Malakka oder die malaiische Halbinsel.

Die malaiische Halbinsel, die südöstliche Spitze des asiatischen Festlandes, bildete von jeher die Brücke zwischen dem letzteren, im besonderen Indochina, und den Inseln des Malaiischen Archipels und war somit den Völkerwanderungen, die teils von China, teils von Vorderindien aus im Laufe der Zeiten dieses Gebiet überfluteten, in hohem Grade ausgesetzt. Es kann daher kein Wunder nehmen, wenn wir hier einen richtigen „Völkerbrei“ antreffen, an dem die Malaien, beziehungsweise ihnen verwandte Völker den Hauptbestandteil ausmachen. Indessen bewohnen diese heutzutage vorwiegend die Küstengegenden, während im Innern noch verschiedene Stämme wilder Ureinwohner hausen, vor allem die Semang, Senoi, Sakai (Abb. 350) und Jakhûn oder Jokol. Die Orang ûtan, Lâut, Belenda, Tanggan und andere mehr sind entweder nur Unterabteilungen dieser Völker oder ihnen verwandte Stämme. Die Semang und Senoi weisen überwiegend die charakteristischen Züge der Negrito, also der afrikanischen Grundrasse auf, die Sakai dagegen nähern sich mehr den Australiern und den Wedda, also den Angehörigen der sinoaustralischen Grundrasse; beide Völker sind vielfach miteinander Kreuzungen eingegangen. In den Jakhûn dagegen ist bereits malaiisches Blut vertreten. Alle diese Stämme leben in der Hauptsache von der Jagd, wozu sie kleine Bogen und Pfeile, auch Blasrohre (Abb. 349) mit einem in den Giftsaft des Upasbaumes getauchten Geschoß benutzen, und den Erträgen des einheimischen Bodens (Yams und andere Wurzeln). Ackerbau betreiben sie nicht, wohl aber handeln sie mit Honig, Kampfer, Gummi und anderen tropischen Erzeugnissen. Feste Wohnungen kennen sie nicht; für gewöhnlich hausen sie hinter primitiven Windschirmen, unter Laubdächern, überhängenden Felsen oder Höhlen; aber auch auf Bäumen werden sie angetroffen. Schlagen sie auf ihren Wanderungen ein primitives Lager auf, dann muß ein unverheiratetes Mädchen durch Quirlen Feuer anmachen, um mit gutem Erfolge kochen zu können. Damit man stets dazu bereit ist, trägt jeder Jakhûn das erforderliche Hölzchen am Körper oder auch auf dem Stirnband von Rinde immer bei sich. — Die Semang erzeugen auch Feuer durch Sägen, das heißt durch Hin- und Herziehen einer Liane über ein Stück Holz.

Aus: Skeat & Blagden, Pagan Tribes.

Abb. 349. Jakhûn, mit dem Blasrohr auf einen Vogel schießend.

In dem an seiner Seite befestigten Köcher befinden sich die vergifteten Pfeile.

Die Kleidung der Männer besteht bei den Wildstämmen in einem Gürtel aus mehrfach gewundener Schnur oder in einer Schambinde aus Rindenstoff, bei den Frauen in einer solchen aus zahlreich herabhängenden Schnüren. Wie anderwärts besteht auch bei allen diesen Stämmen lebhafte Neigung, sich mit irgendeinem glänzenden oder farbigen Gegenstande, wie bunten Seemuscheln, Samenkernen und anderem mehr zu schmücken. Außerdem wird der Körper bemalt, jedoch nicht tatauiert. Auch Ohrdurchbohrung (Abb. 351) und Zahnfeilung kommen, von den Malaien übernommen, vor. — Die Frauen der Semang tragen in ihrem Haar mit eigentümlichen Mustern bedeckte Kämme, aber nicht zur Zierde oder zum Halt für die Haare — sie besitzen meist nur etwa drei Zähne —, sondern zum Schutze gegen bestimmte Krankheiten, gegen die man die Zeichnungen eingeritzt hat. Jede Frau hat eine große Anzahl dieser Zauberkämme in ihrem Besitz und tauscht sie mit anderen Frauen leihweise aus.

Phot. L. Wray.

Abb. 350. Musikkapelle wilder Sakai von Perak.

Links spielen zwei Eingeborene auf Bambusgitarren, daneben bläst ein Jüngling die Nasenflöte und im Hintergrunde spielt einer die Maultrommel.


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Mit diesen Zaubermustern hat es nämlich eine ganz eigentümliche Bewandtnis. Es sind durchweg geometrische Zeichnungen (Abb. 352) in großer Reichhaltigkeit und Fülle — man zählt ihrer gegen hundertundvierzig —, die die Semang angeblich schon von ihren Vorfahren überkommen haben. Ihre Bedeutung ist eine zeremonielle; jedes der einzelnen Muster soll eine Krankheit bezeichnen, beziehungsweise eine Blume, durch deren Geruch der Geist dieser Krankheit von dem Träger des betreffenden Gegenstandes abgehalten wird. Mit Vorliebe werden solche Zaubermuster auf den Köchern und Zaubergefäßen, sowie auf den Kämmen angebracht. Außer diesen geometrischen Mustern schnitzt man noch andere Zeichnungen auf den Bambusgegenständen ein, die Menschen, Tiere, Pflanzen, allerdings manchmal in recht schematischer Wiedergabe, veranschaulichen. Diese werden auf Gegenständen angebracht, die gleichsam repräsentativen Zwecken dienen.

Phot. Dr. J. Gimlette.

Abb. 351. Kelantanmädchen mit Ohrstiften,

die früher von der weiblichen Jugend bis zur Hochzeit getragen werden mußten.

Von den verschiedenen Wildstämmen Malakkas stehen die Semang in kultureller Hinsicht am tiefsten; sie sind sicher als bodenständig zu betrachten; höher stehen schon die Sakai, die sich mit ihnen vermischten. Auf der verhältnismäßig höchsten Stufe, bereits auf einer Art Halbkultur, die vielfach von den benachbarten Malaien mit übernommen wurde, stehen die Jakhûn und Belenda. Unser Wissen über diese Wildstämme ist nur ein stückweises.

Wie die Australier stellen sich auch die Semang die Seele als einen Vogel vor und erklären sich die Entstehung des Menschen in der Weise, daß dieser Seelenvogel, der auf den Zweigen eines Himmelsbaumes sitzt, von Kari, dem höchsten Gotte, zur Erde gesandt, hier von dem Ehemanne getötet und der Frau zu essen gegeben werde; dadurch gehe die Seele des Vogels in den Fötus über. Sonst darf dieser Seelenvogel von niemanden getötet und verspeist werden. — Während der Schwangerschaft weicht der Orang ûtan-Mann, wenn irgend möglich, nicht von der Seite seiner Frau; durch seine Anwesenheit glaubt er das Gedeihen des werdenden Kindes zu fördern. Bei den Jakhûn wird die schwere Stunde äußerlich durch ein in die Augen fallendes Büschel von Palmblätterfasern kenntlich gemacht, damit jede männliche Person, die dies bemerkt, sogleich umkehrt; nur der eigene Mann darf in der Nähe bleiben, um helfen zu können. Für gewöhnlich aber stehen auch bei den Urwaldstämmen weise Frauen der Gebärenden bei, meistens alte Weiber, die eine bevorzugte Stellung unter den Frauen einnehmen, insofern sie von allen gemeinsam durch diese zu leistenden Arbeiten, wie Rotangwinden, Wurzelsuchen und so weiter befreit sind, dafür aber auch die Kinder des Dorfes in ihre Obhut zu nehmen haben. Ihre Hütten sind im Gegensatz zu denen der übrigen Bewohner, die auf Pfählen ruhen, direkt auf dem Erdboden erbaut und besitzen eine ganz niedere, kleine Tür, damit niemand hineinschauen kann. Denn hier pflegen die Weiber des Dorfes auch niederzukommen. In dem Augenblick, wo das Kind das Licht der Welt erblickt, erheben die Orang Lâut ein mächtiges Geschrei und schlagen dabei die Trommeln, um die bösen Geister zu vertreiben; wenn die Nabelschnur durchschnitten ist, brauchen sie von ihnen nichts mehr zu befürchten. Die weise Frau, die der jungen Mutter in ihren Nöten beigestanden hat, bläst während dieses Lärms kräftig auf das Neugeborene.

Aus: Skeat & Blagden, Pagan Tribes.

Abb. 352. Zauberkämme der Semang.

Aus: Skeat & Blagden, Pagan Tribes.

Abb. 353. Sakaifrauen, die Junge ihrer Haustiere säugen.

In dem Augenblick, in dem die Nabelschnur durchschnitten wird, geben die Belenda dem Kinde den Namen; sie nennen es entweder nach dem wichtigsten Moment, der in ihren Träumen eine Rolle spielte, oder nach dem Gegenstand, den sie am Morgen der Geburt erblickten; ein Zauberer legt dem Kinde einen von ihm angefertigten Kopfreifen aus Baumrinde um, auf dem der vereinbarte Name geschrieben steht. Die Semang nennen das Kind nach dem Namen des Baumes, unter dem es geboren worden ist. Der Nabelschnurrest der Knaben wurde von den Jakhûn an einen Wurfstein des Vaters gebunden, mit dem dieser schon einmal einen Feind getötet hatte, darauf in Seewasser getaucht, gewaschen und in den Rauch zum Trocknen gehängt, schließlich mit dem Wurfsteine aufbewahrt, bis der Knabe erwachsen war. Bei seiner Verheiratung nahm er beide Dinge in Empfang und hob sie gleichfalls auf; ein solcher Wurfstein verfehlte dann niemals sein Ziel. — Oft säugen die Frauen der Sakai neben ihren Kindern auch noch die Jungen ihrer Haustiere, namentlich solche, denen sie zugetan sind (Abb. 353).

Phot. J. W. Knocker.

Abb. 354. Wagen, wie er bei Einweihungsfeierlichkeiten für Aufzüge benützt wird.

An der Ostküste sind Wagen üblich, die Fabelwesen, wie Pfau-Löwen, fliegende Pferde mit Menschenkopf und so weiter als Aufsatz tragen. Im Hintergrund des Bildes ist ein solcher Wagen sichtbar.

Bei den Malaien wird die Mutter und das Kind nicht nur vor der Geburt des letzteren, sondern auch nachher gegen die bösen Geister durch mancherlei Methoden gefeit. Eine davon besteht darin, daß sie einen Heiltrank, genannt der „Hundert-Kräuter-Trank“, weil er so viel Bestandteile aufweisen soll, zu sich nehmen muß, eine andere darin, daß sie sozusagen geröstet wird. Mehrmals am Tage wird sie auf einem erhöhten Gerüst, unter dem ein helles Holzfeuer lodert, der größten Hitze ausgesetzt, eine allerdings recht grausame Behandlung, die vier bis vierzig Tage durchgeführt wird und unter Umständen das arme Opfer buchstäblich seiner Sinne beraubt oder es direkt tötet. Das malaiische Baby erhält meistens im Verlaufe der ersten Woche (anscheinend probeweise) seinen Namen, erkrankt es aber, dann wird es sofort von einem anderen adoptiert, wenigstens vorübergehend, und erhält damit einen neuen Namen. Auf der Ostküste der Halbinsel besteht die hübsche Sitte, auf sieben verschiedene Bananen verschiedene Namen zu schreiben und das Kind seinen eigenen selbst wählen zu lassen. Später schließt sich an die Namensgebung die Zeremonie des Rasierens des Kopfes und des ersten Nägelbeschneidens. Jede dieser Zeremonien verlangt das Opfer zweier Ziegen, wenn das Kind ein Knabe, und nur einer Ziege, wenn es ein Mädchen ist. Die Haarabfälle und Nägel werden jedesmal am Fuße eines Obstbaumes (Bananen-, Granatbaumes und so weiter) begraben, dadurch glaubt man seine Fruchtbarkeit zu heben. Ungefähr am vierzigsten Tage wird das Kind ins Freie gebracht und den Wassergeistern vorgestellt. — Der Eintritt der Pubertät wird festlich begangen (Abb. 354).

Die Ehe der Semang ist die Einehe. Während vor ihr große geschlechtliche Freiheit herrscht, bleiben sich nach ihrem Eingehen die beiden Gatten fortan treu. Ehebruch wird mit dem Tode bestraft, indessen kann diese Strafe durch eine Geldbuße abgelöst werden, deren Höhe aber doch der für einen Mord entspricht. Zeremonien finden bei Eingehen der Ehe nicht statt. Dagegen begegnen wir solchen in ausgedehntem Maße bei den malaiischen Stämmen.

Phot. N. Annandale.

Abb. 355. Szene von einem Kampf zwischen zwei Stieren.

Ihre Haut wird mit Tigerfett eingerieben, um den Gegner mutlos zu machen.

Die Ehe der Malaien Malakkas wird von seiten der Eltern oder Verwandten des Jünglings eingeleitet. Glauben sie, eine passende Partie für ihn gefunden zu haben, so lassen sie zunächst durch einen zuverlässigen Boten aushorchen, ob das Mädchen etwa schon versprochen ist, falls dies nicht zutrifft, geben sie ihren Wunsch zu erkennen und lassen gleichzeitig den Tag für die weiteren Vereinbarungen festsetzen. An diesem Tage stellen sich Vertreter des Jünglings pünktlich ein, der eine von ihnen überreicht ein Betelnußtablett mit den dazu gehörigen Dingen (Betelblatt, Kalk, Betelnuß, Gambir) und die erste Abschlagszahlung des Brautpreises in Gestalt von Silber oder Schmucksachen. Ein Bruch des Eheversprechens von seiten des Jünglings hat in der Regel zur Folge, daß er seine Verlobungsgeschenke (Abb. 356) verwirkt, ein solcher von seiten des Mädchens, daß es sie in doppeltem Werte zurückerstatten muß. An die Hochzeit selbst knüpfen sich bei den von dem Islam noch nicht beeinflußten malaiischen Stämmen eine Unmasse von Gebräuchen, unter denen die Läuterungs- und Reinigungszeremonien die Hauptsache ausmachen. Sie beruhen zum größten Teil auf dem Gedanken, daß Bräutigam und Braut eine königliche Rolle spielen, eine angenommene Identitätsvertauschung, um die Gefahren abzuwenden, die dem früheren Glauben nach jede Hochzeitsfeier wie überhaupt jedes kritische Ereignis im Leben des Stammes begleiten. Die Sitte erfordert drei Dinge für die Gültigkeit der Ehe: die Zahlung des Brautpreises, das gemeinsame Essen der Brautleute von einer Speise und die Anerkennung der Ehe vor Zeugen, unter denen die Dorfältesten anwesend sein müssen. Diese drei Elemente des Eheschlusses finden sich auch bei den Urwaldstämmen, dagegen erfahren wir nichts von ihnen über eigentliche Läuterungs- und Reinigungszeremonien. Die Besisistämme legen großes Gewicht darauf, daß der zukünftige Ehemann auch imstande ist, seine Frau durch seiner Hände Kraft zu ernähren, und stellen an ihn diesbezügliche Fragen. Die Parteien setzen sich um einen Hügel und an den Bräutigam werden etwa folgende Fragen gerichtet: „Gehst du geschickt mit dem Blasrohr um?“, „Kannst du geschickt Bäume fällen?“, „Kannst du tüchtig Zigaretten rauchen?“ Fallen die Antworten zur Zufriedenheit aus, dann wird der letzte Punkt sogleich praktisch erprobt. Nachdem der Bräutigam der Braut eine Zigarette gegeben und sich selber auch eine angezündet hat, wird er aufgefordert, sie dreimal um den Hügel herumzujagen. Erhascht er sie, dann werden beide für verheiratet erklärt, wenn nicht, dann hat der Mann das Recht, bei einer anderen Gelegenheit noch einmal sein Glück zu versuchen. Bei anderen wilden Stämmen tritt an Stelle des Hügels ein Feuer, um das die Braut herumgejagt wird. Offenbar handelt es sich bei dieser Zeremonie um einen Überrest des Brautraubes.

Phot. Cambridge Archaeolog. Museum.

Abb. 356. Körbchen in Vogelform,

die der malaiische Jüngling bei der Verlobung seiner Angebeteten darbringt.

Bei den zivilisierten Malaien treten, wie gesagt, noch die Reinigungszeremonien hinzu, wenn wir von dem kurzen Akte absehen, den der mohammedanische Moscheebeamte vornimmt; häufig genug aber wird die Hochzeit ohne Zutun des letzteren gefeiert. Die verschiedenen Zeremonien, die sich an eine Hochzeit dieser Malaienstämme knüpfen, sollen oft sieben Tage und ebensoviel Nächte hintereinander dauern. Die drei ersten Nächte sind hauptsächlich der Austreibung oder Aufhebung der bösen Mächte und außerdem der Zeremonie des Hennafärbens gewidmet, die jede für sich in dem Hause des Bräutigams, beziehungsweise der Braut stattfindet. Am vierten Tage findet der feierliche Zug des Bräutigams zum Hause der Braut und sodann das königliche Paradesitzen oder die Erhebung des Brautpaares auf den Thron statt (Abb. 357). Schließlich wird der letzte oder die drei letzten Tage, je nach der Dauer der vorausgegangenen Zeremonien, den üblichen Läuterungsfeierlichkeiten gewidmet. Während der ganzen Zeit werden jetzt meistens arabische Hymnen gesungen, sowie malaiisches Fechten und andere Tänze aufgeführt an Stelle der früher bei dieser Gelegenheit üblichen Hahnen- (Abb. 361) und Stierkämpfe (Abb. 355), Aufführungen des malaiischen Dramas und so weiter, die aber heutzutage wohl nur noch im Norden üblich sein dürften.

Phot. F. W. Knocker.

Abb. 357. Malaiisches Brautpaar bei der Bersandingzeremonie,

bei der es für einen Tag zum Range eines Königs und einer Königin erhoben wird.


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Das Hennafärben findet zunächst für sich statt, am zweiten Abend indessen öffentlich unter „Zurschaustellung“ des Brautpaares und zwar jedes Teiles bei sich zu Hause, und zur Entgegennahme von Glückwünschen und Geschenken seitens des beiderseitigen Bekanntenkreises. Eine auserwählte Sippe von Verwandten, Freunden und Dienern begrüßt Braut und Bräutigam nacheinander nach malaiischer Sitte, streut etwas gerösteten, mit Safran gelb gefärbten und ganz gewöhnlichen „gewaschenen“ Reis umher, berührt Stirn und Hände der Brautleute mit einer zauberkräftigen Reispaste und färbt ihnen noch Hände und Fußseiten mit Henna. Am vierten Tage spielt das Paar, in prächtige Gewänder gekleidet, die Rolle eines „eintägigen Königs und Königin“, wie die malaiische Bezeichnung lautet. Das Eigenartige an einem malaiischen Hochzeitskleide sind eine goldgestickte, kurze, krappfarbene Jacke mit engen Ärmeln, ein Sarong und lose seidene Beinkleider; dazu kommen bei der Braut noch zahlreiche, oft auch nur geliehene Armbänder, Fußbänder, Halsketten und Brustschmuck, mit denen sie gleichsam überladen wird, sowie ein seltsam geformter Kopfputz aus unechten Gold- oder Silberblumen, die, da sie auf Draht gezogen sind, bei der geringsten Bewegung erzittern und schillern. Außerdem werden der Braut die Haarspitzen abgeschnitten. Der Bräutigam ist mit einem steifen Kopfputz, der künstliche Blumen und Reiherfedern trägt, Halsketten, Armbändern, Brustschmuck und einem Kris geschmückt. Diese auffällige Anpassung der beiden Geschlechter in ihrer Hochzeitskleidung soll ohne Zweifel die Gefahren des kritischen Zeitpunktes mildern.

Phot. W. Tams.

Abb. 358. Hochzeitsandenken und Betelbäume für Aufzüge.

Die vier unteren Stöcke werden jedem Gaste gereicht; sie bestehen aus bemalten Eiern, ähnlich unseren Ostereiern, Blumen und in Fähnchen, in die Tierformen eingeschnitten sind. Der Betelbaum in der Mitte wird bei Hochzeiten im Zuge getragen.

Phot. Cambridge Archaeolog. Museum.

Abb. 359. Geisterschwinge eines Zauberers.

Ihr Inhalt besteht in glückbringenden, aus Teig geformten Fischen, Hühnern, Katzen, Büffeln und Krabben, die den Geistern dargebracht werden.

Phot. Cambridge Archaeolog. Museum.

Abb. 360. Ein Geisterhäuschen,

wie es bei den Einführungsfesten der Jünglinge an der Ostküste verwendet wird. Man füllt das Häuschen mit den Gaben für die Gäste.

Phot. J. Scott-Mason.

Abb. 361. Hahnenkämpfe bei den Malaien.


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Phot. J. Scott-Mason.

Abb. 361. Hahnenkämpfe bei den Malaien.

Phot. Cambridge Archaeolog. Museum.

Abb. 362. Malaiischer Hochzeitsschmuck.

Die drei mittleren Stücke sollen „Betelblätterbäume“ vorstellen gemäß der alten Sitte von Selangor, Betelblätter beim Hochzeitszuge zu tragen. Die beiden äußeren Sträuße werden von Braut und Bräutigam getragen.

Phot. N. Annandale.

Abb. 363. Ein Götterschrein in einer Höhle auf den kleinen „Birdnest“-Inseln in der Inlandsee von Singora.

Die Tonfiguren sind zur Versöhnung der Götter dargebracht.

Nachdem die letzten Vorbereitungen getroffen sind, bricht die Partei des Bräutigams, nach älterem Brauch mit einer alten Frau an der Spitze unter lautem Trommelschlag, Gongbegleitung und Raketengeknatter nach dem Hause der Braut auf; in abgelegenen Teilen des Landes trägt noch ein Verwandter oder Diener den Bräutigam auf den Schultern, in den von der europäischen Kultur beleckten Gebieten zieht er in einem modernen Gefährt aus, am liebsten in einem Automobil. Früher war es üblich, daß der Bräutigam vor dem Hause der Braut so lange warten mußte, bis er den „Tribut an die Königin des Landes“, die Braut, gezahlt hatte; heute wird er ohne weiteres hineingelassen. Er wird in das Prunkzimmer geführt, das mit dem gestreiften „Regenbogen“, einem Wandbehang, und farbigen „Himmel“, einem Deckentuch ausgestattet ist, und hier von der Braut erwartet. Darauf setzt sich das Paar. Dies geschieht aber in aller Form und ist eine langweilige Sache, denn beide müssen ihre Knie ganz allmählich, ohne Unterbrechung, beugen, bis sie sitzen, ebenso langsam müssen sie sich wieder erheben, bis sie aufrecht stehen; dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis sich beide zu genau demselben Augenblick niederlassen. Wenn es ihm gelingt, soll sich der Bräutigam auf einen Teil des Brautkleides setzen, denn dadurch sichert er sich die wirkliche und nominelle Oberherrschaft im Hause. Sitzt nun endlich das Paar, dann tauscht es das vorschriftsmäßige Gelübde aus und bietet sich zu diesem Zwecke besonders zubereiteten Reis, „den Reis der königlichen Anwesenheit“, zu essen an. Er wird in einem achteckigen Behälter dargereicht (Abb. 358), der auch bunte Eier enthält und verzierte Wimpeln trägt, die hier die weißseidenen Hochzeitsschleifen vertreten; jeder Gast erhält hiervon ein Stück; falls man es ihm vorenthalten würde, hätte es früher daraufhin einen Kampf mit dem Kris gegeben. Der letzte Akt der Hochzeitsfeier besteht in dem Besprengen des Brautpaares, das mit vorgestreckten Händen dasitzt, mit Weihwasser. Fast allgemein üblich ist schließlich noch, daß ein Knoten in Form eines V von der Braut und dem Bräutigam gelöst wird — dieses Lösen ist ein Sinnbild der Vertreibung aller schädlichen Einflüsse —, und eine Schnur oder ein Gürtel aus regenbogenfarbigen Fäden siebenmal über die Köpfe und unter die Füße des jetzt verbundenen Paares geführt wird, um dann entweder vom Bräutigam entzweigerissen oder durchgebrannt zu werden; das verkohlte Ende wird sodann noch dem jungen Paare auf die Stirn gerieben. Zum Schluß wird die ganze Hochzeitsgesellschaft von den Jünglingen mittels Bambusspritzen durchnäßt. In Selangor war es früher üblich, Bäumchen aus Betelblättern im Hochzeitszug zu tragen, während Braut und Bräutigam Betelsträuße in der Hand hielten (Abb. 362).

Phot. N. Annandale.

Abb. 364. Ein Zauberer in Erwartung des Geistes,

der von ihm Besitz ergreifen soll.

Während die malaiischen Stämme sich im allgemeinen zu der Lehre des Islam bekennen, die allerdings auch bei ihnen vielfach noch mit Dämonenglauben durchsetzt ist, sind die Urwaldstämme Anhänger des Animismus und des Ahnendienstes. Für sie ist die ganze Natur von Geistern (Abb. 348, 360 und 363) angefüllt; die einen sitzen im Regen, andere in der Hitze, oder in den Bergen, Flüssen, Seen, in Tieren und so weiter. Gegen ihren bösen Einfluß sucht man sich mit Hilfe von Zauberern zu schützen (Abb. 359, 364 und 365). Im Gegensatz zu dieser religiösen Auffassung scheint die der Semang zu stehen. Dieser Stamm bekennt sich anscheinend zu einem höchsten Wesen namens Kari. Dieses ist von übernatürlicher Gestalt, besitzt feurigen Atem und hat alle Dinge mit Ausnahme des Menschen und der Erde erschaffen, jedoch dem ersteren, den auf sein Geheiß ein untergeordnetes Wesen, Ple genannt, schuf, die Seele eingegeben. Es sendet auch die Seelen, die alle auf einem großen Baume hinter seinem Throne sitzen, vermittels bestimmter Vögel in den Leib der schwangeren Mutter. Für den Kari existieren keine Bildnisse, Tempel oder sonstige Kultorte, auch keine Priesterschaft. Von einer äußerlichen Verehrung dieses Wesens weiß man nur das eine, daß die Semang bei einem Gewitter ihm Opfer in Gestalt einiger Blutstropfen darbringen, die sie sich aus der Gegend des Schienbeins entnehmen, und mit Wasser vermischt gen Himmel spritzen; sie hoffen dadurch Kari zu besänftigen.

Phot. Cambridge Archaeolog. Museum.

Abb. 365. Schwarze Zauberfiguren.

Will man einem Menschen etwas Böses zufügen, dann formt man von ihm eine Figur und durchbohrt mit einer Nadel den Körperteil, dem man an der lebenden Person Schaden zufügen will. Die Schirme und Kerzen finden bei der Zeremonie Anwendung.

Phot. N. Annandale.

Abb. 366. Schnurflechtwerk über einem malaiischen Grabe an der Ostküste (bei Singora).

Der Tod wird durch die Todesgeister herbeigeführt; diese besorgen dies aber nicht nach eigenem Wunsch, sondern auf Befehl des Kari. Wenn sie auf ihrer unsichtbaren Wanderung einen Menschen erblicken, der reif zum Sterben ist, so melden sie dies dem Ple, der seinerseits diese Mitteilung dem Kari weitergibt. Dieser trifft die Entscheidung; fällt sie zuungunsten des betreffenden Menschen aus, so senden die Todesgeister den Totenwind, der über den dem Sterben Geweihten hinwegweht. Hiergegen vermag aber kein Zauber zu helfen, wie gegen Krankheiten. Die Leichen werden im allgemeinen begraben, und zwar zusammengebunden in sitzender Stellung; bei einigen Stämmen wird das Grab mit einem kleinen Zaun von stachligen Blättern und Zweigen, seltener mit einem Flechtwerk aus Schnur (Abb. 366) umgeben. Auf das Grab selbst setzt man Speisen, neben ihm zündet man Feuer an. Die Zauberer der Pangan werden nicht begraben, sondern in den Zweigen eines Baumes beigesetzt, damit ihre Seele über den bösen Geist hinwegfliegen kann, der für gewöhnliche Menschen den Weg zum Paradies versperrt. Auch Menschen, die eines gewaltsamen Todes sterben, werden zwischen den Zweigen ausgesetzt (Abb. 368). Von einer Wiederherausnahme der Leichen oder Knochen, sowie von einer Verehrung der letzteren wird nichts berichtet. Die Semang geben den Verstorbenen ins Grab eine Bambusröhre mit, auf der die Häuptlinge bestimmte Zauberzeichen eingeschnitzt haben; mit diesen müssen jene bei dem Gericht vor Kari erscheinen und sie vorweisen. Nachdem Gericht abgehalten worden ist, gehen die guten Seelen nach dem Untergang der Sonne ins Paradies, die bösen aber können dorthin nicht gelangen, weil sie durch eigene Wächter davon abgehalten werden; sie müssen ins Fegefeuer, wo sie ein elendes Dasein zu führen haben. — Die buddhistischen Malaien setzen ihre Leichen der Luft aus (Abb. 367 u. 369) und verbrennen ihre Knochen, wenn sie verwest sind. Die Asche setzt man vor den Buddhabildern nieder (Abbild. 370).

Phot. N. Annandale.

Abb. 367. Malaiisches Begräbnis.

Die Leiche wird bis zur völligen Verwesung in einer luftdurchlässigen Kiste aufbewahrt.

Phot. N. Annandale.

Abb. 368. Eigentümlicher luftiger Sarg der Malaien

für solche, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind.

Viel prunkvoller dagegen gestaltet sich ein Begräbnis mohammedanischer Malaien, wie man es tagtäglich beobachten kann. Der Leichnam wird in schöne Sarongs eingehüllt, die, wenn die Angehörigen es sich leisten können, reich mit Goldfäden bestickt sind, und über einer Matte auf eine Matratze gelegt; der Kopf ruht dabei auf fünf bis sechs Kissen; die Hände, zwischen deren Finger ein Dolch oder eine Betelnußschere als „Symbol des Eisens“ — wie man behauptet, soll das den Toten am Aufstehen hindern — geschoben ist, liegen über der Brust gefaltet. Eine Schale mit Weihwasser wird zu jeder Seite auf die Erde gestellt, und die gestreiften Behänge, die bei keiner malaiischen Festlichkeit fehlen dürfen, werden angebracht, so daß das Ganze auch hier sozusagen einen „königlichen“ Eindruck macht. Zu gleicher Zeit wird eine Leichenwache abgehalten, die so lange bleibt, als der Tote noch im Hause weilt; das Herdfeuer und die angezündeten Lampen müssen aber mindestens sieben Tage und ebensoviel Nächte nachher noch brennen. Der mohammedanische Priester wird geholt, und die Verwandten werden benachrichtigt. Jetzt wird der Tote mittels einer Anzahl malaiischer Schönheitsmittel gewaschen und bekommt die letzten „neun Spülungen“. Diese Zeremonie wird aus dem Grunde so genannt, weil das Wasser dreimal zur Linken, dreimal zur Rechten und dreimal vorn über die Leiche ausgeschüttet wird. Gleichzeitig wird dem Toten auch der Mund verstopft, damit nichts Unreines eindringen kann. Nachdem er in ein Leinentuch gewickelt ist, wird dieses mit den zu diesem Zwecke abgerissenen Ecken an fünf Stellen zusammengebunden; wohlriechende Essenzen, zerpflückte Blumen und Girlanden aus Blätterwerk, „Füße des Tausendfußes“ genannt, werden für den Leichenzug fertig gemacht. Nun wird der Tote in den Sarg gelegt, dieser auf die Bahre gesetzt und mit einem schwarzen Leichentuch bedeckt, auf das die „Tausendfüße“ gestreut werden. Da die malaiische Sitte ein Gefährt mit Rädern für die Überführung der Leiche verbietet, so wird der Sarg stets getragen; die Zahl der Träger richtet sich nach dem Range des Verstorbenen. Am Grabe angekommen, wird der Sarg in die Erde versenkt und die fünf Wickelbänder gelöst. Die Angehörigen reichen den Totengräbern in der Gruft Erdbälle, die sie geknetet haben; diese werden dem Toten unter die Nase gehalten, damit er daran „rieche“. Das Grab wird sodann ganz vorsichtig zugeschüttet, denn die Erde darf die Körperoberfläche nicht direkt treffen. Schließlich werden zwei rauhe Pfosten aus Holz (Abb. 371), runde bei einem Manne, flache bei einem Weibe, vorläufig eingeschlagen, und zwar einer am Kopfende, der andere in der Mitte (nicht am Fußende). Bei dem Begräbnis eines Sultans werden manchmal weiße Tuchstreifen verteilt; Weiß ist nämlich wie bei den Malaien seit undenklichen Zeiten die Farbe der Trauer. Weiß spielt im übrigen auch bei den religiösen Gebräuchen der Malaien eine große Rolle (Abb. 372), alle weißen Tiere sind heilig, und nach der allgemeinen Annahme fließt in den Adern ihrer Könige und Fürsten weißes Blut. Wenn möglich, leitet ein mohammedanischer Geistlicher die Totenfeier; er streut die duftenden Essenzen und die zerpflückten Blumen, die auf der Bahre lagen, über das Grab und richtet sodann an den Toten eine Ermahnung. Es besteht nämlich der Glaube, daß der Tote sich bei dieser Gelegenheit noch einmal ermannt und mit den Händen umhertastet, um zu erfahren, wo er sich befindet; entdeckt er an seinem Tuche, daß die Ecken fehlen, dann begreift er, daß er tot ist, und gibt sich zufrieden; er stützt sich darauf auf den Ellbogen und lauscht der Ermahnung; wenn sie zu Ende ist, sinkt er zurück und ist nun wirklich tot. Die ganze Versammlung, die bei der Zeremonie mit gekreuzten Beinen auf der Erde sitzt, spricht dem Priester hundertmal das bekannte Gebet nach: „Allah ist groß, es gibt keinen Gott außer Allah,“ zuerst langsam und dann allmählich immer schneller werdend bis zur hundertsten Wiederholung; schließlich sind die Worte nur noch ein Geschnatter. Die Feier endet mit einem Leichenschmaus. Die Nachbarn dehnen ihn drei Tage lang aus; dabei wird dem Toten der Koran jeden Abend vorgelesen. Am dritten, siebten, vierzehnten, vierzigsten und hundertsten Tage wird wieder geschmaust und schließlich ein bestimmter Tag im Jahre für ein Festessen zum Andenken der Ahnen festgesetzt. Die provisorisch eingeschlagenen Pfosten werden später durch dauernde ersetzt; außerdem werden vier Planken mit zugeschnittenen Enden um den Grabhügel gelegt, um ihm die richtige Lage zu erhalten. Diese fromme Pflicht erfordert wiederum die Veranstaltung eines Festes. Wegen der großen Kostspieligkeit, die mit den Begräbniszeremonien verknüpft ist, werden diese in den meisten Fällen sehr abgekürzt.

Phot. N. Annandale.

Abb. 369. Malaiisches Begräbnis.

Die Leichen werden in luftdurchlässigen Särgen der Verwesung überlassen. Die Skelettknochen werden dann in Reisbeuteln oder Matten für die Verbrennung gesammelt.

Abb. 370. Malaiisches Begräbnis.

Die Asche der verbrannten Knochen wird gesammelt und in kleinen Gefäßen oder Trommeln vor dem Buddhabildnis aufgestellt.

Abb. 371. Malaiische Moschee mit Friedhof.

Die runden Grabsteine bezeichnen Männer-, die flachen Frauengräber.

Phot. G. M. Laidlaw.

Abb. 372. Malaien vor dem Grab eines wundertätigen Heiligen,

vor dem sie ein Gelübde ablegen dadurch, daß sie einen Streifen weißes Tuch an einem Stock befestigen.

Phot. E. H. Man.

Abb. 373. Angehende Priester der Nikobaresen im Tragstuhl.

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