Das große Gebiet südlich von Abessinien und dem Golf von Aden bis herab zum Nyassasee, beziehungsweise dem Unterlauf des Zambesi bezeichnen wir als Ostafrika. Es bildet ein ebenso interessantes und vielleicht noch bunteres Völkergemisch als Südafrika. In seinen Teilen südlich vom Gleicher, ganz allgemein gesagt, herrschen die schon von Südafrika her bekannten Bantustämme vor, wenngleich hier bereits verschiedentlich vom Osthorn her andere Rassenelemente zugewandert sind, die Hamiten heißen. Zu letzteren gehören die Wahima, Kavirondo (oder Wagaia), Masai, Wandorobbo (Abb. 425) und Watatura (Abb. 428) im sogenannten Zwischenseengebiet. In Deutsch-Ostafrika sind die bekanntesten Bantustämme die Wanyamwesi, Waschambala, Wanguru, Wakami, Kirundi, Waganda, Wasoga, Wakikuyu, Wakamba, Wadigo, Wagogo, Wanyuturu, Wadschagga (Abb. 427), Wapare, Warangi, Wahehe, Wabena, Wapoto und andere mehr. Längs der ganzen Küste haben sich im Lauf der beiden letzten Jahrtausende zahlreiche Araber, Inder und Perser auf die altangesessene Bantuschicht aufgelagert und durch Vermischung mit ihr ein ziemlich homogenes neues Volk entstehen lassen, die Suaheli (Abb. 426). — In den nördlichen Gebieten Ostafrikas (Somalland) dagegen sitzen Stämme hamitischer und semitischer Zugehörigkeit, mit denen wir uns an anderer Stelle beschäftigen werden. Hier wollen wir uns darauf beschränken, nur zu erwähnen, daß sich ihr Typus vollständig von dem der Bantuneger unterscheidet. Wo beide Rassenelemente aufeinander gestoßen sind, wie in den nördlichen Teilen Ostafrikas, da haben natürlich vielfach mehr oder minder starke Kreuzungen zwischen ihnen stattgefunden. Ebenso sind die Bantu mehrfach Vermischungen mit den zwischen sie versprengten Zwergvölkern eingegangen.
Die übliche Wirtschaftsform der ostafrikanischen Bantu ist der Ackerbau, nebenbei auch vielfach die Viehzucht. Die mit hamitischen Elementen gekreuzten Bantu bevorzugen die letztere. Auch Jagd wird von den meisten ostafrikanischen Stämmen eifrig betrieben (Abb. 430).
Die Wohnungen der ostafrikanischen Bevölkerung sind teils Kegeldachhütten, teils Temben. Vor der Besitznahme des Landes suchten sich die übermütigen Sultane durch Palisadenfesten zu schützen (siehe die Kunstbeilage).
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 431. Kavirondofrau mit einer Fischfalle.
Man errichtet im Flusse in spitzem Winkel zueinander zwei kleine Steinmauern, zwischen denen das Korbnetz ausgelegt wird.
Dieselben Ursachen, die dazu beigetragen haben, daß man in Ostafrika so vielen und verschiedenen Mischtypen begegnet, wie Wanderungen, Aufnahme von Kriegsgefangenen in den Stamm, Sklavenraub, Ausübung der Exogamie, Zuflucht bei fremden Stämmen bei Eintritt einer Hungersnot und Dürre oder bei Bedrängung von seiten vorrückender Stämme und anderes mehr, haben auch dazu geführt, daß die verschiedenen alten Gebräuche und Sitten der einzelnen Völker sich ebenfalls miteinander vermischten, so daß es vielfach ein Ding der Unmöglichkeit ist, zu entscheiden, ob ein bestimmter Brauch bei dem einzelnen Stamm heimisch ist oder zu ihm eingeführt wurde. Im großen und ganzen können wir wohl sagen, daß, soweit die Bantu in Betracht kommen, bei den ostafrikanischen Stämmen die Sitten und Gebräuche so ziemlich dieselben sind, wie wir sie oben bereits in dem Abschnitt Südafrika schilderten. Daher beschränken wir uns an dieser Stelle auf die Wiedergabe einiger Eigenheiten.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 432. Kavirondofrauen auf dem Wege zum Markt.
Verheiratete Frauen, wie zum Beispiel die links dargestellte, tragen einen schmalen Gürtel mit einer hinten herabhängenden Quaste; ältere Frauen tragen eine schwanzähnliche kurze Schürze am Gürtel.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 433. Neger bei der Herstellung von Rindenstoff.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 434. Kavirondofrau.
Sie ist mit einem Ziegenfell bekleidet, in das ein Muster eingebrannt ist; von weitem erweckt dieses den Eindruck, als sei es ein Leopardenfell.
Was die Kleidung anbetrifft, so begegnen wir bei den Jaluo und den südlichen Wagaia (Abbild. 429) noch vollständiger Nacktheit, und trotz oder vielmehr gerade wegen dieser Nacktheit stehen diese Stämme sittlich so hoch wie wohl selten Negerstämme. Man ersieht hieraus, daß die Bekleidung nichts mit der Moral zu tun hat. Manchmal wird ein kleiner Schamschutz (Abb. 431) oder ein Ziegenfell (auch um den Hals gelegt) getragen. Auf diese Häute werden seltsame Flecken- oder Streifenmuster eingebrannt, so daß sie von weitem wie Tiger- oder Leopardenfelle aussehen (Abb. 434). Bei den Wagaia erfordert es der gute Ton, daß ein verheirateter Mann, der bereits Vater ist, vor seiner Schwiegermutter niemals ohne Ziegenfell erscheinen darf, sonst würde sie ernstlich beleidigt sein und auf Zahlung einer Ziege bestehen. Ältere Frauen bekleiden sich mit einer Art Troddel oder Bindfadenschwanz, der von ihrem Taillengürtel herabhängt (Abb. 432). Berührt etwa ein Mann, und wäre es selbst der eigene Gatte, dieses Anhängsel, so muß er eine Ziege opfern, andernfalls würde dem Aberglauben zufolge die betreffende Frau schwer krank werden oder gar sterben. Der Taillengürtel besteht meistens aus Perlen oder Kaurimuscheln; er wird von allen afrikanischen Schönen getragen; selbst wenn noch andere Kleidung darüber gezogen wird, behält man ihn bei. Andere Stämme, besonders die Frauen bei ihnen, kleiden sich in gegerbte Häute, die entweder wie ein Schurz vorn und hinten herunterhängen oder den Unterkörper ganz umhüllen (siehe die Kunstbeilage), oder in selbst durch Klopfen angefertigte Rindenstoffe (Abb. 433). Diese werden togaähnlich um den Körper geschlungen und oft über der einen Schulter zusammengeknotet, so daß entweder beide Arme oder wenigstens einer frei bleibt (Abbild. 436). Eigenartig ist die Kleidung der Waheia, ein Rock aus feinen geschlitzten Fasern der Raphiapalmenblätter oder von Grashalmen, die auf einer Schnur aufgereiht sind. Dieser wird meistens wie ein Rock um die Hüften getragen oder auch nach Art eines Mäntelchens um den Hals gelegt. Die mehr südlich und nach der Küste zu wohnenden Bantustämme haben in manchen Gegenden die Kleidung vom Sansibartypus (Abb. 435) angenommen, die für gewöhnlich in einem Lendentuch aus weißem oder gemustertem Kattun, einer Hose und einer ärmellosen Jacke oder in einem langen Araberhemd, beziehungsweise einer Zusammenstellung beider Trachten (siehe die farbige Kunstbeilage) und einem Fes besteht. An der Küste kennt man auch bereits Anzüge nach europäischem Schnitt. Die Bantufrauen dieser Gegenden tragen vielfach lange baumwollene Gewänder, die den ganzen Körper einhüllen und unter den Armen befestigt werden, oder auch geradezu arabische Frauenkleider. — Die mohammedanischen Frauen der besseren Kreise gehen nach den Vorschriften des Islams verhüllt über die Straße (Abb. 437).
Phot. W. Ladbury.
Abb. 435. Kleidungs- und Schmuckstücke der Suaheli (Sansibar).
Perlenarbeiten, ausgelegte Sandalen, Armbänder und Kämme aus Elfenbein, eine Schnupftabaksbüchse, Nasenringe.
Der Pflege der Haare wird vielfach besondere Sorgfalt zuteil, auch von seiten der Männer (Abb. 438). Darüber trägt man zuweilen ganz sonderbaren Kopfputz (Abb. 440 und 443). In einzelnen Gegenden wird das Haar allerdings vollständig abrasiert oder nur in kleinen Büschelchen stehen gelassen. Die Masaimänner verlängern durch Einflechten von Rindenfasern ihr Kopfhaar und machen sodann starke Zöpfe daraus, von denen einer hinten weit herabhängt und noch mit Zeugstreifen fest umwickelt wird, der andere oder auch mehrere kürzere, neben- und übereinander angeordnet, nach vorn fallen (Abb. 441). Ihre Frauen rasieren sich häufig den Kopf (Abb. 442 und 446), so daß ihr Haar kaum länger als einen Zentimeter ausfällt. Ganz eigenartig ist die Haartracht der Wahima. Die Männer dieses Volkes lassen sich Streifen in Spiralform auf ihrem Schädel ausrasieren und ziehen die stehengebliebenen Haare nach oben aus. Die jungen Mädchen drehen sich unter Zuhilfenahme von Butter das Haar zu langen dicken Strähnen, die ihnen über Ohr und Augen herabfallen, und flechten als Schmuck noch Kaurimuscheln und Perlen in sie hinein.
Phot. C. Ponting.
Abb. 436. Eine Kikuyufrau mit ihrem Kinde.
Auf dem Rücken trägt sie eine schwere Last Holz an einem über die Stirn laufenden Tragband.
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Zur Verschönerung des Körpers wird er mit Ziernarben bedeckt oder mit Farbe (Ocker oder weißem Ton) angemalt (Abb. 444), entweder ganz oder nur einzelne Teile, zum Beispiel bei den Waganda die Beine; auch werden die Zähne teilweise ausgeschlagen, sowie allerhand Gegenstände in die durchbohrten und manchmal mächtig erweiterten Ohrläppchen (Abb. 446, 447 und 449), Nasenflügel und Lippen (Abb. 445) eingefügt. Die Wagogo tragen wohl die größten Ohrpflöcke; die Wagaia stecken durch das Bohrloch des Ohres dünne Rindenholzstückchen, die mit eingebrannten Strich- und Kreismustern verziert sind und überdies an ihren Enden häufig noch ein Federbüschelchen aufweisen; die Masai hängen sich mächtige Spiralscheiben (Abb. 448) mittels kleiner Riemchen an die Ohren und so weiter. Das Drolligste an Lippenschmuck bieten jedoch die Sarafrauen, die sich die Lippen durchbohren und diese Öffnung durch stetes Einstecken immer größer werdender Holzscheiben derart erweitern, daß ihre Lippen, mit diesem Zierat ausgestattet, wie ein Schnabel vorstehen (Abb. 451) und sie am Essen, Trinken und Sprechen ziemlich behindern. An sonstigem Schmuck sind sehr beliebt und allenthalben in Ostafrika verbreitet eiserne oder messingene Ringe, die um Arme und Beine und um den Hals getragen werden, manchmal einer über dem anderen (Spiralen) bis zu ganz anständigem Gewicht (Abb. 453). Besonders die Masai sind große Verehrer solchen „gewichtigen“ Schmuckes (Abb. 450); ihre Krieger tragen sogar ganze Kragen aus Eisendraht.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 437. Vornehme Mohammedanerinnen machen unter einem Schleierzelt einen Gang durch die Stadt (Lamu).
Aus: S. A. Elena di Francia, Duchessa d’Aosta, Viaggi in Africa.
Negerfrauen aus Ostafrika, die in Flaschenkürbissen Bier auf dem Kopfe tragen.
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Die Afrikaner sind alle auf ihre Art ziemlich musikalisch, doch ist ihre Musik eher als rhythmisch denn als harmonisch zu bezeichnen. Die großen Negerfürsten halten sich meistens eigene Musikbanden (Abb. 452). Das Lieblingsinstrument, das wohl bei keinem Stamme fehlen dürfte, ist die Trommel, ein aus einem ausgehöhlten Baumstamm bestehender Zylinder, der mit Fell, meistens Ziegenfell, oder Eidechsenhaut überzogen ist. Die Masai kennen kein weiteres Instrument. Die Trommel kommt in allen Größen vor und spielt bei jedweder Zeremonie eine große Rolle; sie erschallt im Kriege wie im Frieden, um Regen herbeizuführen, als Ruf zu den Waffen und als Werkzeug zum Signalisieren. Zur Feier fast jedes Ereignisses werden Tänze abgehalten (Abb. 454 und 455), bei denen die Trommel und Biertrinken die Hauptsache ausmachen. Die Suaheli verwenden die Trommel in Verbindung mit Opfern auch dazu, Teufel auszutreiben. Steht von einem Menschen fest, daß er von einem bösen Geiste besessen ist, so ordnet der Medizinmann an, daß ein Trommeln abgehalten und gewisse Tiere geopfert werden. Dieses Trommeln wird oft viele Tage lang ununterbrochen fortgesetzt, bis die bösen Geister gewichen sind.
Phot. H. H. Johnston.
Abb. 438. Ein Sabeimann vom Nandistamme.
Die Haare sind mit Fett und Ton zu kleinen Klumpen gedreht und mit fein geschnittenen Muschelplatten behängt.
Mehr den wirklichen Musikinstrumenten nähern sich die Blashörner aus Elefantenzähnen und Antilopenhörnern, ferner kleine Pfeifen aus Elfenbein, Holz oder Knochen, sowie Flöten (Abbild. 458) aus Rohr (auch Panflöten). Die Hörner werden allerdings häufiger zu Signalzwecken benutzt. Ein über ganz Afrika sehr verbreitetes Instrument ist ferner die Sansa, in ihrer einfachsten Form ein Brett, auf dem eine Anzahl elastischer Stäbe oder Plättchen aus Holz oder Eisen angebracht sind, die an dem einen Ende fest aufliegen, während sie an dem anderen frei in die Luft ragen. Man spielt die Sansa in der Weise, daß man die Plättchen mit dem Daumen herabdrückt und sie wieder zurückschnellen läßt. Die Banyoro besitzen ein eigenartiges Instrument, das an unsere Xylophone erinnert: an zwei Stangen sind Holzbalken von verschiedener Länge befestigt, die mit einem Stock geschlagen werden. Von den Saiteninstrumenten findet sich in Ostafrika die über ganz Afrika verbreitete Sese, die Negergitarre, sowie Harfe und Lyra, die aus Nordostafrika stammen.
Für Unterhaltungsspiele hat der Neger großes Interesse (Abb. 456 u. 457). Sehr beliebt, nicht nur unter den Negern Ostafrikas, sondern unter den Schwarzen des ganzen Erdteils überhaupt, ist das Nsolo (Abb. 463). Es wird entweder in achtundvierzig, in vier Parallelreihen angeordneten Löchern, die man auf dem Erdboden aushebt, oder auf einem Brett, das die erforderliche Anzahl Aushöhlungen besitzt, mit Steinchen, Scherben oder Samenkörnern gespielt.
Das Handwerk steht unter den ostafrikanischen Negern in ziemlicher Blüte. In erster Linie ist hier die Eisentechnik zu nennen, sowohl die Gewinnung und Verhüttung des Rohmaterials (Abb. 459) wie auch im besonderen die weitere Verarbeitung, und das Schmiedehandwerk, in dem es einzelne Stämme zu wirklich meisterhafter Fertigkeit gebracht haben. Die Öfen, in denen man das Erz verhüttet, sind über einen Meter hoch und aus Lehm gebaut (Abb. 439); sie werden abwechselnd mit einer Schicht Holzkohle und einer Lage Eisenerze beschickt; um den Ofen herum sind eine größere Anzahl Löcher angebracht, die zur Aufnahme der Düsen des Blasebalges, für gewöhnlich eines Ziegenfelles, dienen (Abb. 466). Auch in der Schnitzkunst (Herstellung von Milchgefäßen, Schnitzen von Löffeln und Köchern), Bearbeitung von Elfenbein (Abb. 460), Anfertigung von Booten und so weiter verraten die Neger ein ziemliches Geschick. In den Bereich der Frauentätigkeit fällt die Herstellung von Tongefäßen (Abb. 461) und Flechtarbeiten.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 439. Eisenschmelzöfen in Banjeli.
Phot. H. H. Johnston.
Abb. 440. Ein eigenartiger Kopfputz der Kavirondo.
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Abgesehen von denjenigen Stämmen, wo der Islam und das Christentum bereits Eingang gefunden haben, huldigen die Völker Ostafrikas animistischen Anschauungen, soweit man dies bei der Unnahbarkeit vieler Stämme in religiösen Dingen hat feststellen können. Verschiedentlich besteht aber auch der Glaube an einen Gott, ein allmächtiges Wesen oder einen ebenso beschaffenen Geist, dem manchmal noch andere Götter untertan sind. So verehren die Masai ein höchstes Wesen unter dem Namen ’Ng ai als den Schöpfer der Welt, der Erde und aller Dinge, die sie beherbergt; daneben kennen sie noch seine erstgeborene Tochter Barsai, die den Menschen Regen bringt, seinen ältesten Sohn Ol gurugur, der den Menschen durch Blitz und Donner den Unwillen des ’Ng ai verkündet, und so weiter. Die Wagaia glauben an zwei Götter; der eine, Awafra, gilt als der oberste der guten Geister, der andere, Ischischemi, als der oberste der Teufel; die Waganda beten eine höchste Macht namens Mukasa an, die der Gott des Nyanzasees ist, daneben Chiwuka und Nanda, die Kriegsgötter, und so weiter. Für gewöhnlich kümmert man sich um diese Gottheiten wenig; nur in Zeiten der Gefahr, sei es, daß es sich um ein Naturereignis, wie Dürre oder Hungersnot, oder um einen Einbruch des Feindes, das Auftreten einer epidemischen Krankheit oder irgendeine andere Heimsuchung handelt, nimmt man durch Bitten und Opfer seine Zuflucht zu ihnen.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 441. Typische Haartracht der Masai.
Die Haare werden dick mit Fett und roter Erde eingeschmiert und in einen schweineschwanzähnlichen Zopf geflochten. Ein Ziegenfell dient als Schutz gegen den Regen.
Aus solchen Anlässen besteigen bei den Kikuyu die Priester einen heiligen Berg oder betreten einen geweihten Hain und opfern dort ein Schaf, dessen Fleisch gekocht und von ihnen verzehrt wird, während sie in das Fett Zweige eintauchen und damit die umstehenden Bäume bestreichen. Diese heiligen Haine (Kahinga) kommen im Kikuyulande häufig vor; sie heben sich hier von der sonst baumlosen Ebene auf Hügeln ab. Kein Mensch darf einen Baum in ihnen niederhauen; bei Nichtbeachtung dieses Gebotes würden Krankheit und Unglück die Folge sein. Wo sich kein Hain finden sollte, wird ein großer Baum als solcher heiliger Ort bestimmt. Die Masaifrauen beten morgens und abends zu ihrem Gott ’Ng ai; dabei heben sie die Hände, in denen sie Grasbüschel halten, zum Himmel empor. Bei jedem Gebet opfern sie auch ein wenig Milch, entweder drücken sie etwas aus ihrer eigenen Brust heraus oder gießen es aus einer Kalabasse auf die Erde. In schweren Krankheitsfällen wird von den Masai ein schwarzer Schafbock oder auch ein schwarzer Ochse geschlachtet und ein Teil seines Blutes als Opfer auf den Fußboden gegossen.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 442. Kikuyumädchen in vollem Schmuck.
Phot. The Hon. K. R. Dundas.
Abb. 443. Ein Sukmann mit eigenartigem Kopfputz,
bestehend in einem Sack, der sich nach hinten öffnet und Feuerbohrer, Perlen, Schnupftabak und andere Sachen in seinem Innern birgt.
Die große Mehrzahl der Stämme bringt den Geistern, beziehungsweise den Ahnen Opfer dar, meistens an den Gräbern der letzteren oder den Wohnstätten der ersteren, die man in große oder auffallende Bäume, Steine und so weiter verlegt. Die Waganda glauben, daß die Geister ihrer verstorbenen Könige in die rahmenartigen Gestelle aus Perlenarbeit eingehen, die sie auf den Gräbern derselben aufbewahren (Abb. 464). Die späteren Könige statten den Grabstätten ihrer Vorgänger Besuche ab und bringen ihnen Opfer dar; in früheren Zeiten bestanden diese sogar in Hunderten von Menschen, die bei solchem Besuch zur Versöhnung der Geister ihr Leben lassen mußten. Viele Stämme bauen den Geistern kleine Miniaturhütten und stellen Speise und Opfergaben für sie hinein (Abb. 462). Die Wagaia setzen in der Nähe ihrer Hütten Steine in die Erde, opfern an ihnen den Geistern ihrer Vorfahren Ziegen und schütten deren Blut über sie, während sie das Fleisch verzehren. Die Waganda opferten früher viele Hunderte von Menschen dem Mayanja und Kitinda, den Geistern des Leoparden und Krokodils; den Opfern für die zuletzt genannte Gottheit pflegten sie die Ellenbogen- und Kniegelenke zu zerbrechen und sie dann entweder ins Wasser zu werfen oder am Ufer als Fraß für die Krokodile liegen zu lassen. — Die Suaheli und Waganda sind die wichtigsten Vertreter des Islams in Ostafrika (Abbild. 465).
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 444. Wagaia beim Bemalen.
Manche Volksstämme, wie die Wagaia, pflegen sich bunt zu bemalen. Auch für den Tanz und den Kampf geben sich manche Eingeborene einen tierähnlichen Anstrich, namentlich aber für die Jagd, um sich dadurch leichter an das Wild heranpirschen zu können; Tierfelle ergänzen dann noch das Jagdkostüm.
Mit der Religion der ostafrikanischen Stämme ist allgemein der Aberglaube an Zauberei (Abbild. 467) so eng verknüpft, daß es vielfach schwer hält, beides voneinander zu trennen. Man glaubt allgemein, daß ein Mensch anderen Menschen durch Zauberei Unglück, Krankheit und selbst den Tod anhexen könne. Daher trägt wohl jeder Ostafrikaner zum mindesten ein Amulett oder einen Talisman bei sich, um entweder damit einen Zauber, der ihm zugefügt werden könnte, zurückzuweisen oder auch einen Vorteil für sich zu erwirken. Gehen zum Beispiel die Masaifrauen in die benachbarten Ortschaften zum Einkauf, so schützen sie sich vor Zauberei durch Bestreichen von Stirn und Backen mit Rindermist oder durch Anlegen einer Schnur um den Hals, auf der kleine gespaltene Stäbchen aufgereiht sind. Die Masaimänner tragen ein bestimmtes Amulett, um sich vor dem Zorn ihrer Ehefrauen zu schützen, wenn sie etwa auf Abwegen gegangen sein sollten. Ihre Weiber tragen ferner ein anderes Amulett um den Hals, um die Empfängnis zu fördern, oder eines um die Knöchel, um einer Erkältung der Beine zu entgehen. Die Lugware binden ein Zaubermittel an ihre Bogen, damit der Pfeil gerade gehe, die Madi legen ein Stückchen Holz um ihren Hals, um Erfolg in der Liebe zu haben, und so weiter. Als Amulette werden alle nur denkbaren Gegenstände verwendet, wie Holzstäbchen, Steine, Maiskolben, Tierzähne und -krallen, Schlangenhautstückchen, Säckchen, in die Pflanzenmehle, Holz, Samen oder — bei den Anhängern des Islams — Zettel mit frommen Koransprüchen eingenäht sind, und anderes mehr.
Phot. H. H. Johnston.
Abb. 445. Sukkrieger.
Ihr Haar ist mit weißem Ton bestrichen und mit Straußenfedern sowie einem gebogenen Stück Eisen geschmückt. Die Unterlippe trägt einen Stift.
Allgemein verbreitet ist auch der Glaube an den bösen Blick, der Menschen und Vieh krank mache. Wer in dem Verdacht steht, mit dieser Gabe ausgestattet zu sein, darf sich bei den Masai ja nicht in der Nähe eines Krals sehen lassen, sondern muß zusammen mit seiner Familie in einem besonderen Kral abseits leben; sollte er es wagen, den fremden Kral zu betreten, so kann er gewärtig sein, totgeschlagen zu werden. Erkranken Menschen oder Tiere plötzlich, ohne daß man es sich durch natürliche Ursachen, wie eine im Kampfe empfangene Wunde, erklären kann, dann führt man dies auf Hexerei von seiten bösgesinnter Menschen zurück. Selbst die verhältnismäßig hochstehenden Suaheli glauben fest daran, ein Mensch könne umgebracht werden, wenn er über ein Horn schreite, das man ihm auf den Weg gelegt habe, oder wenn ein Zauberbann über ihn verhängt werde. Man behauptet auch, daß die Hexen für gewöhnlich Leichen essen und schon darum bestrebt seien, den Tod eines Menschen herbeizuführen.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 446. Kikuyufrau.
Man beachte das auf der vorderen Hälfte des Kopfes abrasierte Haar und die aus Perlen bestehenden, oft wertvollen großen Ohrringe.
Zum Herausholen von Geständnissen sind gewisse Torturen bei den Masai üblich. Man schnürt zunächst dem Angeklagten die Sehne eines Bogens so fest um seinen Vorderarm, daß sie ins Fleisch schneidet. Wird auf diese Weise nichts erreicht, so geht man zu einem Gottesurteil über. Zumeist erhält der Angeschuldigte aus einer Schale zu essen, die ein Gemisch von Mehl und Blut enthält. Bleibt er acht bis zehn Minuten nach dem Genusse noch am Leben, so wird er für unschuldig angesehen. Auch die Wagaia kennen solche Gottesurteile. Sie nehmen zum Beispiel einen kleinen Wassernapf und tun etwas Milch und Medizin hinein; kocht sein Inhalt über, dann beweist dies die Schuld des Angeklagten. Oder man läßt ihn trockenes Mehl hinunterschlucken; kann er das nicht, dann ist man von seiner Schuld überzeugt. Noch sonderbarer ist die Unschuldsprobe bei den Wasoga: Lehm und Grieß werden in einem Napf zusammengemischt, und der Angeschuldigte muß dreimal damit beworfen werden. Bleibt die Masse an ihm kleben, so zeigt dies an, daß er schuldig ist.
Phot. Underwood & Underwood.
Nach einem Gemälde von F. Seth.
Suaheliweiber aus Sansibar mit ihrem Fetisch,
der ihnen Glück bringen und die bösen Geister vertreiben soll. Die Masken, die sie als Ersatz für die Gesichtsverhüllung der Muselmaninnen tragen, sind aus Leder und Perlen auf hölzerner Unterlage angefertigt.
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Phot. H. H. Johnston.
Abb. 447. Ein Wandorobbomann
mit großen hölzernen Zylindern in den Ohren.
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GRÖSSERES BILD
Auch an die Schwangerschaft knüpft sich mancherlei Aberglaube. Der Makonde fertigt seiner Frau, die zum ersten Male guter Hoffnung ist, unter Gesangbegleitung einer Verwandten ein Amulett aus Rindenstoff an, das mit Perlen bestickt und der angehenden Mutter um den Hals gehängt wird. Bei den Wandorobbo muß die Schwangere den Genuß von gefallenem oder durch Raubtiere geschlagenem Wild vermeiden, ebenso Honig, in dem sich tote Bienenlarven befinden. Sie darf auch nicht in die Nähe eines Chamäleons oder einer Schlange kommen, weil dieses alles der Frucht schaden könnte. Bei den Masai trennen sich die Ehegatten, sobald sich die junge Frau schwanger fühlt. Während dieser ganzen Zeit und auch noch ungefähr ein Jahr nach ihrer Niederkunft darf sie mit keinem Manne geschlechtlichen Verkehr haben; auch muß sie währenddessen allen Schmuck ablegen, angeblich um dadurch keinem Manne zu gefallen. Kurz vor der Geburt darf der Ehemann auf keine Reise mehr gehen, noch in den Krieg ziehen, sondern muß in der Nähe des Krals sich aufhalten; der Zutritt zur Hütte, wo die Schwangere sich aufhält, ist ihm jedoch verboten. Will eine Wandorobbofrau einem anderen Kral einen Besuch abstatten, so muß sie sich vorher ihre Stirn mit weißem Ton anstreichen, um sich kenntlich zu machen, außerdem auf dem Wege dorthin sich von einem kleinen Mädchen an der Hand führen lassen; bei Nichtbefolgung dieser Vorschrift würde sie die Gefahr einer Fehlgeburt laufen.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 448. Eine Masaifrau
mit reichem eisernen Ohr- und Halsschmuck.
Die Geburt erfolgt meistens unter Beihilfe einer weisen Frau in der Hütte; bei einzelnen Stämmen, zum Beispiel den Waganda, darf die Frau dagegen nur im Freien niederkommen. Der Ehemann muß während dieser Zeit die Hütte verlassen und darf erst erscheinen, wenn er gerufen wird. Will die Geburt nicht recht vonstatten gehen, so erhält der Ehegatte den Auftrag, mit einer Frau oder einem Mädchen den Beischlaf zu vollziehen; dies hilft dann. Ist das Kind geboren, so pflegt der Vater es sogleich zu begrüßen und seine Freude auszudrücken. Bei den Makonde sieht er es erst, wenn es entwöhnt ist; ebenso darf bei den Wagaia der Ehemann vor diesem Zeitpunkt in der Hütte weder schlafen noch essen. Bei den Waheia bespeit der Vater das Kind bei seinem ersten Anblick mit einer heilkräftigen Medizin, die er im Munde gekaut hat, und bewirft es auch damit. Ebenso bespucken die Masai ihr Neugeborenes, weil dies ihm Glück bringen soll. Hat ein Masaimann mit einer seiner Frauen Verkehr gehabt, dann darf er am nächsten Tage keinen Säugling anfassen, weil dieser sonst dadurch krank werden würde. Die Geburt eines Kindes wird wohl von allen Stämmen durch Tanz und Gesang sowie durch einen Festschmaus gefeiert.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 449. Kikuyumann.
Die Behandlung von Zwillingen ist eine ganz verschiedene. Viele Stämme empfinden solche Geburt als ein Unglück oder wenigstens als ein Hindernis bei der Arbeit der Frau, die dann zwei Würmer mit sich schleppen müßte, und töten daher entweder beide oder einen der Zwillinge. Im letzteren Falle legt die Wanjamwesimutter nach der Fortnahme des einen Zwillings eine mit Fell umwickelte Kalabasse neben das überlebende Kind und reicht dieser Puppe ebenso wie dem ihr verbliebenen Kinde die Nahrung. In der Landschaft Mkulwe fürchtet man, daß infolge der Geburt von Zwillingen allen Verwandten der Bauch anschwellen werde, und wendet daher sofort Vorbeugungsmittel an. Ein Zauberdoktor mischt eine Medizin unter die Speise und läßt alle Angehörigen davon essen. Sodann kommt ein entfernt wohnender Verwandter und bestreicht seine Stirn mit der gleichen Medizin, die einige Zeit vor der Hütte der Zwillingsmutter in einem irdenen Topfe zwischen drei Pflöcken gestanden haben muß. Andere Stämme pflegen sich über Zwillinge zwar auch nicht zu freuen, lassen aber doch beide am Leben. Die Yao kleiden sie dann ganz gleich, weil eine Verletzung dieser Sitte den Tod des einen zur Folge haben würde. In Kiziba erhalten sie zwei gleiche viereckige Amulette um den Hals gehängt; stirbt einer der Zwillinge, dann geht sein Amulett auf den anderen über, der es sich zu seinem eigenen umhängen und fortan aus zwei Flaschen trinken, aus zwei Pfeifen rauchen muß und anderes mehr. Bei noch anderen Stämmen werden Zwillinge aber mit uneingeschränkter Freude begrüßt und ihre Geburt ganz besonders gefeiert; es geht dabei noch festlicher zu als bei der Geburt nur eines Kindes. — Auch mißgestaltete Kinder und solche, die in abnormer Stellung (zum Beispiel mit den Füßen voraus) zur Welt gekommen sind, ferner Albinos fallen verschiedentlich dem Tode anheim. Bei den Kikuyu mußte die Mutter noch an demselben Tage ihr Kindchen in den Wald tragen, es dort in einer seichten Grube mit Holzasche bedecken und den Hyänen zum Fraß überlassen. In Useguha dreht die Geburtshelferin den verkrüppelten Kindern den Hals um und trägt die Leiche in den Wald, wo sie einen Kochtopf über sie stülpt. Von einzelnen Stämmen (Usambara, Wakilindi, Suaheli und so weiter) werden auch Kinder, die in unregelmäßiger Weise zahnen, aus dem Wege geräumt.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 450. Masaimädchen in vollem Schmuck.
Kommt bei den Suaheli ein Kind mit den Füßen zuerst zur Welt, so wird der Mwalimu (der mohammedanische Priester) geholt, um Allah zu bitten, daß er das unheilbringende Kind sterben lasse. Bleibt es trotz aller Gebete am Leben, so glaubt man, daß Vater oder Mutter sterben müssen. Wenn dies aber wider Erwarten auch nicht eintrifft, so wird es eben als Schicksalsfügung hingenommen. Der Mwalimu fertigt auch allerlei Zaubermittel gegen etwa dem Kinde drohendes Unheil an, eine mit Koransprüchen beschriebene kleine Rolle oder eine Kette aus bunten Perlen, Fisch- und Vogelknochen, Holzstückchen, Pflanzenkernen und so weiter, die abwechselnd die Mutter als Diadem auf dem Kopfe und das Kind um den Hals gehängt trägt.
Die Namengebung erfolgt bei den meisten ostafrikanischen Stämmen schon am Tage der Geburt, seltener erst später, zum Beispiel wenn das Kind Zähne bekommen hat. Dieser ursprüngliche Name wird häufig später gegen einen anderen vertauscht. Die Namen, die die Kinder erhalten, sind manchmal recht drollig. So zum Beispiel hießen die eingeborenen Träger Weules „Zweipfennig“, „der lange Mann mit dem flachen Käppchen“, „Berg“, „Boot“, „das Dampfboot“, „Ratte“, „Käfer“, „Nashorn“ und so weiter; allerdings waren dies Namen, die die Leute erst mit Eintritt der Pubertät bei der Beschneidung erhalten hatten.
Phot. Dr. Kumm.
Abb. 451. Künstliche Verunstaltung der Lippen bei den Sara,
die bei ihnen als besonders schön gilt. Die Lippen werden durchbohrt und die Öffnungen allmählich durch die Verwendung immer größerer Holzscheibchen erweitert.
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Vielfach wird die Brustdrüse durch bestimmte Verunstaltungen zu einem Nachlassen und schließlich zum Aufhören der Milchabsonderung gebracht. Die Frauen pflegen um den Oberkörper eine aus Baumbast gedrehte dicke Schnur zu tragen, die, vorn über die herabhängenden Brüste gelegt, diese fest abschnürt und so die Blutzufuhr zum Drüsengewebe verhindert. Bei den Masaiweibern üben gewundene schwere Drahtgeflechte, die auf die Brüste gedrückt werden, eine ähnliche Wirkung auf diese aus.
Die Mutter nährt ihre Kinder für gewöhnlich wohl selbst, aber bereits nach wenigen Tagen pflegt sie als Beikost noch Milch oder Mehlbrei zu verabreichen, die sie ihnen, da sie noch nicht selbst schlucken können, in den Mund stopft (Abb. 468). Da die Beschäftigung der Negerfrauen meistens im Freien stattfindet, so nehmen sie ihre Kleinen stets mit sich aufs Feld. Sie setzen sie auf den Rücken, ziehen ihr oberes baumwollenes Gewand fest um sich und das Kindchen und knoten die Enden über der Brust. In diesem engen Behältnis, flach wie ein Frosch an den Rücken der Mutter gedrückt, mit seitwärts gewandtem Gesicht, müssen diese armen Würmer stundenlang in der Tropenhitze ausharren, während die Mutter hackt und jätet; sie machen, unter anderem beim Maisstampfen, in dieser Lage alle Bewegungen der Mutter, wie auf einem schlingernden Schiffe, mit, natürlich auch beim Tanz, zu dem das Kind gleich vom ersten Tage an mitgebracht wird. Wiegt die Mutter sich im Reigentanz, so macht das Kindchen auf dem Rücken alle Bewegungen mit und lernt ganz von selbst frühzeitig das Gleichgewicht halten, so daß es, sobald es auf eigenen Füßen zu stehen vermag, auch das Tanzen sehr bald erlernt. Viele Stämme, die nackend einhergehen, tragen eine „Felltasche für alles“ bei sich, und in dieser wird das Kind ebenfalls auf dem Rücken der Weiber mitgeschleppt.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 452. Musikbande eines Sultans aus Uganda.
Das Leben der Negerkinder Ostafrikas spielt sich meistens recht sorglos ab, denn auch hier kennt man eine Reihe Spiele, an denen die Kleinen sich wie bei uns vergnügen. Die Jungen rotten sich zu kleinen Trupps im Dorfe zusammen und treiben ihr Wesen: sie bauen Hütten, formen Sandkuchen, nehmen Schießübungen mit kleinen Bogen und Pfeilen vor, machen Lärm auf der Trommel, lassen Kreisel tanzen und anderes mehr, während die Mädchen sich aus Lumpenbündeln oder Ton höchst einfache Puppen zurechtmachen, die sie nach dem Vorbilde ihrer Mütter besorgen. Bei vereinzelten Stämmen tritt allerdings frühzeitig der Ernst des Lebens an die Kinder heran; sie müssen den Eltern beim Hüten des Kleinviehs, mit Wasserholen und durch sonstige Hilfeleistung an die Hand gehen.
Phot. H. H. Johnston.
Abb. 453. Masaifrau.
Die Mädchen der Masai begnügen sich mit wenigen Armbändern. Wenn sie aber in die Ehe treten, legen sie dicke, schwere Ärmel aus Eisenspiralen an, auch rupfen sie sich die Augenbrauen aus und rasieren sich das Kopfhaar.
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GRÖSSERES BILD
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 454. Tanz der Eingeborenen von Mombassa,
dem Haupthafenplatz von Britisch-Ostafrika.
Phot. The Hon. K. R. Dundas.
Abb. 455. Sukleute beim Tanz.
Man schließt einen Kreis um die Tänzer. Ein Teil der ihn bildenden Leute klatscht in die Hände und singt, andere springen kerzengerade mit steifem Oberkörper in die Höhe.
Phot. H. S. W. Edwardes.
Abb. 456. Steckenpferdreiter,
der sich wie ein richtiger Reiter aufführt. Das Pferd besteht aus einem Bambusgestell, das mit Tüchern behängt ist.
Phot. H. S. W. Edwardes.
Abb. 457. Marionettenvorstellung.
Die unter einem Tuche verborgene Person führt zur Freude der Zuschauer Puppen vor, ähnlich wie bei unserem Kasperltheater.
Aus: Weiß, Völkerstämme Ostafrikas.
Abb. 458. Flötende Hirtenknaben.
Wenn die Kinder das Reifealter erreichen, müssen sich sowohl die Knaben wie die Mädchen für gewöhnlich besonderen Zeremonien unterziehen. Diese schwanken bei den verschiedenen Stämmen oft sehr beträchtlich; zumeist sind sie zu obszön, als daß man sie schildern könnte. Zu diesem Zeitpunkte werden den angehenden Jünglingen und Jungfrauen vielfach auch die Stammesabzeichen durch Schröpfen oder Tatauieren gewisser Muster aufgetragen, bei einzelnen Stämmen, wie den Masai, Wadschagga, Kikuyu, Wakamba und Suaheli, wird an ihnen auch die Beschneidung vorgenommen. Der Eintritt der Reife bedeutet bei wohl allen ostafrikanischen Völkern ein überaus wichtiges Ereignis im Leben beider Geschlechter; deshalb werden damit große Festlichkeiten verbunden, Tänze abgehalten (Abb. 470 und 471), Essen veranstaltet und viel Bier getrunken. Bei den Masai setzen die Zeremonien bereits wochenlang vor dem eigentlichen Festakt ein. Man sieht dann die Knaben mit möglichst viel Schmuck behängt im eigenen und in den Nachbarkralen täglich tanzen und singen. Zu diesen Vorführungen finden sich auch viele Frauen ein, die Mütter der Knaben mit Begleiterinnen, sodann aber auch Frauen, die gern Kinder haben möchten. Diese lassen sich von den Knaben mit frischem Rindermist bewerfen und hoffen dadurch fruchtbar zu werden. Am Tage vor der Beschneidung wird den angehenden Jünglingen der Kopf rasiert und ihnen an Stelle des Fellumhangs, den sie bis dahin trugen, ein von der Mutter angefertigter, bis auf die Füße reichender Lederschurz verabreicht. Die Zeremonie findet am frühen Morgen statt. Kein weibliches Wesen darf aber derselben beiwohnen; dagegen nehmen die Krieger an ihr teil: sie bespötteln die Knaben, die nicht standhaft sind und nicht lautlos die Schmerzen ertragen, legen ihnen sogar Spottnamen bei und strafen sie und unter Umständen selbst ihre Eltern mit Verachtung, letztere auch mit Schlägen dafür, daß sie ihre Söhne nicht zu der nötigen Standhaftigkeit und Abhärtung erzogen haben. Nach Beendigung dieser Handlung versammeln sich alle männlichen Teilnehmer und werden von den Eltern in ausgiebigem Maße mit Fleisch und Honigbier bewirtet. Es geht dabei immer recht lustig zu; man scherzt und lacht und renommiert. Die Krieger brüsten sich mit ihren Heldentaten, und die Väter der Beschnittenen malen sich bereits in Gedanken die künftigen Taten ihrer Sprößlinge und den Gewinn aus, den sie ihnen von ihren Kriegszügen heimbringen werden. Den Abschluß des Festes bildet ein Tanz. — Von der Beschneidung der Mädchen, die in ziemlich dem gleichen Alter wie die der Knaben (vierzehn bis sechzehn Jahre) stattfindet und in Abtrennung eines Teiles des Kitzlers besteht, wird von den Masai nicht so viel Aufsehens gemacht. Dagegen gestaltet sich die Beschneidung der Mädchen bei den eigentlichen Bantu zu einer äußerst wichtigen Angelegenheit. Die Mädchen erhalten hier längere Zeit vor der eigentlichen Einweihung von einer Ehefrau Unterricht, der sie über das Geschlechtsleben sowie über die Sitten und Umgangsformen gegenüber den Familien- und Stammesmitgliedern aufklärt. Die betreffende Lehrerin bleibt auch für die Zukunft ihre Beraterin. Der Unterricht, der in einer besonderen Hütte erteilt wird, zerfällt manchmal in verschiedene Stufen und nimmt Monate in Anspruch. Währenddessen dürfen die jungen Mädchen sich von keinem männlichen Wesen erblicken lassen und müssen sich, falls sie die Hütte einmal verlassen, mit einem Kopftuch, das sie zu diesem Zwecke tragen, bedecken. In einzelnen Gegenden fertigen die Lehrerinnen auch zum Anschauungsunterricht Lehmfiguren an, die auf das Eheleben Bezug nehmen. Diese Belehrungen finden ihren Abschluß in einem großen Fest, bei dem die Frauen, die den Unterricht erteilten, von ihren Schülerinnen und deren Eltern reichlich beschenkt werden. Dabei werden unter Trommelbegleitung und Händeklatschen Aufführungen und Tänze veranstaltet, die oft einen sehr lasziven Charakter (Bauchtänze) annehmen; an ihnen beteiligen sich auch die Novizinnen, um darzutun, daß sie sich auf solche Künste (wie obszöne Gesäßbewegungen und so weiter) auch verstehen. Bei den Makonde werden die Mädchen auch noch durch schreckenerregende Masken, darunter solche, die den Teufel mit Hörnern und Bart vorstellen, geängstigt, um ihren Mut zu erproben. Als Zeichen der Reife werden sie von ihren Lehrerinnen mit Eigelb, das mit Rizinusöl vermischt ist, auf Stirn, Brust und Rücken angemalt. Bei den Bakulia ist für die Mädchen, die der Beschneidung harren, ein mit zahlreichen kleinen weißen und roten Perlen bestickter Lederkranz charakteristisch, den sie wie einen Heiligenschein um den Kopf tragen. Außerdem gehören zu ihrer Ausrüstung während dieser Zeit eine Kürbisflasche und eine Rute, um die Fliegen von ihrer Wunde abzuwehren (Abb. 472). Sowie die Operation vollendet ist, legen sie sich ein großes, sorgfältig gegerbtes und mit rotem Ocker gefärbtes Fell an. Von jetzt an dürfen die jungen Mädchen offiziell Geschlechtsverkehr haben, und sie machen auch von dieser Erlaubnis ausgiebigen Gebrauch. Mit dem ersten Unterricht pflegen die Pubertätsgebräuche nicht immer abgeschlossen zu sein, sondern meistens folgen jenem noch ein zweiter und ein dritter, die unter Umständen, wenn die Mädchen etwa inzwischen geheiratet haben, in ihrer Hütte in Gegenwart des Ehemanns abgehalten werden.
Aus: Weiß, Völkerstämme Ostafrikas.
Abb. 459. Hochofen in Mpororo.
Die Ansichten der ostafrikanischen Völker über das moralische Leben der jungen Leute sind sehr geteilt; während man auf der einen Seite die Jungfräulichkeit hoch einschätzt und einen vorehelichen Geschlechtsgenuß mißbilligt, legt man auf der anderen wieder auf Reinheit vor der Ehe kein weiteres Gewicht. Zur letzten Gruppe gehören unter anderen die Masai. Hier haben sich die jungen Krieger (Abb. 473) eines Bezirkes zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, die einen bestimmten Kral bewohnt; die Verheirateten leben in einem besonderen Kral (Abb. 469). Ein Kriegerkral beherbergt etwa fünfzig bis hundert junge Leute und fast die doppelte Anzahl junger Mädchen, die, abgesehen von den notwendigen Hausarbeiten, wie im besonderen dem Melken des Viehs, in erster Linie zur Unterhaltung jener dienen. Jeder Krieger besitzt ein Lieblingsmädchen, das beständig bei ihm wohnt und, solange er sich im Kral aufhält, ihm auch Treue halten soll. Wenn er aber abwesend ist, sucht sich das junge Mädchen einen anderen Liebhaber. Diesem ihrem Wunsche gibt sie beim Tanz dadurch Ausdruck, daß sie am Schluß desselben auf einen ihr gefallenden Krieger in kurzen Hochsprüngen zueilt. Damit will sie andeuten, daß sie ihn abends zum Schäferstündchen erwartet. Hüpft er in gleicher Weise in die Höhe, dann liegt darin eine zusagende Antwort.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 460. Schön geschnitztes Elfenbeinhorn
aus der Stadt Siu im Lamuarchipel (Küste Sansibars), einem Hauptsitz arabischer Kultur.
Als Grund, warum die jungen Männer die Mädchen nicht heiraten, geben sie an, daß sie im Fall eines Krieges leichteren Herzens auszögen, wenn sie nicht gebunden seien durch die Sorge um Weib und Kind. In Friedenszeiten vergnügen sich die Krieger durch Gelage, Spiel und Tanz.
Aus: Weiß, Völkerstämme Ostafrikas.
Abb. 461. Bakuliatöpferinnen bei der Arbeit.
Phot. C. W. Hattersley.
Abb. 462. Eine Geisterhütte in Uganda,
in der man den Geistern Speisen und Getränke darbringt.
Erst wenn sie aus dem Kriegerstande austreten, das ist um das achtundzwanzigste bis dreißigste Jahr herum, denken die Masaijünglinge an die Ehe. Ist der Bräutigam mit seiner Auserwählten einig, dann begibt sich sein Vater zu ihrer Mutter und wirbt in seines Sohnes Namen. Ist ihm die Zusage erteilt worden, dann wird dem jungen Mädchen der Kopf mit Fett eingerieben zum Zeichen, daß es versprochen ist. Die gute Sitte erfordert es, daß der Bräutigam während der ganzen Verlobungszeit mit seiner Braut nicht in Berührung kommt. Er lebt als Krieger in seinem Kral, sie mit ihren Freundinnen in einem anderen. Kommt es trotzdem zu einer Schwangerschaft zwischen den jungen Leuten, so sieht man dies als Verstoß gegen die guten Sitten an, und die Verlobung wird aufgehoben. Vor der Hochzeit ist der Rest des Heiratsgutes zu entrichten, das bereits bei der Verlobung angezahlt wurde und in Vieh sowie in einigen Töpfen Honig besteht. Besondere Schönheit des Mädchens sowie vornehmer Stand und Einfluß der Eltern werden höher bewertet. Die Hochzeitsfeier besteht in einem Festessen, Trinkgelage und Tanz. Beim Festschmaus sitzen alle Anwesenden in einem Kreise zusammen, auf der einen Seite der Bräutigam mit den Männern, auf der anderen die Braut mit den Weibern. Nach dem Mahle zieht sich das junge Ehepaar in seine neu erbaute Hütte zurück; hier setzt die Mutter des Mannes der jungen Frau ein kleines Kind auf den Schoß, die ihm sodann Milch zu trinken gibt. Hierdurch soll ein günstiger Einfluß auf die Fruchtbarkeit der jungen Ehe ausgeübt werden. Es ist bei den Masai allgemein üblich, daß der junge Ehemann einem oder zweien seiner alten Kampfgenossen das Jus primae noctis, das heißt die Berechtigung des ersten Beilagers mit seiner Frau, gewährt, sofern sie es fordern; eine Abweisung ist nicht statthaft. — Bei den Wahima läßt sich ein verlobtes Mädchen eine etwa handbreite Stelle ausrasieren, die quer über den Kopf von einem Ende zum anderen verläuft, an seinem Hochzeitstage aber den Kopf ganz kahl rasieren und vergräbt die abrasierten Haare in der Hütte; später läßt es sich die Haare für immer wieder lang wachsen. Als Hochzeitsgeschenk erhält die junge Frau von ihrem Gatten zahlreiche dünne, gedrehte, eiserne Ringe um die Knöchel, die bis zur Wade hinaufreichen.
Phot. H. H. Johnston.
Abb. 463. Nsolospieler vom Nyassaland.
Dieses Spiel ist unter den Negern von wohl ganz Afrika verbreitet.
Phot. C. W. Hattersley.
Abb. 464. Rahmen, in denen nach dem Glauben der Waganda die Geister der verstorbenen Könige wohnen.
Sie werden auf das Grab gelegt und sorgsam behütet. Die Frauen des Verstorbenen leben in seiner Grabkammer und glauben, daß, solange das betreffende Rahmengestell erhalten bleibe, der Geist ihres Gatten noch unter ihnen weile.
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Werbung und Heirat sind bei den ostafrikanischen Stämmen im großen und ganzen dieselben. Meistens hält der junge Mann bei seinem zukünftigen Schwiegervater um dessen Tochter an, gelegentlich machen aber auch die beiderseitigen Väter die Sache untereinander aus. Bei den Waganda geht das Mädchen auf die Freite; wenn die jungen Leute einig geworden sind, führt die Verlobte ihren Auserwählten zu ihrer Tante, diese ihn wieder zu dem Bruder des Mädchens und dieser endlich zum Vater. Der Bruder setzt aber den Brautpreis fest. Die Wagandamädchen dürfen sogar Reisen unternehmen, um sich einen Mann zu suchen; zum Zeichen dessen tragen sie eine Unmasse Armringe. Bei den Latuka und Wasoga geht das junge Paar, wenn es einig geworden ist, einfach durch; Vater oder Bruder kommen dann und fordern das Hochzeitsgeschenk ein. Hat bei den ersteren der Schwiegersohn nicht so viel, um zu bezahlen, dann hat der Vater der jungen Frau das Anrecht auf das erste Kind. — Der Preis für heiratsfähige Mädchen schwankt sehr; bei den Lenda geht er bis zu sechzehn Kühen und hundert Ziegen. Für gewöhnlich erhält der Vater das ausbedungene Hochzeitsgeschenk oder, falls er bereits verstorben sein sollte, der Bruder des Mädchens. Bei den Wasukuma muß der junge Ehemann für seinen Schwiegervater die ersten zwei Jahre seiner Ehe arbeiten, erst dann darf er mit der Frau in sein Dorf zurückkehren. — Einige Stämme verloben ihre Töchter bereits im Alter von etwa acht Jahren. Von diesem Zeitpunkt an macht der zukünftige Schwiegersohn von Zeit zu Zeit dem Vater Geschenke. Haben sich, wenn das Mädchen heiratsfähig geworden ist, genügend Geschenke angesammelt, ungefähr vierzig Hacken, zwanzig Ziegen und eine Kuh, dann findet die Hochzeit statt. Der Ehemann hat dann aber auch den ersten Anspruch auf alle Schwestern seiner Frau, sowie sie heiratsfähig geworden sind. Stirbt ihm die Frau ohne Kind, so muß der Vater den Brautpreis zurückerstatten. Besonders bei den Wagaia geht der Ehe eine lange Verlobungszeit voraus, denn die jungen Mädchen werden hier schon mit sechs bis sieben Jahren verlobt, aber erst nach eingetretener Reife ihrem Gatten überlassen. Dieser holt sie dann aus dem elterlichen Hause ab; der Schwiegervater schlachtet einen Ochsen und sorgt für das erforderliche Hochzeitsbier. Großen Wert legt der junge Ehemann darauf, daß seine junge Frau noch unberührt ist. Ist das nicht der Fall, dann schickt er sie mit großem Schimpf zu ihren Eltern zurück; der Schwiegervater ist daraufhin verpflichtet, ihm nicht nur den ganzen Brautpreis zurückzuzahlen, sondern wegen der Schande, die die ungeratene Tochter über den Gatten brachte, noch eine Entschädigungsumme zuzuzahlen.
Phot. N. Mc Lean.
Abb. 465. Mohammedanische Prozession vor dem Sultanspalast in Sansibar.
Vielweiberei ist unter den ostafrikanischen Stämmen sehr verbreitet. Der Masai pflegt sogar außer seinen Ehefrauen sich noch Nebenfrauen zu halten, je nach seinen Vermögensverhältnissen. Die zuerst angeheiratete Gattin ist indessen die Hauptgattin und steht über den späteren Frauen. — Zwischen Schwiegereltern und Schwiegersohn bestehen unzählige Gepflogenheiten. Bei den Lendu darf der Schwiegervater seinen Schwiegersohn nicht besuchen, bei den Batoro ihn nicht einmal mehr sehen. Der Unyoroschwiegersohn hat niederzuknien, wenn er seiner Schwiegermutter begegnet, und anderes mehr.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 466. Erzschmelzen bei den Wagaia am Viktoriasee.
In der Mitte wird aus nassen Bananenblättern ein Ring gebildet. In diesen wird Holzkohle und das Eisenerz gelegt. In dem Ring sind Öffnungen, durch die mit Blasebälgen Luft zugeführt wird. Diese Bälge werden, wie man auf dem Bilde sieht, durch Auf- und Niederstoßen der Stangen bedient.
Eheliche Treue ist bei manchen Stämmen, vor allen bei den Masai, ein unbekannter Begriff, und zwar sowohl für den Mann wie für die Frau. Läuft eine Frau ihrem Manne weg und kehrt sie zu ihren Eltern zurück, so haben diese, falls sie ihre Tochter wieder ins Haus nehmen, den Brautpreis zurückzuerstatten. Es kommt aber auch vor, daß der Mann sich seine Frau wieder holt, dann nimmt er aber für gewöhnlich ein kleines Geschenk mit.
Phot. H. H. Johnston.
Abb. 467. Zauberer der Kavirondo.
Er behandelt Wunden mit allerlei Salben, versucht aber auch wohl, Kranke dadurch zu heilen, daß er aus einer Kalabasse Kiesel über sie ausschüttet.
Ehebruch pflegt bei den Bantu mit einer Geldstrafe an den beleidigten Ehemann bestraft zu werden. Diese besteht manchmal nur in einer Ziege, manchmal auch wieder in der Höhe des ursprünglichen Preises der Frau. Die Masai und Nandi betrachten Ehebruch als kein schweres Vergehen, belegen ihn aber ab und zu doch auch mit einer Geldstrafe. Manche Stämme indessen ahnden solches Vergehen schwer und, wenn das Mädchen unverheiratet war, sogar mit dem Tode. Die Manyema, sowohl Mann wie Frau, führen wirklichen Kampf mit der Frau oder dem Manne, mit denen ihr Lebensgefährte Ehebruch beging. Kommt einer dabei ums Leben, dann müssen die Verwandten die Fehde aufnehmen.
Aus „Kolonie und Heimat“.
Abb. 468. Ostafrikanische Negerin füttert ihr Kind mit Mehlbrei.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 469. Ein Masaikral.
Im allgemeinen gelten bei den Bantu Mord, Diebstahl, Ehebruch und Hexerei für die einzigen strafbaren Übertretungen. Mord, an einem Manne aus einem anderen Stamme begangen, wird für gewöhnlich nicht für ein Vergehen angesehen, oft auch der Mord an einer Ehefrau nicht weiter beachtet. Die Banyoro und Wahima bestrafen einen Mord mit dem Tode, die Masai nur mit einer Geldstrafe in schwankender Höhe. Die Wasukuma haben hundert Ziegen zu zahlen, wenn sie einen Mann, und halb so viel, wenn sie eine Frau ermordet haben. Das Todesurteil wird für gewöhnlich durch den Spieß vollstreckt, außer wenn es sich um einen Zauberer handelt; dieser wird oft totgeprügelt. — Die Nandi bestrafen Viehdiebstahl ebenfalls mit dem Tode, die Kamasia mit einer schweren Geldstrafe, nur wenn der Dieb sie zu bezahlen nicht imstande ist, ebenfalls mit dem Tode, die Masai auch nur mit einer Geldstrafe, die aber dreimal so hoch ausfällt, als der gestohlene Gegenstand Wert hat. In Uganda wurde früher Diebstahl nicht geahndet, außer etwa, wenn es sich um das Eigentum eines Häuptlings handelte. Bei den Lendu bleibt es einem Bestohlenen überlassen, den Dieb ausfindig zu machen und selbst zu bestrafen. Auf Hexerei steht fast immer die Todesstrafe.
Phot. Underwood & Underwood.
Abb. 470. Junge Mädchen aus dem Tavetagebiet (Kilimandscharo)
bei einem Zeremonialtanz vor Erlangung der Mannbarkeit.
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GRÖSSERES BILD
Phot. S. L. Hinde.
Abb. 471. Tanz der Kikuyujünglinge.
Nach eingetretenem Tode ist es üblich, den Körper zu waschen, was für gewöhnlich die Ehefrauen des Verstorbenen oder die sonstigen Weiber des Haushalts besorgen. Die Suaheli legen die Leiche auf eine Bettstelle inmitten der Hütte und graben in den Boden darunter ein Loch, in welches das zum Waschen verwendete Wasser abläuft. Darauf wird die Leiche in ein großes Tuch aus Glanzkattun (Bafuta) gehüllt und auf einer Bahre zum Grabe getragen; hier begräbt man sie nach mohammedanischem Ritus. In Uganda berief früher beim Tode eines Kabaka oder Fürsten der erste Minister die Prinzen und fragte ihren Vormund, wer sich wohl von ihnen am besten zur Nachfolge eignen dürfte, worauf dieser einen berührte. Dieser wurde nun Kabaka und erhielt eine Rolle Rindentuch, in das er seinen verstorbenen Vater einzuhüllen hatte. Jetzt wählt der Rat der Eingeborenen, der Lukiku, ihren neuen Fürsten. Ein gewöhnlicher Untertan wurde einfach begraben, die Leiche eines Fürsten aber brachte man an einen besonderen Platz und legte sie hier auf eine erhöhte Plattform. Dann wurde der Unterkiefer abgeschnitten, in eine Holzschüssel getan und, mit Kaurimuscheln verziert, in einer eigenen, dicht bei dem Grabe erbauten Hütte untergebracht. Um die Leiche wurde hierauf ein großes Grabmal oder eine Hütte erbaut und deren Tür für immer verschlossen. Früher pflegte man noch Menschenopfer zu Hunderten darzubringen, deren Überreste vor der Tür der Hütte den Geiern zum Fraß überlassen wurden. Die ganze Stätte wurde schließlich mit einer Umfriedigung eingeschlossen, innerhalb deren noch Hütten für die Wächter und die Frauen des toten Königs errichtet wurden; ihre Pflicht war es, das Grab bis zu ihrem Lebensende zu bewachen; sodann traten andere Personen an ihre Stelle.
Aus: Weiß, Völkerstämme Ostafrikas.
Abb. 472. Schmuck, Topf und Besen beschnittener Bakuliamädchen.
Die Banyoro entsetzen sich davor, in der Nacht zu sterben, da zu dieser Zeit die Geister sie holen könnten. Um dieser Gefahr vorzubeugen, soll es vorkommen, daß man sehr kranke Menschen manchmal lebendigen Leibes schon am Tage begräbt, sofern zu befürchten steht, daß es nachts doch mit ihnen zu Ende gehen werde. Die Leiche wird in Rindentuch oder bei großer Armut in Gras eingewickelt und in der Nähe der Hütte begraben. Einen Häuptling pflegt man mit an den Körper herangezogenen Beinen und unter den Kopf gelegten Händen in die Haut einer frisch geschlachteten Kuh zu nähen, ihn auf die linke Seite zu legen und so ins Grab zu senken, worauf man Rindenstoff hineinwirft und das Grab zuschaufelt. Der Mukuma oder König wurde in derselben Weise gewickelt und dann mit neun lebenden Männern in ein großes Grab gelegt; dieses aber wurde nicht zugeschüttet, sondern über seiner Öffnung eine Haut fest mit Pflöcken befestigt und eine Hütte oder ein Grabmal darüber errichtet. In dieser Hütte mußten der Oberbefehlshaber und die Diener des Königs das Grab bewachen. — Die Masai, Suk und Turkena erheben bei eingetretenem Todesfall ein Wehklagen und tragen die Leiche darauf in den Busch, wo sie sie einfach mit dem Gesicht gegen Westen, damit sie den Neumond sehe, hinlegen, zur Freude der Geier und Hyänen. Die Nandi, Kikuyu und Lumbwa begraben ebenfalls ihre Häuptlinge, während sie im übrigen die Leichen im Busch liegen lassen. Die Kamasia legen für ihre Häuptlinge im Viehkral das Grab an und pflanzen Sträucher darauf, alle anderen Leichen aber bringen sie in den Busch und legen Felle darüber. Die Kavirondo und Baziba begraben einen Häuptling in sitzender Stellung in seiner Hütte, lassen den Kopf aber aus der Erde heraussehen. Bei ersteren müssen die Frauen in der Hütte bleiben, bis das Fleisch vom Kopfe abfault, dann wird auch dieser begraben. Bei letzteren übernimmt ein bestimmter Wächter diese Pflicht. Nach zwei Monaten wird auch hier der Kopf unter die Erde geschoben und darauf ein neuer Häuptling gewählt. Die Wahima brechen ihren Toten, wenn sie erkaltet sind, die Gelenke und den Hals, wickeln sie in eine Matte und begraben sie unter einem Dunghaufen im Viehkral. Nach seinem Tode wird der Name des Verstorbenen nie mehr genannt; war sein Name etwa auch die Bezeichnung für irgendeinen Gegenstand, so verschwindet dieses Wort aus der Sprache, und ein neues wird für den betreffenden Gegenstand geschaffen. Ähnlich verfahren die Masai, die niemals mehr den Namen eines Verstorbenen in den Mund nehmen.
Phot. A. C. Hollis.
Abb. 473. Masaikrieger.
Ihre Bewaffnung besteht aus Speer, Schild, Bogen und Pfeilen, ferner aus einer Keule und einem Schwert.
Nach einem Begräbnis oder wenigstens nach Ablauf der Trauer pflegt man einen großen Tanz und ein Biergelage abzuhalten. Die Madi markieren oft einen Kampf; ein jeder gerät in große Aufregung, und es ist daher nichts Ungewöhnliches, daß Männer bei Begräbnissen getötet oder zum mindesten schwer verletzt werden. Bei den Manyema ertönt nach Eintritt eines Todesfalls ein Signal, auf das hin die Freunde und Verwandten sehr zahlreich zusammenströmen und die Leiche hinwegbringen. Sie kochen sie darauf und essen sie zu Hause. Nahe Angehörige wie die Eltern essen nicht von dem Fleische, wohnen auch nicht der Beerdigung bei. — Der Sohn eines Baziba trägt um den Hals ein Band, an dem zwei Stückchen Holz befestigt sind, die Vater und Mutter vorstellen; stirbt eines von ihnen, dann wird das betreffende Hölzchen weggeworfen.
Die Witwen des Verstorbenen gehen häufig auf den ältesten Sohn oder Bruder über; jedoch haben die verschiedenen Stämme vielfach besondere Sitten. In der Regel dürfen die Witwen erst nach Ablauf einer bestimmten Trauerzeit wieder heiraten, und auch dann nur mit Zustimmung ihres Vormundes. Bei den Suaheli ist die Witwe gezwungen, drei Monate lang sich zurückzuziehen; sie darf während dieser Zeit nicht ausgehen, wohl aber Besuche ihrer Angehörigen empfangen.
Aus: R. E. Drake-Brockman, Britisch-Somaliland.
Abb. 474. Somalkrieger.