eines Geistes oder ein Bett, das ihm zur Ruhestätte dienen soll (manchmal auch zwei davon, falls er seine Frau bei sich hat) und oft mit einem winzigen Moskitonetz überspannt ist, ringsherum ferner Wasserkrüge, Speinäpfe, Betelkästchen, alles natürlich en miniature, manchmal auch noch Flinten und Speere, gleichfalls der Größe des Raumes angemessen, damit der Geist sie benutzen kann, wenn er in den Kampf ziehen will. Diesen Geistern werden an bestimmten Tagen Opfergaben dargebracht (Abbildung 421). Der Birmane kennt auch eine regelrechte Liste seiner siebenunddreißig Nats oder Nationalgeister, die er sich meist in Menschengestalt vorstellt. Die Tänze zu ihren Ehren werden stets von Frauen ausgeführt, sie entbehren aber des Gemessenen, Künstlerischen in der Haltung der Tänzerinnen, zeichnen sich durch wilde, tobende Bewegungen aus.
Phot. P. Klier.
Abb. 416. Ein tatauierter Birmane.
Die eintatauierten Muster unter der Hüfte pflegen Tiere, im besonderen Tiger, von allerlei Schnörkeln umgeben, darzustellen. Die Figuren auf dem Oberkörper und den Armen sollen Unverletzlichkeit gegen Schwert und Schußwaffen oder Erfolg in der Liebe bezwecken.
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GRÖSSERES BILD
Phot. Sir George Scott.
Abb. 417. Geisterhaus mitten im Fluß.
Phot. Sir George Scott.
Abb. 418. Ein Geisterschrein am Fuße eines Pipulbaumes zu Hsataw.
Phot R. W. Marshall.
Abb. 419. Feierlicher Gottesdienst in einem birmanischen Kloster.
Wenn der Birmane ein Wohnhaus baut, so legt er auf jeden Pfosten ein Tuch, um den Geist, der darin wohnt, zu bedecken; diese Gewohnheit dehnt er auch auf die Rasthäuser, die Holzbrücken und sogar auf die Klöster aus. Vor Beginn des Wettrennens zweier Boote werden Opfergaben in den Bug eines jeden davon für die Wassergeister gelegt, damit sie sich nicht aus reiner Bosheit an den Kiel hängen. Der Birmane gibt den Mönchen (Abb. 423) Almosen, er betet vor der Pagode an bestimmten Pflichttagen (siehe farbige Kunstbeilage), wenn er jung ist, und hält jeden Abend um die Dämmerstunde an einem geweihten Ort seine Andacht ab, wenn er in die Jahre kommt; er zündet Kerzen an, legt Gebetsfahnen und Blumen, auch kleine Wachsfiguren der Wesen, die über dem betreffenden Wochentag walten, an dem er das Licht der Welt erblickte, nieder (Abb. 424) und sagt seine frommen Sprüche her, die er als Knabe in der Schule lernte, und doch wird er niemals in seinem Leben es versäumen, bevor er etwas unternimmt, sein Horoskop sich stellen zu lassen und seine Zauberbücher zu Rate zu ziehen, die ihm anzeigen, wann er zum Beispiel seiner Tochter die Ohren durchbohren lassen, eine Reise unternehmen, mit Pflügen beginnen oder mit der Ernte anfangen, ein Boot ins Wasser setzen, einen Einkauf machen, sich oder seine Tochter verheiraten, ein Familienmitglied begraben oder eine Pagode stiften soll. In fast jedem Dorfe gibt es Geistermedien; gewöhnlich sind es Frauen, deren Beruf in direktem Widerspruch zu den Lehren des Buddhismus steht; denn sie halten wie jeder andere Gläubige ihre Andachten ab und geben den Mönchen Almosen, damit sie in ihrem nächsten Dasein eine Stufe höher im Leben stehen. Bei Ausbruch einer Krankheit werden sie oft herbeigerufen, um zu heilen, denn eine Krankheit gilt stets für die Anfechtung eines bösen Geistes (Abb. 422). Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit binden sich die Frauen meistens ein rotes Tuch um den Kopf und beschränken ihre Geheimnistuerei auf hysterische Gesänge und wilde Wirbeltänze, die den Kranken oft genug anstecken. Manchmal erholt er sich dann infolge der Erregung, oft genug aber auch bricht er vor Erschöpfung zusammen. Was für den Birmanen die Zauberbücher, das sind für die roten Karen und Wastämme die Geflügelknochen; nichts unternimmt er, ehe er diese um Rat gefragt hat. Die Wa verwenden sie recht oft, manche von ihnen tragen sie paarweise in den Ohren, sie sind dann oft so schmutzig und von Alter gebräunt, daß sie wie ein altes Erbstück anmuten. — Um Glück bei seinen Unternehmungen zu haben, läßt sich der Birmane runde Scheiben aus Gold, Silber oder Blei, auch aus Schildpatt oder Horn, die das Bild eines Schweinchens, umgeben von mythischen Zeichen, eingeritzt tragen, unter die Brust- oder Armhaut einheilen. Mancher berüchtigte Räuber wurde mit einer ganzen Reihe solcher Glücksschweinchen, die sich durch Knoten verraten, festgenommen.
Phot. Sir George Scott.
Abb. 420. Geisterpfeiler,
die auf einem offenen Platz inmitten jedes Dorfes der roten Karen errichtet werden, ihre Spitzen tragen allegorische Darstellungen.
Betende Menge vor einer Pagode in Rangoon.
Die Frauen sind dabei in ihre besten Gewänder gekleidet und mit Blumen im Haar geschmückt. Sie leiern das übliche Pali ab, wissen aber im Grunde genommen meistens nicht, um was sie bitten und an wen sie beten.
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GRÖSSERES BILD
Phot. Sir George Scott.
Abb. 421. Ein Geisterhaus (Nat-haw) zu Kyèbogyi (Karenland)
mit Opferaltären außerhalb seiner Umzäunung. Auf dem rechten Altar liegen der Kopf und die Eingeweide eines geopferten Büffels.
Es gibt in Birma sehr viele religiöse Feste, bei denen man einen großen Pomp zu entfalten pflegt. Es finden großartige Umzüge statt (Abb. 425 und 428), bei denen die Götter auf phantastisch ausgeputzten Wagen (Abb. 426 und 427) heimgefahren werden, Vorführungen werden veranstaltet, bei denen Helden und Tiere der mythischen Zeit wieder auftauchen und anderes mehr (Abb. 429 bis 432). Am höchsten werden davon im ganzen Lande das Neujahrsfest, das die Europäer für gewöhnlich unter dem Namen Wasserfest (Abb. 433) kennen, und das Tawadeinthafest (nach Ablauf der Passionszeit) (Abb. 435) geschätzt. Daneben werden aber noch eine ganze Reihe weiterer Feste gefeiert, die aber zumeist in die heiße Jahreszeit verlegt sind, weil es sich dann viel leichter wandern läßt und Feldarbeit nicht verrichtet werden kann. — Das Neujahrsfest ist ein allgemeines Landesfest. Früher wurde das Datum dazu mühsam von den Ponna oder brahmanischen Astrologen in Mandalay ausgerechnet. Dem Feste liegt der Gedanke zugrunde, daß der König der Nats vom Himmel dann herabsteige und nach einem eintägigen Aufenthalte auf der Erde dahin wieder zurückkehre. Es wird zur Erinnerung an eine Wette zwischen dem Könige und einem Brahmanen gefeiert; der Einsatz beider war ihr Kopf. Der Brahmane, der Athi hieß, verlor seine Wette. Der Natskönig ließ dem Verlierer einfach den Kopf abhauen, und dieser wandert Jahr um Jahr von einer der sieben Schwestern zur anderen. Er ist glühend heiß und muß durch reichliches Begießen mit Wasser kühl gehalten werden. Aus diesem Grunde begießen sich alle Menschen gegenseitig drei Tage lang zur Erinnerung an diese Tatsache mit Wasser. Die älteren und würdigen Leute werden bei diesem „Um Verzeihung bitten mit Wasser“ mit Nachsicht behandelt, aber die Jugend und vor allem die Mädchen widmen sich mit großer Begeisterung dieser Aufgabe. — Das Tawadeinthafest will auf den Besuch Bezug nehmen, den Buddha Gautama dem Berg Meru abstattete, um seiner Mutter, der Königin Maya, das ewige Gesetz zu predigen. Die wichtigste Zeremonie dabei ist das Herumtragen der Padethabäume. Unter Padetha verstehen die Birmanen einen Baum, der auf der nördlichen Insel der birmanischen Fabelwelt wachsen und an seinen Zweigen alles mögliche tragen soll, was man sich nur wünschen kann. In der gegenwärtigen Zeit hat er die Gestalt einer hohen Pyramide angenommen, die mit allen nur denkbaren Gegenständen behängt ist (Abb. 435), von Büchsen mit kondensierter Milch und Sardinen an bis zu Waschschüsseln und Uhren. Mit diesen Bäumen stolzieren Männer im Stadtviertel oder im Dorf umher und legen sie schließlich in der Klosterumfriedigung nieder, wo die Mönche, je nachdem sie Zeit und Lust haben, die Opfergaben abnehmen. Am ausgelassensten ist bei dem Tawadeinthafeste die Jugend, die mit besonderem Interesse das Pwè verfolgt. Ein Pwè ist eine Vorführung oder Vorstellung irgendeiner Art; es kann sich dabei sowohl um einen Boxerwettkampf wie auch um ein ernstes mysteriöses Schauspiel handeln. Die höchste Bedeutung legen die Birmanen dem Pwè in Gestalt einer dramatischen Vorstellung bei. Die Bühne ist ein mit Bambusmatten belegter Platz, in dessen Mitte immer ein Baum steht. Die Schauspieler singen im tiefsten Alt und führen dabei Tänze auf, die aber nach unserer Auffassung nur in künstlichen Gliederverrenkungen und schlangenförmigen Bewegungen bestehen; dabei spielt eine Musikbande auf, so daß die Zuhörer auf eine harte Probe gestellt werden, zumal eine Vorstellung eine ganze Nacht, auch mehrere Nächte und selbst ein paar Tage andauert. Aber die Birmanen halten unentwegt so lange aus. Für gewöhnlich beginnt die eigentliche Vorstellung, nachdem die Dunkelheit eingesetzt hat. — Sehr ansprechend sind dagegen die Yein oder A-neyein Pwè, Tänze, die von jungen Mädchen und Kindern aufgeführt und oft wochenlang vorbereitet werden (Abbild. 434). Den Unterricht erteilt eine richtige Ballettlehrerin, die sehr streng vorgeht und große Ansprüche an das Können ihrer Schülerinnen stellt. Sie gibt gewöhnlich den Kehrreim der Melodie an, nach der getanzt wird; die meisten der Tänzerinnen fallen dann in diese Melodie ein. Die Mädchen haben ihre buntesten Gewänder an und sind mit Familienschmuck gleichsam überladen. Die Tänze werden sowohl stehend wie sitzend ausgeführt und bestehen nur in rhythmischen Bewegungen der in hohem Grade schmiegsamen Körper. Die Füße werden dabei überhaupt nicht von der Erde gehoben; der Takt ist der Minutentakt, und der Reiz des Ganzen liegt lediglich in den glänzenden Farben der Kleidung, der ernsten Feierlichkeit der Tänzerinnen und in dem genauen Einhalten des Taktes.
Phot. R. W. Marshall.
Abb. 422. Medizinmänner (Tumsa) der Katschin.
Unter gewöhnlichen Umständen sind es einfache Dorfbewohner wie alle andern, sie arbeiten gleich den übrigen auf den Feldern, aber wenn Geister in wichtigen Angelegenheiten um Rat befragt werden sollen, legen sie besondere Kleider an.
Phot. R. W. Marshall.
Abb. 423. Bettelmönche beim Auszug aus dem Kloster.
Die Mönche stehen bei Tagesanbruch auf und beginnen ihren täglichen Bettelumzug. Sie gehen hintereinander, der Abt an der Spitze und die übrigen dem Alter nach.
Ganz anders dagegen sind die Tänze der Bergstämme (Abb. 436), die in wilden Bewegungen bestehen, sei es, daß es sich um Bewerbungstänze, Totentänze oder Geistertänze der verschiedensten Art handelt. Ihnen liegt fast immer ein religiöses Moment zugrunde; man will dadurch die unsichtbaren Geister der Luft versöhnen. Selbst die Tänze der Wa, wenn sie ausziehen, um Köpfe zu erbeuten, sind gewissermaßen religiöser Natur, denn die Schädeljagd ist für sie sozusagen eine landwirtschaftliche Notwendigkeit. Würde ein Dorf nicht jedes Jahr seinen Schädel erhalten, dann würde der Regen ausbleiben und die Gemeinde eine Mißernte erleben.
Phot. D. A. Ahuja.
Abb. 424. Opfergaben, die man den Mönchen dargebracht hat.
Wohlhabende Leute spenden oft am ersten Tage Blumen, am nächsten Früchte und andere Eßwaren und am dritten allerlei Gebrauchsgegenstände. Die sämtlichen Geschenke werden in einem Schuppen des Klosters gesammelt; die Nachbarn kommen, um sie zu besichtigen.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 425. Blumenfestzug birmanischer Mädchen und Frauen,
die in kostbare Gewänder gekleidet sind und in Gefäßen Blätter und Zweige des heiligen Feigenbaums tragen, zur Pagode gelegentlich der Feiertage, besonders des Neujahrsfestes.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 426. Wagen bei festlichen Aufzügen.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 427. Wagen beim Festzug.
Der vordere Büffelwagen trägt eine mythologische Gestalt, Elefantenvogel genannt, der nach einem Volksspiel die Königin Kithani davontrug. Er ist aus Bambus gefertigt und mit bemaltem rauhem Papier überzogen; zu den Kosten steuerte ein ganzes Dorf bei.
Die Geburt eines Birmanenkindes erfordert nach altem Brauch eine Unmasse von Förmlichkeiten, so daß dieser Akt für die Frau, abgesehen von den wirklichen Geburtsschmerzen, zu einer wahren Qual wird. Setzen die ersten Wehen ein, dann muß entweder die Schwangere selbst oder ihre Mutter oder eine Freundin der Geburtsgöttin, die „Dame des Westens“ genannt — diese Bezeichnung dürfte wohl daher rühren, daß in dem nach dieser Himmelsrichtung hin gelegenen Teile des königlichen Palastes die Frauen niederkamen — eine Opfergabe darbringen, die in einer Maß Reis, einem Vier-Anna-Stück (etwa zwanzig Pfennig) und einigen Knoblauchknollen besteht und von den Worten begleitet wird: „Öffne weit die Tore des Lebens, damit das neue Wesen hereintrete; Schmerz und Trübsal mögen vorübergehen und die Freude von langer Dauer sein.“ Sodann legt sich die junge Mutter auf die Matte. Von nun an beginnt für sie eine wirkliche Qual, die so groß ist, daß viele Birmanenfrauen es vorziehen, ihre Kinderzahl zu beschränken. Um die Gunst der „Dame des Westens“ sich zu erringen, nimmt sie zunächst ungekochten Reis in die flache Hand, verbeugt sich nach dem Untergang der Sonne zu und spricht dabei: „Erschrick mich nicht; rege mich nicht auf; tue mir kein Leid an; raube mir nicht den Atem“, worauf sie den Reis über einen niederen Schemel streut, den sie in der nächsten Zeit viel benutzt. Alles Lüften hört fortan im Zimmer auf, im Gegenteil, es wird eine wahre Backofenhitze darin unterhalten, ganz gleich, in welcher Jahreszeit man sich befinden mag. Die Gebärende wird dreimal täglich ganz und gar mit indischem Safran bestrichen, bekommt täglich ein heißes Bad, wird darauf massiert und schließlich in ein etwa drei Meter langes Tuch eingewickelt. Um den Kopf werden ihr noch fünf Turbane gelegt, weil man annimmt, daß sie dadurch keine Kopfschmerzen bekommen wird, und ihr heißes Wasser, in dem Safran und Salz aufgelöst sind, zu trinken gegeben. Dieses alles aber ist erst die Vorbereitung für die Hauptzeremonie, bei der die arme Frau auf ihrem Schemel sitzend vor einem glühenden Feuer, dessen Wärmekraft noch durch aufgelegte Steine erhöht wird, täglich eine Zeitlang buchstäblich braten muß. Dabei wird sie auf dem Rücken und in den Seiten mit Kleidern und Decken reichlich bepackt. Das Feuer brennt ununterbrochen Tag und Nacht; wohlriechende Holzsorten finden dabei Verwendung, deren Rauch das Unglücksweib auch noch einatmen muß. Sieben Tage lang geht dies so weiter, dann bekommt die Entbundene ein einfaches türkisches Bad, das über einem Topfe kochenden Wassers mit Tamarinden und anderen Blättern und Gräsern hergestellt wird; dieses muß sie in Matten und Decken gehüllt eine Stunde lang genießen. Darauf wird ihr ein kaltes Bad verabreicht, damit ihr die Füße nicht anschwellen, aus dem gleichen Grunde muß sie auch etwas umhergehen, die Zahl der Schritte, die sie dabei zu machen hat, darf nicht unter sieben betragen. Es liegt hierin offenbar ein Zugeständnis, daß die Förmlichkeiten bei der Geburt für die Wöchnerin ziemlich anstrengende sind. Mittlerweile ist das Kind auch geboren worden. Seine Mutter aber darf sich mit ihm erst vom siebenten Tage an beschäftigen. Gleichzeitig setzt die Geburts- oder Wiegenzeremonie ein. Kleine Zeugbeutelchen werden zunächst an den vier Ecken der Wiege befestigt; ein jedes von ihnen enthält etwas Reis, einige Münzen, Kokosnuß, Pipul, verschiedene Blätter, Gras und ähnliches. Sehr wichtig ist dabei, daß in jedem Päckchen auch für den einzelnen Wochentag bestimmte Blätter und Gräser vorhanden sind, mindestens aber dasjenige, das dem Tage entspricht, an dem das Kind geboren wurde. Über dem Kinde wird sodann eine Decke ausgebreitet, und, falls es ein Knabe ist, obendrauf noch eine vollständige Männerausstattung, bestehend in einem Hüfttuch, einer Jacke, einem Turban, einem Dolch, dem Familienschmuck in Gold und Silber, einem Spiegel, einem Kamm, einem Rubinring, falls solcher vorhanden ist, und mit Edelsteinen möglichst reich besetzten Ohrzylindern gelegt. Thanaka, der Ersatz für Puder bei den birmanischen Schönen, wird gemahlen und über das Ganze zerstäubt. Darauf füttert man das Kind symbolisch mit ein wenig Reis und Curry in Wasser, der sogenannten „gesegneten Speise“. Diese Zeremonie vollzieht die Hebamme, nicht die Mutter, und zwar dreimal. Sie rasiert auch den Kopf des Kindes (mit dem Schaum aus den Samen der Seifenakazie) und windet um sein Handgelenk, um Hals und Fußgelenk sieben weiße Baumwollfäden. Während man nun das dabei gewiß etwas nervös gewordene Kind sich selbst in der Wiege überläßt, beschäftigt man sich jetzt mit dem Nat, dem Schutzgeist des Hauses. Sein Aufenthaltsort ist eine Kokosnuß, die in einem Bambuskorb vor der Veranda eines jeden birmanischen Hauses aufgehängt ist; diese Behausung muß zu Anfang eines birmanischen Jahres und zu Anfang und Ende der buddhistischen Fastenzeit gewechselt werden; dabei achtet man aber sorgfältig darauf, daß dies nicht an einem Mittwoch, oder am vierten, sechsten oder neunten Tage des zunehmenden Mondes geschieht. Die Kokosnuß wird auch stets umgetauscht, wenn ein Kind im Hause zur Welt kommt. Man teilt dieses Ereignis bei dem Wiegenfeste dem Hausgeiste mit und bringt ihm, beziehungsweise seinem Symbol, eben dieser Kokosnuß, Opfer dar, nämlich Bananen, Arekanüsse, Blumen, Tee, Kuchen, Sirup, ein Ei und so weiter; die Nuß wird dabei heruntergenommen. Ist das Kind ein Knabe, dann wird es auch noch in zwei Stücke gelben Tuches gekleidet, womit sein Eintritt in den „Edlen Orden des gelben Gewandes“ schon frühzeitig gekennzeichnet werden soll, eine Vorsichtsmaßregel für den Fall, daß das Kind sterben sollte, bevor es das Alter für den Eintritt in einen Mönchsorden erreicht hat. Der älteste der anwesenden Männer schaukelt die Wiege siebenmal und ruft dabei aus: „Möge das Kind hundertundzwanzig Jahre alt werden; möge es weise werden, möge es reich werden, möge es schön werden, möge es jedwede schätzenswerte Eigenschaft besitzen.“ —
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 428. Prozession der Götterbilder.
Zur Namensfeier des Kindes werden alle Verwandten und sämtliche Dorfältesten eingeladen, außerdem noch so viele Nachbarn, als man bewirten und im Hause unterbringen kann. Dort sitzen sie, mit ihren besten Kleidern angetan, in einem Kreise und unterhalten sich geraume Zeit über Gemeindeangelegenheiten. Ganz plötzlich schlägt dann einer der älteren Männer einen Namen vor, wie wenn er ihm soeben, zum Beispiel in Verbindung mit der Meinung seines Nachbarn über die Ernteaussichten, eingefallen wäre. In Wirklichkeit aber haben ihn die Eltern nach vierzehntägiger Überlegung bereits ausgewählt. Da es aber gegen die gute Sitte verstoßen würde, ihn vorher zu verkünden, machen sie einen Fremden zum Sprachrohr ihres Wunsches.
Phot. R. W. Marshall.
Abb. 429. Eine Schauzeremonie.
Aus festlichen Anlässen werden oft Tiere der Fabel aus der Heldenzeit aufgestellt, zum Beispiel die obige furchterweckende Tiergestalt, die in den Geisterwäldern hausen soll.
Wenngleich den Eltern also das Recht zukommt, ihrem eigenen Kinde einen Namen zu geben, so sind sie bei dessen Auswahl doch an bestimmte Vorschriften gebunden. Es ist nicht üblich, Kinder nach ihrem Vater zu benennen und auch nicht notwendig, daß auch nur ein Bestandteil ihres Namens auf einen der Eltern hinweist. Familiennamen gibt es überhaupt nicht. Der Wochentag, an dem das Kind geboren wurde, pflegt für den Namen entscheidend zu sein. Man geht bei der Namensgebung folgendermaßen vor: das birmanische Alphabet ist in eine Anzahl Gruppen eingeteilt wie in alle mit k zusammenhängenden Buchstaben, in b und seine Verwandten, in alle Zahnbuchstaben und in die Vokale. Alle diese Buchstaben werden den einzelnen Wochentagen zuerteilt. Für Horoskopzwecke hat man acht Planetenkörper, der achte ist Rahu, der dunkle oder boshafte Planet, der Finsternisse hervorruft; er beherrscht den Mittwoch von Mittag bis Mitternacht und hat den Buchstaben y ganz für sich. Innerhalb der angeführten Schranken, die den Eltern für die Namensgebung auferlegt sind, können sie das Kind nennen, wie es ihnen beliebt. Ein Kind, das Sonntags geboren ist, hat alle Vokale zur Verfügung. So zum Beispiel kann, da Maung in der birmanischen Sprache ein männliches, Ma ein weibliches Wesen bezeichnet, ein Sonntagskind Maung O (= Herr Topf), Ma At (= Fräulein Nähnadel), Maung Eng Saung = (Herr Verwalter-das-Haus) oder Ma E (= Fräulein Frostig) genannt werden. Dem Freitag gehört der Buchstabe th und h, daher wird ein an diesem Tage geborenes Kind etwa die Namen Maung Thaw (= Herr Geräuschvoll) oder Ma Ho (= Fräulein Drüben) führen. Unter diesen Umständen ist es auch ein leichtes, wenn man den Namen eines Menschen kennt, seinen Geburtstag zu wissen. Ein Mann namens Maung Lauk (= Herr Made) kennzeichnet sich als Mittwochskind, eine Frau namens Ma Ba Tu (= Frau Ihrem-Vater-ähnlich) als Donnerstagskind und andere mehr. Im Grunde genommen hat ein Birmane an einem Tage jeder Woche seinen Geburtstag; viele Menschen vom Lande haben sowohl den Monat als auch das Jahr ihrer Geburt vergessen oder überhaupt nicht gewußt. Mit Eintritt der Entwicklungsjahre steht es einem jeden aber frei, seinen Namen zu wechseln. Man braucht, um dies kundzutun, nur ein Päckchen Tee umherzuschicken und zu erwähnen, daß man fortan soundso heißen wird.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 430. Maskierte Figuren,
wie sie gelegentlich eines großen Festes, ähnlich wie bei dem beliebten Vot-the oder Marionettenspiel im kleinen, verwendet werden.
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GRÖSSERES BILD
Die Kinder gehen die ersten Jahre ihres Lebens, im allgemeinen bis zum siebenten oder achten Jahre, unbekleidet einher, nur selten werden sie bereits früher in Gewänder eingekleidet und sind dann gleichsam Miniaturausgaben der Erwachsenen, deren Kleidung die ihrige vollständig gleicht. Sie wachsen sorglos und im Genusse völliger Freiheit auf. Von der frühesten Kindheit an erfreuen sich die Kleinen schon des Genusses einer Zigarre (Abb. 437). Es ist für den zum ersten Male nach Birma kommenden Europäer ein ganz seltsamer Anblick, wenn er kleine Mädchen nur mit „Luft bekleidet“ neben ihren Eltern an einem Glimmstengel ziehen sieht. Die birmanische Zigarre ist ein wahres Monstrum an Größe und Dicke, aber sehr mild; sie besteht aus einer Mischung von wohlriechenden Kräutern und Tabak. — Von dem angegebenen Alter an werden die Kinder auf jeden Fall in Kleider gesteckt und in die Schule gesandt; soweit nicht bereits europäischer Einfluß sich bemerkbar gemacht hat, sind dies die Klosterschulen. Die buddhistischen Mönche nämlich sind keine Prediger in unserem Sinne, keine Verkünder des Wortes Gottes an das Volk; nur durch ihr entsagungsvolles Beispiel wollen sie auf dieses einwirken, dafür aber erteilen sie der Jugend Unterricht. Die Klosterschule (Abb. 438) nun soll den Birmanenjüngling auf das bedeutungsvollste Ereignis seines Lebens vorbereiten, auf das Anlegen des gelben Mönchgewandes. Erst von diesem Augenblick an gilt der Birmane für einen Mann und kann durch seine Taten sich Verdienste für sein ferneres Leben erwerben, um sich dadurch einen Aufstieg in der Daseinsstufe zu ermöglichen.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 431. Szene aus dem Taungnyospiel.
Dikyamba, der Bruder des Königs von Prome, liebte Saw Yu, die Schwester des Schankönigs von Taungnyo. Er lebte in ihres Vaters Palast und erhielt, nachdem sie von ihm ein Kind geboren hatte, die Erlaubnis, sie nach Prome zu nehmen. Hier aber tötete der König von Prome seinen Bruder und sandte dessen Weib nach Taungnyo zurück. Vor Gram starb sie aber auf dem Wege dorthin. Die obige Szene stellt die Prinzessin dar, die zum König bittet, und ihren Gatten, der das Kind hält.
Phot. D. A. Ahuja.
Abb. 432. Öffentliche Aufführung in Birma.
Zwei Personen, die einen Prinzen und eine Prinzessin darstellen, tanzen zur Musik. Das wichtigste Instrument einer birmanischen Musikkapelle ist das Saing-Kaing, ein kreisförmiges Gestell mit achtzehn zylindrischen Trommeln in seinem Innern, und ein zweites ähnlich gebautes mit Gongs, die alle auf einen Ton abgestimmt sind. Die Stimmung auf einen bestimmten Ton wird bei den Trommeln mit einer Mischung aus gekochtem Reis und Asche, bei den Gongs mit Bienenwachs erreicht.
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GRÖSSERES BILD
Für die Aufnahme in den Orden ist ein Mindestalter von zwölf Jahren vorgeschrieben, allerdings wird der so frühzeitig Aufgenommene dann hier Novize oder Upazin. Erst mit zwanzig Jahren kann er wirkliches Mitglied (Akoluth oder Shin) werden. Die Mehrheit der Birmanen zieht es vor, als Knaben einzutreten, weil sie möglicherweise sterben könnten, bevor sie das Mannesalter erreicht haben. Die Aufnahme spielt sich mit großem Gepränge ab. Der Knabe wird, mit möglichst viel Schmuck beladen, auf einen Pony oder in einen Wagen gesetzt und im Zuge unter einem goldenen Schirm durch die Straßen geführt; er spricht unterwegs bei allen Freunden und Bekannten vor, die ihm moralische Ratschläge geben, und, was eigentlich die Hauptsache ist, zu den Unkosten der Feierlichkeit beitragen sollen. Alle Verwandten, in ihre schönsten Gewänder gekleidet, begleiten den Knaben in dem Zuge, den eine Musikkapelle mit ihren lustigen Weisen eröffnet. Vor dem Kloster, wo der Umzug endet, legt der Knabe all seinen Putz ab und zieht sich ein weißes baumwollenes Gewand dafür an. Sein langes Kopfhaar wird ihm abgeschnitten (Abb. 439), der Kopf rasiert (Abb. 443), mit Safran eingerieben und mit dem Absud von Seifenakaziensamen gewaschen. Die Haare werden der Mutter oder den Schwestern übergeben, die, wie es scheint, sich später Zöpfe daraus machen lassen. Nach diesen Vorbereitungen kniet der Knabe vor den Mönchen nieder, sagt seine Formel her, mit der er um Aufnahme als Novize bittet, und wird sodann in aller Form in die Kleider gehüllt, die die Eltern für ihn beschafft haben. Jetzt ist er zum Mann geworden und dokumentiert dies auch nach außen hin, indem er sich tatauieren läßt. Der ganze Körper wird von der Hüfte bis zum Knie mit Tiergestalten (Tigern, Löwen, Affen und so weiter) und um diese herum mit kabbalistischen Zeichen als Einfassung bedeckt, und erweckt auf den Beschauer den Eindruck, als ob sein Besitzer Kniehosen anhätte (Abb. 416). Ein Mann, der sich in dieser Weise nicht hat tatauieren lassen, gilt für einen Feigling; er rafft aus diesem Grunde auch nicht sein Lendentuch auf, besonders nicht, wenn Mädchen in der Nähe sind. Diese Tatauierung wird in blauer Farbe ausgeführt. Zu ihr gesellt sich vielfach noch eine rote an dem Oberkörper, die den Zweck haben soll, sich die Liebe der Mädchen zu erringen oder Unverletzbarkeit gegen Krankheiten zu erlangen. Mädchen werden nur dann tatauiert, wenn sich Bewerber für sie nicht einfinden wollen.
Phot. Sir George Scott.
Abb. 433. Wasserfest der Birmanen
zur Erinnerung an den Besuch eines birmanischen Königs auf einem „magischen Floß“ in den Schanstaaten vor vielen Jahrhunderten. Das Bild, das dieses Fahrzeug darstellt, wird für elfeinhalb Monate im Kloster aufbewahrt, aber jedes Jahr im Oktober in einem festlich geschmückten Boote für einige Wochen auf dem See umhergefahren.
Phot. Sir George Scott.
Abb. 434. Birmanischer Tanz (Yein Pwè), ausgeführt von jungen Mädchen, die dazu besonderen Unterricht erhalten.
Die Mädchen stehen auf einer viel niedereren Stufe als die Knaben; sie werden nicht für voll angesehen. Sie dürfen weder in ein Kloster noch in ein Stift eintreten. Das Beste, was sie erhoffen können und weswegen die meisten von ihnen inbrünstig mit Blumen in den Händen in demütiger Haltung vor den Altären und Pagoden beten (Abb. 440), ist, daß sie zu ihrem nächsten Erdendasein als Männer auf die Welt kommen. Um den gleichen Zeitpunkt herum, zu dem die Knaben ihr gelbes Gewand anlegen und sich tatauieren lassen, also etwa um das zwölfte bis dreizehnte Lebensjahr, manchmal auch schon früher, werden ihnen die Ohren durchbohrt (Abb. 442). Die gute Sitte erfordert nämlich, daß kein Mädchen irgendeinen Schmuck anlegt, bevor es nicht diese Operation durchgemacht hat. Diese nimmt ein Ohrenbohrer von Beruf mit silbernen oder goldenen Nadeln vor, führt sie aber nicht eher aus, als bis der Astrologe, der das Horoskop des Mädchens studiert hat, ihm sagt, daß jetzt der günstige Augenblick gekommen sei. Mit teils freudigem, teils ängstlichem Gefühl sehen ihm die Mädchen entgegen; sie verfallen unter Umständen in eine Art hysterische Aufgeregtheit und müssen gewaltsam niedergehalten werden. Um ihr Geschrei bei dem Eingriffe zu ersticken, spielt eine Musikbande laute Weisen auf. Der Operateur legt einen Kork unter das Ohr und sticht die Nadel durch das Ohrläppchen. Die Nadeln bleiben eine Zeitlang in der Wunde und werden jeden Tag ein- bis zweimal hin und her bewegt, bis die Haut heil ist. Dann werden sie durch Grashalme ersetzt; täglich kommt ein neuer hinzu, bis die Öffnung so groß geworden ist, daß man einen Finger hindurchstecken kann. Der birmanische Ohrschmuck besteht weniger in einem Ohrringe, als vielmehr in einem Stifte oder einer Tube. Für gewöhnlich trägt man Bernsteinstifte, die Reichen tragen bei festlichen Gelegenheiten goldene Tuben, die an ihren Enden mit Steinen besetzt sind. Die Armen begnügen sich mit hohlen Tuben aus Glas, recht häufig auch nur mit festen Papierrollen. Auf dem Felde oder auf dem Wege zum Basar tragen die Mädchen oft auch Ersatzzigarren in den Ohren. — Beim männlichen Geschlecht beschränkt sich die Ohrläppchendurchbohrung auf die Reichen. Die mit Diamanten besetzten Ohrtuben der Schanhäuptlinge gehören in den meisten Fällen zum Staatsschatze und gehen von einem Häuptling auf seinen Nachfolger über.
Phot. Underwood & Underwood.
Abb. 435. Tawadeinthafest mit Padethabäumen.
Phot. Sir George Scott.
Abb. 436. Szene aus einem Tanz der Padaungmänner.
Einer schlägt die Trommel zum Ton einer Flöte und ein anderer geht dabei auf und ab oder setzt sich nieder und steht abwechselnd auf zwischen Trommelfell und Trommelschläger. Eine Strafe muß von ihm bezahlt werden, wenn er dabei von diesem berührt wird. Das Ganze ist mehr ein Trick als ein Tanz.
Mit dem Augenblick der Aufnahme in den Orden ist der Knabe zum Mann, mit dem Augenblick der Ohrdurchbohrung das Mädchen zur Frau geworden. Es hat jetzt das Recht erworben, Juwelen zu tragen und die Lehrzeit im Spinnen, Weben, Kochen und Wassertragen überwunden. Zum Zeichen dessen, daß sie nun erwachsen sind, eröffnen die meisten Mädchen im Basar oder auf dem Markte ihres Heimatsdorfes eine Verkaufsbude. Hier verkaufen sie alle nur denkbaren Gegenstände (Drogen und Medikamente ausgenommen); die reicheren handeln mit Vorliebe mit Seide. Der Verkehr mit dem Publikum schärft ihren kaufmännischen Blick, fördert ihre Auffassungsgabe und läßt sie Kenntnisse sammeln, die sie später zu der fähigeren Ehehälfte machen. Außerdem hat dieser Umstand noch den Vorteil, daß die Mädchen mit den Jünglingen Bekanntschaften anknüpfen. Hat das Mädchen einen weiten Weg zu ihrem Verkaufsladen, so geht es im einfachen Hauskleid dorthin und putzt sich erst an Ort und Stelle. Da der Stand ringsum offen ist, so kann jedermann Zeuge von der Vornahme ihrer Toilette sein. Zu allererst gibt sich das Mädchen Teint, indem es Thanaka, eine Paste aus feingemahlener Borke und der Wurzel eines Strauches, auf das ganze Gesicht und den Hals aufträgt. Da die Paste ungefähr eine Stunde zum Eintrocknen gebraucht, so benutzt es die Zwischenzeit, um ihr Haar in Ordnung zu bringen. Sie kämmt und flechtet es, salbt es mit Kokosnußöl ein und befestigt es mit einer Nadel. Bei erwachsenen Mädchen ist das Kopfhaar ziemlich lang; man bemißt es nur nach Armlängen. Aber bei jüngeren muß dem Chignon durch Flechten nachgeholfen werden, die zumeist von dem abgeschnittenen Haar der Brüder herstammen. Nach Beendigung der Haarfrisur wird auf das inzwischen trocken gewordene Gesicht eine Art Schmelz in die Haut eingerieben. Zum Schluß werden noch die Augenbrauen nachgezeichnet und eine gelbe Blume, eine Rose oder eine Orchidee, in das glänzende, rabenschwarze Haar gesteckt. Ein graziös um Hals und Schultern geschlungener Schal vervollständigt die Toilette, und ein Blick in den Spiegel überzeugt das junge Mädchen, daß es sich sehen lassen kann. Es zündet sich nun eine Zigarre an und plaudert lustig mit seinen Nachbarinnen, den Vorübergehenden und den Käufern. Dabei benimmt es sich aber durchaus dezent, spricht ungezwungen und harmlos mit jedermann und nimmt gelassen und leidenschaftslos die Komplimente entgegen, geradeso als wüßte es nur zu gut, daß es im Besitze der „fünf Schönheitspunkte der vollendeten Frau“ ist. Einem Birmanen kommt es niemals in den Sinn, einem Mädchen öffentlich den Hof zu machen; er sagt ihm wohl im Vorübergehen gelegentlich Komplimente, die sie mit einem verächtlichen Hintenüberwerfen des Kopfes und einem Blick aus den schwarzen Augen quittiert, er denkt aber nicht daran, vor oder in der Bude herumzustehen und einen Flirt zu beginnen. Alle Klatschmäuler des Ortes würden sonst ihre Köpfe zusammenstecken und über ihn herfallen. Der rechte Ort für eine Werbung ist die Wohnung des Mädchens, wofür auch nach altem Brauche eine bestimmte Stunde festgesetzt ist. „Burschen-gehen-Werbezeit“, „Treu-Liebender-Stelldichein“ ist die landesübliche Bezeichnung für den Zeitraum zwischen acht und zehn Uhr abends. Wer ernste Absichten hat, wählt diese Zeit aus. Indessen geht alles dabei in Ehren zu. Sogar feste Grundsätze herrschen über diese Zusammenkünfte. Jedes Dorf oder jedes Stadtviertel hat nämlich einen sogenannten Junggesellenführer, dem die Aufgabe zufällt, solche Zusammenkünfte für Liebende zusammenzubringen. Die Jünglinge treffen sich auf Verabredung und marschieren unter Führung dieser Personen geschlossen durch den Ort; wo ein Verehrer seine Liebste wohnen hat, bleibt er zurück und gibt durch ein besonderes Kennzeichen zu verstehen, daß er angekommen sei. Manche spielen die Flöte, andere klatschen sich mit der rechten Hand auf den linken Arm oder husten, noch andere rufen „Ma Meit (Fräulein Liebchen), bist du da?“ und so weiter. Die Erlaubnis zum Betreten der Wohnung, in der das junge Mädchen angeputzt und siegesbereit dasitzt, wird fast niemals verweigert. Die Eltern sind in der Regel zunächst anwesend, nachdem sie aber lange genug über das Wetter, die Ernte oder irgendein anderes Ereignis geplaudert haben, schützen sie Müdigkeit vor und ziehen sich zurück. Indessen können sie, wenn sie es wollen, von ihrem Schlafzimmer aus durch Gucklöcher das Treiben des jungen Paares beobachten, und erörtern manchmal mit hörbarer und staunenswerter Offenheit das Äußere des Jünglings. Dieser bringt die Bewerbung seiner Angebeteten vor, zumeist in ganz poetischer Form, wie er es selbst vermag oder aus Liederbüchern gelernt oder auf der Bühne gesehen hat. Das Mädchen beschränkt sich für gewöhnlich aufs Zuhören oder auf kurze Antworten. Ein Küssen während der Brautzeit gilt für sehr unschicklich, auch schon das Sich-die-Händegeben für unfein. Der Dauer des Besuches wird nach der schicklichen Zeit von dem Junggesellenführer draußen durch krampfhaftes Husten oder, wenn dies nicht genügt, durch deutlichere Bemerkungen eine Grenze gesetzt.
Die Birmanin hat völlige Freiheit in der Wahl ihres Lebensgefährten, und die Eltern treten keineswegs hindernd dazwischen. Sie regeln aber doch die Einzelheiten der an sie zu zahlenden Summe, lediglich eine von früher her überkommene Sitte. Entführungen sind durchaus keine seltenen Erscheinungen und werden von den Eltern auch zumeist geduldet. Alles, was die Frau in die Gemeinschaftsehe mitbringt, bleibt ihr Eigentum. Bei einer Trennung steht ihr das Recht zu, es wieder mit sich zu nehmen, desgleichen die Hälfte dessen, was gemeinsam erworben wurde, sowie eine etwaige Erbschaft, die ihr während der Ehe zufiel.
Phot. D. A. Ahuja.
Abb. 437. Birmanenjunge beim Rauchen.
Die birmanische Heirat ist eine rein bürgerliche Zeremonie, nur das Öffentliche dabei macht sie bindend. Nachdem im Elternhause das Brautgemach hergerichtet worden ist, werden alle Verwandten und Freunde zu einem großen Feste eingeladen, bei dem die eigentliche Trauung nur eine unbedeutende Rolle spielt. Sobald ein Astrolog den Augenblick für günstig erklärt hat, legt das Paar seine Hände flach aneinander und steckt sich gegenseitig Reiskörner aus einer Schüssel in den Mund. Damit ist der Zeremonie Genüge geleistet. Viel wichtiger ist noch die Übergabe des bei der Verlobung ausbedungenen Geldes und der Geschenke durch die Eltern des Bräutigams.
Auf dem Lande herrscht noch der Brauch, daß Junggesellen in der Hochzeitsnacht Steine auf das Dach der Neuvermählten werfen. Diese Sitte, von der man sich durch ein paar Rupien loskaufen kann, scheint nicht unflätigen Motiven entsprungen zu sein, sondern ihre Entstehung der folgenden Sage zu verdanken. Zu Anfang der Welt hatte es fünf Männer und nur vier Frauen gegeben; als sie sich nun zu Paaren zusammengeschlossen hatten, konnte der übrig bleibende Junggeselle seinen Groll und seine Gefühle nicht meistern und hatte in der Nacht seinem Unwillen in der geschilderten Weise Ausdruck gegeben.
Phot. P. Klier.
Abb. 438. Unterricht der in den Mönchorden Neuaufgenommenen.
Bei den weniger zivilisierten Birmanenstämmen dagegen trifft man vielfach noch umfangreiche Ehezeremonien an, sie sind hier überall stark mit Brahmanismus durchsetzt. Schon bei den Schan ist dies der Fall, noch mehr aber bei den Katschin. Bei den Katschin wird das Hochzeitsfest damit eingeleitet, daß man Hühner, Schweine, selbst Ochsen oder Büffel schlachtet, den Hausgeistern Opfer darbringt und ihnen unter Gesang und Gebeten für das Wohl der zukünftigen Eheleute die Braut vorstellt. Darauf bereitet man vor dem Hause einen Kamphan vor, das heißt man steckt in einer Länge von etwa hundertfünfzig Zentimetern Bündel von Halmen in die Erde und legt in der Mitte dieser Reihe ein Brett über den Boden. Gegen Mittag erscheinen nun einige Matronen, die noch einen Gatten am Leben haben und eine zahlreiche Kinderschar besitzen, mit einem Gefäß voll Branntwein und einem zweiten voll Bier bei dem Lakya Wa, einem angesehenen Dorfbewohner, zu dem die Braut am Vorabend gebracht wurde, geben ihr davon zu trinken und holen sie ab. Zwei Ehrenjungfrauen folgen ihr, die eine mit Zeremonialhellebarden auf der Schulter, die andere mit Säbeln und anderen Geschenken in ihrem Tragkorb. Sobald man sie ankommen sieht, opfert man beim Kamphan zweien Geistern Hühner, oft auch ein ganzes Schwein und spritzt Blut umher. Sodann führt eine der Matronen die Braut an der Hand mitten durch den Kamphan, dadurch wird sie gereinigt und für die Zukunft von den Hausgeistern, die ihr folgten, befreit. Gleitet sie auf der Planke beim Überschreiten aber aus, dann gilt dies für eine böse Vorbedeutung (kurzes Leben); bleibt ihr Kleid von den Blutspritzern frei, dann glaubt man, daß sie lange leben und eine große Nachkommenschaft haben wird. Nun wird die Braut auf einer neuen Treppe ins Haus geführt; besteigt sie diese mit dem rechten Fuß, dann bekommt sie als erstes Kind einen Knaben, im anderen Falle ein Mädchen. An der Schwelle empfängt sie die Schwiegermutter und legt ihr ein silbernes Halsband als Zeichen der Aufnahme um; im Zimmer der Schwiegereltern legt die Braut die Geschenke nieder, die ihre Brautjungfern mitbrachten, und wird dem Gatten zugeführt, den sie oft jetzt erst zum ersten Male erblickt. Man läßt beide sich auf eine Matte niedersetzen, gibt ihnen Branntwein zu trinken und von einem Stück Tabak zu kauen. Darauf verteilen die junge Frau und die Ehrenjungfrauen an alle Teilnehmer zahlreiche Prims, die die Eltern des Gatten geliefert hatten, und gehen an den Brunnen, wo sich die junge Frau von etwaigen Sünden, die ihr anhaften, reinigt und Wasser schöpft, das sie am Abend beim Zeigen ihrer Kochkünste verwertet. Inzwischen haben einige Mundschenken Bier oder Branntwein herumgereicht und die Köche das Fleisch der Opfertiere und Reis zu Gerichten gekocht, die von den Anwesenden genossen werden. Die Freunde der Familie veranstalten eine Sammlung zur Deckung der Unkosten. Die Eltern der jungen Frau nehmen nicht an diesen Feierlichkeiten teil, am Abend senden ihnen die jungen Leute aber eine Keule und den Schwanz vom Opferschwein und einen Teil des Brautpreises; der Rest wird nach und nach bezahlt. Zur Nacht setzen sich die Festlichkeiten fort. Die junge Frau muß zunächst ihre Talente im Kochen entwickeln; sie stellt einige Gerichte mit Hilfe ihrer Brautjungfern her und verteilt sie an die Festgenossen. Diese kosten sie und pflegen dann auszurufen: „Ah, wie vorzüglich, möge die Jungvermählte lange leben, eine zahlreiche Nachkommenschaft haben“ und so weiter. Wenn alle Welt satt geworden ist, hält ein Dumsa noch die Zeremonie des num lani de ab. An jeder Seite des Herdes im Zimmer der Eltern stellt er zwei Paare von alten Zeremonialwaffen und einen Bambusstab auf, an dem ein Bündel Hirse befestigt ist, und legt davor weibliche Kleider und Schmucksachen, einen Topf, einen Dreifuß, Krüge mit Bier und Branntwein, einen Schweineschlegel und so weiter. Neben dem Herde nehmen die junge Frau und ihr Gefolge Platz. Der Dumsa macht nun allerhand Hokuspokus. Er ladet wohlwollende Geister ein, treibt übelgesinnte aus, erzählt eine Geschichte von dem Ursprung der Ehe, die ganz verschieden ausfällt, je nachdem es sich um einen Mann aus dem Volke oder um einen Vornehmen handelt, und wendet sich schließlich unter Hinweis auf die beim Herde niedergelegten Gegenstände an die junge Frau mit den Worten: „Dies ist alles für euch. Möget ihr hart werden wie diese Waffen, mögest du schön bleiben wie diese Schmuckstücke, gut sein wie dieser Branntwein und dieses Fleisch, möge euch dieser Topf lange zum Kochen des Reises für eure Schwiegereltern dienen und möget ihr euch vermehren wie die Körner der Hirse.“ Nach Beendigung dieser Zeremonie reicht man dem jungen Paar Branntwein, Bier und ein Blatt mit einer Mischung von Reis und Hühnerfleisch. Der Mann reicht der Frau die Tassen mit den Flüssigkeiten an die Lippen, um sie davon kosten zu lassen, und bietet ihr etwas von der Speise an, dasselbe tut die Frau mit dem Ehegatten. Der Rest der Speisen und Getränke wird an die Ehrenjungfrauen und an die Jugend verteilt. Damit ist die Hochzeitsfeierlichkeit beendet. Am anderen Morgen findet Empfang der Vornehmen des Ortes und der Freunde statt, die von den Getränken kosten und ihrerseits den Jungvermählten alles Glück wünschen.
Bei den Karen, wo Endogamie herrscht, bestehen bestimmte Heiratsverbote, die aber nach den verschiedenen Stämmen ganz verschieden ausfallen. Der eine Stamm gestattet die Heirat nur unter nahen Verwandten, ein anderer erlaubt eine eheliche Vereinigung nicht nur außerhalb der Familie, sondern auch außerhalb des Stammes und selbst der Rasse. Bei den Tschinvölkern anderseits treffen wir Exogamie an, das heißt die Heirat ist zwischen Mitgliedern des gleichen Stammes, des gleichen Dorfes oder der gleichen Gruppe verboten. Geradezu beängstigend sind die Eheverbote bei den Bergkaren. Hier sind der Heirat so zahlreiche Schranken gesetzt, daß es viele alte Junggesellen gibt, die deswegen keine passende Frau finden konnten und daher Zeit ihres Lebens in den Junggesellenhäusern zubringen. Diese Einrichtung der Junggesellenhäuser finden wir nicht nur bei den Karen, sondern auch bei verschiedenen anderen birmanischen Volksstämmen, wie den Luschai, Kuki, Padaung. Bei den Bergkaren sind die Junggesellen durch eine besondere Tracht kenntlich gemacht; sie tragen eine Art Muscheljacke mit Samenkörnern oder Muschelgeld besetzt, Halsketten aus farbigen Steinen, Perlen oder Schilfsamen, an denen ein Eberhauer auf die Brust herabhängt, in den Ohren große silberne Tuben und bei manchen Stämmen über der Stirn noch eine mit Muschelgeld und einem Reisstengelbündel verziertes Band. Heiratet ein Junggeselle, dann bekommt zunächst seine Frau den ganzen Schmuck, später geht er auf den ältesten Sohn über.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 439. Die Zeremonie des Haarabschneidens.
Da die Birmanen sich einer ausgezeichneten Gesundheit erfreuen, viel auf dem Lande leben und die Städte, bis auf einen gelegentlichen Besuch, zu meiden pflegen, so haben die Ärzte wenig mit Krankheiten zu kämpfen. Es ist dies auch ein Glück für die Patienten, denn die einheimischen Heilkundigen sind alles andere als wissenschaftlich ausgebildete Mediziner. Man unterscheidet ihrer zwei Arten, die Drogisten und die Deitisten, dazu kommen für ernste Notfälle noch die Geisterdoktoren. Die Drogisten verabreichen, gewöhnlich zum Schaden ihrer Klienten, diesen alle nur denkbaren und unmöglichen Heilmittel, die aus tierischen, pflanzlichen und anorganischen Substanzen zusammengebraut sind. Ein Medikament, das aus hundertsiebenundvierzig Bestandteilen sich zusammensetzt, muß doch eine Wirkung äußern, entweder so oder so. Die Deitisten verlassen sich in der Hauptsache auf Glaubensheilungen und beschränken ihre Verordnungen, wie es scheint, auf Nahrungsvorschriften, die darauf hinauslaufen, daß der Kranke nur solche Lebensmittel genieße, deren Namen mit einem der Buchstaben beginnen, die dem Wochentage zuerteilt sind, an dem er geboren wurde. Der Geisterdoktor ist der gefürchtetste von allen, denn er pufft und knufft den armen Kranken, dem er Beistand leisten soll, nach allen Regeln der Kunst unter dem Vorwande, er treibe den Geist des Fiebers, der Kolik und so weiter, der von seinem Körper Besitz ergriffen habe, aus. Daher ruft man ihn, der am unbeliebtesten ist, erst, wenn es sozusagen Matthäi am letzten steht.
Phot. P. Klier.
Abb. 440. Birmanenmädchen in Anbetung vor einem Götterschrein.
Sie halten in den gefalteten Händen Opferkerzen. Neben dem ersten Mädchen liegt eine große grüne Zigarre, die es sich sofort anzündet, wenn es sein Gebet beendet hat.
Phot. R. Grant Brown.
Abb. 441. Einweihungszeremonie.
Dem Kinde werden sieben Baumwollfäden um das Handgelenk gebunden.
Einen Todesfall geben die Angehörigen den Nachbarn stets durch lautes Wehgeschrei kund. Sofort wird eine Musikkapelle geholt, um ununterbrochen bis zur Beerdigung aufzuspielen. Der Leichnam wird auf der offenen Veranda gewaschen, von der Brust abwärts in ein weißes Baumwolltuch gehüllt und in die buntesten Gewänder gekleidet. Darauf werden ihm die beiden Daumen und die beiden großen Zehen zusammengebunden, wenn möglich mit Haaren des Sohnes oder der Tochter, falls aber keine Kinder vorhanden oder solche Haare nicht zu beschaffen sind, mittels gedrehter weißer Baumwolle. Es wird dem Verstorbenen außerdem noch eine kleine Münze in den Mund gesteckt, um damit die „Fahrgebühren“ bei der Reise ins Land der Geister zu bezahlen. Dieses alles besorgen die Verwandten. Die weitere Behandlung der Leiche, um sie für die Einsargung vorzubereiten, ist Aufgabe einer besonderen, tiefstehenden Kaste, der Sandala. Der Sarg wird aus ganz leichtem Holze angefertigt und trägt einen turmähnlichen Aufbau, der aus Bambus hergestellt und daher ebenfalls ganz leicht ist und mit allerlei Flittergold und buntem Papier behangen wird. Die Sandala graben auch das Grab auf dem Friedhofe aus, der immer westlich von der Ortschaft gelegen sein muß, unter keinen Umständen östlich davon, da diese Richtung die unglückbringende ist, auch nicht nach Norden, weil dorthin der Kopf des Gautama Buddha bestattet liegt. Dem nächsten Kloster sendet man, zum Heile des Verstorbenen, besondere Opfergaben in Eßwaren, dafür kommen ein paar Mönche und lesen Gebete und fromme Sprüche aus heiligen Büchern vor, um die Geister, die vielleicht sich einfinden und Unheil anrichten könnten, fernzuhalten. Aus dem gleichen Grunde spielt auch die Kapelle unentwegt auf der Straße. Trauerkleider werden beim Begräbnis nicht getragen; die Leidtragenden kommen alle in ihren besten Gewändern, wie zu einem heiteren Fest. Man sieht es gern, wenn Mönche dem Trauerzuge vorangehen, der sich aus Angehörigen beiderlei Geschlechtes zusammensetzt; die Männer gehen aber von den Frauen getrennt. Fremde schließen sich oft dem Zuge aus Pietätsgründen an und werden wie alle Teilnehmer von den Frauen mit Erfrischungen und Zigarren bedacht. Der Trauerzug macht vor der Leichenhalle halt; hier hört die Musik zu spielen auf. Die Mönche lesen hier noch einmal Auszüge aus den heiligen Schriften zum Heile der Lebenden wie des Toten vor und ziehen sich dann gleichfalls zurück. Der Sarg wird zum Grabe getragen und, ehe man ihn versenkt, mehrmals hin und her geschwenkt. Die nächsten Angehörigen streuen stumm ein paar Hände voll Erde über die Bretter, dann schütten die Sandala das Grab zu. Jetzt ist es noch die Aufgabe des ältesten männlichen Verwandten, den Geist des Verstorbenen einzufangen und mitzunehmen. Nach dem Glauben der Birmanen ist dieser Geist, Leipbya (das heißt sehr sinnig „Schmetterling“) genannt, solange der Mensch lebt und wach ist, bei ihm; wenn er schläft, verläßt er ihn auf einige Zeit, weswegen man einen schlafenden Menschen nicht plötzlich wecken darf, es könnte sonst seine umherschweifende Seele nicht beizeiten zurückkommen und der Betreffende sterben; wenn der Mensch aber tot ist, dann muß der Leipbya eingefangen werden, um nicht auf dem Friedhof zurückzubleiben und zum bösen Geist zu werden. Zu diesem Zwecke hält der bejahrte Verwandte ein Taschentuch hin, ruft die Worte aus: „Komm mit uns mit“ und drückt es darauf plötzlich zusammen; er glaubt dadurch den entkörperten Geist eingefangen zu haben. Das Taschentuch wird nach Hause mitgenommen, hier sieben Tage lang zwischen zwei Hauspfosten auf der linken Seite der Eingangsstufen untergebracht, und am siebenten Tage bei Anwesenheit der Mönche, die eine Art Läuterungsfest veranstalten, auseinandergenommen. Damit ist die Gefahr, daß der Geist des Verstorbenen nach dem Friedhof zurückkehren und ein Ghul werden könnte, beseitigt. Reiche Leute bewirten die leidtragenden Gäste während dieser sieben Tage; wenn ärmere dies tun, geraten sie dabei leicht in Schulden.
Phot. R. W. Marshall.
Abb. 442. Die Zeremonie des Ohrdurchbohrens in Birma.
Früher war Leichenverbrennung allgemein üblich, jetzt beschränkt sich diese Sitte auf einzelne Landesteile. Die drei nächsten Verwandten sammeln die übrig gebliebenen Knochen, waschen sie in wohlriechendem Wasser oder Kokosnußmilch, wickeln sie in weiße Watte und legen sie in einen Krug. Dieser kommt zunächst ins Haus zurück, wird aber nach dem Läuterungsfest in der Nähe eines Klosters oder einer Pagode in der Erde beigesetzt. Ein hölzerner Turm wird als Denkmal über dem Grabe errichtet; wenn er verfallen ist, kennt niemand die Stätte mehr. Reiche Leute gestatten sich einen massiven Pfosten oder auch einen gemauerten Turm. Pagoden werden über königlichen Toten errichtet, können auch über Mönchen oder Häuptlingen (bei den Schan) erbaut werden.
Phot. D. A. Ahuja.
Abb. 443. Jünglinge nach ihrer Aufnahme in den Mönchorden.
Ihre Köpfe sind rasiert.
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GRÖSSERES BILD
Abb. 444. Der letzte Erzbischof von Birma,
der zwei Jahre lang einbalsamiert vor seiner Einäscherung aufgebahrt lag.
Verbrennung der Leiche eines Mönchs in Birma.
Wenn ein birmanischer Mönch gestorben ist, so wird er nicht beerdigt, sondern stets verbrannt. Der Scheiterhaufen wird aus Bambusrohr aufgebaut und das Ganze wird über und über mit Goldpapier und Flitter bedeckt. Der Aufbau nimmt lange Zeit in Anspruch; von allen Seiten führen Seile zu ihm empor, an denen Raketen befestigt sind. Die Rakete, welche die Spitze entzündet, soll dem Dorf, das sie gestiftet hat, Glück bringen. Die Menge umtanzt den Scheiterhaufen mit hellem Jubel.
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GRÖSSERES BILD
Phot. Klier.
Abb. 445. Birmanisches Leichenbegängnis.
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GRÖSSERES BILD
Das Begräbnis eines angesehenen Mannes pflegt keine besonders großartige Feier zu sein, dagegen wird reichlicher Pomp beim Tode eines Mönches entfaltet (Abb. 445). Je älter ein Mönch und je größer die Zahl der Fasten war, die er im Kloster ausübte, um so länger wartet man mit seinem Begräbnis, denn es müssen zuvor noch die Gelder für die Feier eingesammelt werden. Hat ein Bettelmönch kein Vermögen hinterlassen, so wird das Kloster, selbst wenn es Geld besitzt, doch dem Volke nicht die Gelegenheit nehmen, sich durch eine gute Tat verdient zu machen. Unter Umständen kann oft ein Jahr vergehen, oder noch mehr Zeit, ehe genügend Mittel zusammengekommen sind, um dem Haupte eines Klosters die gebührenden Ehren zu erweisen. Daher wird der fromme Mann sofort, meistens indem der Leichnam in Honig gelegt wird, einbalsamiert (Abb. 444). Der Sarg, der aus einem Stück Holz geschnitzt ist, wird noch von einem vergoldeten und reich verzierten Behälter in Form eines Gerüstes mit einem Baldachin umgeben und in einem provisorischen Gebäude, Nirwanakloster genannt, untergebracht. Ringsherum werden überraschenderweise sehr oft eine Anzahl ganz unzüchtiger Bilder angebracht; sie sollen indessen die Versuchungen darstellen, denen der heilige Mann widerstand. Hier verbleibt der Sarg, bis alle Vorkehrungen zu der „Rückkehr in die große Herrlichkeit“, wie man die Feuerbestattung eines Mönches zu nennen pflegt, getroffen sind; dies ist im Februar oder März der Fall, wenn der Reis eingeerntet ist und die Landbevölkerung viel Geld in den Händen hat. An dem festgesetzten Tage errichtet man auf einem Hügel oder einem freien Platze einen mächtigen Scheiterhaufen in Gestalt eines hohen Turmes mit sieben Dächern (Abb. 446 und farbige Kunstbeilage), der aufs bunteste mit Blattgold, Flitter und Bildern ausgeschmückt ist; in den unteren Stockwerken wird er mit Brennstoffen und wohlriechenden Hölzern ausgefüllt. Der vergoldete Behälter mit dem Sarg wird auf einem riesengroßen Wagen von so viel Menschen, als nur die Rotangseile erfassen können, herangeschleppt. Noch geschäftiger gestalten sich die allgemeinen Bemühungen, sobald der Wagen an der Verbrennungsstätte anlangt. Hunderte von Männern, Frauen und Kindern legen Hand an, heben den Sarg von dem Wagen und bringen ihn an seinen Platz. Dabei ertönt ein großes Geschrei der Teilnehmer, Musikbanden lassen ihre Weisen erschallen, und man bekommt den Eindruck, daß es sich hier um etwas ganz anderes, als um ein Begräbnis handeln müsse. Inzwischen haben Mönche in Bambushäusern, die ringsherum provisorisch erbaut wurden, die ganze Zeit hindurch aus frommen Büchern vorgelesen und gleichzeitig eine Unmasse an Opfergaben der verschiedensten Art eingeheimst. Darauf wird der Scheiterhaufen mittels Raketen angezündet. Diese Raketen sind mit Schießpulver gefüllte Bambusstäbe; an der Herstellung einer einzelnen arbeitet für gewöhnlich ein ganzes Dorf. Die Rakete, die die Spitze in Brand setzt, bringt dem betreffenden Dorfe Glück. Sobald eine Rakete zündet, erhebt sich unter dem Volk ein mächtiges Freudengeheul, wenn sie aber versagt, ein lautes Hohngelächter. Die Leiche ist bald verbrannt, denn in der heißen Jahreszeit, in der die Feuerbestattung erfolgt, ist alles trocken wie Zunder. Die in der Asche gesammelten Knochen werden in der Nähe eines geweihten Ortes begraben, oder es wird über ihnen ein viereckiger Turm ohne Spitze oder eine Pagode errichtet. Dieses Grabmal trägt aber niemals eine Inschrift, so daß nur die Leute im Orte imstande sind zu sagen, zu wessen Andenken solch ein Bau zustande kam.
Phot. D. A. Ahuja.
Abb. 446. Verbrennung der Leiche eines Mönchs in Birma.
Phot. A. Cabaton.
Abb. 447. Königliche Elefanten in vollem Staat.
Elefanten sind in Kambodscha ziemlich selten und daher sehr wertvoll. Jeder weiße Elefant gehört dem König, der jeden reich belohnt, der ihm ein solches heiliges Tier sichert.