Unter Melanesien verstehen wir eine Gruppe von Inseln im Stillen Ozean, die sich gleichsam wie ein Bogen um Australien in der Richtung von Südosten nach Nordwesten hinzieht. Das Gebiet beginnt mit den schon behandelten Fidschiinseln, es schließen sich in der angegebenen Richtung an: Neukaledonien, die Loyalitätsinseln, die Neuhebriden, die Banksinseln, die Salomoinseln; ferner der Bismarckarchipel und die Admiralitätsinseln, die deutscher Kolonialbesitz sind, und schließlich Neuguinea, die größte Insel Ozeaniens, die zum Teil unter deutscher Flagge steht. Obgleich die Melanesier in körperlicher Hinsicht sich nicht unwesentlich voneinander unterscheiden, so läßt sich doch als gemeinsames Merkmal ihre dunkle Hautfarbe bezeichnen, die dem ganzen Gebiet den Namen Melanesien (= schwarze Inseln, das heißt mit schwarzer Bevölkerung) gegeben hat; jedoch ist die Farbe kein eigentliches Schwarz, sondern vielmehr ein tiefes Braun in verschiedenen Abstufungen. Diese starke Färbung erstreckt sich sogar auf die Schleimhäute, zum Beispiel die Bindehaut des Auges, die besonders bei älteren Leuten manchmal einen bräunlichen Ton aufweist. Die Melanesier (Abb. 65) sind ziemlich große Gestalten von etwa hundertzweiundsechzig Zentimeter im Mittel, sie besitzen plumpe Gliedmaßen, einen länglichen, schmalen Schädel und reichliches schwarzes, krauses Kopfhaar. In den am meisten nach Westen vorgeschobenen Teilen, im besonderen auf Neuguinea, hat sich ein Sondertypus herausgebildet, die Papua. Dieser ist im allgemeinen durch eine höhere, mehr schlanke Gestalt, dunklere Hautfärbung und eine lange, konvex gekrümmte, manchmal vogelschnabelähnliche Nase in einem schmalen Gesicht gekennzeichnet.
Die Bekleidung der Melanesier fällt in den einzelnen Teilen ihres Verbreitungsgebietes sehr verschieden aus. An vielen Orten gehen die Männer einfach ganz nackt, oder sie tragen höchstens ein Lendentuch oder auch nur einen Schamgurt, der zwischen den Beinen durchgezogen und um die Hüften geschlungen wird. Die Kleidung der Weiber bildet meistens ein ebensolches Tuch oder ein Röckchen aus Blättern, Fasern oder Gras (Abb. 66 und 77), seltener ein Schamgurt (Abb. 89) oder Lendenschurz (Abb. 64). Nur in wenigen Gegenden sind die Angehörigen des weiblichen Geschlechts noch ganz unbekleidet, zumal wenn sie das heiratsfähige Alter erreicht haben. — Die Melanesier bekunden eine große Vorliebe für Schmuck, die sich nicht nur in reichlichem Körperzierat, wie Federputz im Haare (Abb. 68), Halsketten und Gehängen aus Hundezähnen, Perlen und getrockneten Früchten und dergleichen (Abb. 73 und 75), Ohrringen in großer Mannigfaltigkeit, Nasenstäbchen, Gürteln, Armbändern um die Handgelenke, Ringen um die Beine und Fußgelenke, die entweder aus geflochtenen Fasern, Rinde, oder aus Muscheln bestehen, sondern auch in regelrechter Verzierung ihrer Gerätschaften, Werkzeuge und Gebäude durch Schnitzereien und Einbrennen von realistischen und konventionellen Figuren (menschlichen Wesen, Vögeln, Pflanzen und ähnlichem) ausprägt. In der künstlerischen Auffassung bestehen zwischen den verschiedenen Stämmen große Unterschiede; einzelne davon, die in anderer Hinsicht zu den primitivsten zählen, verraten ganz bedeutende Fähigkeiten auf künstlerischem Gebiete.
Aus: Pfeil, Studien und Beobachtungen aus der Südsee.
Abb. 64. Mädchen von den Admiralitätsinseln
mit zierlich geflochtenem Lendenschurz.
Tatauierung ist auf den meisten Inseln üblich; auf einzelnen werden sowohl Männer wie Weiber, auf anderen wieder nur letztere tatauiert (Abb. 66, 67 und 72). Für beide Geschlechter gilt dieser Schmuck einfach als ein Zeichen der Geschlechtsreife und der Heiratsfähigkeit, besonders beim weiblichen Geschlecht, in anderen Gegenden als Klanabzeichen, in noch anderen als Ehrenabzeichen für Männer, die sich hervorgetan, zum Beispiel einen Feind getötet haben und anderes mehr. Schnitte ins Fleisch und davon zurückbleibende Narben sind gleichfalls eine übliche Form des Körperschmuckes, auch häufig ein besonderes Merkmal zur Kennzeichnung der Sippe. Die Wilden von Liueniua, die verwandtschaftlich mehr zu den Polynesiern gehören, schlitzen die Nasenspitzen auf (Abb. 83). Nasen- und Ohrdurchbohrung ist bei beiden Geschlechtern sehr beliebt (Abb. 69 und 70). In die so entstandenen Löcher werden später die verschiedenartigsten Gegenstände eingeführt, wie Stäbchen, Muscheln, Blumen, Gras und dergleichen. Die Ohrlöcher werden vielfach durch Hindurchstecken immer größerer Gegenstände in dem Maße ausgedehnt (Abb. 76), daß sie, wenn nichts in ihnen steckt, wie lange, schwebende Fleischlappen beinahe bis auf die Schultern herabhängen (Abb. 80); umschließen sie aber eine große Scheibe, dann sehen sie wie mit einem schmalen Rande (Fleischsaum) eingefaßte Brillengläser aus (Abb. 69). — Auf einzelnen Inseln übt man auch die Verunstaltung des Schädels. So wird dem Schädel der Kinder auf Neupommern durch Pressen eine hohe, spitze Form gegeben (Abb. 84).
Aus: „Kolonie und Heimat“.
Abb. 65. Eingeborene von der Gazellehalbinsel.
Beachtenswert sind die morgensternartigen Keulen und die großen Halskragen, tellerartige breite Gebilde aus besonders zugerichteten Nassaschnecken, die auf dünnen Rotangstreifen festgenäht sind.
Phot. Rev. A. H. Fillodean.
Abb. 66. Mädchen von Neuguinea
mit Tatauierungen, die nur an den unteren Körperteilen durchgeführt sind und auf dem Oberkörper später vervollständigt werden. Wenn der ganze Körper tatauiert ist, verliert er fast den Eindruck der Nacktheit. Der übliche Grasrock wurde gekürzt, um die Tatauierung zu zeigen.
Aus: Brown, Melanesier und Polynesier.
Abb. 67. Heiratsfähiges Mädchen der Koita (Neuguinea)
mit Tatauierungen, die vom fünften Jahre ab begonnen und jedes Jahr fortgesetzt werden. Die V-förmige Zeichnung zeigt die Heiratsfähigkeit des Mädchens an.
Die Wohnstätten der Melanesier zeigen verschiedenen Typus; man begegnet ganz primitiven, bienenkorbähnlichen Hütten neben ziemlich ansehnlichen, selbst zweistöckigen Häusern (Abb. 71). In den Küstengebieten, aber weniger am offenen Meere, als vielmehr in seichtem Wasser der geschützten Buchten, stehen die Häuser auf Pfählen (Abb. 74, 78 und 79) und bilden hier ganze Dörfer. Der Grund dieser Bauweise mag wohl der sein, sich gegen feindliche Überfälle sowohl von seiten der Menschen wie auch wilder Tiere, desgleichen gegen Überschwemmungen zu schützen. Allerdings ist der Aufenthalt im Innern dieser Häuser zumeist nur auf die Nacht beschränkt, denn tagsüber spielt sich das Leben entweder auf der am Giebel angebauten überdachten Plattform oder auf freiem Platze vor dem Hause ab. Die innere Einrichtung der Häuser ist sehr primitiv. Ein Abteilen des gesamten Innenraumes durch Wände (Matten) geschieht nur selten, vielmehr hausen alle Familienmitglieder zusammen mit Schweinen, Hunden und anderem Getier in diesem einzigen Raum. Als Ruhestätte dient ihnen der bloße Fußboden. Auf Neuguinea sind bei vielen Stämmen zur Schonung der kunstvollen Haarfrisuren schön geschnitzte Kopfruhebänkchen oder, richtiger gesagt, Nackenstützen in Gebrauch. — Eine eigentümliche Abart der Behausung stellen die Baumhäuser dar, die ihre Entstehung wohl dem gleichen Grunde wie die Pfahlhäuser verdanken. Man gelangt zu ihnen auf Strickleitern und bringt darin nur die Nacht zu, während am Tage zum Aufenthalt der Boden am Fuße des Baumes dient (Abb. 86 und 92).
Eine typische Erscheinung von Melanesien sind die sogenannten Junggesellen- und Versammlungshäuser, zumeist stattliche, durch Schnitzwerk reich verzierte Gebäude, in denen die männlichen Dorfbewohner die Nacht zubringen, öffentliche Versammlungen abhalten, die Schilde und Masken, sowie die großen Trommeln aufbewahren.
Phot. G. Landmann.
Abb. 68. Haarschmuck eines Papua von der Mündung des Flyriver.
Meist zum Tanz, häufig auch alltäglich rollen die Eingeborenen jenes Gebietes ihr langes wolliges Haar mit ihren mit Kokosnußöl benetzten Fingern korkzieherähnlich auf, manchmal benutzen sie dazu auch weißen Schlamm. Die Stirne wird mit einem Büschel Federn des Kasuars oder Paradiesvogels geschmückt.
Die Nahrung der Melanesier besteht in dem Ertrag ihres primitiven Feldbaus, der Yams- und Tarowurzel, Kokosnuß, Bananen- und Brotbaumfrucht, sowie in dem Fleisch von Fischen, Hühnern, Schweinen und Hunden. Jagd wird, weil das Wild sehr knapp ist, nur wenig betrieben, dagegen vielfach Fischfang mittels Speeren und Reusen (Abb. 81 und 82). Die Genußmittel bestehen in Betel und Tabak. Früher war über den größeren Teil Melanesiens auch Menschenfresserei (Kannibalismus) sehr verbreitet (Abb. 87), doch ist sie dank des europäischen Einflusses so ziemlich gänzlich ausgerottet worden, nur an einzelnen Orten, wohin dieser Einfluß noch nicht gedrungen ist, scheint diese Unsitte ihr Dasein noch ganz im Verborgenen zu fristen. Die Gründe, die zum Kannibalismus treiben, sind häufig abergläubischer Natur; man hofft durch das Verzehren seines Mitmenschen dessen gute Eigenschaften, im besonderen seinen Mut sich anzueignen. Gelegentlich führen aber auch Rache und Haß dazu, aber nur selten wohl gewöhnlicher Fleischhunger. Nach den Schilderungen des Forschers Loria von den Sitten der damaligen Bewohner von Logea, einer Insel, die südwestlich von Neuguinea liegt, wurde der Körper des erschlagenen Feindes in getrocknete Kokosnußblätter gewickelt, mit einem Strick an einem Baume über ein Feuer gehängt und geröstet. Sobald der Strick durchgebrannt und der Leichnam zu Boden gefallen war, stürzten sich alle Teilnehmer unter mächtigem Freudengeheul auf den halbverkohlten Körper und schnitten sich mit dem Messer Stück für Stück von ihm ab. In anderen Gegenden wurde der frische Leichnam vor dem Rösten sachgemäß in Stücke zerlegt, darauf die einzelnen Teile in Blätter gewickelt und am Feuer gebraten. Gewöhnlich aß man zuerst das Gehirn, dann die Schenkel und schließlich den übrigen Körper. Einzelne Stämme, zum Beispiel die Tugeri, trugen die Mahlzeitüberreste, wie die Knochen, später als Körperschmuck. Vielfach durften die Frauen, denen die sämtlichen Zubereitungen zu diesem Mahle oblagen, an ihm nicht teilnehmen, sondern mußten sich damit begnügen, die saftdurchtränkten Blätter abzulecken.
Eine eigenartige Form des Kannibalismus ist die Kopfjägerei, eine Unsitte, der die Bewohner in den nördlichen Teilen Neuguineas noch heute huldigen. Die Gründe hierfür sind einmal religiöser Natur; der erbeutete Schädel soll ein Opfer bedeuten, zum Beispiel für glückliche Vollendung eines Haus- oder Kanubaues. Oder es liegt ihr Eitelkeit des jungen Mannes zugrunde, der Wunsch, in den Augen seiner Schönen Anerkennung und Entgegenkommen zu finden; denn je mehr Schädel von ihm erbeutet werden, um so höher steht der Kopfjäger im Ansehen. Daher werden die Opfer zumeist aus ganz geringfügigem Anlaß angegriffen oder hinterrücks überfallen; der erbeutete Schädel wird vom Rumpfe getrennt, ins Dorf mitgenommen und vor dem Hause auf einer Stange oder einem Speer aufgepflanzt.
Phot. C. M. Woodford.
Abb. 69. Verunstaltetes Ohr bei einem Salomoinsulaner mit eingelegtem Perlmuschelring.
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 70. Malailaeingeborener mit Nasen- und Ohrenschmuck.
Das Halsband besteht aus Cuscuszähnen, die am Wurzelende durchbohrt und einer nach dem andern an dünnen Schnüren befestigt werden. Nasenring, Ohr- und Brustschmuck sind aus der Tricadnamuschel hergestellt.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 71. Eingeborenendorf in Neumecklenburg.
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GRÖSSERES BILD
Äußerst zahlreich sind die Zeremonien der Melanesier, die sich auf den Eintritt in die verschiedenen Lebensstadien beziehen. Schon vor der Geburt ist das Kind Gegenstand abergläubischer Fürsorge und Furcht. Während der Schwangerschaft müssen von der angehenden Mutter manche Bestimmungen eingehalten und gewisse Zeremonien beobachtet werden, um die Leibesfrucht vor dem Einflusse böser Geister zu schützen oder Mißbildungen vorzubeugen, auch um die Niederkunft zu erleichtern. So verfertigt auf Neupommern der Dorfzauberer für die Frauen, die zum ersten Male guter Hoffnung sind, oder auch für solche, die eine Fehlgeburt durchgemacht haben, ein Amulett aus Tierzähnen, Muscheln und Rotangfasern, das die weiblichen Teile versinnbildlicht und über der Brust oder den Rücken getragen wird (Abb. 88). — Vielfach begegnen wir auch gewissen Speiseverboten; so dürfen die schwangeren Motu-Motu-Frauen (Britisch Neuguinea) keine Taro- oder Yamswurzel und Süßkartoffeln, die Schwangeren anderer Gegenden keine scharfen Speisen zu sich nehmen, ebenso dürfen die Kunifrauen (Britisch-Neuguinea) keine Schlangen, Leguane und dergleichen essen. Die angehenden Mütter glauben, daß diese Tiere sich sonst in ihrem Leibe festsetzen und dadurch die Geburt hindern könnten und anderes mehr. Bei verschiedenen Stämmen müssen sich die Schwangeren einige Zeit vor der Geburt von der Außenwelt absondern, zumeist in einer für diesen Zweck eigens erbauten kleinen Hütte, in der sie kein männliches Wesen, der eigene Mann nur vereinzelt besuchen darf. Die Verpflegung der Abgesonderten geschieht durch Frauen, die ihr auch in der schweren Stunde beistehen. — Geht jemand auf der Insel Andei (Nordküste Neuguineas) an einem solchen Hüttchen vorbei, dann darf er auf dem gleichen Wege nicht wieder zurückkehren, andernfalls würden die Gärten durch Schweine verwüstet werden. Wer die Mutter mit dem noch säugenden Kinde trifft, muß das Gesicht von ihr abwenden, um nicht krank zu werden. Im Bismarckarchipel begibt sich die Schwangere kurz vor ihrer Entbindung an den Meeresstrand und wirft sich mit einem Stein in die brandende Welle. Hebt diese sie empor, so muß sie von neuem untertauchen; sie hofft dadurch die Geburt zu erleichtern und des Kindes Wohlbefinden zu fördern. — Auch der Mann übernimmt während der Schwangerschaft der Frau gewisse Pflichten. Die Motu-Motu-Männer müssen in dieser Zeit auf den Genuß von Krokodilfleisch und Fischen, die Papua von Kaiser-Wilhelms-Land auf Betelkauen und Tabakrauchen verzichten. Selbst männliche Verrichtungen müssen eingestellt werden, so dürfen die Ehemänner der Papua von Kaiser-Wilhelms-Land sich nicht aufs Meer wagen, weil sie dort ertrinken könnten, auch keine Fische fangen, weil dies sich doch nicht lohne, überhaupt die männlichen Dorfbewohner insgesamt das Dorf nicht verlassen, weil sonst die Plantagen nicht gedeihen würden und dergleichen mehr.
Phot. George Brown.
Abb. 72.
Tatauiertes Koitamädchen aus Neuguinea
in der Rückansicht.
Auf den Inseln der Torresstraße geht ein Mann, dessen Frau in Geburtswehen liegt und große Schmerzen erleidet, bisweilen an die See und taucht immerfort darin unter, möglicherweise stundenlang, bis das Kind geboren wird, in dem Aberglauben, daß dieses Verfahren der Mutter eine Erleichterung bringe. Wenn die Geburt sich verzögert, nimmt der Zauberer irgend einen geweihten Gegenstand und wirft ihn in das Wasser, damit das Kind zur Welt kommt, oder der Gatte steht so lange in der See, bis es ihn an den Beinen friert, und hofft auf diese Weise dasselbe Ergebnis zustande zu bringen. Bei den Motu-Motu pflegt sich der Mann, sofern die Geburtswehen der Frau sehr heftige sind, dicht neben sie zu setzen und seine Armspangen abzunehmen, was die Schmerzen lindern soll. Nach der Geburt legt er sie wieder an.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 73. Mafulumädchen.
Der Gürtel, aus Rohrstöckchen geschlungen, wird bei knapper Nahrung oder in der Fastenzeit straffer angezogen, um das Hungergefühl zu mildern.
Phot. Underwood & Underwood.
Abb. 74. Pfahlbauten der Eingeborenen auf Neuguinea.
Die Nabelschnur wird, wie es sonst meistens üblich ist, abgeschnitten. Die Papua von Kaiser-Wilhelms-Land bewahren sie auf, bis das Kind zu gehen anfängt, denn sie fürchten, daß mit ihr Mißbrauch getrieben und dem Kinde dadurch geschadet werden könnte; nach Ablauf dieser Zeit ist ihre Furcht geschwunden und der Nabelschnurrest wird dann fortgeworfen. Auf Holländisch-Neuguinea wird beim Abfall der Nabelschnur ein ähnliches Fest wie bei der Geburt gefeiert. In Doreh bestand früher die Sitte, daß man sie an einem Baum aufhing, wenn der Vater von einer längeren Reise zurückerwartet wurde, damit er sogleich daraus ersehe, ob das inzwischen geborene Kind noch lebe oder schon gestorben sei; hing sie an einem trocknen Ast, dann war das Kind tot. — Eine in Neukaledonien übliche Kinderwiege zeigt die Abbildung 85.
Anklänge an das Männerkindbett (Couvade), das ist das Zubettliegen des Vaters als Kranker, und verwandte Gebräuche sollen sich vereinzelt, so zum Beispiel auf den Salomonen, finden. Auf ganz Melanesien herrscht dagegen die Sitte, daß der Vater sowohl vor wie nach der Geburt, und zwar letzteres in ausgedehnterem Umfange als seine Frau, eine Zeitlang sich bestimmten Verboten zu unterziehen hat. Vielfach muß er sich solcher Nahrung enthalten, die dem Kinde schaden könnte. Auf den Neuhebriden und anderen Inseln muß er es manchmal unterlassen, schwere Gegenstände zu heben, auf einen Baum zu klettern, irgend eine schwere Arbeit zu verrichten oder auf die See hinauszufahren, alles aus Furcht, es könnte dem Kinde Schaden bringen. Auf Britisch-Neuguinea muß der Vater längere Zeit im Versammlungshaus leben, in Suau ist ihm sogar jeglicher Verkehr mit der Familie untersagt; er sieht Frau und Kind erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, während der er auch fasten muß. Bei den Monumbopapua (Deutsch-Neuguinea) muß er noch andere Vorschriften beachten: er darf sich nur an dem Feuer seines eigenen Hauses, niemals an einem fremden, seinen Tabak anzünden und nur mit jenem kochen, daher es niemals ausgehen lassen; er darf alles Geröstete, ferner das Fleisch vom Dorfschwein, alles Fischfleisch und sämtliche Speisen, die einem kürzlich Verstorbenen gehörten, nicht essen. — Für die junge Mutter bestehen solche Tabu nur in beschränktem Maße. So muß sie ihren Tabak während einer gewissen Zeit anstatt mit den Fingern, wie sonst üblich, mit einem gespaltenen Stäbchen halten. Auf Andei darf sie bei einem etwaigen Besuche ihres Gatten, was aber nicht gern gesehen wird, nicht die Treppe ins Haus hinaufgehen, sondern muß auf einem Balken, der nur wenige und ganz flache Einkerbungen trägt, hinaufklettern, im anderen Falle würde sie den Hausinsassen Unglück bringen.
Phot. F. Clauser.
Abb. 75. Mafulufrau im Festschmuck,
der in der sorgfältigen Verzierung des Kopfhaares mit Perlen und Hundezähnen, dem aus Muscheln und Zähnen hergestellten Halsschmuck, sowie den gleichfalls zur Verzierung über die Schultern herabhängenden Schweineschwänzen besteht.
Vielfach begegnen wir auch geschlechtlicher Abstinenz für eine bestimmte Zeit, die nicht nur die Frau, sondern auch der Mann zu beobachten hat. Bei den Monumbo erfordert diese Sitte so lange Enthaltsamkeit, bis das Kind gehen kann, und dies für den Mann nicht allein der eigenen, sondern auch einer anderen Frau gegenüber.
Phot. C. M. Woodford.
Abb. 76. Erweiterung der Ohrdurchbohrung
durch Pflöcke, die allmählich immer dicker genommen werden.
Im allgemeinen gibt man sich auf Melanesien bei der Geburt eines Kindes nicht viel mit Zeremonien ab, jedoch werden hin und wieder solche angetroffen; öfters beschränken sie sich auch nur auf Erstgeburten, manchmal auch nur auf Kinder von Häuptlingen. Auf Neumecklenburg gibt die Geburt eines Erstgeborenen Anlaß zu einem Scheinkampfe zwischen Männern und Frauen, von denen die ersteren mit Stöcken, die letzteren mit Steinen und anderen Wurfgeschossen bewaffnet sind, und einem sich daran anschließenden Schmaus. In den gebirgigen Gegenden im Innern Neuguineas wird ein solcher Angriff nur von den Frauen unternommen, so bei den Kuni auf das Haus der Wöchnerin und das Männerklubhaus, bei den Mafulu auf das Haus des Häuptlings und gleichfalls auf das Dorfklubhaus; die Weiber, die dabei in vollem Tanzschmuck sind, sollen ihre Speere und Knüttel mit solcher Kraft gegen diese Häuser schleudern, daß sie nicht selten durch das Dach ins Innere dringen. Immer gibt es nach diesen Angriffen ein längeres Festessen. Auf Kaiser-Wilhelms-Land laufen die Papuaweiber bei der Geburt eines Erstgeborenen zusammen, jagen die männlichen Verwandten des Kindes oder werfen auf sie; die Zeremonie endigt auch hier wieder mit einem Schmaus, an dem bei den Motu-Motu-Leuten nur die „alten Damen“ teilnehmen dürfen. Auch anderwärts, zum Beispiel bei den Roro, wird die Geburt des ersten Kindes durch einen Tanz gefeiert, zu dem man sich prächtig schmückt (Abb. 90). In eigenartiger Weise werden die neugeborenen Kinder von den Mekeoweibern in einem durch den Kopf gestützten, nach vorn hängenden Netz getragen (Abb. 93).
Phot. Mansell & Co.
Abb. 77. Mädchen von den Salomoinseln
in vollem Schmuck, mit rot gefärbtem Haar.
Zahlreicher sind jedoch die Gebräuche, die sich im engeren Kreise abspielen. In einer Gegend von Südost-Neuguinea hebt die junge Mutter ihr Kind beim ersten Vollmond nach der Geburt auf und zeigt es ihm, damit es daraufhin schnell wachse und bald sprechen lerne. Auf einer der Neuhebriden geht der Vater etwa zehn Tage nach der Geburt zum Strande und zerstreut auf dem Wege kleine Spielzeugbogen, wenn es sich bei dem Familienzuwachs um einen Knaben handelt, oder Stücke von Pandanusfasern, wenn es ein Mädchen war; mit dem ersteren ist der Wunsch verbunden, daß der Knabe ein kräftiger Bogenschütze werden möge, mit dem letzteren, daß das Mädchen späterhin stets ihrer Pflicht als Mattenflechterin, also als Hausfrau eingedenk sein möge. Auf einer anderen Insel bringen die Verwandten des Vaters der Mutter Speisen und Matten, sie legen solche nebst Bändern, mit denen Schweine angebunden werden, auf das Haupt des Kindes, was der Vater als Zeichen dafür hinnimmt, daß sie später einmal im Notfalle seinem Kinde helfen und es zu ernähren bereit sein werden. — In Kaiser-Wilhelms-Land legt die junge Mutter beim ersten Ausgang mit dem Kinde Holz und Grasbündel auf den Weg, damit die Geister ihm nichts anhaben können; muß sie über ein Wasser gehen, so werfen die Familienmitglieder aus dem gleichen Grunde Steine hinein, mit denen sich die Geister anstatt mit dem Kinde beschäftigen sollen. — Auf der Gazellehalbinsel bewegt eine Frau das Neugeborene durch den Rauch eines Feuers mit den Worten: „Zupfe deinen Bart und knirsche mit den Zähnen, schmücke deinen Hals und trage die Streitkeule, wenn du den Busch durchschreitest,“ sofern es ein Knabe ist, oder „bestelle die Pflanzung, gebäre Kinder, beiße die Lianen zum Aufreihen des Muschelgeldes zurecht, bringe das Getreide herbei und ziehe auf den Markt,“ wenn es sich um ein Mädchen handelt. Ein Zauberer streckt dabei seine Hand in den Rauch, nimmt etwas Asche zwischen die Finger und berührt damit Augen, Ohren, Schläfe, Nase und Mund des Kindes, um ihm dadurch gegen die bösen Geister Kraft zu verleihen. — In den mittleren Teilen Neupommerns versammeln sich die Männer des Dorfes im Klubhaus, jeder mit einem Baumzweig versehen. Sie brechen ein paar Zweige ab, die junge Schößlinge haben, und behalten sie in der Hand, während sie die übrigen Blätter verbrennen. Darauf spricht einer von ihnen einen Zauberspruch über ein Stück Ingwer, das sodann unter die übrigen verteilt wird. Die Männer zerkauen den Ingwer, speien ihn auf die Zweige aus und halten diese in den Rauch hinein. Merkwürdigerweise soll dieser Vorgang weniger dem Kinde, als vielmehr den Teilnehmern nützen, denn sie glauben, daß, wenn sie diese Zeremonie bei der Geburt eines Kindes nicht beobachten, sie selbst im Kriege feige sein, und ihre Waffen ihre Macht verlieren würden. Eine Frau der Kiriwina im Südosten von Neuguinea trägt nach der Geburt eine Zeitlang einen langen Grasmantel an Stelle des sonst üblichen kurzen Grasrockes (Abb. 91).
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 78. Ein Klubhaus der Mekeo.
Die Einrichtung solcher Häuser ist in Melanesien allgemein. Sie bilden den Sammelplatz der Männer, namentlich die Junggesellen leben darin, und die Besucher aus anderen Dörfern finden dort gastliche Aufnahme.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 79. Das Klubbaus einer Mekeofamilie.
In jenem Gebiet haben oft Gruppen verwandter Familien ihre eigenen Klubhäuser, die in beträchtlicher Höhe über dem Boden errichtet werden und Plattformen besitzen.
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 80. Verunstaltung der Ohren bei einem Salomoinsulaner.
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GRÖSSERES BILD
Kindsmord ist eine fast über ganz Melanesien verbreitete Unsitte. Bekommt ein lediges Mädchen ein Kind, so tötet sie es meistens, denn, obgleich die sexuelle Moral fast auf allen Inseln Melanesiens eine lockere ist und vielfach überhaupt nicht besteht, sind uneheliche Kinder sehr unerwünscht; vielfach hält man eine Niederkunft vor der Ehe direkt für eine Schande und bestraft sie, selbst mit dem Tode. Wie verbreitet deshalb die Kindesabtreibung in Melanesien sein mag, geht aus einer Mitteilung Parkinsons hervor, daß auf Neumecklenburg sechzehn- bis achtzehnjährige Mädchen durchaus keinen Hehl daraus machten, daß sie bereits drei- bis viermal ihr Kind abgetrieben hätten. Die Methoden sind ziemlich die gleichen, wie wir sie an anderer Stelle bereits erwähnten. Bei den Jabim (Finschhafen) geben Mütter ihren Töchtern gleich solche Mittel in die Ehe mit, damit sie einen etwa eintretenden größeren Kindersegen verhindern und so nicht frühzeitig verwelken.
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 81. Salomoinsulaner auf dem Fischfang mittels Speeres.
Der Gebrauch, Fische mit dreizackigen Speeren aufzuspießen, ist in Melanesien allgemein. Die Zinken sind meist aus hartem Bambusrohr gefertigt.
Mannigfach sind die Gründe, aus denen auch ehelich geborene Kinder getötet werden. Entweder wollen die Eltern überhaupt keinen Familienzuwachs mehr, weil ihnen die Aufzucht der Kinder Mühe, Sorgen und Kosten macht, oder sie hatten sich ein Kind anderen Geschlechtes gewünscht, oder sie geben andere, uns ganz seltsam anmutende Ursachen an. So zum Beispiel begründete eine Kunifrau die Tötung ihres Neugeborenen damit, daß sie durch das Beiseiteschaffen ihres Kindes frei sein wollte, um ein Ferkel säugen zu können. Bei den Mafulu ist es Sitte, daß eine Frau, ehe sie ein Kind bekommt, ein Schwein für einen Dorfschmaus stiften muß; ist ihr dies nicht möglich und kommt sie inzwischen nieder, ohne jene Pflicht erfüllt zu haben, so verheimlicht sie die Geburt des Kindes und bringt es beiseite.
Aus: Brown, The Melanesians.
Abb. 82. Fischreusen der Eingeborenen von Neupommern.
Diese sonderbaren Fischreusen werden im Wasser verankert. Als Anker dient ein mit Steinen gefüllter Korb.
Auch abergläubische Vorstellungen erfordern bei diesem Volke den Tod eines Neugeborenen. Die Mutter geht mit ihrem Säugling an den Fluß und gibt ihm von dessen Wasser zu trinken; nimmt das Kind etwas davon, dann läßt die Mutter es am Leben, wo nicht, so gilt dies als ein Zeichen, daß das Kind sowieso bald sterben würde, sie wirft es darauf kurzerhand in den Fluß.
Die Geburt von Zwillingen wird nicht überall mit gleichen Gefühlen aufgenommen. In einigen Gegenden ist man stolz auf sie, in anderen gelten sie als Schande. Die Nachbarn vergleichen die Geburt dann oft verächtlich mit einem Schweine- oder Hundewurf oder verdächtigen die Mutter des Ehebruchs — man läßt sich dabei von dem Aberglauben leiten, daß Zwillinge verschiedene Väter haben müßten —, auch wohl den Vater des Bruches eines Gelöbnisses oder eines Tabus, wofür sie auf diese Weise bestraft werden. Überall dort, wo Zwillinge nicht gern gesehen werden, ist es üblich, entweder beide oder wenigstens einen von ihnen zu töten. Hierfür sind meistens ähnliche Anschauungen maßgebend, wie wir sie bei den Polynesiern bereits kennen gelernt haben.
Phot. G. Brown.
Abb. 83. Eingeborene von Lineniua mit aufgeschlitzten Nasenspitzen.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 84. Verunstaltung des Kopfes auf Neupommern.
Mannigfache Gebräuche knüpfen sich auch an die wichtigsten Momente im Leben der heranwachsenden Jugend. Im Innern von Neupommern gibt das Anlegen der ersten Kleidung eines Erstgeborenen Anlaß zu einem Schmaus. Dem Kinde werden die Kopfhaare so abrasiert, daß nur eine Haarkrone stehen bleibt; es wird festlich geputzt und dann zur Bewunderung vor die Festteilnehmer gesetzt. Ist es ein Knabe, so bleibt er so lange unbekleidet, bis ein naher Verwandter ihm ein Lendentuch bringt, seine Hüften damit reibt, eine Zauberformel dazu spricht und das Tuch schließlich am Körper befestigt; darauf findet ein Maskentanz statt und der Knabe wird in gewisse Geheimnisse eingeweiht, die er nicht verraten darf. Als Zeichen der Bestrafung für die Übertretung des Verbots wird vor seinen Augen ein Mann geschlagen. Man schlägt den Knaben auch wohl auf die Beine, damit er schnell laufe, und auf den Mund, damit er eine kühne Sprache führe. Bei den Roro und Mekeo (Neuguinea) wird der Knabe, nachdem die Verwandten mütterlicherseits ein vom Vater geschenktes Schwein verzehrt haben, in das Haus seines Onkels geschickt, der ihm in Abwesenheit der väterlichen Verwandten, denen es verboten ist, hierbei zuzusehen, den Schamgurt umlegt. An allen diesen und ähnlichen Zeremonien nehmen die männlichen Verwandten der Mutter des Knaben den Hauptanteil, während die Tätigkeit des Vaters sich meistens auf die Bewirtung und Beschenkung der Gäste beschränkt. Es hängt diese Eigentümlichkeit mit dem Begriff über die Abstammung in mütterlicher Linie, welcher der natürlichen Auffassung der Blutsverwandtschaft entspricht und noch vielfach in Melanesien verbreitet ist, zusammen. Dieser Auffassung zufolge gehört das Kind der Sippe seiner Mutter an und steht mit deren Angehörigen in näherer Verwandtschaft, als mit der des Vaters, da man bei der ursprünglichen allgemeinen Vermischung nie wissen konnte, wer der richtige Vater war. Die Verwandten der Mutter sind daher auch an vielen Orten in höherem Grade für die Erziehung des Kindes verantwortlich als die eigentlichen Familienangehörigen in unserem Sinne. Ähnlichen Zeremonien beim Anlegen der ersten Kleidung begegnen wir verschiedentlich. Bei den Mafulu, die damit eine große Schmauserei verbinden (Abb. 94), besteht noch eine eigenartige Zeremonie, deren Vollziehung dem Knaben das Recht verleiht, in das Dorfklubhaus einzutreten und hier zu wohnen. Das festlich geschmückte Kind muß hierbei auf einem geschlachteten Schwein stehen, es wird dann von dem Eingeborenen, der das Schwein brachte, sofort wieder fortgenommen und in eiligem Lauf zum Klubhaus an dem einen Ende des Dorfes getragen, auf dessen Plattform zwei Reihen Männer sitzen; der Knabe wandert nun von einer Hand in die andere und wird darauf dem Überbringer zurückgegeben, der mit ihm zum Klubhaus am entgegengesetzten Ende des Dorfes eilt, wo mit dem Kinde dasselbe vorgenommen wird. Schließlich trägt der Mann es zu seinen Eltern zurück.
Abb. 85. Kinderwiege aus Neukaledonien.
Phot. Underwood & Underwood.
Abb. 86. Baumhaus in Melanesien.
Diese Häuser werden in den Kriegen vielfach als Festungen und Zufluchtsorte gebraucht. Sie dienen außerdem zur Aufbewahrung von allerhand Kriegsgeräten.
Phot. H. O. Forbes.
Abb. 87. Junge Leute von Rurepo, einer Insel bei Neuguinea, zu einem Tanz geschmückt,
der gelegentlich eines Schmauses von Menschenfleisch aufgeführt wurde. Jeder der Tänzer trug eine Stange, an deren Ende ein Stück eines Menschenschädels hing.
Mit dem Zeitpunkt, in dem die Knaben sich der Reife (Pubertät) nähern, werden sie in die Gebräuche und Sitten des Stammes, sowie in seine etwaigen Geheimnisse eingeführt. Dabei ist meistens Bedingung, daß die Knaben in einer besonders errichteten Hütte eine gewisse Zeit, während deren sie von anderen Stammesangehörigen gemieden werden, in Abgeschlossenheit zubringen und gewöhnlich auch vor und während der mit ihnen vorzunehmenden Einweihung eine Anzahl Unannehmlichkeiten erdulden müssen. Auf den Anachoreteninseln werden die einzuweihenden Knaben in einem besonderen Hause abseits vom Dorfe untergebracht und der Obhut eines alten Mannes übergeben; sie dürfen nur besondere Speisen, die man im Dorfe zubereitet, genießen, ihre Haare nicht mit Salzwasser benetzen, keine Fische fangen, kein weibliches Wesen ansehen und beim Erscheinen ihres Vaters ihm nicht unter die Augen treten. Während dieser ihrer Abgeschlossenheit werden sie in die Sitten und Gebräuche ihres Stammes eingeführt und kehren schließlich in ihr eigenes Heim zurück, wobei jeder von ihnen einen mächtigen herzförmigen Aufbau aus Holz auf dem Kopfe trägt. Fortan dürfen sie auch Betelnuß kauen. Ein Schmaus beschließt diese Feier. In einem gewissen Gebiete Neupommerns besteht die Sitte, daß, wenn dieser Schmaus seinen Höhepunkt erreicht hat, die Männer sich auf die Knaben stürzen, sie schnell von hinten ergreifen und ihnen die Arme fesseln. Es kann dies ein gefährlicher Angriff für diese Männer werden, denn die Knaben dürfen sich verteidigen und den Angreifern mit dem Speer zu Leibe gehen. Im übrigen besteht für die Knaben, die sich freimachen, die Pflicht, den, der sie gefangen nehmen wollte, zu bekämpfen. Während die Knaben nun festgehalten werden, nähert sich ihnen ein Häuptling oder Verwandter mit einer Muschelgeldrolle und wirft sie ihnen über den Kopf auf die Schultern, worauf sie jeden Widerstand aufgeben müssen. Jeder Knabe, der eingefangen worden ist, muß in den Busch gehen, wo für ihn eine besondere Hütte errichtet wurde und darin sechs Monate bleiben. Während dieser Frist darf er keine seiner weiblichen Verwandten sehen; gegenüber anderen weiblichen Wesen besteht diese Verpflichtung nicht. Wenn er durch Zufall einer Verwandten in den Weg kommen sollte, muß er ihr, was er gerade bei sich trägt, anbieten, gleichsam als Ausgleich für die Schande, ihr begegnet zu sein; diesen Gegenstand nimmt sie auch ohne ein Wort zu sagen an. Nach Ablauf dieser Wartezeit werden die Knaben in anderen Häusern, die am Strand für sie erbaut worden sind, untergebracht. Ein Schmaus, den ihre Freunde geben, vervollständigt dann die Zeremonie.
Aus: Ploß-Renz, Das Kind.
Abb. 88. Zum ersten Male schwangere Frau aus Neupommern (Herbertshöhe),
die ein Amulett auf der Brust trägt.
Das Interessanteste in dieser Hinsicht sind indessen die Gebräuche, die sich auf die Zulassung der Knaben in eine geheime Gesellschaft beziehen. Gerade Melanesien ist das Verbreitungsgebiet solcher Gesellschaften, das heißt Verbände von Männern, die in einem besonderen Gebäude oder auch an bestimmten, für gewöhnlich geheim gehaltenen oder durch ein Tabuzeichen als unzugänglich für Uneingeweihte gekennzeichneten Orten sich treffen. Sie nehmen dort Übungen und Zeremonien vor, die nicht näher bekannt sind und deren Geheimnisse ängstlich vor den Nichtmitgliedern, im besonderen vor den Frauen verborgen gehalten werden. Auf den Verrat dieser Geheimnisse steht eine strenge Strafe. Auch dürfen sich Uneingeweihte solchen Orten nicht nähern, sie haben bei Übertretung schwere Strafen, selbst den Tod zu gewärtigen. Alles, was über die bei diesen Mysterien sich abspielenden Vorgänge an die Öffentlichkeit gedrungen ist, beschränkt sich darauf, daß seltsame Rufe sowie unheimliche, schreckenerregende Geräusche, von besonders dazu angefertigten Werkzeugen verursacht, aus dem Innern ertönen, die die Außenstehenden mit Furcht erfüllen sollen. Auch werden an diesen Stätten Masken (Abb. 97, 98, 102, 108 bis 112, 114 bis 116 und 119) von teilweise schreckenerregendem Äußern und Gewänder angefertigt, mit denen angetan die Männer zuzeiten hervorkommen und sich ins Dorf stürzen, hier die Gärten und Obstbäume plündern oder die angsterfüllten Frauen und Kinder verfolgen, jeden Mann, dessen sie habhaft werden können, durchprügeln und solchen, die sich die Mißgunst der Gesellschaft irgendwie zugezogen haben, eine besonders schwere Strafe erteilen. Es ist Sitte, daß sich jeder angehende junge Mann in diese Geheimbünde aufnehmen läßt, denn derjenige, der nicht beigetreten ist, nimmt keine sozial gleichberechtigte Stellung mit solchen Jünglingen ein, die schon zu den Mitgliedern des Bundes zählen; er wird unter anderem auch keine Frau bekommen. — Der Ursprung dieser Gesellschaften ist unbekannt. Vielleicht wurzelt er im Aberglauben. In den meisten Fällen scheint er mit Zauberei verbunden zu sein und den Zweck zu verfolgen, von seinen Anhängern das Böse fernzuhalten und ihnen Wohlergehen zu verschaffen. Wenngleich heutzutage die übrigen Dorfbewohner den wahren Hergang dieses Mummenschanzes und der damit zusammenhängenden Plünderungen erkannt haben oder ihn wenigstens vermuten, so ist damit doch nicht ganz die Furcht vor dem Bunde und seinen Taten beseitigt; sind die letzteren an und für sich doch schreckenerregend genug für diese Wilden bei der abergläubischen Furcht, die ihnen innewohnt.
Phot. H. W. Dauncey.
Abb. 89. Unanamädchen mit Dammgurt
an Stelle des sonst üblichen Grasrockes, und mit dem bei den Papuafrauen gebräuchlichen Netzsack auf dem Rücken.
Duk-Duk-Tänzer (Gazellehalbinsel).
Auf dem Bismarckarchipel müssen gewöhnlich die jungen Leute in die Gesellschaft der Duk-Duk eingeführt sein, ehe sie heiraten dürfen. Uneingeweihten und Frauen, welche die Geheimnisse des Bundes auszuspähen suchen, droht die Todesstrafe.
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Phot. H. W. Dauncey.
Abb. 90. Roromädchen im Tanzschmuck zur Feier eines Erstgeborenen ihrer Sippe.
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Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 91. Aus Gras angefertigtes langes Gewand,
das die Mutter nach der Geburt eines Kindes zu Kiriwina (Südost-Neuguinea) trägt.
Von den am besten bekannten Geheimbünden sind die Duk-Duk-Gesellschaften zu nennen, die über einen großen Teil Neupommerns sich verbreitet finden. Die Angehörigen dieses Bundes treffen sich für gewöhnlich auf einem freien Platz oder einem Tanzplatz im Walde, der den Blicken Unberufener durch dichtes Unterholz entzogen oder noch häufiger durch Kokosmatten direkt verhüllt wird. Auf diesem Platz werden eine oder zwei Hütten errichtet (siehe die farbige Kunstbeilage), um in ihnen die Masken aufzubewahren (Abb. 95 und 113); größere Masken werden an Pfosten vor der Hütte aufgehängt. Nichtmitglieder wissen, wo sich diese Plätze befinden, und meiden sie sorgfältig, da sie sonst streng bestraft werden, auch wenn das Vergehen unbeabsichtigt war. Soll eine Anzahl Jünglinge in die Duk-Duk-Gemeinde aufgenommen werden, so geschieht dies mit ganz besonderen Feierlichkeiten. Das Fest wird bei Anbruch des Tages durch großes Geschrei vom Tanzplatze aus verkündet, die Jünglinge werden sodann hereingelassen und in einem Kreise aufgestellt. Ein hoher Würdenträger des Bundes, mit Maske und Schmuck seines Ranges bekleidet (Abb. 63 u. 101), tanzt nun in der Mitte dieses Ringes, schreit, gestikuliert lebhaft und schlägt dabei die Jünglinge mit einem Stock, während die übrigen Mitglieder, die außerhalb des Kreises stehen, das gleiche tun, so daß das Schreien und Stöhnen der gepeinigten Opfer nach außen dringt. Währenddessen sitzen die Mütter und Schwestern zu Hause und weinen. Sodann wird den Novizen Nahrung verabreicht, worauf der hohe Würdenträger sich seines Putzes entledigt und die Knaben auffordert, diesen anzulegen, aber sie weigern sich, weil sie annehmen, daß dahinter ein Zauber steckt. Schließlich folgt ein Tanz, dessen verschiedene Schritte den Jünglingen gelehrt werden. Feierlich werden sie noch vor den schrecklichen Folgen gewarnt, die ein Verrat der Geheimnisse des Bundes nach sich zieht. Der erste Tag des Festes endigt mit einem großen, von den Verwandten der Jünglinge veranstalteten Schmaus, an dem diese sowie die Mitglieder der Gesellschaft teilnehmen. Die nun in den Bund aufgenommenen Knaben verbringen die erste Nacht bei den Mitgliedern auf dem Tanzplatze. Am nächsten Morgen erhalten sie ihr Duk-Duk-Gewand. Ist der Tanzplatz in der Nähe der See, so besteigen die Duk-Duk-Männer geschmückte Kanu und werden von unmaskierten Eingeborenen mit Gesang und Trommelschlag die Küste entlang gerudert (Abb. 103). Hierauf kehren sie alle unter gleichem Lärme zum Platz zurück (Abb. 104), wo nunmehr ein wilder Tanz stattfindet. Sobald dieser sich seinem Ende nähert, ergreift jeder der Teilnehmer ein starkes Bambusrohr. Der Würdenträger der Gesellschaft schlägt nun die maskierten Leute, die an ihm vorbeispringen, diese aber geben die empfangenen Schläge wieder zurück. Die Frauen draußen hören das Schreien und Kreischen und begleiten es mit ohrenbetäubenden Rufen. Nach Ablauf der ganzen Vorstellung bilden die Mitglieder einen großen Kreis um den Würdenträger, der einheimisches Geld erhält; ebenso erhalten die neuen Mitglieder etwas davon, zum Zeichen, wie vorteilhaft es für sie ist, dem Bunde anzugehören. Darauf werden die Masken beiseite gelegt, und schließlich wird noch ein Schmaus von den Verwandten der neu Aufgenommenen abgehalten. Am nächsten Tage beginnen die Duk-Duk-Männer eine Geldsammlung, die täglich einen, wohl auch zwei Monate lang fortgesetzt wird, wobei sie jede Hütte in der Umgebung aufsuchen und ein Geschenk verlangen, also gleichsam eine Erpressung ausüben; die Leute geben auch durchweg, denn sie wissen ganz gut, wie schlecht es ihnen ergehen kann, falls sie die Forderung abschlagen sollten. Nach Ablauf der Sammlung erklärt der oberste Würdenträger die Duk-Duk-Männer für tot; es findet noch ein letzter Schmaus statt, alle Masken und sonstiges Gerät werden wieder fortgeräumt, und die Mitglieder kehren in ihre Hütten zurück bis zum nächsten Mal.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 92. Baumhaus der Eingeborenen auf Neupommern.
Abgesehen von den größeren Zeremonien, die oft wochenlang dauern, halten andere Stämme, wie zum Beispiel am Flyriver, häufig kleine Feste ab, die von der Dämmerung bis zum Morgengrauen währen. Tänze spielen auch hier die Hauptrolle, sie dauern die ganze Nacht und gemeinsamer Gesang der phantastisch herausgeputzten Eingeborenen begleitet ihr taktmäßiges Schlagen der Trommeln (siehe die farbige Kunstbeilage).
Phot. A. M. Fillodean.
Abb. 93. Mekeoweib, das ihr Kind in einem Netz mit sich schleppt.
Für gewöhnlich dient ein solches Netz, das vom Kopf über den Rücken herabhängt, zum Tragen von Früchten und Feuerholz.
Tänzer vom Flyrivergebiet in Festtracht.
Von den großen Zeremonien abgesehen, die manchmal wochenlang dauern, werden von den Eingeborenen dieses Gebiets häufig kleinere Feste abgehalten, die vom Abend bis zum Morgen andauern. Die ganze Nacht über ertönt der gemeinsame Gesang des Wilden zum Klang der Trommeln und zum Stampfen der Tänzer, während flackernde Feuer die phantastische Szene beleuchten.
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Auf den Inseln des Bismarckarchipels gibt es eine andere Form von Geheimgesellschaften, Ingiet genannt; an ihrer Spitze steht ein großer Zauberer, der den Ruf, mächtige Zauberkraft zu besitzen, genießt. Nach dem Aberglauben der Eingeborenen vermag dieser Zauberer die Geister zu beschwören, indem er Kalk verspritzt, Ingwer ißt und Zaubersprüche hersagt; er wird daher auch in Krankheitsfällen zu Rate gezogen. Ebenso wie der Duk-Duk-Bund besitzen die Ingietgesellschaften ihren geheimen Versammlungsort, dessen Betreten von seiten Uneingeweihter durch die Geister mit dem Tode geahndet wird. Der Platz ist umzäunt, und an einer Stelle der Umfriedigung werden roh in Stein gehauene oder aus Holz geschnitzte und bemalte Bildnisse aufbewahrt, welche menschliche Wesen, Schweine, Krokodile, Haifische, Vögel und andere Tiere darstellen. Da nur das Haupt der Ingietgemeinde diesen geheiligten Ort betreten darf, so müssen die Novizen bei ihrem ersten Erscheinen zuvor vor der Todesstrafe, die sonst die Folge unbefugten Eindringens sein würde, geschützt werden, indem sie Ingwer kauen, die Ingwerpflanze in den Händen halten und sich um den Hals legen. Der oberste des Bundes bemalt die neu Aufzunehmenden außerdem noch mit einem Zauberstoff, den er aus ausgekautem Ingwer und Kalk zusammengestellt hat und aus seinem Munde auf ihre Körper, desgleichen auf die Bildnisse an der geweihten Stätte bläst. Bei der sich daran anschließenden Einweihungsfeier hält der Häuptling den Stiel einer bestimmten Pflanze, der Einzuweihende deren Blätter in der Hand, dann zieht der erstere und streift auf diese Weise die Blätter unter Hersagen von Zaubersprüchen durch die Hand des Novizen. Damit ist die Einweihungsfeier vollzogen. — Mit den angeführten Gesellschaften ist indessen die Zahl der auf Melanesien vorhandenen Geheimbünde noch nicht erschöpft; es gibt noch eine Reihe anderer, von denen jeder seine eigenen Gebräuche bei der Einweihungsfeier der neu Aufzunehmenden und bei anderen festlichen Gelegenheiten besitzt. Eine dieser Geheimgesellschaften wollen wir indessen noch erwähnen, die bis vor kurzem auf einer der Torresstraßengruppe ihr Wesen trieb, da sie von der bisher beschriebenen Art stark abwich. Jeder Novize wurde während der Dauer der Zeremonie am ganzen Körper täglich mit Ruß angemalt; er wurde außerdem in ein Mattenzelt von der Form eines steilen Daches gesteckt, das an seinem Körper befestigt wurde und einen so geringen Umfang besaß, daß der Knabe, damit das Zelt auf die Erde reichte, eine sitzende Stellung einnehmen mußte. Einen vollen Monat hatten die neu Aufzunehmenden in der erstickenden Hitze und Dunkelheit eingezwängt auszuhalten. Sie durften weder spielen noch sprechen, weder ihre Väter noch ein weibliches Wesen sehen; sie wurden streng bewacht und mußten, obgleich sie allabendlich zu einem für sie besonders hergerichteten Hause geführt und morgens vor Sonnenaufgang wieder zurückgebracht wurden, ihre Zelte mit sich schleppen, so daß beim Gehen nur ihre Beine sichtbar blieben. Während ihrer Abgeschlossenheit wurden die Novizen in den Lehren und Gebräuchen ihres Stammes unterwiesen und über ihre moralischen Pflichten, sowie über den Umgang mit den Frauen aufgeklärt; im besonderen mußten sie gewisse Zauberformeln und Mittel kennen lernen, durch die sie die Zuneigung eines Mädchens gewinnen konnten. Eines dieser Mittel bestand darin, die Erde an bestimmten Stellen mit dem Speer zu bearbeiten und bei dessen Herausziehen den Namen des Mädchens auszurufen, ein anderes in der Bereitung einer besonderen „Mädchenmedizin“ durch Vermischung mit Tabak und ihrer Darreichung an die Geliebte, oder auch in dem Salben des ganzen Körpers mit dieser Medizin. Am Ende des Monats wurden die Trommeln geschlagen und die Zelte den Knaben abgenommen; sie wurden dann in der See gewaschen, mit Blättern abgerieben und mit der wirklichen „Mädchenmedizin“ gesalbt. Bei Einbruch der Nacht mußten sie alle zu einem freien Platze in der Nähe des Dorfes wandern, wo ihre Angehörigen auf sie warteten. Auf dem Hinweg wurde eine lange Matte vorangetragen, welche die Knaben verbarg. Nachdem die Aufgenommenen sich gelagert hatten, wurde die Matte entfernt und die Jünglinge zeigten sich nun den hocherfreuten Verwandten als Männer, nicht mehr als Knaben.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 94. Festlichkeit bei den Mafulu (Neuguinea),
die veranstaltet wird, wenn die Kinder ihre erste Bekleidung, die aus einem Dammgurt besteht, erhalten. Die Eltern jedes Kindes haben zu der Bewirtung der Gäste aus anderen Gemeinden ein Schwein und Früchte beizusteuern.
Aus: Meyer-Parkinson, Papua-Album II.
Abb. 95. Maskenhaus auf Neumecklenburg.
In der unteren Reihe sind gewöhnliche Tanzmasken, in der oberen Reihe Totenmasken aufbewahrt.
Belustigungen und Spiele erfreuen sich unter den Eingeborenen Melanesiens bei Klein und Groß allgemeiner Beliebtheit, so das Fadenspiel (Abb. 117), in dem die Erwachsenen eine große Fertigkeit aufweisen, und das Cuscusspiel (Abb. 121) der Kleinen.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 96. Einweihung von Jünglingen in Nordbougainville in die Sitten und Gebräuche ihres Stammes.
Ein Häuptling wählt vier oder fünf Jünglinge aus, die in eine Hütte geführt werden. Sie müssen verschiedene Verrichtungen vollführen, die Stammesregeln lernen und müssen immer die merkwürdige ballonförmige Kopfbedeckung tragen. Wenn ihr Haar die letztere ausfüllt, dann ist die Zeit ihrer Abschließung vorüber.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 97. Maske aus Bougainville,
die indessen nie zu Tänzen getragen wurde.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 98. Tanzmaske von der Insel Nissan,
mit der die Eingeborenen erschreckt und verscheucht wurden, so daß die Mitglieder des Geheimbundes deren Habseligkeiten rauben konnten.
Verschiedentlich wird auf Melanesien mit Eintritt der Geschlechtsreife eine Beschneidung der Knaben vorgenommen. Jedoch kommt es auch gelegentlich vor, daß man schon verheiratete junge Leute zusammen mit kleinen Knaben dieser Operation unterwirft, wenn man nämlich in einem Dorfe für diese Feierlichkeit, die alljährlich höchstens einmal stattfindet, nicht genügend Kandidaten beisammen hat, so daß das Fest um ein oder mehrere Jahre hinausgeschoben werden muß. Auf Kaiser-Wilhelms-Land, wo die Beschneidung keineswegs allgemein üblich ist, spielt sich der Vorgang folgendermaßen ab. Für die Jünglinge bestehen, wie bei ähnlichen Feierlichkeiten, strenge Diätvorschriften. Nach solcher Vorbereitungszeit werden die Kandidaten unter dem Geheul der Weiber und unter Rutenstreichen der Männer zu dem für die Beschneidung bestimmten Platze geführt, wo sich das Haus des „Balum“, eines mythischen Ungeheuers, befindet. Schon während des Baues dieser Hütte dürfen die Weiber des Dorfes sich ihr nicht nähern, nötigenfalls müssen sie auf ihren Gängen große Umwege machen. Außerdem müssen Frauen und Kinder so lange, als das Ungeheuer in diesem Hause weilt, außerhalb des Dorfes in eigens dazu errichteten Hütten wohnen; auch dürfen sie keinen der zu beschneidenden Knaben sehen, es würde ihnen sonst das Leben kosten. Um sich bemerkbar zu machen, verursachen sie bei ihren Ausgängen innerhalb des Dorfes mittels eines trommelartigen Werkzeuges Lärm, der von den Knaben, wenn sie ihn hören, durch das Blasen von Bambusflöten erwidert wird, um die Frauen zu warnen, in dieser Richtung weiter zu gehen, oder sie zu veranlassen, auszuweichen. Sobald die Kandidaten an der Hütte des Balum, die sein „Magen“ heißt, angekommen sind, ruft man den Balum mit Namen und fordert ihn durch Blasen auf Muscheltrompeten auf, herauszukommen. Gibt er dann aus dem Innern der Hütte ein Zeichen von sich, dann beginnen die Männer ihre Gesänge, die mehr einem Geheule gleichen, und opfern Schweine, um das Leben der Knaben zu erhalten. Den Weibern wird vorgeredet, der Balum verschlinge die Knaben und gebe sie nach dem Schweineopfer als kräftige Burschen wieder von sich. In Wahrheit aber wird das Fleisch von den Männern verspeist. Damit das Ungeheuer nicht fortlaufe und die übrigen Dorfbewohner belästige, wird die Hütte mit Stricken festgebunden. In ihrem Innern vollzieht sich nun die Beschneidung. Stirbt dabei etwa ein Knabe, dann sagt man, er sei unversehens in den Schweine- anstatt in den Menschenmagen des Balum geraten; nur der letztere könne ihn wieder von sich geben. Ist die Operation vorbei, dann müssen die Beschnittenen noch so lange in der Balumhütte bleiben, bis sie durch ein nochmaliges Schweineopfer für erlöst erklärt werden. Darauf werden sie in feierlichem Zuge zum Dorfe zurückgeführt und erhalten von nun an das Recht, an den zukünftigen Beschneidungsfeierlichkeiten teilzunehmen. Auf der Insel Karesau (Neuguinea) sind die Beschneidungszeremonien noch verwickelter. Nachdem die Kandidaten ein Bad genommen haben, werden sie in besonderen Häusern am Ende des Dorfes untergebracht und dürfen ihre Angehörigen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das Essen erhalten sie von ihren Beschneidungspaten gebracht, deren Frauen es zubereiten. In der ersten Nacht kündigt sich das Nahen des Kasuargeistes Makarpon von der See aus an; die See wird mit Kokoswedeln geschlagen, Flöten werden geblasen (Abbild. 118) und schlangenförmige Windungen im Ufersande gezeichnet, welche die Schwanzspuren des Geistes bei seinem Kommen vorstellen sollen. Dieser begibt sich nun in ein außerhalb des Dorfes gelegenes Geisterhaus, in das am anderen Morgen die Kandidaten geführt werden. Sobald sie auf dem davor liegenden Platze erscheinen, nahen sich ihnen von dem Geisterhause aus verschiedene Geisterpaare in Gestalt von Vögeln — von diesem Zeitpunkt an dürfen die Knaben Zeit ihres Lebens Fische und Vögel nur noch im Geisterhaus genießen — und stürzen sich, nachdem sie untereinander einen Kampf aufgeführt haben, auf die Knaben mit ausgebreiteten Flügeln, um sie anscheinend zu fressen, kehren jedoch wieder in das Geisterhaus zurück, das nunmehr verschlossen wird. Die Knaben werden darauf einer nach dem anderen nach einem abseits gelegenen Platz am Strande gebracht, wo zwei Männer ihrer warten. Der Beschneidungspate faßt nun den Knaben, der nicht ahnt, was mit ihm vorgenommen werden soll, von hinten an den Armen und beugt seinen Kopf so weit nach rückwärts, daß er von der Operation, die an ihm vorgenommen wird, nichts sehen kann. Die abgeschnittene Vorhaut wird entweder in einen Ameisenhaufen geworfen oder in einer kleinen Grube in der Erde verscharrt. Bei den jüngeren Knaben wird nur die Durchbohrung des Gliedes vorgenommen, eine wirkliche Abtragung der Vorhaut findet für gewöhnlich dann nicht mehr statt; nur wenn sie als verheiratete Männer das Geisterhaus betreten wollen, wird die Beschneidung mit Gewalt an ihnen ausgeführt. Knaben, die sich bei der Operation widerspenstig zeigen, wird mit Speer und Dolch gedroht; auch werden ihnen ernste Mahnungen darüber zuteil, daß sie den ganzen Vorgang geheim zu halten haben. Die Beschnittenen waschen sich in der Regel sogleich die Wunde im Meere. Nachdem sie bis dahin nackt gegangen sind, erhalten sie jetzt einen Lendengurt. Bei ihrer Rückkehr zum Geisterhaus werden sie von ihren Paten ermahnt, bis zum Abschluß der Zeremonie nichts mit Frauen zu tun zu haben, fortan nie mehr mit kleinen Mädchen zu spielen und nicht mehr auf Männer zu schimpfen und anderes mehr. Für jeden Knaben ist gegenüber dem Geisterhaus ein Lager bereitet, auf dem sie, mit geschlossenen Augen den Strahlen der Sonne preisgegeben, für Stunden so lange verharren müssen, bis ihnen durch den Ton einer Flöte, der dem Bellen eines Hundes ähnlich ist, gestattet wird, die Augen wieder zu öffnen und zu sprechen. Mittlerweile ist den Frauen im Dorfe ebenfalls durch Blasen auf Bambusflöten verkündet worden, daß die Beschnittenen sich nun im Bauche des Kasuargeistes befinden, und einige Stunden später auf die gleiche Weise, daß sie ihn nun verlassen hätten. Sobald die Knaben von ihrer Pein erlöst sind, nahen sich ihnen bewaffnete Männer aus dem Wald und schleudern einen Speer oder schießen einen Pfeil dicht über die rechte Schulter der beschnittenen Knaben in die Erde. Das ist das Zeichen für diese, nunmehr aufzuspringen und dafür, daß die eigentliche Feier beendet ist. Aber damit ist die Zahl der mit dem Vorgang verbundenen Zeremonien noch nicht erschöpft. Einige davon sollen hier noch Erwähnung finden.
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 99. Szene aus den Feierlichkeiten bei der Einweihung von Jünglingen auf den Inseln der Torresstraße in die Stammesgebräuche.
Während dieser Zeremonie sind die Jünglinge zum ersten Male Zeugen der heiligen Tänze und lernen die Legenden ihres Stammes kennen. Hierauf werden sie zusammengestellt und von bewaffneten Männern, die Geister vorstellen, angegriffen und oft stark verletzt.
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GRÖSSERES BILD
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 100. Einweihungstanz auf den Inseln der Torresstraße.
Der vorderste der drei Tänzer, der bei jedem Schritt das eine Bein für kurze Zeit hoch hebt, trägt eine Maske ohne Augen und wird daher von dem zweiten mit einem Strick geleitet.
Nach Sonnenuntergang hauen die Beschnittenen einem Baum, der einer Tanne gleicht und Kalpem genannt wird, die Äste so weit ab, daß nur noch Stümpfe davon am Stamme bleiben, schälen die Rinde vollständig ab und bemalen den Baum mit schwarzen, roten und weißen Ringen, darauf behängen sie ihn mit Federn und Girlanden aus bunten Früchten und pflanzen ihn in die Erde. Außerdem stecken sie in einer gewissen Entfernung von diesem Baum zwei Stäbe in die Erde und verbinden sie mit kunstvollen, mit Federn verzierten Geflechten aus Kokosblättern. Sobald diese Vorbereitungen getroffen sind, stimmen die Knaben unter Trommelschlägen einen Gesang an, der die ganze Nacht andauert und ihre ganze „Nationalliteratur“ umfaßt. Beim Aufgehen des Morgensterns stellen sie die Trommeln um den Kalpembaum und gehen ins Geisterhaus, um zu schlafen. Hierauf kommen einige Männer aus dem Dorfe, vergewissern sich, daß die Knaben diesen Baum ohne fremde Beihilfe angefertigt haben, bewundern ihn, reißen ihn aber aus und nehmen die Federn, mit denen er geschmückt war, als ihr Eigentum an sich. — Weitere Zeremonien sind die Kanufahrten der älteren Knaben unter den Beschnittenen, die unter Gesang Baumrinde holen, woraus nach der Rückkehr vor dem Geisterhaus Lendentücher angefertigt werden, und daran anschließend die Bootsfahrten der Männer, um eine für tabu geltende Liane aufzusuchen, aus der sie Saft abzapfen, mit dem vor dem Geisterhause auch wieder Zauber getrieben wird; ferner das Schleudern eines mehrzinkigen Fischspeeres von seiten der Knaben in eine Yams enthaltende Schüssel, das Herausholen eines Stückes, das Lecken daran, dessen Zurückwerfen samt dem anhaftenden Speer in die Schüssel und das schließliche Schleudern ihres ganzen Inhaltes ins Meer; die Zubereitung einer Salbe aus Kokosnußöl und roter Farbe, womit die Haare eingerieben werden; die Gewinnung einer wohlriechenden Substanz aus den Blättern eines bestimmten Baumes und Einsalben des Körpers damit; das Aufpflanzen eines mit Blättern geschmückten Pfahles und dessen Anspeien mit wohlriechender Substanz durch sämtliche Knaben, die ihn dabei mit Gesang umkreisen und vieles andere mehr.
Phot. E. v. Hesse-Wartegg.
Abb. 101. Duk-Duk-Tänzer vom Bismarckarchipel.
Die Duk-Duk-Gesellschaften halten ihre Zusammenkünfte auf abgeschlossenen Plätzen ab, die Uneingeweihte und Frauen nicht betreten dürfen. Durch Lärmen und Schreien suchen sie die anderen Eingeborenen einzuschüchtern.
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GRÖSSERES BILD
Aus: R. Neuhauß, Deutsch-Neuguinea.
Abb. 102. Geflochtene Tanzmaske vom Kaiserin-Augusta-Fluß.
Phot. E. v. Hesse-Wartegg.
Abb. 103. Wasserfahrt der Duk-Duk-Tänzer.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 104. Landen der Duk-Duk-Tänzer, nach welchem der Tanz seinen Fortgang nimmt.
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GRÖSSERES BILD
In bestimmten Teilen des Bismarckarchipels und auf den westlich daran anstoßenden Inseln herrscht die barbarische Sitte der Abschließung junger Mädchen, besonders solcher, die im jüngsten Kindesalter bereits mit einer Person von Ansehen, zum Beispiel mit dem Sohne des Häuptlings verlobt wurden. Kegelförmige Käfige, bisweilen nur etwas über zwei Meter hoch bis zur Spitze und im unteren Durchmesser oft nicht größer, werden aus breiten, dicht zusammengenähten Blättern hergestellt, so daß in Wirklichkeit kein Licht und fast gar keine Luft in sie einzudringen vermag; jeder dieser Käfige besitzt eine nur kleine Öffnung, die mit einer ähnlich gebauten, nach außen sich öffnenden Tür versehen ist. In diesen Käfigen, die überdies für gewöhnlich noch in Hütten stehen, werden die Mädchen Jahre hindurch gefangen gehalten, oft fünf Jahre und noch länger; sie dürfen weder Tag noch Nacht herauskommen, auch wenn sie krank werden sollten, ausgenommen einmal am Tage, um in einer Schüssel oder Holzschale, die dicht dabei steht, zu baden. Diese Käfige sind oft so klein, daß das Mädchen nur sitzen oder gekrümmt darin liegen kann (Abb. 122).
Aus: Hesse-Wartegg, Samoa.
Abb. 105. Duk-Duk-Tänzer im Festschmuck.
Auch im Bereiche von Deutsch-Neuguinea werden Mädchen, die das Reifealter besitzen, in strenger Abgeschlossenheit gehalten; während dieser Zeit müssen sie eine sorgfältige Tatauierung über sich ergehen lassen und werden von älteren Frauen in Dinge eingeweiht, die sich auf das Geschlechtsleben beziehen.
Aus: Hesse-Wartegg, Samoa.
Abb. 106. Duk-Duk-Tänzer im Festschmuck.
Das Durchbohren von Nase und Ohren ist für gewöhnlich kein Ereignis von feierlichem Charakter, nur vereinzelt, zum Beispiel bei den Mafulu, werden dabei bestimmte Vorschriften eingehalten, wie Absonderung, Speiseverbote und andere Entsagungen.
Sobald an den Knaben und Mädchen die Zeremonie der erlangten Reife vollzogen ist, sind sie heiratsfähig und können sich nach einem Lebensgefährten umsehen. Verschiedentlich wird die Ehe bereits frühzeitig eingegangen (Abb. 124); auf Neuguinea wurden Fälle beobachtet, in denen die jungen Männer nur vierzehn bis fünfzehn, die jungen Frauen erst neun bis zehn Jahre zählten.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 107. Sisumasken der Sulka,
die nach dem Glauben dieses Stammes geheime Eigenschaften besitzen. Die Tänzer kriechen zunächst auf dem Boden, die Kinder berühren sie dann, damit sie gedeihen und stark werden.
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GRÖSSERES BILD
Gelegentlich finden bei den Papua und auch anderwärts in der melanesischen Inselwelt Verlobungen der Kinder statt. Auf den Salomonen werden in Häuptlingsfamilien die Kinder sogar schon, bevor sie geboren sind, einander versprochen; die Abmachungen werden hier nicht von den Eltern, sondern von bestimmten Heiratsvermittlern geführt, die auch den Kaufpreis festlegen. Besondere Festlichkeiten finden bei diesen Kinderverlobungen im allgemeinen nicht statt. Die Koita veranstalten ein feierliches Familienkauen von Betelnüssen. Verschiedentlich wird ein Schmaus und ein Tanz veranstaltet. Auf den Neuhebriden muß bei der Verlobung einer Häuptlingstochter der kindliche Bräutigam, wenn er schon alt genug dazu ist, ein Drakänenblatt in das Auge einer jungen trinkbaren Kokosnuß stecken und letztere der Mutter des Mädchens überreichen, damit dieses daraus trinke. Auf einer anderen Insel dieser Gruppe bringt bei der Geburt eines weiblichen Kindes der Vater oder die Mutter eines Knaben diesen und ein mit Wasser angefülltes Bambusrohr in das Haus des Mädchens, das der Knabe wäscht, wodurch es seine Verlobte wird. Solche Kinderverlobungen sind unter Umständen so bindend, daß, als einmal in den Mafulubergen ein verlobter Knabe, lange bevor ein eheliches Verhältnis möglich war, starb, das Mädchen für seine Witwe angesehen wurde.
Phot. Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Abb. 108. Tanzmaske aus Neumecklenburg.
Phot. Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Abb. 109. Tanzmaske aus Neumecklenburg.
Abgesehen von solchen Kinderverlobungen wählen sich die jungen Melanesier meist ihre zukünftige Gattin aus freien Stücken. Findet zum Beispiel ein Papua der Astrolabebai an einem Mädchen Gefallen, so dreht er sich eine Zigarette, wobei er Haare von verschiedenen Stellen seines Körpers mit hineinwickelt, raucht diese zur Hälfte auf und übergibt den Rest seiner Mutter, auf daß sie diesen der Auserwählten bringe. Raucht das Mädchen die Zigarette nun auf, so ist dies ein Zeichen, daß sie die Werbung annimmt. In einer der Küstengegenden von Deutsch-Neuguinea schlägt ein junger Mann das Mädchen, das er heiraten möchte, leicht mit einem kleinen, geschnitzten, flachen Stück Holz auf die Wange; dies ist sein Heiratsantrag.
Phot. Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Abb. 110. Tanzmaske aus Neumecklenburg.
Um die Zuneigung der Mädchen zu gewinnen, wird von den jungen Leuten mancherlei Liebeszauber angewendet. Ein Jüngling der Koita versenkt bisweilen ein Stück Quarz in die Milch einer jungen Kokosnuß, reibt sich damit das Gesicht ein und denkt dabei scharf an das Mädchen, dessen Liebe er erwerben möchte. Auf einigen Inseln östlich von Neuguinea bereiten sich die jungen Leute einen sehr wirksamen Liebeszauber, indem sie die Rinde eines bestimmten Baumes zu Pulver zerreiben, dieses mit Kokosnußschnitzeln vermischen, die Mischung in ein Blatt rollen und das Ganze braten. Das Zaubermittel wird einfach in der Weise angewendet, daß der Saft dieses Gemengsels dem Mädchen, während es schläft, ins Gesicht gespritzt wird. Man glaubt dann, daß es sich innerhalb weniger Tage in den, der dieses Verfahren anwendet, heftig verlieben wird. Bei den Mafulu üben die jungen Burschen eine Art Sympathiezauber aus. Sie tragen in einer kleinen Tasche beständig Holz- oder Steinstückchen mit sich herum, damit diese den Geruch ihres Körpers annehmen, mischen, ehe sie sich dem Mädchen ihrer Wahl nähern, Tabak darunter und schicken diesen dann dem Mädchen zum Rauchen. Da der Besitzer eines solchen Mittels, dessen Wirksamkeit mit der Zeit zunehmen soll und außerdem noch durch die Kraft eines wirklichen Zauberers erhöht werden kann, es schwer zu ersetzen vermag, so trennt er sich unter keinen Umständen davon. Die Mafulu besitzen auch ein Mittel, um die Zukünftige zu entdecken. Ist ein Jüngling heiratslustig, weiß er aber nicht, woher er eine Frau nehmen soll, dann zündet er bei Windstille ein helles Feuer an und wartet ab, bis ein leiser Lufthauch die Flamme oder den Rauch nach einer bestimmten Richtung trägt; in dieser geht er auf die Suche nach einer Braut.
Aus: Pfeil, Studien und Beobachtungen aus der Südsee.
Abb. 111. Maskentänzer aus Neumecklenburg.
Verschiedentlich begegnen wir in Melanesien auch der Raubehe. Wenn ein Baininger (Neupommern) ein bestimmtes Mädchen zur Frau haben will, so veranlaßt er seine Bekannten, es für ihn zu rauben. Daher pflegen dort die Eltern vielfach ihre Töchter sorgfältig zu verbergen; das Heiraten ist für die jungen Leute somit nicht leicht gemacht. Glückt der Raub, so stellt sich zunächst ein feindschaftliches Verhältnis zwischen beiden Parteien ein, das aber bald wieder beigelegt wird. Entweicht das Mädchen den Entführern und läuft es zu den Eltern zurück, so pflegen sie, falls sie einverstanden sind, ihr Kind mit Geschenken dem Manne wieder zurückzuschicken, wofür dieser sich durch Gegengeschenke erkenntlich erweist. Im Innern Neuguineas ist der Brautraub bereits zu einer Formsache abgeschwächt. Ist der Jüngling nämlich mit seiner Erwählten einig, dann wird eine Entführung verabredet. Das glückliche Paar flieht zu einem befreundeten Stamme, bei dem es seine Flitterwochen verbringt, hierauf kehrt es wieder nach Hause zurück und die Heirat wird durch Erlegung des Kaufpreises eine rechtmäßige. Die Kaufehe ist die in Melanesien am meisten verbreitete Form. Der Vater des Bräutigams und seine Sippe zahlen den ausbedungenen Preis (Abb. 123 u. 127) meistens in Gestalt von Muschelgeld, an anderen Orten auch von Stoffen, Waffen, Goldsachen und Schmuckgegenständen an die Verwandten der Braut. Nach der Verlobung bleibt das junge Mädchen meistens noch im Hause der Eltern, bei anderen Stämmen wieder siedelt es zu den zukünftigen Schwiegereltern über und wartet hier so lange, bis der Bräutigam das neue Heim hergestellt hat. — Sehr strenge sind die Verhaltungsmaßregeln für die Braut bei den Sulka auf Neupommern. Sie muß dort im Hause der Schwiegereltern bis zur Hochzeit ganz zurückgezogen leben, was monatelang dauern kann. Am hinteren Ende der gemeinsamen Wohnhütte wird für sie durch Matten ein kleiner Raum abgetrennt, wo sie, nur von einer jungen Verwandten des Bräutigams, die ihr das Essen reicht, unterstützt, hausen muß, unter Befolgung strenger Verbotsvorschriften, die sich auf verschiedene Speisen, ebenso auf das Wasser, beziehen. Ihren Durst darf die Zurückgezogene nur durch Aussaugen von Zuckerrohr löschen, ihre Nahrung niemals mit dem Finger berühren, sondern nur mit einem Stäbchen aus einer Kokosblattrippe zum Munde führen. Sie darf ferner keinen Mann sehen und, wenn sie einmal auszugehen genötigt ist, muß sie mit einem langen, von den Schultern bis zu den Füßen reichenden Mantel aus Bananenblättern bekleidet oder mit einer Matte bedeckt sein und unterwegs durch Pfeifen sich bemerkbar machen, damit die Männer ihr beizeiten aus dem Weg gehen können. Schließlich werden ihr von Weibern, die der Bräutigam dafür durch einen Schmaus entlohnt, Verzierungen auf Brust, Rücken und Bauch teils mit Obsidiansplittern eingeritzt, teils mit glühenden Kokosblattrippen eingebrannt. Ein ähnlicher Brauch herrscht auf den Admiralitätsinseln, wo diese Verbannung gegen sechs Monate, und in gewissen Teilen Neumecklenburgs, wo sie sogar oft zehn bis zwanzig Monate andauert.
Phot. Brit. Museum London.
Abb. 112. Maske aus Neukaledonien.
Aus: Meyer-Parkinson, Papua-Album II.
Abb. 113. Maskenhaus einer geheimen Gesellschaft auf dem Bismarckarchipel.
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Die eigentliche Hochzeitszeremonie ist in Melanesien ganz verschiedenartig; an sehr vielen Orten verdient sie kaum diese Bezeichnung, da sich der ganze Vorgang nur auf die Auszahlung des Kaufpreises beschränkt. Bei den Bainingern tauschen die Verlobten einfach Betelnüsse aus, und die Ehe gilt für geschlossen. Bei den Gebirgsvölkern im Innern Neuguineas besteht die Zeremonie darin, daß sich sämtliche Beteiligten, einschließlich der beiden Elternpaare, an der Stirn blutig ritzen, zum Zeichen, daß die beiden jungen Leute nun zueinander gehören. Auf den Neuhebriden hält der Vater des Mädchens oder ein einflußreicher Freund vor den versammelten Gästen eine Rede, ermahnt darin den Bräutigam, seine Frau gut zu ernähren, sie freundlich zu behandeln, sowie nicht mürrisch gegen sie zu sein und überreicht ihm hierauf die Braut, die in einen neuen Grasrock gekleidet ist. Vorher hat der Jüngling einen Drakänenzweig in die Erde gesteckt und Schweine, Nahrungsmittel und Matten als Entgelt für die Braut herbeigebracht. Den Schluß bildet ein Festschmaus, bei dem sich der junge Ehemann voller Aufmerksamkeit gegen seinen Schwiegervater oder den Festredner erweist, indem er sie unter anderem zum Zeichen seines Dankes zärtlich streichelt.
Aus: Neuhauß, Deutsch-Neuguinea.
Abb. 114. Maske für die Einweihungsfeierlichkeiten bei den Warapu.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 115. Knieender Maskenträger von den Französischen Inseln (Bismarckarchipel).
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 116. Geistermasken eines alten, nunmehr vergessenen Brauches auf der Gazellehalbinsel.
Obgleich die jetzigen Eingeborenen nicht mehr wissen, welche Geister diese Masken darstellen, halten sie noch an den alten Geistertänzen fest, bei denen diese Masken getragen werden.
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Phot. C. M. Woodford.
Abb. 117. Salomoinsulaner beim Fadenspiel,
das sehr beliebt ist. Sie besitzen darin große Gewandtheit, machen alle mögliche, oft schwierige Figuren, ahmen mit Hilfe der Fäden Menschen, Tiere und andere, selbst in Bewegung befindliche Dinge, wie kämpfende Männer, nach.
Aus: Meyer-Parkinson, Papua-Album II.
Abb. 118. Eingeborene mit Panflöten.
Diese Instrumente, mit denen die Insulaner eine ganz gute musikalische Wirkung erzielen, werden in Melanesien häufig angetroffen.
In den Hochzeitszeremonien kehren verschiedentlich Anklänge an die Raubehe wieder. So umzingeln, um ein Beispiel anzuführen, im Rorogebiet (Britisch-Neuguinea) am Hochzeitstage eine Anzahl Freunde des Bräutigams das elterliche Haus des Mädchens und nehmen von ihm durch einen Scheinangriff unter viel Lärm und Toben Besitz. Das Mädchen entkommt dabei, wird aber verfolgt und wieder eingefangen, trotzdem es sich gegen seine Feinde mit Händen, Füßen und Zähnen verteidigt. Währenddessen spielt sich in seines Vaters Haus der Kampf weiter ab. Seine Mutter schlägt jeden leblosen Gegenstand ihrer Umgebung mit einer Keule oder einer Waffe und stößt dabei gegen die Räuber ihrer Tochter Flüche aus, schließlich bricht sie zusammen und verfällt ins Weinen, in das andere Frauen aus dem Dorf mit einstimmen. Ihre Klagen dauern drei Tage lang. Nachdem das Mädchen eingefangen ist, wird es in das väterliche Haus des Knaben geführt und auf die Verandaplattform gesetzt. Sobald der Jüngling sie ankommen sieht, läuft er seinerseits weg und versteckt sich, wird aber schleunigst von seinen Freunden wieder eingefangen, angemalt und geschmückt; dabei leistet er immer noch Widerstand. Endlich bringen sie ihn doch in das väterliche Haus, wo er sich neben das Mädchen setzen muß. Sodann wird die Ehe als vollzogen verkündet, aber das Paar nimmt nicht die geringste Notiz voneinander; es tut so, als ob es sich nicht kennt. Am nächsten Morgen muß der Vater des jungen Mannes eine Flut von Schimpfreden von dem Vater des jungen Mädchens über sich ergehen lassen, die ihr Ende nur durch ein Sühnegeschenk in Gestalt eines geschlachteten Hundes findet. Am Nachmittag wird die junge Frau von den Verwandten des jungen Mannes geschmückt, und das Paar wiederum auf derselben Plattform zusammengebracht. Auch jetzt ignoriert es einander wieder vollständig. Indessen bei der Wiederholung am dritten Tage kommt gewöhnlich eine Aussöhnung zustande. Das Mädchen reicht dem Jüngling Betel, dieser nimmt ihn und kaut ihn. Endlich kommt die Mutter des Mädchens, die sich bisher von allen diesen Zusammenkünften ferngehalten hat, und besucht ihre Tochter, über die sie weint und klagt, bis ein geschlachtetes Schwein ihr als Sühne angeboten wird. Der zweite Teil der Hochzeitszeremonie findet etwa drei bis acht Wochen später statt; vordem darf die Braut weder ihres Vaters Dorf besuchen, noch etwas von dorther essen. Auf die Einladung der Verwandten der jungen Frau hin wandern die Angehörigen des Mannes in das Dorf, in dem ihr Vater wohnt, und bringen sie, reich geschmückt an der Spitze des Zuges einhergehend, mit. Man trägt an einem Stock aufgehängte Schweine und wertvollen Federkopfputz (Abbild. 126); alles dieses erhält der Vater der jungen Frau. Hiernach wird ihr aller Schmuck abgenommen und ebenfalls ihrem Vater überreicht, der als Gegengabe an die Familie des jungen Mannes Fische und Bananen gibt. Diese nimmt sie ins Dorf mit und verteilt sie unter die Freunde, die zu dem Kaufpreis beigesteuert haben. Einige Tage später besucht das Paar wieder das Dorf der jungen Frau und erhält hier Geschenke. Man sieht, Geschenke und Festessen machen in der Hauptsache überall die Hochzeitsfeierlichkeiten aus, die nur hie und da ihre örtlichen Verschiedenheiten aufweisen. So wird auf den Torresstraßeninseln, wo übrigens die Hochzeit mit einer Entführung des Mädchens durch den Jüngling in der Nacht vorher ihre Einleitung erfährt, die Braut mit einem Rock nach dem anderen behängt, bis die Last sie so sehr beschwert, daß sie nicht mehr stehen kann, sondern von zwei Frauen aufrecht gehalten werden muß. Auf solche Weise schwer belastet, muß sie unter strenger Aufsicht einen Monat lang verharren, dann erst werden ihr die Röcke wieder abgenommen. Die weitere Feier liefert Stoff zu mancherlei Scherzen.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 119. Hahnenmaske von der Gazellehalbinsel,
die nur von Knaben gemacht und von ihnen beim Tanz getragen wird. Bei einer der vielen Zeremonien auf dieser Landzunge geben angesehene Eingeborene ihren Nachbarn ein Fest, bei dem jede Familie tanzt. Es wird von letzteren erwartet, daß sie die Geschenke, die der Gastgeber vordem verabreichte, vergüten. Die Knaben tanzen in ihren Masken und verlangen dafür Geld von den Zuschauern.
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Wir schließen die Hochzeitszeremonien mit der Schilderung eines solchen Festes, das in einem Dorfe von Holländisch-Neuguinea vor sich ging. Es begann am Abend vorher mit dem Jammern der Frauen, die der Braut das Geleite aus ihrem Dorfe in das ihres Bräutigams gegeben hatten und nun den Verlust beklagten. Diese Klagen glichen vollkommen einem Klagelied bei einem Begräbnis. Jede Strophe setzte laut und in hoher Tonlage ein, ließ dann an Stärke nach und endete mit tiefen gedämpften Tönen. Die Stimmenzahl mehrte sich allmählich während der ganzen Nacht, und bis drei Uhr morgens war die Luft von den schrillen Tönen erfüllt. Bei Tagesanbruch, als die Braut sich fertig machte, um sich dem Brautzug anzuschließen, stieg der Lärm aufs höchste. Kaum war die Sonne aufgegangen, so setzte sich der Zug unter großem Andrang in Bewegung. Voran ging die mit Blumen und Schmucksachen im Haar reich gezierte und mit einem langen weißen Rindenrocke bekleidete Braut; sie hielt die Augen geschlossen und die Arme nach oben und etwas nach vorn ausgebreitet; an jeder Seite von ihr ging ein alter Mann, der sie am Oberarm zu führen schien, hinter ihnen folgten unter Wehklagen die Frauen ihres eigenen Dorfes, nach denen die Frauen aus dem Dorfe des Bräutigams kamen. Der Zug bewegte sich durch das Dorfgemeindehaus, dessen Fußboden ungefähr einen Meter höher lag als der Erdboden; die Braut mußte sich dabei vorwärts tasten, als sie den hinaufführenden schmalen Balken hinanschritt. Die Männer saßen umher und kümmerten sich anscheinend nicht um diesen Zug, an dem fast nur Frauen teilnahmen. Vor dem Hause des Häuptlings, dessen Sohn die Hochzeit feierte, gingen die Teilnehmer des Zuges auseinander; von weiteren Festlichkeiten merkte der Berichterstatter nichts.
Phot. E. v. Hesse-Wartegg.
Abb. 120. Papua beim Anfertigen von Armspangen.
Phot. H. M. Dauncey.
Abb. 121. Cuscusspiel der Rorokinder,
bei dem die Bewegungen eines Cuscus, eines unseren Eichhörnchen ähnlichen Tieres, an einem Baumstamme nachgeahmt werden.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 122. Käfig für die verlobten Mädchen auf dem Bismarckarchipel.
Die Mädchen müssen in diesen Käfigen, die sehr eng sind, mehrere Jahre vor ihrer Verheiratung zubringen.
Vielfach bestehen noch bei den exogamen Stämmen Melanesiens Eheverbote, die durch das Abstammungssystem in weiblicher Linie bedingt sind. Wie bereits hervorgehoben, gehört die Frau und ebenso ihre Kinder ihrer Sippe an; letztere sind daher mit der des Vaters nicht verwandt. Mitglieder derselben Sippe dürfen sich nicht heiraten. Auf der anderen Seite aber wieder kommen infolge dieser Auffassung ganz eigenartige Heiraten zustande. So dürfen zum Beispiel der Sohn von eines Mannes Weib aus dem einen Clan (Sippe) und die Tochter seiner Frau aus einem anderen wohl einander heiraten, vorausgesetzt, daß Exogamie herrscht und keine Vorschriften über Blutsverwandtschaften bestehen; im letzteren Falle würde dies nicht möglich sein und streng bestraft werden. Auch die Leviratsehe, das heißt der Brauch, daß nach dem Tode eines Mannes dessen Bruder oder ein naher Verwandter ein Anrecht auf die Witwe hat, ist sehr verbreitet. Er ist wohl darauf zurückzuführen, daß vordem das Kaufgeld, das ein Mann für seine Frau zu zahlen hatte, von ihm nicht allein, sondern von der ganzen Familie aufgebracht wurde, so daß jene in gewissem Sinne ein Familiennachlaß wurde. Diesen Anspruch erhob nach dem Tode des Ehemanns natürlicherweise zunächst der Bruder des Verstorbenen als der nächste Verwandte; die Anrechte der übrigen männlichen Angehörigen folgten nacheinander gemäß den Vorschriften über Blutsverwandtschaft.
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 123. Der Preis für eine Braut auf Santa Cruz.
Das aus roten Papageifedern angefertigte Federgeld auf Santa Cruz dient als Brautpreis. Diese Papageifedern werden mit Taubenfedern in Rollen gebunden und diese dann aufgereiht.
Aus: Meyer-Parkinson, Papuatypen.
Abb. 124. Ein jungvermähltes Paar von Siar mit sorgfältig frisiertem Haar.
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Die Ehe des Melanesiers ist zumeist ein lockeres Band, sie kann daher leicht gelöst werden. Von dieser Vergünstigung macht er auch reichlich Gebrauch. Wenn ein Mann seiner Frau überdrüssig geworden ist oder eine andere haben will, schickt er sie einfach fort, und umgekehrt, wenn einer Frau das Leben an der Seite ihres Mannes nicht mehr behagt oder sie einen Liebhaber vorzieht, läuft sie ihrem Mann davon. Solche ehelichen Zwistigkeiten sind schuld an vielen Kämpfen und Morden zwischen den einzelnen Eingeborenen sowohl wie zwischen den Stämmen, die eine Beleidigung eines ihrer Mitglieder als eine solche des ganzen Stammes auffassen und dann ihre Rache nicht nur an dem wirklichen Missetäter auslassen, sondern auch an dessen Familie und Sippe. Der Mann, der mit eines anderen Frau durchgegangen ist, wird meistens von dem betrogenen Ehemanne getötet. Es kommt aber auch gelegentlich eine friedliche Beilegung der Angelegenheit vor. Der betrogene Gatte fordert von der Familie der Frau einfach den Kaufpreis zurück, den er für sie gezahlt hat; wird ihm dieser verweigert, dann kommt es natürlich zu einem Streit. Bei den Bainingern versucht ein einflußreicher Mann, falls beide Parteien aus dem gleichen Dorfe stammen, einen Vergleich dahingehend, daß jeder Teil dem anderen einige Schläge verabfolgt. Nach dem Tode des Mannes kehrt die Frau häufig, zumal wenn sie keine oder nur kleine Kinder hat, in die Wohnung ihrer Eltern zurück, manchmal heiratet sie, wie wir oben sahen, auch den Bruder des Verstorbenen.
Phot. Rev. G. Brown.
Abb. 125. Musikinstrument aus Neumecklenburg,
auf dem die Eingeborenen durch Streichen mit der flachen Hand melodische Töne hervorbringen.
Phot. H. M. Dauncey.
Abb. 126. Heiratszug.
Die mit dem Familienstaat herausgeputzte Braut wird von ihren Freunden begleitet, die an Stangen die Armringe, Halsbänder, Federn und anderen Schmuck tragen, den sie als Brautgeschenk erhielt.
Entsprechend den lockeren Banden der Ehe ist die geschlechtliche Ungebundenheit teilweise eine sehr große, und auf verschiedenen Inseln herrscht anerkannte Prostitution. Auf Neupommern, Neulauenburg, Nissan und so weiter wird eine Witwe zum Gemeingut für alle Männer verurteilt, an dem der Häuptling den Vorrang genießt. Auf dem Bismarckarchipel ist für manche Feste den Weibern Preisgabe gestattet, und bei dem Unu-(Einführungs-)fest der Jünglinge werden vom Häuptling für die teilnehmenden Gäste junge Mädchen zu geschlechtlichen Zwecken gemietet. Auf Florida bestimmen die Häuptlinge verheiratete Frauen von schlechter Führung zu öffentlichen Dirnen und weisen ihnen in einem ihrer Häuser Wohnung an, wofür sie aber auch den größten Teil des Erwerbes einheimsen. Auf den Santa Cruz-Inseln gibt es in den Männerhäusern immer einige Mädchen, die meist schon als Kinder von einem wohlhabenden Junggesellen aufgekauft wurden und später, wenn er ihrer überdrüssig geworden ist, an die übrigen Bewohner des Hauses gleichsam versteigert werden. Auf San Cristobal treffen wir neben den Mädchen, die der freien Liebe huldigen, wie dies ja fast überall vor der Ehe erlaubt ist, auch Frauen und Witwen an, die sich für öffentliche Dirnen ausgeben.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Kanuhaus auf Neumecklenburg (Siar).
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Phot. Rev. A. H. Fillodean.
Abb. 127. Schweine und Paradiesvögel als Brautpreis.
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 128. Prächtig verziertes Klubhaus auf den Salomonen
mit schön geschnitzter Speiseschüssel und geschnitzten Fregattenvögeln auf dem Dachgiebel.
Wir erwähnten bereits öfter die Klubhäuser, jene Gebäude, die im Grunde genommen den Mittelpunkt des ganzen geselligen Lebens der männlichen Dorfbewohner bilden, insofern als hier nicht nur die Junggesellen, zu bestimmten Zeiten auch die verheirateten Männer wohnen, sondern auch alle wichtigen Fragen gemeinsam auf der Plattform besprochen werden und Besucher des Dorfes gastliche Aufnahme finden (Abb. 128), ferner die Masken und andere Zeremonialgeräte aufbewahrt werden (Abb. 130 und 131). In manchen Küstengegenden, besonders in den alten Kopfjägerbezirken, waren die großen Kanuhäuser, in denen die Kriegsboote aufbewahrt wurden, gleichzeitig Klubhäuser; diese haben indessen heutzutage ihre kriegerische Bedeutung durch die Einhalt gebietende Hand des Weißen verloren. Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß die Einweihung so wichtiger Gebäude zumeist mit mehr oder weniger Feierlichkeiten begangen wird. Zwar sind die alten Gebräuche, die sich an die Fertigstellung eines Kanuhauses (siehe die Kunstbeilage) knüpften und, wie auf den Salomonen, Neuhebriden und anderen Inseln, früher mit Menschentötung und Kannibalismus einhergingen, durch das Verbot der zuständigen Regierung meistens geschwunden, aber in entlegenen Gegenden dürften sie doch hin und wieder noch ihr Dasein fristen. Jetzt sind die Zeremonien viel harmloserer Natur. In der Rorogegend wird die Front eines neuerbauten Klubhauses vor der Einweihungsfeier, zu der die befreundeten Dörfer von den Häuptlingen persönlich durch Überreichung einer Arekanuß, das anerkannte Zeichen der Freundschaft, eingeladen werden, häufig mit Kokosmatten verhängt und die Umgebung durch Nahrungsmittel sowie Palmenblätterfahnen, die an Bambusstangen befestigt sind, ausgeputzt. Von jedem Häuptling, der mit seinen Leuten der Einladung Folge leistet, wird erwartet, daß er ganze Büschel von Bananen als Gegengabe für die Beköstigung mitbringt. Die Besucher kommen abends an und werden zunächst mit einem kleinen, zwanglosen Tanz der Dorfbewohner unterhalten. Bei einbrechender Dunkelheit werden die Matten vor dem Klubhaus entfernt, die Häuptlinge, deren Leuten das Haus gehört, halten Reden von seiner Plattform herab, worauf auch die Schnitzereien am Bau von ihren Hüllen befreit werden. Dann setzt der große feierliche Tanz ein, der bis in den Morgen hinein oder noch länger andauert. Die Bewohner rivalisierender Dörfer oder Clans wetteifern oft miteinander, wer dabei wohl am längsten aushält; so soll einst ein solcher Tanz sechsundzwanzig Stunden gedauert haben. Nach dem Tanze gibt es ein Festessen. Bei den Koita vertritt der Dubu (Abb. 129) das sonst mehr übliche Klubhaus; es ist dies aber nur ein offener Plattformbau, der nicht zum Schlafen, sondern nur zu geselligen und festlichen Zusammenkünften benutzt wird. Dem Feste gehen Spiele voraus, zum Beispiel ein Ringkampfspiel der Männer gegen die Frauen oder ein Spiel, bei dem die eine Gruppe durch die andere hindurchzukommen trachtet. Auf eine provisorisch erbaute Plattform, auf der gekochte Yamswurzeln sowie Bananen aufgespeichert liegen, klettert eine Anzahl Männer und unverheirateter Mädchen; die letzteren führen einen Tanz auf, bei dem sie ihre Grasröcke von einer Seite zur anderen schwenken, indem sie den Körper von den Hüften aus biegen und drehen. Diese Aufführung, an die sich noch andere Tänze anschließen, ist in Wirklichkeit nur die öffentliche Ankündigung dafür, daß die große Zeremonie bevorsteht. Wenn der wirkliche Dubu vorbereitet ist, wird er geschmückt und so hoch wie möglich mit Eßwaren beladen; die Eingeborenen fällen junge Bäume, schlagen ihre Äste ab und pflanzen sie dann wieder in den Boden ein. Jeder von ihnen erhält eine Umzäunung aus Zuckerrohrstangen, wobei die Stangen dicht aneinander gefügt werden, so daß gleichsam große vertikale Behälter entstehen. Diese werden wieder mit Yamswurzeln, Bananenbüscheln und Kokosnüssen angefüllt; die gleichen Früchte werden auf und unter die Plattform sowie zu beiden Seiten der nach oben führenden Leiter aufgestapelt. Am Festmorgen endlich werden noch Schweine auf die Plattform gebracht. Nach diesen Vorbereitungen waschen sich die Leute in der See, schmücken sich und versammeln sich auf dem Dubu, wo sie ihre Mahlzeit in Schweinefleisch einnehmen und die Gäste erwarten. Diese sind inzwischen aus den umliegenden Dörfern eingetroffen, und zwar bewaffnet, und versammeln sich im Busch ums Dorf. Auf ein mit einer Seemuschel vom Dubu aus gegebenes Zeichen stürzen dann alle Männer in das Dorf, und schwingen die Speere und Keulen unter Trommelschlag. Früher gab dieser Überfall oft Anlaß zu einem Kampf, indessen trat man den Gästen paarweise mit Zuckerrohrbündeln entgegen und schlug damit die Speere und Keulen der Besucher nieder; es galt als unhöflich, den Streit dann noch weiter fortzusetzen. Hinter den Männern kommen eine Anzahl Frauen, die ihre Röcke schwenken, jede einzelne trägt zwei große Yamswurzeln, die sie Eingeborenen von Rang schenken. Und nun klettert eine Anzahl Mädchen auf die Pfosten des Dubu, stellt sich auf die Querbalken und schwenkt eifrig die Röcke. Während all dieser Vorgänge bleiben die Männer der Sippe, die das Fest gibt, zunächst ruhig auf dem Dubu sitzen, sobald sich die allgemeine Aufregung gelegt hat, steigen sie von ihm herab, setzen sich zu den Besuchern und rauchen dabei oder kauen Betel. Die weiblichen Gäste werden auch herbeigeholt und erhalten ihre Handtaschen mit Yamswurzeln angefüllt. Darauf besteigen die festgebenden Männer wieder den Dubu, die Eßwaren werden nun allgemein unter die Besucher verteilt, und der Tanz beginnt.
Aus: Seligmann, The Melanesians.
Abb. 129. Dubuplattform der Koita (Neuguinea) zur Abhaltung von Zeremonien.
Sie ist heilig und die Geister der Toten sollen nach dem Glauben der Koita zu gewissen Zeiten auf sie zurückkehren.
Auf Neuguinea knüpfen sich auch an die Verleihung der Häuptlingswürde gewisse Zeremonien. Bei den Mekeo zum Beispiel besteht die Sitte, daß ein Häuptling noch bei Lebzeiten einen Mann der gleichen Sippe zu seinem Nachfolger bestimmt und die Einweihung sogleich vornimmt. Dieser Vorgang gestaltet sich zu einem großartigen Fest, denn es werden viele Häuptlinge aus anderen Sippen eingeladen, von denen jeder wieder seine Freunde mitbringt. Die Vorbereitungen zu dem mit diesem Fest verbundenen Schmaus erfordern viele wilde Schweine, Känguruhe und Emue.
Alle eingeladenen Häuptlinge nehmen nach ihrer Ankunft auf der großen Verandaplattform des Gemeindehauses der Sippe, deren Häuptling die Zeremonie leitet, Platz. Dann betritt der alte Häuptling, mit dem Abzeichen seiner Würde bekleidet, das bei den Roro in einem auf der Brust ruhenden Schmuckstück aus dünnen Plättchen abgeschliffener Hauer des Ebers besteht (siehe die farbige Kunstbeilage), in Begleitung seines voraussichtlichen Nachfolgers die Plattform; er trägt dabei in der Hand einen Kürbis mit Kalkpaste (Abb. 132), die als Würze beim Betelkauen dient, und hält eine Ansprache an die anderen Amtsgenossen, in der er ihnen das Recht der Nachfolge, das der Vorgeschlagene besitzt, auseinandersetzt. Hierauf klappert er mit dem Kalkspatel an seinen Kürbis und reicht diesen seinem Nachfolger, der gleichfalls mit dem Spatel daran schlägt und dann den Kürbis wieder zurückgibt. Damit ist die Amtsverleihung vollzogen.
Phot. H. M. Dauncey.
Abb. 130. Inneres eines Klubhauses der Roro.
Bemerkenswert sind die beiden geschnitzten Pfosten mit Darstellungen eines Krokodils und eines menschlichen Kopfes.
Phot. Donald Mackay.
Abb. 131. Inneres eines Klubhauses auf Toripi mit Waffen, Masken, Zauberzeichen und Menschenschädeln.
In manchen Gegenden Melanesiens gibt es auch Erntefeste. Wenn in dem südöstlichen Gebiet von Neuguinea die Ernte eingebracht, und im besonderen die Yamswurzel im Yamshause geborgen ist, so bindet der Häuptling, der bereits schon Tage vorher unter Nahrungsbeschränkung gestanden hat, ein Stück präparierter Faser um einen Pfosten jedes Yamshauses; dadurch wird es tabu, das heißt es darf von niemand angefaßt werden (Abb. 135). Außerdem werden auf einer kleinen Plattform Armringe, einheimisches Geld und andere Schätze ausgelegt. Hieran schließen sich Schmaus und Tanz viele Tage lang (Abbild. 133). Weiterhin versammeln sich die Männer, gehen im Dorf umher, schreien, schlagen an die Pfähle der Häuser und werfen alles um, worin sie einen Geist verborgen vermuten. Damit endigt diese sonderbare Zeremonie, der offenbar der Gedanke zugrunde liegt, daß die Geister, nachdem sie an dem Feste teilgenommen, nämlich die Tänze mit angesehen, die Lieder gehört, sowie Yamswurzeln und die zur Schau gelegten Sachen angeboten erhalten haben, reich und gut versorgt seien und daher nunmehr vertrieben werden müßten, um kein Unheil anzurichten.
Aus: Seligmann, The Melanesians.
Abb. 132. Kalkbüchse eines Häuptlings aus einem Kürbis,
zum Gebrauch beim Betelkauen.
Aus: Brown, Melanesians and Polynesians.
Abb. 133. Tanz beim Yamserntefest.
Eine ähnliche Erntefestlichkeit wird auf Ruo (Neuguinea) zu Ehren der Kokospalme gefeiert, die bekanntlich das Material für Nahrung, Wohnung und Kleidung liefert und in ganz Melanesien eine außerordentlich wichtige Rolle spielt. Für diesen Zweck werden die von den Bäumen gefallenen reifen Nüsse das ganze Jahr hindurch sorgfältig gesammelt und in einer vor der Sonne geschützten Hütte aufbewahrt. Kurz vor dem Herannahen des Festtages, der stets auf einen Vollmond fällt, ergehen Einladungen an die benachbarten und befreundeten Stämme. Die Weiber und Kinder binden die gesammelten Nüsse in Reihen an Stangen, mit denen der Tanzplatz abgesteckt wird (Abb. 137). Der eigentliche Festtag wird mit einem großen Hunde- und Schweineschlachten eingeleitet; das Fleisch wird zusammen mit Taro, Yams und Bananen in einem mächtigen Topfe gekocht. Darauf verteilen die Dorfältesten die einzelnen Portionen an die erschienenen Gäste und ein großes Festessen beginnt, an das sich der übliche Tanz anschließt. Der Lärm hält bis Sonnenaufgang an.
Zwei Mekeomänner im Tanzschmuck,
der aus Muscheln, Hundezähnen, Federn und dergleichen besteht. Die vorderen Scheiben über der Stirn sind aus Schildpatt mit weißer Muschelauflage hergestellt und stellen Auszeichnungen für die Tötung von Feinden dar.
Zwei Mekeofrauen im Tanzschmuck
aus Muschel- und Zahnketten, in mit roten und gelben Streifen gefärbten Grasröcken. Bei jedem Tanzschritt schwingen die Frauen die Hüften, so daß der Rock bis zu den Schultern in die Höhe fliegt.
Phot. R. W. Williamson.
Zwei Mekeomänner in Kriegstracht.
Der Kopfputz besteht aus Paradiesvogelfedern, die große Muschel wird beim Kampfe vor dem Munde getragen.
Abb. 134.
Phot. H. M. Dauncey.
Abb. 135. Maske der Kaiwakuku mit dreifachem Gesicht,
das heißt der Personen, die gleichsam als Polizisten die tabu erklärte Ernte zu bewachen haben.
Rorohäuptling im Festschmuck.
Das auf der Mitte der Brust ruhende Schmuckstück ist das Abzeichen der Häuptlingswürde, es besteht in der Hauptsache aus zwei Reihen zu dünnen Plättchen abgeschliffener Hauer des Ebers. Ein junger Häuptling, der das Mannesalter erreicht, wird feierlich mit diesem Zeichen geschmückt.
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Viele Jahre hindurch bestand unter den Dorfbewohnern in der Nähe von Port Moresby der Brauch, daß in jedem Herbste Handelsexpeditionen in die Dörfer an den Mündungen der großen Flüsse des Papuagolfes zum Austausch der selbst angefertigten Topfwaren gegen Sago ausgerüstet wurden. Die Vorbereitungen für diese mit großen Segelschiffen, den sogenannten Lakatoi (Abb. 136), unternommenen Fahrten wurden bereits im Frühjahr durch zwei Männer des Dorfes getroffen, welche die Bezeichnung eines „Oberst“ und „Unternehmers“ erhielten. Sie warben sich zunächst für jedes Schiff die Mast- und Segelkapitäne und sodann die übrige Mannschaft. Erst im Hochsommer begann man mit dem Bau des Schiffes, das eigentlich aus vier aneinander gefügten einzelnen Kanu bestand. Nach der Fertigstellung räucherte ein Zauberer bestimmte Teile des Bootes mit dem Rauch einer Mischung aus einer wild wachsenden Pflanzenwurzel, Emuklauen und Hornhechtschnauze und band kleine Säckchen aus Bananenblättern mit Blättern der gleichen wild wachsenden Pflanze an bestimmte Teile des Bootes. Durch diese Zeremonie sollte das Lakatoi erhöhte Segelkraft erhalten und die Expedition von Glück begünstigt werden. Danach wurden die Masten eingesetzt und die Mattensegel, die in ihrer Gestalt Krebsscheren glichen, angebunden. Der Anker, der aus einem durch ein Netz gehaltenen Steine bestand, galt ebenfalls als heilig. Er mußte, sobald er herabgelassen war, von drei Männern eigens bewacht werden. Nachdem schließlich auch er herbeigeschafft war, fuhr man zunächst einmal Probe; bei diesen Fahrten versammelten sich ganze Scharen von Mädchen auf den Plattformen der Schiffe und führten Tänze auf. Solange die Expedition unterwegs war, unterlagen die Frauen des Unternehmers und Obersten ähnlichen Nahrungsbeschränkungen wie ihre Männer vor Beginn der Fahrt. Sie durften auch kein fremdes Haus betreten und das Feuer in ihrem eigenen nicht ausgehen lassen, bis das Lakatoi zurückgekehrt war. In jedem Hause wurde außerdem ein langer Faden aufgehängt und täglich ein Knoten hineingeschlungen; an jedem zehnten Tage wurde um den betreffenden Knoten eine Faser gebunden, um ihn zu kennzeichnen, und ein kleines Fest im Hause durch die Verwandten der Mannschaft des Lakatoi veranstaltet. Wenn fünfzig Tage verstrichen waren und somit der fünfte große Knoten gebunden war, wurde die Expedition täglich zurückerwartet. Interessant sind die Wahrzeichen, aus denen die Zurückgebliebenen zu wissen glaubten, ob es ihren kühnen Angehörigen auf der Fahrt gut oder schlecht ging. Empfand zum Beispiel jemand auf der rechten Körperseite Jucken, so war dies eine gute Vorbedeutung, auf der linken jedoch eine böse. Auch Träume gaben darüber Auskunft, es bedurfte aber dann der Auslegung durch einen Zauberer. Sah jemand im Traume Gras brennen, so galt ihm dies als ein gutes Omen, auch wenn er einen Hund ein Wallaby jagen oder sich selbst eine schwere Bananenlast tragen sah; dagegen war es ein böses Omen, wenn jemand einen großen Felsen oder Stein erblickte oder sich selbst auf einem im Wasser frei treibenden Stück Holz stehen und mit ihm sich untergehen sah und ähnliches.
Aus: Seligmann, The Melanesians.
Abb. 136. Ein Lakatoiboot der Koita.
Sobald die zurückkehrende Flottille in einer Entfernung von zwanzig bis dreißig Seemeilen gesichtet wurde, nahmen die beiden Frauen der Führer sowie die Angehörigen der Mannschaft ein Bad und fuhren den Ankömmlingen in Kanus entgegen; ihre Rückkehr war für alle eine Zeit der Freude und der Aufregung (Abb. 142).
Die Eingeborenen der Santa Cruz-Inseln verwenden für ihre oft weiten Fahrten zur See noch die primitiven, mit Plattform und Hütte versehenen Auslegerboote (Abb. 138), während die Hermitinsulaner bereits große, prächtig geschnitzte und bemalte Boote bauen (Abb. 140).
Ein weiterer seltsamer Brauch auf Neuguinea ist mit dem Anfertigen von Trommeln (Abb. 139) durch Knaben, die sie beim Tanzen schlagen, verknüpft. Sobald ein Roroknabe das Reifealter erreicht hat, ist seine erste Pflicht, sich eine solche Trommel anzufertigen. Zu diesem Zwecke muß er im Busch wohnen; meistens gesellen sich hierfür mehrere Knaben zusammen. Ehe die Höhlung dieser Trommeln, die aus einem Stück eines Baumstammes hergestellt werden, nicht genügend ausgebrannt und die Trommel selbst nicht durch das Abschrapen des Holzes die richtige Form erhalten hat, sind den Knaben viele Speisen zu essen verboten; sie müssen auch jedwede Berührung mit frischem Wasser vermeiden, weil sonst die heiße Asche, mit der sie die Höhlung des Holzes ausbrennen, nicht glühen würde. Als Getränk dient ihnen das in den Bananenblätterscheiden sich ansammelnde Wasser oder Kokosnußmilch. Die Nahrung muß ihnen in einem besonders kleinen Topf gekocht werden, damit sie nicht zu stark werden und gut tanzen können. Sollte einer von ihnen Fische essen, so würde eine Gräte das Fell seiner Trommel durchlöchern. Vor allen Dingen aber müssen die Knaben es vermeiden, daß sie von den Frauen gesehen werden; würde eine Frau einen Knaben erblicken, dann wäre seine, wenngleich zum großen Teil schon fertige Trommel unbrauchbar, und er könnte sie ruhig fortwerfen und eine neue anfangen. Bei den Mafulu muß der Knabe auf einen Baum oder eine Plattform klettern und dort so lange bleiben, bis er seine Trommel fertiggestellt hat. Bei der Arbeit muß er sie stets mit der Fellseite dem Winde zukehren, wodurch die Trommel einen musikalischen Klang bekommt. Eine Frau, meistens die Mutter, bringt ihm das Essen, das er sich an einem Strick auf seinen erhöhten Sitz hinaufzieht. Er steht indessen unter keinem Speiseverbot, auch hat er keinen Schaden davon, wenn ihn weibliche Wesen sehen. — Eine weitere Art von Trommeln, die aus einem ausgehöhlten Baumstamme (Abb. 143) angefertigt und mittels eines starken Stockes gerührt wird, dient den Eingeborenen des Bismarckarchipels auf weite Entfernungen zum Signalgeben.
Aus „Kolonie und Heimat.“
Abb. 137. Kokosnußfest auf Ruo (Neuguinea).
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 138. Kanu von Santa Cruz,
das sich durch die lange Plattform und die auf einem Ausleger ruhende Hütte von der Bauart der Boote im übrigen Melanesien wesentlich unterscheidet. Für lange Reisen werden scherenförmige Segel aufgesetzt.
Ein Brauch der Koita sei noch erwähnt, der eines gewissen Humors nicht entbehrt, nämlich des Wettbewerbes zweier führenden Männer verschiedener Sippen, von denen der eine behauptet, er wäre größer und reicher als der andere, besäße zum Beispiel einen größeren Garten, ernte mehr ein und ähnliches. Der andere, der sich durch solche Behauptung benachteiligt fühlt, fordert ihn daher zum Wettbewerb auf, bei dem ein jeder mit Hilfe der Genossen seiner Sippe soviel wie möglich herbeizuschaffen sich bemüht. Tagelang beschenkt der eine bei allen nur sich darbietenden Gelegenheiten den anderen mit Eßwaren, wofür dieser sich verpflichtet fühlt, möglichst bald ein Gegengeschenk zu machen, das aber der erhaltenen Gabe an Menge und Güte gleichkommen muß; der Empfänger und seine Familie verzehren das ihnen Dargebotene. An einem festgesetzten Tage wird nun auf der einen Dorfseite entlang eine Reihe vertikaler Stangen aufgestellt, und diese durch horizontale Stangen miteinander verbunden. An ihnen hängt jede Partei, die eine an dem einen, die andere an dem anderen Ende beginnend, die sowohl in den eigenen Gärten, wie auch in denen ihrer Freunde gesammelten Bananen der Reihe nach auf. Da jeder die allgemeine Unterstützung seiner Clangenossen findet, so werden die Dorfgärten in Wahrheit ausgeplündert. Jetzt kommt das eigentliche Fest, zu dem jeder der beiden Wetteifernden alle seine Bananen und möglichst viel Zuckerrohr zu einem mächtigen Stoß aufstapelt. Wieder fängt das gegenseitige Beschenken an, wobei einer den anderen zu überbieten sucht, aber dieses Mal handelt es sich nicht um Eßwaren, sondern um wertvolle Geschenke. Fällt nun die relative Größe der aufgebauten Früchtehaufen auf beiden Seiten gleich aus, dann ist der Ehre Genüge geschehen und der Wettstreit beendigt; wenn nicht, so fängt er von neuem an, und erforderlichenfalls schließen sich diesem noch andere an, ehe eine Gleichmäßigkeit erreicht wird.
Phot. C. G. Seligmann.
Abb. 139. Ein Mekeogeck im Tanzschmuck,
mit einer unter den Mekeo als elegant geltenden Wespentaille.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 140. Schön geschnitztes und verziertes Segelboot von den Hermitinseln, das für längere Reisen bestimmt ist.
Die Muster an den Bootswänden sind braun und weiß gemalt, an den einwärts gebogenen Enden des Kiels am Bug und Heck hängen Federbüschel herab.
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GRÖSSERES BILD
Die religiösen Ansichten der Melanesier sind ziemlich unklare, wenigstens für uns, zumal sich die bisherigen Forschungen nur auf wenige Stämme erstrecken. So viel scheint aber festzustehen, daß ein Glaube an ein einzelnes höheres Wesen bei ihnen nicht besteht. Hauptsächlich beruht ihre religiöse Anschauung auf der Macht der Seelen Verstorbener sowie der Geister, das heißt solcher überirdischer Kräfte, die keine bestimmte Form angenommen haben. Der Untergedanke, der dieser Auffassung zugrunde liegt, ist der an eine übernatürliche Macht, an das Mana, die zunächst den Geistern und Seelen der Abgeschiedenen innewohnt, aber auch auf gewisse Menschen und andere lebende Wesen, ja selbst leblose Gegenstände übergehen kann. Beim Menschen äußert sich das Mana in besonderer physischer Kraft oder in sonstiger Überlegenheit und Vortrefflichkeit, überhaupt in solchen Eigenschaften, die die Macht des gewöhnlichen Sterblichen übersteigen, die außerhalb des natürlichen Verlaufs der Dinge liegen. Hat ein Mann zum Beispiel im Kampfe ein besonderes Glück, so ist dies nicht etwa seinen persönlichen Fähigkeiten zuzuschreiben, sondern das Mana eines Geistes oder verstorbenen Kriegers hat ihm die Macht dazu verliehen, vielleicht durch irgend ein Amulett (Stein), das er am Halse trug, oder ein Blätterbüschel, das er im Gürtel stecken hatte, oder einen Zahn am Finger der Hand, die den Bogen führte, oder auch nur durch eine Formel, kraft deren er sich übernatürliche Kräfte zu verschaffen wußte. Stirbt ein solcher mit Mana ausgerüsteter Mann, so lebt seine übernatürliche Kraft nach seinem Tode in seiner Seele in verstärktem Maße und mit größerer Bewegungsfreiheit weiter fort. Aber, wie schon gesagt, kann Mana auch auf Tiere, Pflanzen und sogar leblose Dinge übergehen. Findet ein Mann einen seltsam geformten Stein, der ganz anders aussieht als die, die er bisher kannte, der vielleicht einer Yamsknolle oder einer Kokosnuß gleicht, so ist er überzeugt, daß diesem Gebilde Mana innewohnen muß; er nimmt daher den Stein mit sich und vergräbt ihn in seinem Garten oder auf seinem Acker, damit er hier Wirksamkeit entfalte. Stellt sich daraufhin wirklich eine reichliche Ernte ein, dann erblickt er hierin eine Bestätigung seiner Annahme. In letzter Linie scheint das Mana von den Geistern herzurühren, die seine Quelle vorstellen und es durch Übertragung in andere lebende und leblose Wesen ausstrahlen lassen. Jede Person oder jedes Ding, das Mana aufzuweisen hat, kann es dann wieder weiter übertragen, also auch auf Steine und andere Dinge. Mana selbst ist etwas Unpersönliches, doch ist es in seiner Wirkung stets mit einem persönlichen Wesen verknüpft. Ein Stein zum Beispiel besitzt Mana, weil ein Geist sich mit ihm verbunden hat, oder ein Knochen eines Toten ist damit ausgestattet, weil des Betreffenden Seele bei ihm weilt, oder ein ausgesprochener Zauber hat Kraft, weil der Name einer Seele oder eines Geistes, der in der Formel ausgedrückt wird, ihm diese Macht überträgt. Jeder sichtbare Erfolg eines Menschen beweist, daß er Mana besitzen muß, und je größer dieser Erfolg ausfällt, um so größer muß auch sein Gehalt an Mana sein.
Phot. British Museum.
Abb. 141. Figur eines Gottes von den Neuhebriden
mit einem menschlichen Schädel.
Die religiösen Übungen der Melanesier, zu denen die absonderlichsten Götzenbilder dienen (Abb. 141 u. 144), gipfeln vor allem auf Neuguinea — denn hierüber sind wir am besten unterrichtet — in dem Bestreben, durch Gebete und Opfer die Macht des Mana sich anzueignen oder zum eigenen Wohle nutzbar zu machen. In einigen Teilen Melanesiens bezieht sich diese Verehrung hauptsächlich auf die Seelen Verstorbener, zum Beispiel auf den Salomonen und den mehr westlich gelegenen Inseln, auf anderen wieder sowohl auf diese wie auch auf Geister, zum Beispiel auf den Neuhebriden und östlicheren Inseln. Gebete, die an diese Mächte gerichtet werden, sind meistens Formeln, von denen man glaubt, daß sie dem angerufenen Wesen angenehm und nur solchen bekannt sind, die zu ihm Zutritt haben. Die Opfer entspringen verschiedenen Motiven; sie werden entweder dargebracht, um an Stelle des Menschen, der gefehlt hat, die betreffende Macht durch ein Tier zu versöhnen, oder um etwas von ihr zu erbitten, oder um sie zu erfreuen, mit dem stillen Wunsche, dabei etwas zu erreichen, oder zum Ausdruck gebührender Aufmerksamkeit oder Achtung. — Auf den Neuhebriden und benachbarten Inseln werden zur Erinnerung an Verstorbene von Rang große, aufrechtstehende Trommeln errichtet, die nur bei Bestattungsfeierlichkeiten geschlagen werden (Abb. 146).
Phot. Rev. G. Brown.
Abb. 142. Melanesische Frauen,
festlich geschmückt zum Empfang ihrer von der Seereise zurückkehrenden Männer. Die weißen Striche im Gesicht sind mit Kreide gezeichnet.
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Der einfachste und verbreitetste Opferakt ist der, daß den Seelen der Toten ein kleiner Teil einer Yamswurzel oder einer anderen Speise, die zum Essen zubereitet wurden, zugeworfen wird als Zeichen des Gedenkens oder des Anteils für den Geschiedenen. Dieser Brauch herrscht über ganz Melanesien. Er erfährt eine weitere Entwicklung dadurch, daß man Speisen auf die Begräbnisstelle oder vor ein Gedenkbild des Toten legt (Abb. 145), sie aber nicht verbrennt, sondern später wieder fortnimmt und verzehrt. Eine noch höhere Stufe des Totenkultus stellt die Sitte dar, die Speisen ebenfalls auf das Grab, vor das Gedenkbild oder auf einen Altar zu legen, aber anzubrennen und später auch wieder zu essen. Als Beispiel für ein solches Opfer führe ich die Schilderung einer Zeremonie an, die auf der Insel San Cristobal (Salomonengruppe) vorgenommen wurde, bevor man einen Kriegszug unternahm.
Die Macht, der ein solches Opfer dargebracht wurde, war der Seelengeist eines Mannes genannt Harumä, der vor noch nicht zu langer Zeit gestorben war, denn einige ältere Männer erinnerten sich noch seiner. Dieser Geist stand in dem Glauben, stark und mächtig im Kriege zu sein, etwas zwar Seltsames, wenn man bedenkt, daß Harumä, als er lebte, ein freundlicher und wohlwollender Mann gewesen ist, der wohl gut mit Mana ausgestattet, aber durchaus kein großer Krieger war. Harumäs Totenschrein war ein kleines Haus im Dorfe, in dem seine Überreste aufbewahrt wurden. Alte Männer des Dorfes versammelten sich hier, der Hauptopferbringer wählte einen Mann aus, der an dieser Stätte ein Schwein erdrosselte. Das tote Tier legte man nun in eine Schüssel und zerschnitt es darin, damit sich das Blut in ihr ansammle und nicht auf die Erde fließe. Nachdem dies geschehen war, nahm der Auserwählte ein Stück Fleisch, schöpfte mit einer Kokosnußschippe etwas Blut aus der Schüssel, betrat dann den Schrein und nahm das Stück Fleisch, sowie die mit Blut gefüllte Schale mit hinein. Nun legte er erst seine Tasche weg, wusch sich die Hände, damit der Ahne ihn nicht mit Widerwillen abweise, und rief laut aus: „Harumä, Häuptling im Kriege! wir bringen dir dieses Schwein zum Opfer, damit du uns beistehen mögest, jenen Ort zu bestrafen; alles, was wir von dort forttragen werden, soll dein Eigentum sein, und wir werden dir angehören.“ Hierauf brannte er das Fleisch am Feuer auf einem Steine des Altares an und goß Blut in die Glut. Diese flammte hoch auf und der Schrein füllte sich mit dem Geruch des angebrannten Schweinefleisches, ein Zeichen, daß der Geist des Harumä die Bitte erhört hatte. Das Fleisch wurde darauf verzehrt. Die geschilderte Zeremonie wurde von einem einzelnen zum Wohle der Gesamtheit vorgenommen, um einen Erfolg in dem bevorstehenden Kriege zu erzielen.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 143. Signaltrommel vom Bismarckarchipel,
die aus einem ausgehöhlten Baumstamme hergestellt wird.
Abb. 144. Kriegsgott von Hawai,
ganz aus bunten Federn bestehend.
Aus: Rannie, South Sea Cannibals.
Abb. 145. Erinnerungsbilder an Verstorbene auf den Salomonen,
die häufig auf einem Haufen Steine über der Grabstätte errichtet und denen Opfergaben dargebracht werden.
Es kommt aber auch vor, daß ein Eingeborener durch Mitteilung anderer von gewissen Dingen Kenntnis erhalten hat, die ein besonderer Vorfahrengeist sehr liebt, und diese zu seinem eigenen Vorteil verwertet. Dies ist gewöhnlich im Kampf oder im Streit gegen einen persönlichen Feind der Fall. Denn ohne diese Geisterhilfe würde sich der hoffnungsvolle Sieger nicht nur der Gefahr des Mißerfolges aussetzen, sondern auch der Wahrscheinlichkeit, daß, selbst wenn er sein Opfer töten sollte, er dem Geiste dieses Gefallenen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert würde. Daher nimmt er nur unter dem Schutze eines noch stärkeren Ahnengeistes, der seiner Ansicht nach mehr Mana besitzt, den Kampf in dem Gefühl der Sicherheit auf. Er bietet zunächst seinem befreundeten Geist etwas von dessen Lieblingsspeise an und ruft seine Hilfe und seinen Schutz herbei, bevor er den in Aussicht stehenden Angriff unternimmt. Befindet sich ein Melanesier in Gefahr oder bedrängter Lage, so ruft er natürlich ebenfalls ein Wesen an, von dessen Macht und Bereitwilligkeit ihm zu helfen er überzeugt ist. Er tut es auch, damit dieses ihn vor Gefahren auf der See bewahre, seinem Kanu schnelle Fahrt verschaffe, ihm in Krankheitsfällen beistehe, beim Fischen oder bei der Ernte ihm einen guten Erfolg beschere und anderes mehr. Fällt das Ergebnis zur Zufriedenheit aus, so richtet der Betreffende Lobsprüche an seinen Geist. Aber, wie gesagt, muß es sich um den Geist oder die Seele solcher Männer handeln, die bei Lebzeiten Mana in sich trugen; die Seelen unbedeutender Männer sind ebenso wie vor so auch nach ihrem Tode ohne Gewicht und vermögen nichts auszurichten. Dagegen wird die Seele eines bedeutenden Mannes an Mana nach dem Tode noch mehr erhalten und daher imstande sein, die Wünsche derer zu erfüllen, die sich darauf verstehen, sich ihrer Hilfe zu versichern.
Die eigentlichen Geister, das heißt diejenigen, die niemals als Wesen in menschlicher Gestalt gesteckt haben, sind häufiger Gegenstand einer Zeremonie auf den westlichen Inselgebieten Melanesiens. Die Art und Weise ihrer Verehrung weicht indessen von der oben geschilderten nicht unwesentlich ab. Diese Geister haben nämlich weder Totenschreine noch Gedächtnisbilder, wie sie für die abgeschiedenen Seelen großer Leute errichtet werden, sondern die ihnen geweihten Stätten sind hauptsächlich das Werk der Natur. Das einzige, was für gewöhnlich mit einem solchen Geist verknüpft ist, besteht in einem Stein von etwas seltsamer Form. Solche Steine mögen manchmal wohl individuellen Geistern aus alter Zeit heilig gewesen sein; oftmals weiß nur ein einzelner Mensch darüber Bescheid, in welcher Weise man sich ihnen nähern kann, und zwar kam diese Kenntnis auf ihn durch Überlieferung von Generation zu Generation. Daher vermag er allein sich dem Steine zu nähern, weil nur er eine persönliche Bekanntschaft mit dem Geist besitzt. Jeder andere, der den Vorzug genießen will, von dem Geist etwas zu erreichen, muß dies durch Vermittlung dieses Mannes tun. Zunächst macht er diesem ein Geschenk in Gestalt eines Schweines, mit Matten, einheimischem Muschelgeld und anderen Kostbarkeiten. Letzterer opfert nun, indem er seine Gabe auf den geweihten Stein legt, dem Geist, und ruft seine Hilfe an.
Phot. C. M. Woodford.
Abb. 146. Erinnerungsbilder an verstorbene Eingeborene von Rang auf den Neuhebriden
in Gestalt großer, aufrechtstehender Trommeln, die nur bei Begräbnisfeierlichkeiten geschlagen werden.
Phot. J. W. Beattie, Hobart.
Abb. 147. Totenschrein für einen vornehmen Eingeborenen der Salomoinseln.
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Über das Wesen der Ahnenseelen und Geister haben sich die Melanesier folgende Ansicht gebildet. Der Mensch beherbergt während seines Lebens in seinem Körper sein „Seelenich“, das ihn bei seinem Tode als Ahnenseele verläßt. Es kann sich auch während des Schlafes aus dem Körper entfernen; erwacht der Mensch aber, bevor die Seele zurückgekehrt ist, so wird der Betreffende wahrscheinlich krank; bleibt die Seele zu lange fort, dann stirbt der Mensch. Niesen gilt bei den Koita für ein Anzeichen, daß die Seele wiedergekehrt ist; wenn ein Mensch wochenlang nicht niest, so wird dies als eine üble Vorbedeutung angesehen. Stirbt ein Mensch, dann geht seine Seele nach einem bestimmten Ort, der von den einzelnen Völkern ganz verschieden lokalisiert wird, im allgemeinen aber für eine Art Paradies gilt, das heißt eine Stätte, wo die Seele ein ähnliches glückliches Dasein führt wie bei Lebzeiten, unter anderem Häuser, Gärten, Weiber, Nahrung und so weiter zur Verfügung hat. Wichtig ist, daß dem Verstorbenen bei Lebzeiten die Nasenscheidewand durchbohrt worden ist; andernfalls muß dies nach dem Tode noch nachgeholt werden. Denn käme er ohne diese Verschönerung des Körpers im Paradies an, dann hätte er zu gewärtigen, dort mit einem blindschleichenähnlichen Tiere in der Nase einherspazieren zu müssen. Nach dem Glauben der Eingeborenen von Neupommern muß die Seele auf ihrer Wanderung zu ihrem zukünftigen Aufenthaltsort an zwei Felsen vorbei, an denen sie über ihr Leben ausgefragt wird. War ihr Besitzer freigebig, dann darf sie weitergehen, war er aber geizig, dann muß sie wieder zurück nach Süden in ein Gebirge, wo sie in einen Felsen verwandelt wird und in der Brandung stehen muß. Indessen bleibt die Seele, die den Körper verlassen hat, nicht dauernd in diesem Geisterreich, sondern zieht es vor, gelegentlich, meistens in der Nacht in ihre frühere Heimat zurückzukehren, aber keineswegs immer mit dem Gefühle des Wohlwollens; im Gegenteil, sie sucht die Zurückgebliebenen zu schädigen, besonders wenn sie etwas verbrochen haben, zum Beispiel die Begräbnisgebräuche vernachlässigten, die Stammessatzungen verletzten und ähnliches mehr. Für solche Taten schickt die Seele Krankheit und Unglück. Daher opfert man den Seelen der Verstorbenen, um sie gut zu stimmen oder zu versöhnen. Verschiedentlich nimmt man an, daß die Seelen bestimmte Gestalt annehmen können, zum Beispiel nach dem Glauben der Mafululeute, daß die Seele eines jungen Menschen zu einem schimmernden Lichte auf dem Erdboden oder im Unterholz werde, oder die eines älteren Mannes zu einer großen Pilzart, die auf den dortigen Bergen wächst, nach dem Glauben der Sulka (Neupommern), daß sie sich in eine Sternschnuppe verwandle und anderes mehr. Die Mafulu sind davon überzeugt, daß die Seelen manchmal in die Dörfer herabsteigen, um sich Nahrung zu holen, oder auch in anderer Absicht, und da sie ihre Besuche fürchten, so verschließen sie nachts alle Öffnungen in ihren Häusern, durch welche die Geister etwa eindringen könnten. Sie waren daher nicht wenig erstaunt, als sie sahen, daß die katholischen Missionare bei Eröffnung der Mafulustation alle bei offenen Türen und Fenstern zu schlafen wagten. Die Mafulu halten überhaupt jeden Ort, der etwas ungewöhnlich aussieht, wie einen Wasserfall, eine tiefe Stelle in einem Fluß, eine schmale, tiefe Felsschlucht oder einen seltsam geformten Felsen für den möglichen Wohnort einer Seele. Sie glauben auch, daß gewisse Bäume und Schlingpflanzen von Seelen bewohnt werden, und wagen es daher nicht, diese zu fällen oder abzuschneiden. Geht eine plaudernde Gruppe Eingeborener an Stätten vorbei, die vermutlich von einer Seele bewohnt sind, so verstummen sie; ein jeder hat sich zuvor mit einem Grasbündel, das zu einem Knoten gebunden ist, bewaffnet, und legt es beim Vorübergehen auf die geheimnisvolle Stelle; dadurch glaubt er jede Gefahr von sich abzuwenden.
Phot. G. Landtmann.
Abb. 148. Eingeborener vom Flyriver in dem Aufzug eines aus dem Lande der Toten zurückgekehrten Geistes.
Die Umhüllung besteht ganz aus Blättern. Die Frauen glauben, daß der vor ihnen tanzende Geist ihr verstorbener Verwandter sei und weinen während des Tanzes.
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Bei den Papua westlich des Flyriver führen Männer, die aus dem Lande der Toten zurückgekehrte Geister darstellen sollen, vor den eingeborenen Frauen einen Tanz auf. Ihr Körper nebst dem Gesicht ist ganz mit Blättern bedeckt (Abb. 148), so daß sie nicht erkannt werden können. Die Frauen glauben, daß die Tänzer ihre verstorbenen Verwandten sind, und weinen während des Tanzes. — Auch Geister spielen in dem Glauben der Melanesier eine große Rolle. Sie glauben sich beinahe auf Schritt und Tritt von ihnen und ihren Einflüssen umgeben. Man meint, daß sie bestimmte Orte oder Bezirke, auch Gegenstände, wie Felsen, Bäume, Quellen, Wasserlöcher bewohnen, die Gestalt von gewissen Tieren, wie Schlangen, Sternfischen, Krabben und dergleichen, annehmen können und innerhalb ihres Bereiches ihre Macht ausüben. Wird zum Beispiel ein Mitglied einer im Freien lagernden Gruppe von irgend einer Krankheit oder dem Tod befallen, bekommt es durch den Biß eines Insektes Wunden oder Geschwüre, erfährt es überhaupt eine Widerwärtigkeit, dann schreibt man dieses Ereignis dem Werke eines Geistes der betreffenden Stelle, wo der Verunglückte sich gerade aufhielt, zu. Man fürchtet sich daher vor diesem Orte und meidet ihn beim nächsten Male. Gegen solche Zufälle sucht man sich durch Zauber zu schützen, beziehungsweise ihnen vorzubeugen. In der Nähe von Port Moresby zum Beispiel liegt ein seltsam geformter Hügel, der für den Sitz eines Geistes gilt und daher nicht betreten wird; mit einem Knüttel oder einem Holz von einem Baume seiner Umgebung könnte man einem anderen schwere Wunden beibringen. Tötet jemand in der Umgebung dieses Hügels auf der Jagd ein Wallaby, so achtet er sorgfältig darauf, daß kein Tropfen Blut auf die Erde fällt. Sollte dies unglücklicherweise doch geschehen, so wird das Stück Erde behutsam fortgenommen und in den Fluß geworfen; denn sonst würden die Menschen, die von dem Tiere essen, erkranken. Wollen Menschen aus einem bestimmten Wasserloch trinken, das von einem Geiste bewohnt wird, so müssen sie erst in das kegelförmig zusammengerollte Blatt, mit dem sie schöpfen, ein Loch machen, damit der Geist herausfalle. Täten sie dieses nicht, dann würde er in den Menschen, der das Wasser trinkt, einziehen und ihn zum Anschwellen und Sterben bringen. Bisweilen nimmt auch ein böser Geist von dem Seelenich eines Mannes Besitz. Wenn zum Beispiel jemand auf seiner Rückkehr aus dem Busch das Fieber mit dem es begleitenden Schüttelfrost bekommt, so nimmt man an, er sei gefallen und ein Geist habe sein Seelenich mitgenommen. Es ist dann eine besondere Zeremonie nötig, um den Geist zu veranlassen, daß er wieder herausgeht. Wertvolle Zieraten werden an ein langes Bambusrohr gebunden, und der Kranke sowie seine Freunde gehen an die Stelle zurück, von der er glaubt, daß er dort hingefallen sei und die Besinnung verloren habe; zwei andere Männer bringen das Rohr mit. Jetzt stellen sie einen Topf auf die Erde, füllen ihn mit einer besonderen Grasart und einem brennenden Feuerstock und halten das Bambusrohr in horizontaler Lage darüber. Während das Gras knisternd brennt und die Männer den Topf umstehen, jeder mit einem Steine in der Hand, schlagen sie mit diesem auf den Topf und zertrümmern ihn unter Stöhnen. Dann kehrt die Gesellschaft mit ihrem Bambus in das Dorf zurück, aber niemand darf sich dabei umsehen. Zu Hause angekommen legt sich der Kranke nieder, der Bambusstock wird über seinem Lager aufgehängt. Es scheint dabei der Aberglaube zu bestehen, daß der Geist die Seelen der Ziergegenstände, die an dem Bambusstock befestigt sind, als Ersatz für die Seele des kranken Mannes hinnehme und daß daraufhin sich dieser wieder erhole.
Zauberei und Magie nehmen einen großen Platz in den abergläubischen Vorstellungen der Melanesier ein. So verwenden die Wahrsager auf den Inseln der Torresstraße eigens dazu präparierte Menschenschädel (Abb. 149 und 150). Wir haben bereits mehrfach diese beiden Punkte berührt. Der Zauberer, der seine geheimnisvolle Kraft ausübt, tut dies mit Hilfe eines Geistes, und zwar vermöge des Mana, das dieser ihm verliehen hat. Solche Fähigkeiten werden von ihren Inhabern wieder auf andere vererbt, indem diese von ihnen darin eingeweiht werden. Jegliche Krankheit, die nicht gerade eine gewöhnliche ist, also im natürlichen Verlaufe des Lebens vorkommt und dann auch als eine solche aufgefaßt wird, gilt ihnen als das Werk eines Geistes oder einer Ahnenseele. Die Wesen jedoch, denen für gewöhnlich die Verursachung von Krankheiten zugeschrieben werden, sind Seelen, die entweder beleidigt wurden, oder die um ihre verderbliche Hilfe von den mit ihnen verbundenen Menschen durch Opfer und Zaubersprüche angegangen wurden, oder die aus reiner Bosheit gegen die Lebenden so handeln. Der gewöhnliche Glaube geht dahin, daß der Geist den Menschen dabei auffrißt. Oft muß zunächst erst die Seele oder der Geist ausfindig gemacht werden, welche die Krankheit hervorgerufen haben; hat sich zum Beispiel herausgestellt, daß der Kranke verbotenerweise einen geweihten Ort betrat, dann liegt die Annahme nahe, daß der Geist dieses Ortes seine Krankheit herbeigeführt haben muß. In diesem Falle wird der Vertraute dieses Geistes geholt, der daraufhin eine Zeremonie mit dem Kranken vornimmt — so kaut er auf Florida (Salomoinseln) Ingwer und bläst ihn in das Ohr des Patienten — und den Geist bittet, die Krankheit zu beseitigen. Wird der Kranke nicht gesund, dann versucht man es mit einem anderen, möglicherweise beleidigten Geist auf die gleiche Art. Kann man das betreffende überirdische Wesen überhaupt nicht feststellen, so wendet sich jemand, der mit einem mächtigen Geist vertraut ist, an diesen und bittet ihn um Vermittlung bei dem beleidigten Geist, wobei ohne weiteres vorausgesetzt wird, daß jener diesen kenne. In manchen Fällen vermutet man auch, daß irgend ein Mensch, der dem Kranken übel will, seinen eigenen ihm vertrauten Geist angerufen und dazu gebracht hat, die Krankheit zu verursachen; dann bemüht man sich, einen mit einem noch mächtigeren Geist verbundenen Menschen zu veranlassen, daß er aus Mitgefühl den verzehrenden Geist abrufe. Weigert er sich, dies zu tun, dann bleibt immer noch die Möglichkeit, seine Zuflucht zu einem zu nehmen, der zu einem noch mächtigeren Geiste Beziehungen unterhält, damit der den anderen austreibe. Der Ausgang, ob Genesung oder Tod, beeinflußt dann die öffentliche Meinung über die relative Macht der verschiedenen Seelen oder Geister.
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 149. Präparierter und verzierter Schädel zum Wahrsagen auf den Inseln der Torresstraße.
Wer seine Wirksamkeit in Anspruch nehmen will, legt ihn nachts neben seinen Kopf; im Traume wird ihm die Wahrheit kund.
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 150. Präparierter und verzierter Schädel zum Wahrsagen auf den Inseln der Torresstraße.
Von den Eingeborenen Neumecklenburgs, Neulauenburgs und noch anderer Inseln Melanesiens wird zur Behandlung von Schädelverletzungen, die zumeist durch Schleudersteine entstehen, sowie zur Beseitigung von Epilepsie oder Linderung andauernder heftiger Kopfschmerzen die Trepanation vorgenommen, das heißt die Freilegung der Schädeloberfläche und unter Umständen die Öffnung der Schädelhöhle. Man begnügt sich auch in weniger ernsten Fällen mit einem Schaben des Stirnknochens; auch hiervon können tiefe Narben zurückbleiben (Abb. 151). Ein Obsidiansplitter, ein scharfer Haifischzahn oder eine geschärfte Muschel geben das primitive Handwerkszeug für diese Operationen ab.
Wenn man in einer Gegend von Neumecklenburg die Vermutung hat, daß ein Mann durch Zauberei gestorben ist, so versammeln sich seine Freunde in der nächsten Nacht um sein Haus; ein Zauberer ruft seine Seele an und fragt sie, wer der Schuldige war. Erhält er keine Antwort, so ruft er den Namen eines Verdächtigen aus, und die Umstehenden lauschen eifrig auf die Antwort. Kommt aber keine solche, so wird ein anderer Name gerufen; dies wiederholt sich so lange, bis ein Laut, sei es auch nur ein Geräusch, wie wenn jemand mit dem Finger auf ein Brett tippt, vernommen wird. Daraufhin hält man den zuletzt Genannten für den Schuldigen; das heißt, man glaubt, daß nicht er direkt den Tod seines Nächsten verschuldet hat, sondern die Macht des ihm vertrauten Geistes. In manchen Gegenden der Salomoinseln entdeckt der zur Erkrankung eines Menschen herbeigerufene Zauberer den Geist, der das Unheil angerichtet hat, dadurch, daß er einen Stein an einem Bindfaden, den er in der Hand hält, befestigt und die Namen der kürzlich Verstorbenen aufruft. Gerät der senkrecht an dem Faden hängende Stein bei irgend einem Namen in Bewegung, dann erkennt man daran, daß es nur die Seele dieses Mannes gewesen sein kann. Nun werden die Namen von Geschenken für den Geist, zum Beispiel Yamswurzel, Fische, Schweinefleisch und dergleichen, der Reihe nach genannt; der Ausschlag des Steines zeigt dann an, was der Geist zur Besänftigung ausgewählt hat. Das von ihm geforderte Geschenk wird am Grabe des Toten oder an einem geweihten Orte geopfert.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 151. Junger Mann mit tiefen Stirnnarben,
die von einer Operation am Schädel herrühren; sie wurde in der frühesten Kindheit vorgenommen, um Epilepsie oder Kopfschmerzen dadurch zu beseitigen.
Aus: Seligmann, The Melanesians.
Abb. 152. Ein zu Zauberkünsten dienender menschlicher Schädel aus Roro (Neuguinea).
Der Schädel ist in einen Weidenkorb gestellt mit der Basis nach außen, die ein Gesicht darstellen soll.
In manchen Gegenden Melanesiens gibt es verschiedene Methoden, um Krankheit oder Tod herbeizuführen, aber allen liegt doch der Gedanke zugrunde, daß das Opfer mit dem Geist in irgend einer Weise in Verbindung gebracht werden muß, der ihm schaden soll. Für gewöhnlich macht man es so. Man nimmt etwas vom Körper des ausersehenen Opfers (Abb. 152 und 153), zum Beispiel ein Haar, ein Stück Fingernagel oder etwas, was sonst mit ihm eng verbunden war, sagen wir ein Überbleibsel seiner Mahlzeit, die er kürzlich eingenommen hat, oder ein Blatt, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn trocknete, und leitet darauf die böse Zauberkraft eines Knochens von einem Toten, dessen Seele die ausübende Kraft ist, oder eines Steines, der Mana besitzt, um Unheil anzurichten, oder irgend eines anderen derartigen Gegenstandes. Oder man wirft den betreffenden Gegenstand auch auf eine geweihte Stätte, die der Geist bewohnt. Dadurch soll dessen Träger krank werden oder sonst ein Unglück erleiden. Das Opfer erfährt bald davon durch einen Dritten, daß es verzaubert worden ist, und die Einbildung, daß ihm ein Unheil, zumeist der Tod bevorstehe, wirkt so mächtig auf sein Gemüt ein, daß es tatsächlich krank und von Tag zu Tag hinfälliger wird. Die Angehörigen wenden sich nun an einen Zauberer, der daraufhin den fremden Geist mit Hilfe des ihm vertrauten zu bestimmen versucht, daß er von seinem Opfer abläßt. Um solchem Unheil vorzubeugen, ist es daher allgemein Brauch bei diesen Leuten, daß sie etwaige Gegenstände, die für diese Zwecke Verwendung finden könnten, sorgfältig verstecken, damit sie nicht einem Übelwollenden in die Hände fallen. Ein anderes Vorgehen zur Abwendung eines Zaubers wurde in einer Gegend von Deutsch-Neuguinea beobachtet. Ein Kranker sandte öfters einen Boten nach einem bestimmten Orte, wo die verdächtige Seele hausen sollte, um von dort ein Büschel Gras zu holen; dieses trug er in die Blätter einer besonderen Pflanze eingewickelt und mit einer bestimmten Schlingpflanze noch zusammengebunden zurück. Der Kranke wurde mit dem kleinen Bündel gestreichelt, damit die böse Macht, von der er besessen wäre, dorthin übergehe; darnach wurde das Büschel tüchtig geschlagen, um die Macht zu zermalmen, oder es wurde in den Rauch des Feuers gehängt, um sie zu ersticken. — Die Eingeborenen verwenden auch Heilmittel, die nach ihrem Glauben Zauber und Krankheit zu bannen vermögen. Manchen von ihnen mag zwar eine gewisse Heilkraft zukommen, aber zumeist beruht ihre Wirksamkeit doch auf dem Glauben an die Macht eines übernatürlichen Geistes; der ausübende Zauberer ist mit dem Geisterwesen vertraut, und der in Betracht kommende Geist bringt eben die Heilung zustande.
Aus: Brown, The Melanesians.
Abb. 153. Die Mittel eines Zauberers.
Der Inhalt der Netze besteht aus Körperteilen (Haaren, Zehennägeln und dergleichen) von einem Menschen, der verhext werden soll.
Die Geister und Seelen haben auch das Wetter in der Hand; und ebenso beherrschen es alle diejenigen, die mit diesen vertraut sind und ihre Vermittlung anrufen können. Daher gibt es auch Wettermacher, die Wind und Stille, Regen und Sonnenschein, Hungersnot und reichliche Ernte herbeiführen zum Vorteil derer, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, oder zum Schaden der Feinde letzterer (Abbild. 154 u. 155). Die Geister und Seelen können auch Beschwörungsformeln, Steinen, Blättern und anderen leblosen Gegenständen Macht verleihen, damit sie aus sich heraus das Wetter beeinflussen. Die Methoden, die diese Wettermacher anwenden, sind ganz verschiedene. Auf einer der Salomonen zum Beispiel wurde folgendes Verfahren eingeschlagen, um Sonnenschein herbeizuführen. Bestimmte Blätter und Schlingpflanzenranken wurden von einem Insulaner an das Ende eines Bambusstockes gebunden und über ein Feuer gehalten. Der Mann fachte das Feuer an und sang dabei, um dem Feuer Mana einzuverleiben, das dieses wiederum auf die Blätter übertragen sollte. Dann kletterte er auf einen Baum und befestigte den Bambusstock an dessen äußerstem Zweig. Während der Wind das biegsame Rohr hin und her bewegte, verbreitete es Mana um sich, woraus alsdann die Sonne zum Vorschein kommen sollte. — Auf den Neuhebriden glauben die Eingeborenen, sich dadurch Sonnenschein verschaffen zu können, daß sie Zweige einer Pflanze, die mit Mana getrocknet wurden, über das Feuer halten, und dabei Zaubersprüche singen in der Hoffnung, daß dadurch geradeso, wie diese Zweige vertrockneten und in dem Feuer verbrannten, auch die Erde infolge der kommenden Sonnenhitze Trockenheit annehmen wird. Auf den Santa-Cruz-Inseln wird, um Wind herbeizuführen, der Zweig eines bestimmten Baumes ebenfalls unter Absingen von Zaubersprüchen in der Luft geschwenkt.
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 154. Regenschirm aus Kokosnußblättern,
in dem der Zauberer den Regenzauber verbirgt. Sein oberer Teil wird schwarz gemacht, um die Wolke vorzustellen, an der Spitze werden junge Kokosnußblätter aufgehängt, um die fallenden Regentropfen anzudeuten.
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GRÖSSERES BILD
Das ganze Leben und Treiben der Melanesier erscheint von Zauberei gleichsam durchsetzt zu sein, die bei den verschiedensten Gelegenheiten, überhaupt bei allem, was des Menschen Herz beschäftigt und erfreut, angewendet wird. Will zum Beispiel auf Deutsch-Neuguinea ein Jäger auf seinem Ausfluge Glück haben, so verbrennt er eine bestimmte Sorte Holz, das aus dem Innern, wo die „Jagdgeister“ hausen, herstammt, und schwärzt sich mit dem Ruß Gesicht, Hände, Knie und Ellbogen, desgleichen die Nase seines Hundes, oder er mischt winzige Teilchen eines Krokodilzahnes unter das Hundefutter, damit die Gier und Kraft dieses Tieres auf seinen Begleiter übergehe, oder er berührt die Nase des Hundes mit der Klaue eines habichtartigen Vogels, damit er seine Beute krampfhaft festhalte wie dieser. Um beim Anbau von Tarowurzeln einen guten Erfolg zu erzielen, muß der Eingeborene einen Tarostein besitzen, den er anruft, und mit dem er die Tarostücke berührt, ehe er sie in die Erde legt. Die Entstehung solcher Tarosteine wird auf folgende interessante Legende zurückgeführt. Es war einmal ein Geist, der großen Appetit auf Taro hatte und von dieser Wurzel eine riesige Menge verzehrte; als aber die Wurzeln in seinem Magen zu sprossen begannen, platzte dieser und die Tarostücke flogen nach allen Richtungen und verwandelten sich in Steine, die fortan die Macht besaßen, bei der Tarozucht Erfolg herbeizuführen. Zaubersteine finden auch Verwendung, um Männer flink, leichtfüßig und ausdauernd zu machen, so daß sie imstande sind, ohne Ermattung die ganze Nacht hindurch zu tanzen; man schabt von den Steinen ein Pulver ab und reibt damit die Glieder dieser Dauertänzer ein. Manche Männer besitzen auch die Macht des Weissagens, die ihnen nach dem Aberglauben der Eingeborenen meistens durch die Geister und Seelen Verstorbener verliehen wird; ihre Antworten gehen durch den Mund des Wahrsagers, der während des Zwiegesprächs mit den Geistern anscheinend die Besinnung verloren hat. Wird zum Beispiel über einen Kriegszug beraten, so niest und schüttelt sich einer der Teilnehmer, der im Rufe steht, mit einem überirdischen Geiste vertraut zu sein, woraus man entnimmt, daß der Geist bei ihm Einzug gehalten hat. Seine Augen beginnen zu funkeln, sein Mund zu schäumen, seine Glieder zu zucken, schließlich krampft sich der ganze Körper zusammen; darauf ertönt aus seiner Kehle eine Stimme, aber angeblich nicht seine eigene, sondern die des Geistes, die den Vorschlag der Versammlung mißbilligt oder gutheißt. Diese Antwort ist dann ausschlaggebend für die Teilnehmer.
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 155. Ein Regenzauber (menschliches Gesicht)
von den Inseln der Torresstraße.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 156. Tabuzeichen auf den Salomonen,
das ein Krokodil darstellen soll; zum Schutz der Kokospalmen.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 157. Tabuzeichen aus einem Bündel Blätter,
das andeutet, daß der Übertreter des Verbots in seinem Kanu auf See durch die Winde weggeblasen und untergehen wird.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 158. Tabuzeichen (Muschel auf einem Stock),
welches besagt, daß der Übertreter sein Gehör (Ähnlichkeit der Muschel mit einem Ohr) verlieren wird.
In einer Gegend der Admiralitätsinseln stellt man auf folgende Weise durch Zauber fest, ob ein Kampf unternommen werden soll oder nicht. Der Wahrsager rollt ein Betelblatt zusammen, beißt ein Stückchen davon ab, kaut es mit Arekanuß und läßt den Speichel in die Rolle fallen; je nach der Richtung, nach welcher dieser in ihr nach dem Öffnen abfließt, wird Krieg oder Frieden beschlossen. Auf den Salomonen und auch anderwärts sind Gottesurteile üblich, um die Schuld oder Unschuld eines Menschen, der eines Vergehens angeklagt ist, zu erweisen. Die Art und Weise dieser Gottesurteile oder Ordalien ist in den einzelnen Gegenden ganz verschieden. Der Beschuldigte ruft zum Beispiel die Hilfe eines Mannes an, der einen Stein mit Zauberkraft besitzt. Dieser erhitzt ihn und wirft ihn aus einer Hand in die andere; verbrennt er sich die Hände dabei, so ist der Angeklagte schuldig, wo nicht, trifft ihn keine Schuld. In einigen Gegenden von Holländisch-Neuguinea schreiben die Eingeborenen, wie meistens in Melanesien, den Tod eines ihrer Angehörigen den bösen Anschlägen irgend eines anderen zu und suchen diesen ausfindig zu machen. Der Körper eines Verstorbenen wird nun dort über einem mäßigen Feuer ausgetrocknet und die Flüssigkeit, die in den nächsten Tagen aus dem Körper fließt, wird aufgefangen und aufbewahrt. Diese Flüssigkeit wird dann bei passender Gelegenheit solchen, die im Verdacht stehen, den Tod herbeigeführt zu haben, zu trinken gegeben; wenn sie sich nach dem Genusse übergeben, gilt ihre Schuld für erwiesen, und ihr Tod ist die weitere Folge. Auf einer kleinen Insel nördlich von Holländisch-Neuguinea nimmt die Stelle dieser Leichenflüssigkeit ein Pulver ein, das aus den Knochen eines Verstorbenen hergestellt ist. Ist der Verdächtige außerstande, das Pulver hinunterzuschlucken, so gilt seine Schuld als erwiesen, und der Tod ist ihm gewiß. In der Nähe von Finschhafen lauscht man ängstlich und gespannt auf die Worte, die ein Kranker in seinen Fieberphantasien oder im Traume ausstößt, um den Namen der Person, welche die Verzauberung bewirkt hat, zu erfahren, oder man zündet am Abend des Sterbetages ein Feuer im Dorfe an und nennt nacheinander die Namen von Personen, die den Tod verschuldet haben könnten; diejenige, bei deren Namensnennung das Feuer hell auflodert, wird als der Täter angesehen. Es drängt sich nun von selbst die Frage auf, ob für den Fall, daß der Zauberer unrecht hat oder seine Weissagungen nicht in Erfüllung gehen, nicht das Rechtsgefühl der Eingeborenen sich aufbäumt. Manchmal geschieht dies allerdings. So wird der Zauberer auf Deutsch-Neuguinea häufig in Fällen, in denen er seinen Zauber nicht nach Wunsch ausgeführt hat, zum Schadenersatz angehalten. Ist er zum Beispiel um Regen angegangen worden, und will dieser, nachdem er sich in Strömen eingestellt hatte, nicht wieder aufhören, so muß er den Schaden tragen, den die Feldfrüchte durch den übermäßigen Niederschlag erlitten haben. Vielfach wird der Zauberer wohl durch seine langjährige Beobachtung und Erfahrung das Richtige treffen. Ein Mißlingen schiebt er aber klugerweise vielfach auch dem Umstande zu, daß die Macht des Geistes, den er angerufen hatte, durch die Gegenwirkung eines noch höheren Geistes beeinträchtigt worden sei, und die Eingeborenen geben sich damit zufrieden.
Original i. Museum f. Völkerkunde, Berlin.
Abb. 159 u. 160. Präparierte Menschenschädel vom Kaiserin-Augusta-Fluß (Deutsch-Neuguinea).
Original i. Museum f. Völkerkunde, Berlin.
Abb. 161 u. 162. Präparierte Menschenschädel vom Kaiserin-Augusta-Fluß (Deutsch-Neuguinea).
Sehr verbreitet über ganz Melanesien ist auch der Glaube an Vorzeichen, im besonderen, wenn es sich um den Ausgang eines geplanten Zuges, entweder zur Jagd oder zum Fischfang oder zum Kriege, handelt. Auf einigen Ost-Neuguinea vorgelagerten Inseln verkündet das Piepen eines fliegenden Fuchses den Fischern am Riff Glück, der Schrei eines gewissen Vogels aber Unglück; wer letzteren hört, kehrt sofort um. Auf einer der Neuhebriden lebt ein kleiner Vogel, dessen Ruf bald wie das einheimische „nein“, bald wie die Stimme eines redenden Menschen klingt. Wenn Männer auf einer Expedition den ersteren Ruf hören, so halten sie dies für ein böses Zeichen, im anderen Falle ziehen sie mit großer Hoffnung aus. Bei den Koita hält man es auf dem Schildkröten- oder Dujongfang für glückbringend, wenn ein fliegender Fisch in ihr Kanu springt, oder auf einem Jagdausflug ein bestimmter Vogel ruft; sofort gehen sie in der Richtung weiter, aus welcher der Ruf erklang. Dagegen gilt das Auftauchen einer grünen Taubenart als ein böses Omen; begegnet eine Jagdgesellschaft einem solchen Tiere aus der Richtung, die sie gerade einschlug, dann kehrt sie sofort um und unternimmt bis zum nächsten Tage nichts weiter. Auch links und rechts spielen in dem Aberglauben der Melanesier eine Rolle. Springt zum Beispiel ein Hornhecht rechts vom Kanu auf oder stößt ein Jäger zufällig mit seinem rechten Fuß gegen einen Stein, so bedeutet dies für ihn Glück, im entgegengesetzten Falle befürchtet er ein Unglück. Manche Vorfälle werden als Warnungen vor einem bösen Ereignis, das im Anzuge ist, angesehen. Das Erscheinen eines Frosches oder eines anderen Geschöpfes, das sonst nicht in eine Hütte zu kommen pflegt, wird von den Bewohnern der Neuhebriden als der Vorbote des Todes gedeutet; eine glänzende, goldfarbene Schlange gilt gleichfalls als Anzeichen des Todes; bleibt sie ruhig liegen, dann glaubt man, daß der Tod durch eine Krankheit verursacht wird, bewegt sie sich aber, dann tritt ein gewaltsamer Tod ein. Auf der Gazellehalbinsel gilt ein gewisser Vogel als Weissager des bevorstehenden Todes; die gleiche Bedeutung haben hier Sternschnuppen; man hält sie für Seelen Abgeschiedener, die auf die Erde kommen, um jemand, den sie sich dazu ausersehen haben, zu holen. Bei den Bewohnern im Innern Neupommerns besagt ein Ring um die Sonne, daß irgend ein Mensch getötet worden ist, phosphoreszierende Lichter auf dem Wasser sollen von badenden Geistern herrühren und so fort.
Auch die Einrichtung des Tabus, das heißt die Sitte, gewisse Gegenstände, Personen oder Plätze gleichsam durch Belegen mit einem Bann für eine bestimmte Zeit oder auch für immer unantastbar oder unbetretbar zu machen, findet sich in Melanesien. Sein Ansehen und seine einschränkende Kraft liegen aber nicht allein in dem persönlichen Verbot, das ein Mann erläßt, sondern in der Macht des Geistes, der vermöge seines Manas mit ihm in Verbindung steht und jede Übertretung des Tabus auch ahndet. Man kann das Tabu hinsichtlich dieser seiner Wirksamkeit mit einem Fluch vergleichen. Durch das Tabu wird im allgemeinen das Eigentumsrecht einer Person geschützt. Der eine will dadurch seine Gärten oder Kokosnußbäume davor bewahren, daß ihm die Erträge geraubt werden, ein anderer sein Fischnetz oder sein Kanu vor Fortnahme, ein dritter belegt sein Haus während längerer Abwesenheit mit einem Tabu aus dem gleichen Grunde. Auch Knaben und Mädchen stehen, wie wir oben hörten, vor Eintritt der Mannbarkeit unter einem Tabu, das heißt, es dürfen bestimmte Personen sich ihnen nicht nähern, sie selbst bestimmte Gegenstände nicht anrühren und bestimmte Speisen nicht genießen. Für die Frauen und Kinder sind die Versammlungshäuser der Männer, sowie die Plätze der geheimen Gesellschaften tabu, das heißt jene dürfen sie nicht betreten und die sich auf ihnen abspielenden heiligen Handlungen nicht anschauen. Äußerlich wird das Tabu durch ein deutlich sichtbares Merkmal gekennzeichnet, zum Beispiel durch Grasbüschel oder Blätterbündel (Abb. 157), die man an den betreffenden Gegenstand anbindet, oder durch zwei kreuzweise in die Erde gesteckte Hölzer, geschnitzte Stöcke, zwei mit ihrer konkaven Fläche aufeinander gelegte und am Rande eingekerbte Palmblätter, wodurch das Aussehen eines Krokodilrachens vorgetäuscht wird und anderes mehr (Abb. 156 u. 158). Jedes dieser Zeichen genügt als Warnung, die verstanden und im allgemeinen auch befolgt wird. Denn eine Verletzung des Tabus zieht strenge Strafe des Geistes, meistens schwere Krankheit oder auch den Tod nach sich. Auf Kaiser-Wilhelms-Land kann man bei unbeabsichtigter Verletzung des Tabus vor der Strafe bewahrt werden; der Geschädigte verabreicht dem Frevler als Heilmittel ein durch Zauber besprochenes Wasser zum Trinken.
Phot. R. W. Williamson.
Abb 163. Mafulugrab.
Eine ausführlichere Besprechung erfordern die Toten- und Bestattungsgebräuche der Melanesier, die manchmal mit recht verwickelten Zeremonien verknüpft sind. Eine Übereinstimmung bezüglich der Art und Weise, wie man sich des Toten entledigt, herrscht in Melanesien nicht. Mit dem gewöhnlichen Volke pflegt man im allgemeinen nicht viel Umstände zu machen, dagegen erfährt in der Regel der tote Körper eines Häuptlings oder einer Standesperson eine ehrenvolle Behandlung.
Aus: Seligmann, The Melanesians.
Abb. 164. Totenstuhl der Koita.
Zumeist wird der Tote wie bei uns der Erde übergeben. In Gegenden, wo eine solche Bestattung ein Vorrecht der Häuptlinge ist, wird die Leiche in die See versenkt. In einigen Gegenden ist es Brauch, daß nahe Verwandte des Toten ein paar Knochen von ihm zurückbehalten und sie später als Reliquien tragen, oder in bestimmten Schreinen aufbewahren. Am Kaiserin-Augusta-Fluß (Deutsch-Neuguinea) trägt man auf die Schädel Verstorbener eine plastische Masse auf und modelliert diese naturgetreu zu einem Gesicht. Die Augen werden durch Muscheln ersetzt, die Kopfhaare durch Zotteln, das ganze Gesicht schließlich mit Zeichnungen bedeckt, die an die Tatauierungen der Maori erinnern (Abb. 159 bis 162). Anderwärts wieder herrscht die Sitte, zunächst den ganzen Körper zu bestatten, später aber das Skelett auszugraben und einzelne Teile davon zur Aufbewahrung loszulösen. Für bedeutendere Personen werden bisweilen große, mehr oder weniger verzierte Totenschreine errichtet, in denen die Habseligkeiten des Toten mit der Leiche untergebracht werden. Diese Schreine genießen dann den Ruf besonderer Heiligkeit. Oft werden dem Verstorbenen der Schmuck und andere Gegenstände, die er im Leben besessen hat, ins Grab mitgegeben oder auch vor dem Begräbnis neben der Leiche zur Schau gestellt, in dem Glauben, daß die Seele des Toten die gespenstischen Elemente der Sachen mit sich nimmt; bisweilen wird auch die ganze Habe des Verstorbenen zerstört. Auf den Salomonen wird das Grab eines Häuptlings oder einer Person von Ansehen mit einem manchmal treppenförmig abgestuften Steinhaufen bedeckt, auf dem oben ein aus einem Baumstamme roh geschnittener Gedächtnisblock aufgestellt oder auch ein kleiner Aufbau, etwa ein auf einem kurzen Pfosten ruhendes Kegeldach oder ein von aufrecht stehenden Stöcken getragenes Giebeldach oder auch ein winziges hausähnliches Gefäß errichtet werden (Abb. 182). Meistens findet sich aber in einem solchen Grabe nicht der ganze Körper des Toten, sondern nur sein Schädel oder einzelne Knochen beigesetzt. Bei den Mafulu und in einigen Teilen Neuguineas werden die Toten auf Plattformen, die auf rohen Holzgerüsten für diesen Zweck besonders errichtet sind, oder in die Gabelung eines heiligen Feigenbaumes ausgesetzt und dem Verfall überlassen (Abb. 163).
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 165. Totentänzer der Torresstraßeinseln.
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 166. Totentänzer der Torresstraßeinseln.
Die nachstehend geschilderten typischen Begräbnisszenen aus den verschiedenen Teilen Melanesiens sind heutigentags vielfach im Verschwinden begriffen, da die Missionare die Eingeborenen mehr und mehr veranlassen, ihre Toten nach den Gebräuchen der christlichen Kirche zu bestatten. Nach dem Tode eines Koita auf Neuguinea malt man auf sein Gesicht rote Farbstriche und sein Körper wird reich geschmückt. Die Dorfbewohner treten nun an den Toten heran, berühren sein Gesicht mit ihrer Nase, was etwa unserem Abschiedskuß gleichkommen dürfte, und wachen und jammern bei der Leiche die ganze Nacht hindurch, ohne Nahrung zu sich zu nehmen. Sodann wird der Tote auf einen Totenstuhl (Abb. 164), das heißt ein rohes Holzgestell, dessen Sitzbrett für drei Personen Raum bietet, gesetzt, neben ihm nehmen zwei Lebende, etwa seine Frau und sein ältester Sohn, Platz. Eine Stunde lang ertönen Trommelschlag und Totenlieder, dann werden des Verstorbenen Besitzgegenstände zerschlagen und an der Seite des Stuhles ausgelegt. Hierauf nimmt man dem Toten fast seinen ganzen Schmuck wieder ab, „küßt“ ihn noch einmal, rollt ihn in eine Matte und trägt ihn auf einer Stange zu Grabe. In den nächsten Tagen folgt nun ein Leichenschmaus dem anderen. Hierauf muß die Witwe, die von Kopf bis zu Fuß schwarz bemalt und am Haupthaar geschoren wird, einen bestimmten Trauerschmuck tragen. Die Trauer um ihren Gatten dauert sechs Monate, und während dieser Zeit ist sie verschiedenen Tabu unterworfen. Nach Ablauf dieser Frist wird wieder ein Fest gefeiert, an dem die Witwe endlich ihre Trauer ablegt; die schwarze Farbe wird mit dem Saft unreifer Kokosnüsse von ihrem Körper abgewaschen. Bei den Roro wird der Tote, nachdem man ihn ins Grab versenkt hat, zweimal mit einem Baumzweige von Kopf bis zu Fuß gestreichelt, um seinen Geist zu vertreiben. Ein oder zwei Monate lang nach dem Begräbnis brennt nachtsüber ein Feuer auf seinem Grabe, um „den Toten zu wärmen“. Im Mekeogebiet legen, wenn ein Mann gestorben ist, alle Verwandten Trauer an; sie enthalten sich außerdem des Tanzens, Singens und der lauten Lustbarkeiten. Beim Bemalen ihres Körpers verwenden sie keine rote Farbe; die männlichen Verwandten dürfen überhaupt nichts Bemaltes tragen und die Frauen vertauschen ihren mit Grasfransen besetzten Rock, der sich eng um ihren ganzen Körper schmiegt, gegen einen viel kleineren und kürzeren, der nur vorn und hinten wie eine Schürze herunterhängt und die Seiten unbedeckt läßt. Der Tote wird im Gemeindehaus oder auf einem besonders dazu erbauten Gerüste aufgestellt und unter Weinen und Wehklagen, in eine Palmenblattmatte gehüllt, in die Erde versenkt. Sobald der Tote von einer dünnen Erdschicht bedeckt ist, wirft sich der nächste Angehörige in das Grab hinein und verharrt hier weinend so lange, bis das Grab vollgeschaufelt ist. Nachdem das Begräbnis vorüber ist, läßt sich dieser nächste Verwandte vor den anderen nicht wieder sehen; nur mit einer rohen Rindenhülle bekleidet (Abb. 177), muß er die Tage im verborgenen und die Nächte weinend auf dem Grabe zubringen. Zur Nachtzeit wandert er auch wohl an den Orten umher, die der Verstorbene besucht hat, und ruft ihn. Dies dauert so lange, bis die formelle Anlegung des Trauerschmuckes vor sich geht. Ganz im Gegensatz zu diesem Brauch tiefster Trauer geben die Männer, die den Begräbnisritus ausgeführt haben, sich einem heiteren Feste hin, das mit einem Spiel endigt, bei dem sie nach einem hängenden Eber- oder Känguruhschenkel schnappen.
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 167. Tanz der Mafulu bei einer Leichenfeierlichkeit
vor dem im Vordergrund gelegenen Grabe.
Erst nach Wochen oder Monaten beginnt man in aller Form den Trauerschmuck anzulegen. Die Verwandten versammeln sich im Gemeindehaus der Sippe, ihr Körper ist mehr oder weniger schwarz angemalt und ihr Haar abrasiert; bei den Frauen wird das ganze Kopfhaar weggenommen, bei den Männern bleiben kleine Haarbüschel über den Ohren stehen. Gleichzeitig gibt es einen gemeinsamen Schmaus. Der Trauerschmuck besteht für gewöhnlich in Halskragen, Armbändern oder Hüftengürtel aus geflochtenen Binsen oder Gras. Diese formelle Trauer dauert eine Zeitlang, gewöhnlich mehrere Monate. Währenddessen dürfen die Leidtragenden nicht baden und unterliegen besonderen Nahrungseinschränkungen. Der Abschluß der Trauerzeit wird wiederum festlich begangen; der Trauerschmuck wird den Trägern in aller Form abgenommen, wodurch sie auch von den Speiseverboten befreit werden. Natürlich bilden den Schluß wieder Schweineschlachten, Schmaus und Tanz (Abb. 165 und 166).
Phot. R. W. Williamson.
Abb. 168. Tanz des Häuptlings der Mafulu vor dem Grabe.
Phot. G. Landtman.
Abb. 169. Witwe in Halbtrauer.
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GRÖSSERES BILD
Phot. G. Landtman.
Abb. 170. Plattform für Leichen vom Flyriver.
Phot. G. Landtman.
Abb. 171. Kiwaigrab.
Eigenartig sind die Totengebräuche bei den Mafulu. Beim Herannahen des Todes wird dem Sterbenden ein Weib, das diese Tätigkeit als Beruf betreibt, zur Bewachung beigegeben. Sobald sie sich überzeugt hat, daß der Tod eingetreten ist, verabreicht sie dem Toten mit der Faust einen Schlag auf den Kopf und erklärt ihn für tot; falls er es bis dahin noch nicht gewesen sein sollte, ist er es jetzt in der Tat. Bei einem Häuptlinge kommt noch ein umständlicheres Verfahren in Betracht. Ein Zauberer geht mit einem Stücke des Dammgurtes des Sterbenden sowie mit einem Rest der Speise, die er eben erst gegessen hat, in den Busch, steckt den Speiserest in den Gürtel und umwickelt diesen wieder mit einem Blatt, so daß eine Kugel daraus entsteht. Diese steckt er unter ein brennendes Holzscheit, sich selbst legt er daneben mit geschlossenen Augen, verharrt aber so nur wenige Minuten, springt dann wieder auf und untersucht die Kugel. Ist die Speise verbrannt oder angesengt, so ist dies ein Anzeichen dafür, daß der Häuptling sterben muß; er erhält dann den bewußten Schlag auf den Kopf. Manchmal behaupten die Mafulu, daß ein Zauberer aus einem feindlich gesinnten Dorfe den Tod eines Häuptlings durch solch ein Verfahren absichtlich herbeigeführt habe; dann ist ein Kampf zwischen den beiden Sippen die natürliche Folge. — Auf die Todesverkündigung hin erfolgt lautes Geschrei von den Männern des Dorfes, das den Zweck haben soll, den Geist einzuschüchtern. Die Frauen, die schon eine Zeitlang gejammert haben, stimmen nun ein richtiges Begräbnislied an, das sie bis zur Beisetzung mit Unterbrechung absingen, und die Verwandten des Heimgegangenen bestreichen sich den Körper mit Lehm. Inzwischen erscheinen Männer und Frauen aus anderen Dörfern; die Frauen sind ebenfalls mit Lehm beschmiert. Jetzt erhebt sich wiederum lautes Wehklagen und Singen. Das Begräbnis selbst findet etwa vierundzwanzig Stunden nach dem Tode statt. Der Körper wird, die Knie bis ans Kinn angezogen, in Blätter und Rinde eingewickelt, und unter Gesang der Frauen, die ihre Begräbnislieder fortsetzen, zu Grabe getragen. Daraufhin schreien die Männer wieder ganz laut, um den Geist noch mehr einzuschüchtern und ihn schließlich gänzlich zu vertreiben. Die Angehörigen legen nun Trauer an, die hauptsächlich in dem Anschwärzen des Gesichtes, oft auch des ganzen Körpers, besteht. Die Witwe beziehungsweise der Witwer oder auch der nächste Anverwandte trägt eine kleine Trauerhalskette aus Bindfaden. Sind zwei oder drei Tage verstrichen, so findet der Leichenschmaus statt, zu dem Leute aus anderen Dörfern geladen werden. Zuerst betreten zwei weibliche Gäste mit Speeren in den Händen das Dorf und laufen zweimal unter Schwingen der Speere darin umher. Bei ihrer zweiten Tour folgt ihnen eine Schar männlicher Gäste, die die Dorfumzäunung mit gleichfalls geschwungenen Speeren herunter und wieder zurück tanzen, bis sie das Grab erreicht haben (Abb. 167). Dann betritt ein weiterer Gast, gewöhnlich der Häuptling oder sein Sohn, das Dorf in vollem Tanzschmuck (Abb. 168); er schlägt seine Trommel und tanzt im Zickzack die Umfriedigung entlang, bis auch er zu dem Grab kommt. Daraufhin entfernt der Häuptling des Dorfclans seinen Kopftanzputz, ein schweres Holzgestell mit Federaufputz, der manchmal meterhoch über seinen Kopf hinausragt, und der Tanz ist zu Ende. Schließlich wird ein Schwein nach dem anderen aufs Grab gelegt, getötet und zerteilt; hierdurch soll die Seele des Abgeschiedenen endgültig versöhnt werden. Die Gäste werden alle mit Gemüse und Schweinefleisch bewirtet. War der Tote ein Häuptling oder eine gewichtige Persönlichkeit, so darf sein Körper nicht der Erde anvertraut werden, sondern bleibt frei an der Luft liegen. Um den widrigen Ausströmungen der faulenden Leiche zu entgehen, verlassen die Bewohner für diese Zeit das Dorf, es bleiben aber zwei Frauen auf Wache bei dem Leichnam zurück; diese sollen indessen nicht seine irdischen Überreste, sondern das Schweineblut bewachen.
Merkwürdig ist die Zeremonie, die man mit der Trauerablegung hier sowohl wie bei den Mekeo verbindet. Nach Verlauf von etwa ein bis zwei Wochen, aber auch bis zu sechs Monaten, wird ein Schwein unter dem Gerüst eines Häuptlingsgrabes getötet; darauf wird dem Hauptleidtragenden sein Trauerbindfaden vom Halse abgeschnitten, in das Schweineblut eingetaucht und fortgeworfen; sein Gesicht bekommt zwei Farbstriche, gewöhnlich in Rot, auf jede Backe; es folgen nun Gelage und Tanz.
Phot. G. Landtman.
Abb. 172. Witwe in Ganztrauer.
Die Kiwai an der Mündung des Flyrivers (Britisch-Neuguinea) legten früher den Toten zusammen mit seinen Waffen, Werkzeugen und Schmucksachen auf eine Plattform (Abb. 170) und brachten ihm von Zeit zu Zeit Geschenke, die in Nahrungsmitteln bestanden. Die Verwandten aber begossen täglich die Leiche mit Wasser, um den Auflösungsprozeß dadurch zu beschleunigen. Sobald nur noch die Knochen übrig waren, wuschen und begruben sie diese im Garten. Den Schädel aber behielten sie oft eine Zeitlang zurück; der eine oder andere Leidtragende band ihn sich um den Hals, bisweilen auch Schädelreste von mehreren Verwandten der Reihe nach. Der Trauernde konnte sich angeblich mittels des Schädels mit dem Toten verständigen, das heißt mit seiner Hilfe weissagen. Jetzt setzt das Kiwaivolk seine Toten in der Erde bei; der Kopf ist nach Westen, das heißt nach der Richtung der untergehenden Sonne und dem Monde zu, wo das Land der Toten liegt, gerichtet. Man baut schließlich ein kleines Haus über dem Grabe (Abb. 171), dessen Form eine ganz verschiedene ist. Die Habseligkeiten des Toten werden an einem Stock, der in der Erde steckt, oder an den Ecken des kleinen Hauses aufgehängt. Wochenlang brennt für den Toten ein Feuer unter oder neben diesem Häuschen am Fuße des Grabes. Ein Korb, der denjenigen ähnelt, in welchen die Mütter in diesen Gegenden ihre Kinder zu tragen pflegen, zeigt an, daß hier ein Kind bestattet liegt (Abb. 173). Sogleich nach dem Tode ertönt das Klagen und Singen der Dorfbewohner.
Phot. G. Landtman.
Abb. 173. Kiwaikindergrab.
Ist der Verstorbene ein Mann, so wird seine Frau in einem Mattenverschlag in dem langen Frauenhaus des Dorfes abgeschlossen; sie darf sich nicht an dem Begräbnis beteiligen. Zum Zeichen ihrer Trauer bestreicht sie ihren Körper mit Lehm, jammert unaufhörlich und geht nur im Dunkeln aus. Wenn sie schließlich den Verschlag verläßt, trägt sie ein Trauergewand aus Gras, das ihren ganzen Körper bedeckt und mit dem sie auch ihr Gesicht verhüllen kann (Abbild. 172). Nach ein paar Wochen tritt an Stelle dieser den Körper verhüllenden Trauergewänder eine Kappe und ein Kopfputz aus Gras, der über Rücken und Brust herabhängt (Abbildung 169), und um die Hüften ein Rock, den sie mehrere Wochen trägt, um dann ein Stück nach dem anderen abzulegen. Trauert ein Kiwaimann, so bestreicht er sich zum Zeichen dafür ganz und gar mit Lehm und trägt ein Grasgewand um seinen Hals, das hinten fast bis auf die Erde reicht und vorn bis über die Brust geht (Abb. 176); auch dieses wird allmählich mit dem Nachlassen der Trauer verkürzt. In einer anderen Gegend des östlichen Flyriverufers tragen die Eingeborenen zum Zeichen der Trauer ein kapuzenartiges Netz, das über Kopf und Gesicht gestreift wird und dieses wie ein Schleier bedeckt (Abb. 175). In dem Grade, wie die Trauer geringer wird, lüftet sein Träger die Kapuze und gibt das Gesicht frei. Überhaupt ist der Trauerschmuck über ganz Neuguinea verbreitet. Allgemein gilt als Ausdruck des Schmerzes ein Bemalen der Brust und des Gesichtes mit schwarzer Farbe; auch Trauernetze sind vielfach in Gebrauch. Die Basilakiweiber tragen Muschelschmuck als Trauerabzeichen (Abb. 181). Bei den Papua von Holländisch-Neuguinea (Abb. 177) wird nach dem Hinscheiden einer Person von den Klageweibern ein Totengesang angestimmt, der öfters eines poetischen Reizes nicht entbehrt; unter anderem werden darin die treue Vorsorge des Verstorbenen für seine Familie, sowie seine Tugenden, vor allem seine Kriegs- und Heldentaten verherrlicht. Die Klageweiber waschen auch die Leiche, hüllen sie in Matten und umschnüren sie mit festem Bast, worauf die Bestattung in der Erde erfolgt. Bei den Mambri stellt man das Ahnenbild des Verstorbenen neben sein Grab und schilt es tüchtig dafür aus, daß es einen so tapferen Mann hat sterben lassen. Daneben gibt es aber noch ganz seltsame Bestattungsgebräuche. In einer Gegend werden die Toten in ausgestreckter, horizontaler Lage in Käfige aus geflochtenen Zweigen gelegt, die auf Pfählen am Strande hinter dem Dorfe ruhen. In einer anderen Gegend werden dem Leichnam die Knie stark hochgezogen und der Kopf tief auf die Brust herabgedrückt; in dieser Stellung wird der ganze Körper in einen Palmblätterkorb gesteckt, der ihn ganz fest umschließt, verschnürt und in der Wohnung an der Wand aufgehängt. Bei einem anderen Stamme legt man den Toten in ein flaches Grab, deckt ihn mit schweren Steinen zu und umzäunt die Stätte mit starken Ästen (Abb. 179), über die man quer Sagoblätter sowie den oder die Spaten legt, die zum Schaufeln des Grabes benutzt wurden. Diese Ruhestätten tragen öfters auch ein niederes Giebeldach aus Blättern (Abb. 178). In einer anderen Gegend wird die Umzäunung dicht um das Grab herumgelegt und das Ganze mit einem Palmblätterdach bedeckt, so daß ein kleiner hausähnlicher Bau entsteht, den man oft hübsch ausputzt. Schließlich verdient noch eine Grabform Erwähnung. Sie besteht aus einem kleinen, aus vier Holzplatten gezimmerten, ebenfalls hausähnlichen Bau, der auf einem Pfosten ruht und von einem geschnitzten und verzierten Dach gekrönt wird. Dieses Behältnis ist so klein, daß nur die Knochen darin aufbewahrt werden können, es bildet also eine Art Totenschrein (Abb. 188).
Phot. D. Mackay.
Abb. 174. Menschliche Amulette
aus getrockneten und geräucherten Körperteilen, die als Andenken an einen Verstorbenen von dessen Angehörigen getragen werden.
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GRÖSSERES BILD
Phot. G. Landtman.
Abb. 175. Mann in Trauertracht von Gaima (Ostufer des Flyrivers).
Phot. G. Landtman.
Abb. 176. Kiwaimann in voller Trauer.
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GRÖSSERES BILD
Ein eigenartiger Kultus wird mit dem Schädel von den Eingeborenen der Geelvinkbai betrieben. Hier wird der Kopf vom übrigen Körper losgelöst, geräuchert und schön präpariert, das heißt mit künstlichen Ohren und Nase, die aus Holz geschnitten wurden, und mit Augen aus Fruchtkernen oder Glasperlen versehen, sodann in einen sogenannten Korwar (Abb. 180), einem aus Holz schön geschnitzten Ahnenbild, aufbewahrt. Außerdem wird er wie eine lebende Person behandelt; er bekommt seine Mahlzeiten, empfängt Besuche der Anverwandten und Bekannten und wird von ersteren um Rat angegangen. — Die Bergstämme landeinwärts der genannten Bai trocknen die Leiche auf einem Gerüst, in seltenen Fällen tun sie dies auch direkt in der Hütte, wo sie den toten Körper an die Wand hängen. Früher bestand dabei die schreckliche Sitte, das bei der Fäulnis abfließende Leichenwasser in einem darunterstehenden Gefäße aufzufangen und der Witwe zum Trinken zu reichen, mit der Begründung, daß sie sterben müsse, falls sie davon nichts genieße.
Auf den Inseln am östlichen Ende Neuguineas bewahrt man nicht nur den Schädel, sondern auch andere Knochen des Toten auf, wie die Wirbel, Finger- und Fußknochen, desgleichen den Unterkiefer, die aufgereiht von den Verwandten als Armbänder oder Halsschmuck getragen werden (Abb. 174). Die langen Röhrenknochen werden zu den kleinen Spateln umgearbeitet, mit denen man bei feierlichen Gelegenheiten die Kalkmasse aus dem Kürbisbehälter für das Betelkauen herausholt.
Aus: v. d. Sande, Nova Guinea.
Abb. 177. Trauertracht aus Rindenstoff auf Holländisch-Neuguinea.
Aus: v. d. Sande, Nova Guinea.
Abb. 178. Gräber auf Holländisch-Neuguinea.
Aus: v. d. Sande, Nova Guinea.
Abb. 179. Gräber auf Holländisch-Neuguinea.
Was den Bismarckarchipel anbetrifft, so sei zunächst die Schilderung der Vorgänge, die sich beim Tode eines großen Häuptlings auf der Gazellehalbinsel abspielten, hervorgehoben. Als sein Ende geahnt wurde, ertönte die große Trommel und rief die Verwandten zum Sterbelager. Die nächsten Angehörigen setzten sich dicht neben den Sterbenden, befühlten ihn von oben bis unten und murmelten ihm Trostworte zu; andere saßen umher und kauten Betel, währenddessen die Weiber draußen ein lautes Geschrei anstimmten. Die Trommel verkündete schließlich den Tod des Häuptlings. Darauf begann das Wehklagen der Männer und Frauen, sowie das Dröhnen der Trommel von neuem; dies währte die ganze Nacht hindurch. Inzwischen wurde eine niedere Plattform errichtet, auf der am frühen Morgen die Leiche in sitzender Stellung aufgebahrt und geschmückt wurde (Abbild. 184). In der Zwischenzeit wurden die Plantagen des Verstorbenen zerstört und all seine Schätze zusammengesucht, die man um ihn herum aufbaute. Jetzt traten maskierte Gestalten aus dem Walde hervor und führten eine Reihe Tänze um den Toten auf, die von Trommelschlag begleitet und durch Wehklagen unterbrochen wurden. Ein Verwandter des Häuptlings legte einheimisches Geld zu seinen Füßen, das unter die Tänzer verteilt wurde; diese zogen sich darauf zurück. Weiter brachte man ein Kanu herbei, legte den Toten hinein, gab ihm ein Ruder in die Hand, schmückte ihn von neuem, hüllte ihn in Matten und trug ihn endlich zu Grabe. Das Wehklagen wurde nun stärker, und die Verwandten ließen sich nur mit Mühe davon abhalten, nicht in das Grab zu springen. Doch schließlich wurde dieses zugeschaufelt. Und wieder ertönte Trommelschlag bis zum Morgen. Dadurch wollte man die Seele des Verstorbenen weit weg nach dem Osten begleiten, an den Ort, wohin sie vermutlich wandert und wohin die Reise vom frühen Morgen bis zum Sonnenuntergang dauert. Als daher am nächsten Tage sich die Sonne zeigte, spähte man nach dem östlichen Himmel aus, um zu sehen, ob eine Wolke die dort untergehenden Sterne verhülle; war dies der Fall, dann erblickte man darin ein Anzeichen, daß der Geist seinen Einzug gehalten hatte. Ungefähr ein Jahr später wurde der Schädel des Häuptlings wieder ausgegraben, rot und weiß angemalt, mit einem Federbusch geschmückt und auf eine besondere Plattform gebracht.
Original i. Ethnogr. Museum, Dresden.
Abb. 180. Schädelkorwar aus Holländisch-Neuguinea.
Aus: Brown, Melanesians and Polynesians.
Abb. 181. Basilakiweiber im Trauerschmuck.
Bei den Sulka, einem Stamme des mittleren Neupommern, sind die Begräbnisfeierlichkeiten auch für einen gewöhnlichen Mann ziemlich umständliche. Sobald der Tod eingetreten ist, wird seine Hütte geschmückt und sein gleichfalls schön ausgeputzter Leichnam in sie hineingelegt, worauf wieder ein großes Wehklagen anhebt. Die Plantagen des Verstorbenen werden auch hier verwüstet, seine Schweine getötet und verteilt, seine Waffen zerschlagen; früher wurden auch, falls es sich um einen reichen Mann handelte, seine Weiber getötet. Der Leichnam wird nun am nächsten Tage in sitzender Stellung, den Kopf über der Erde, im Hause selbst beigesetzt und mit einem Haufen Bananenblätter bedeckt; dann werden Steine darumgelegt und wird ein Feuer angezündet. Längere Zeit hindurch schlafen die Verwandten neben ihm, die Männer auf der einen, die Weiber auf der anderen Seite. Sehr wichtig ist nun die Vertreibung der Seele des Verstorbenen. Damit sie keinen Widerstand leiste, wird der Zeitpunkt hierfür geheim gehalten und die Vorbereitungen über Nacht getroffen. Sehr früh am nächsten Morgen fahren plötzlich die Männer mit einem Schrei in die Höhe, schlagen gegen die Wände des Hauses und laufen mit brennenden Fackeln aus Kokosnußblättern umher; durch diesen Lärm entweicht darauf der erschreckte Geist. Wenn das Fleisch des Leichnams ganz zersetzt ist, werden die Knochen wieder ausgegraben, in einen Sack aus Blättern gehüllt und im Hause aufgehängt. Nach Ablauf einer gewissen Zeit gibt es einen Gedenkschmaus.
Aus: Brown, Melanesians and Polynesians.
Abb. 182. Grab eines Häuptlings auf den Salomoinseln.
Das giebelartige Gebilde enthält den Schädel des Toten, den die geschnitzte Figur zur Rechten darstellen soll. Die Eingeborenen bringen dem Geiste des verstorbenen Häuptlings Opfer, die auf dem Steinhaufen niedergelegt und verbrannt werden.
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GRÖSSERES BILD
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 183. Scheiterhaufen zur Leichenverbrennung
auf den Salomonen.
In Nord-Neumecklenburg und auf Neuhannover wird der Körper eines Toten auf Speeren aufgebahrt, von den Angehörigen von Haus zu Haus getragen und am nächsten Tage auf eine Plattform vor seinem Hause gelegt, unter der man einen Holzstoß errichtet. Je angesehener die Stellung war, die der Verstorbene bekleidete, um so höher fällt die Plattform aus. Nachdem sodann der Holzstoß in Brand gesteckt ist, besteigt ein männlicher Verwandter die Plattform und berührt den Kopf des Toten von Zeit zu Zeit unter Gesang mit einem Speer, so lange, bis die Flammen ihn zum Herabsteigen zwingen. Endlich fängt auch die Plattform Feuer, bricht zusammen, und mit ihr fällt der Leichnam in die Glut. Er wird sodann herausgenommen, ein Stück von ihm losgelöst und unter die Jünglinge des Dorfes verteilt, der übrige Körper aber noch einmal ins Feuer gelegt und zu Asche verbrannt. Alle diese Vorgänge begleiten lautes Wehklagen und Geschrei. Schließlich folgt ein Gelage. Über der Asche des Feuers und des Toten wird ein Dach errichtet. Nach einigen Wochen vermischt man die Aschenreste mit Kokosnußmilch; mit diesem Brei schmieren sich die Leidtragenden den ganzen Körper ein. Die Trauer hält eine bestimmte Zeit lang an und findet ihren Abschluß in einem Schmaus. — Auf Neumecklenburg treffen wir auch noch andere Bestattungsgebräuche an. In manchen Teilen der Insel wird der Tote in einer Hütte eingebaut, oder in einem Kanu aufgestellt, auch mit Ocker eingerieben, oder die Daumen werden ihm zusammengebunden, so daß seine Hände wie zum Gebet erhoben erscheinen, und der ganze Körper wird verbrannt. Anderwärts fertigt man eine Figur des Verstorbenen in Lebensgröße an, bringt sie morgens auf eine Plattform und verbrennt sie abends. In den Rosselbergen legt man den Toten, in sitzender Stellung ganz und gar mit gepulvertem Kalk bestrichen und in Blätter eingehüllt, auf einem Querbalken unter das Dach seines Hauses, wo er jahrelang aufbewahrt bleibt.
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 184. Feierlichkeit zu Ehren des auf dem Totenstuhl ruhenden Verstorbenen von hohem Rang bei einer Duk-Duk-Gesellschaft.
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GRÖSSERES BILD
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 185. Aufbahren einer Leiche auf der Gazellehalbinsel.
In einer Küstengegend der Admiralitätsinseln, wo die Häuser auf Pfählen in die See hineingebaut sind und es besondere Hütten für die Frauen gibt, wird der Tote in einem solchen Frauenhaus mit dem Kopfe nach der See zu aufgebahrt; hier verbleibt er bis zur völligen Verwesung. Die Weiber bewachen die Leiche, entfernen das faulende Fleisch, versenken es in Körben in das Meer, das Skelett aber waschen sie mit Seewasser und begraben es in Körbe verpackt in der Erde, mit Ausnahme des Schädels, der Rippen und der Knochen der Unterarme, die in einen zweiten Korb gelegt und in die See hinabgelassen werden, bis alles gebleicht und sauber geworden ist. Dann legt man die Knochen mit scharf riechenden Kräutern in eine hölzerne Schüssel und bringt sie in das Haus, in dem der Verstorbene lebte. Aus den Zähnen verfertigen sich die Geschwister eine Halskette. Bei einer späteren Festlichkeit werden die zurückbehaltenen Knochen unter die nahen Verwandten verteilt, die sie zum Andenken an den Verstorbenen tragen. Der Schädel indessen wird für eine noch spätere, ganz besonders wichtige Zeremonie zurückgelegt, zu der ausgedehnte Vorbereitungen getroffen werden. Zu diesem Zweck wird eine prächtig geschnitzte Plattform hergestellt, die den Schädel aufnehmen soll. Am anderen Morgen kniet der Veranstalter der Festlichkeit nieder, ein Zauberer setzt sich auf seine Schultern und hält sich an seinen Haaren fest; dadurch will er jenem Kraft verleihen, damit er seinen Pflichten beim Fest gewachsen ist. Darauf ertönt Trommelschlag in der ganzen Umgegend, die Gäste strömen herbei, und wenn sie versammelt sind, hält der Veranstalter (gewöhnlich der Sohn des Verstorbenen) eine Ansprache, in der er den Toten und die Anwesenden, auch sich selbst lobt und ihre Feinde schmäht. Schließlich tritt unter Trommelwirbel der Zauberer hervor und nimmt den Schädel in die Hand, worauf der Festgeber ihn mit einem in Öl getauchten Drakänenzweig schlägt und dabei die Worte ausruft: „Du bist mein Vater“; nach einer Weile wiederholt er den gleichen Vorgang und ruft dieses Mal: „Empfange diese Speise, die dir zu Ehren zubereitet wurde“, und beim dritten Male: „Beschütze mich, beschütze mein Volk, beschütze meine Kinder“. In jeder Pause werden die Trommeln geschlagen, und ein Trommelzeichen beschließt auch die Feier, worauf das eigentliche Freudenfest einsetzt. Der Schädel wird stets sorgfältig aufbewahrt.
Auf dem Bismarckarchipel gibt es in manchen Gegenden auch Gesellschaften, die gewissermaßen den Geheimbünden gleichen, nur daß sie ihre Tätigkeit ausschließlich zum Andenken Verstorbener entfalten. Diese Gesellschaften halten das ganze Jahr hindurch Aufführungen und Zeremonien auf ihren geheimen Plätzen ab, aber einmal im Jahre nehmen sie zu Ehren der Toten eine öffentliche heilige Handlung vor, bei welcher geschmaust und getanzt wird (Abb. 186). Wenn sie die heiligen Masken auf den Tanzplatz bringen, so tun sie es unter Wehklagen und lautem Ausrufen der Namen der Gestorbenen, zu deren Ehren sie die Masken angefertigt hatten; die Weiber schreien ebenfalls, raufen sich die Haare aus und reißen sich sogar die Kleider vom Leibe, gleichsam als ob sie den Verstand verloren hätten. Auf der Gazellehalbinsel wird der Tote nochmals in sitzender Stellung aufgebahrt (Abb. 185) und geschmückt, die Maskentänzer führen ihm zu Ehren einen Tanz auf, dem andere Zeremonien folgen. Auch die Duk-Duk-Leute führen beim Tode ihrer Mitglieder Tänze auf (Abb. 184).
Aus: Parkinson, Dreißig Jahre in der Südsee.
Abb. 186. Maskierte Tänzer einer geheimen Gesellschaft auf Neumecklenburg,
die im Gegensatz zu den anderen Gesellschaften ihre Tänze nur zu Ehren ihrer Toten aufführen.
Auf den Salomonen endlich sind die Trauergebräuche im allgemeinen den oben geschilderten ähnlich. Auch hier trauern die Weiber, indem sie sich Kopfhaar, Gesicht und Oberkörper mit einer aus Kokosnußöl und Holzkohle bereiteten breiigen Masse einreiben und dumpfe, eintönige Klagelieder, die den Lebensgang des Abgeschiedenen sowie seine Taten verherrlichen, anstimmen. Die Leiche wird darauf auf einen Holzstoß gelegt und dieser angezündet; die Männer werfen Yamswurzeln, Taro, Bananen und andere Früchte, Wohlhabendere auch Hunde und Schweine in die Glut, damit diese Speisen dem Verstorbenen als Wegzehrung für seine lange Reise dienen. Die Weiber sitzen unterdessen, in burnusartige Gewänder aus Bananenblättern gehüllt, um den Scheiterhaufen und setzen ihre klagenden Sterbegesänge fort. Die Überreste des Toten werden aus der Asche von den männlichen Anverwandten sorgfältig gesammelt und in einem Mattenkorb aufbewahrt. Zum Andenken an ihn errichtet man über der Verbrennungsstätte kleine zusammenhängende Häuschen aus Bambus und den trockenen Blättern der Sagopalme, in denen der Korb mit den Knochenresten zeitweilig aufgestellt wird. Wenn Wind und Wetter diese kleinen Ahnenhäuschen zerstört haben, werden die Knochenreste in ein Kanu gelegt, von jungen Männern in die See hinausgefahren und hier versenkt. — Auf Holländisch-Neuguinea werden die Leichen in hausförmige, überdachte Särge gelegt, die jedoch manchmal so schmal sind, daß nur die Knochen darin untergebracht werden können (Abb. 187).
Aus: Van der Sande, Nova Guinea.
Abb. 187. Am Grabe des Mannes trauernde Witwe (Holländisch-Neuguinea).
Phot. A. C. Haddon.
Abb. 188. Kindermumie von den Inseln der Torresstraße.
Im Anschluß hieran mögen noch einige Worte über die Begräbnisgebräuche beim Tode von Kindern folgen. Trotz ihrer niederen Kultur scheint vielen Melanesiern der Tod ihrer Kleinen doch nahe zu gehen. Verschiedentlich lesen wir, daß die Eltern die üblichen Totenklagen ihretwegen anstimmen und sich das Gesicht schwärzen, wie beim Tode eines Erwachsenen. Auf Kaiser-Wilhelms-Land trennen sich die Eltern schwer von ihren Lieblingen; sie bemalen sie mit Ocker, wickeln sie in Blätter ein und bewahren sie eine Zeitlang in ihrer Hütte auf. Bei den Papua der Torresstraße soll der Fall vorgekommen sein, daß eine Mutter ihr totes Kind beständig auf ihrem Rücken mit sich herumschleppte (Abb. 188), und ein Papua von Doreh soll sich das Bild seines Söhnchens auf den Rücken haben einbrennen lassen. Bei den Mafulu herrscht die seltsame Sitte, daß eine Frau, die ein Kind verloren hat, sich einen ihrer Finger amputieren läßt; sie unterzieht sich dieser Prozedur jedesmal, wenn sie dasselbe Unglück trifft; manchmal sogar drei- bis viermal hintereinander.
Aus: Spencer & Gillen, Native Tribes of Central-Australia.
Abb. 189. Hochwerfen eines Knaben in die Luft bei einer der Aufnahmezeremonien des Aruntastammes.