Assam.

Assam, das zerklüftete Gebirgsland, das sich zwischen China, Indien, Tibet und Birma erstreckt, ist im Besitze einer Reihe Völker, die sich infolge ihrer Isoliertheit durch Sprache, Gewohnheiten und Religion ziemlich scharf voneinander unterscheiden. Einen gewissen höheren Grad von Zivilisation haben unter ihnen die Garo, Khasi und Kacha-Naga erreicht, da sie bereits länger mit den Engländern in Berührung gekommen sind, während hingegen die eigentlichen Naga, mit ihrem größten Stamme, den Ao, auf einer verhältnismäßig noch niederen Kulturstufe stehen.

Vom Rassenstandpunkt aus weisen alle diese Völker einen ziemlich einheitlichen Typus auf, nämlich den der Mongolen, wenngleich auch verschiedentlich indonesischer Einschlag nicht zu verkennen ist, wofür auch manche aus dem Süden her übernommene Gebräuche sprechen.

Die Lebensweise der Naga ist eine ziemlich feste; solange es geht, bleiben sie an einem Orte seßhaft. Sie betreiben Acker-(Reis-)Bau. Oft genug liegen ihre Felder weit vom Dorfe ab. Die Ernte wird in besonderen kleinen Scheuern am Eingange des Dorfes untergebracht. Haustiere sind der Hund, die Katze, das Schwein und die Ziege. Die Naga essen alles, dessen sie auf der Jagd habhaft werden können. Als größter Leckerbissen gilt für sie mit Reis ausgestopfter Hundebraten. Bei einzelnen Stämmen bestehen gewisse Speiseverbote. Die Naga wohnen in Dörfern, deren Eingangstor von Kriegern bewacht wird (Abb. 247). Die Hütten stehen meistens so nahe aneinander, daß sich die Giebel einer Häuserreihe mit der ihr gegenüberstehenden fast berühren (Abb. 245). In der Mitte eines jeden Dorfes und meistens auf seinem höchsten Punkt steht der Murong, das Gemeindeberatungshaus (Abb. 251), das gleichzeitig den Junggesellen als Aufenthaltsort und Schlafraum dient (Abb. 244). Auch die unverheirateten jungen Mädchen pflegen abgesondert von den Verheirateten unter Aufsicht einer Matrone in einem eigenen Haus für sich zu schlafen. Ein anderes wichtiges Gebäude der Naga ist neben der Versammlungshalle der Krieger (Abb. 246) die Hütte, in der die große Dorftrommel aufbewahrt wird (Abb. 249). Sie wird angeschlagen, um beim Herannahen eines Feindes die auf den weiter entfernten Reisfeldern arbeitenden Leute zusammenzurufen, und ist aus einem vier bis sechs Meter langen Baumstamme angefertigt; an ihrem hinteren Ende trägt sie einen geschnitzten Tiger- oder Ochsenkopf, an ihrem vorderen aber ist sie ausgebuchtet und endigt in zwei ausgebreitete Arme. In diese Rinne kamen früher bei Festlichkeiten nach einem Kriegszuge die Köpfe der erschlagenen Feinde zu liegen.

Aus „Anthropos“.

Abb. 245. Inneres eines Dorfes der Naga.

Phot. W. H. Furneß, 3rd.

Abb. 246. Eine Kriegerhalle der Naga.

Die geschnitzten Pfosten stellen den Schädel eines heiligen wilden Ochsen dar. Darüber sind Menschenschädel angebracht.

Die Kleidung der Naga ist für gewöhnlich aufs knappste bemessen. Diejenigen Stämme, die die halbtropischen Wälder und die tiefer gelegenen Gebirgsabschnitte bewohnen, gehen fast nackt. Die Männer begnügen sich mit einer langen gewebten Binde um die Hüften, die Frauen tragen dunkelblaue, selbstgewebte Röcke. Viele Leute gehen tatauiert und alle schmücken sich gern; in dieser Hinsicht überbieten die Männer die Frauen. Sehr beliebt sind bei den Mishmi mächtige Bambuspflöcke in den ausgedehnten Ohrläppchen (Abb. 250), ferner Halsketten aus Perlen oder Muscheln, sowie Armbänder aus Rohr, Messing oder Silber (Abb. 248). Merkwürdigerweise legen die Weiber, sobald sie verheiratet sind, ihren Schmuck ab und überlassen ihn den jungen Mädchen.

Ein Nagakrieger macht in seiner Galatracht einen imposanten Eindruck (Abb. 252). Sein kraftvoller Körper ist reich tatauiert und bemalt; er trägt einen kurzen blauen Schurz, der mit weißen Kaurimuscheln verziert ist, zum Zeichen, daß er an früheren räuberischen Einfällen teilgenommen hat. Über die Brust hat er sich mehrere farbenfrohe Schärpen mit vielen farbigen Bändern geworfen, auf das Genick sich eine Scheibe aus einer großen Seemuschel mit einem blauen Band gebunden. Dazu kommen schwere Armbänder aus Rohr über den Ellbogen, Rohrgamaschen und ein Kranz von ineinander verschlungenen Wildschweinzähnen, der, mit bunten Baumwollbändern verziert, seine Stirn umgibt. In einem Gürtel steckt eine hackbeilähnliche Axt, deren Griff mit gefärbten Haaren verziert ist. Die sehnige Faust hält einen großen Schild aus der ausgespannten Haut eines Tigers, Leoparden, Elefanten oder Bären, die gleichfalls mit Ziegenhaar geschmückt ist, und einen acht Fuß langen Speer, der schön mit steifem, karmesinrot und schwarz gefärbtem Samt aus Ziegenhaar umwickelt ist. Die ganze Tracht wirkt außerordentlich malerisch und zugleich furchterregend.

Phot. W. H. Furneß, 3rd.

Abb. 247. Die Dorfwache.

Das Eingangstor eines Nagadorfes wird von Kriegern bewacht. Ihre Speere stecken hinter ihnen in der Erde, ihre Gewänder und Schürzen, die mit Muscheln verziert sind, hängen über dem Tor.

Die Naga kürzen ihr langes, straffes, pechschwarzes Haar auf dem ganzen Kopfe (Abb. 248), diese Prozedur wird aber nicht etwa mit einer Schere vorgenommen, sondern ein befreundeter Nachbar legt sein Jagdbeil unter das Haar und schlägt mit einem flachen Stück Holz die Haarspitzen ab. Bei festlichen Gelegenheiten setzen sich die Krieger noch besondere Haarkränze auf. Die jungen Mädchen tragen ihr Haar bis zur Hochzeit ebenfalls gekürzt, dann aber lassen sie es sich wachsen und binden es über dem Hinterkopf in einem Knoten zusammen. Bei den Mishmikriegern dienen die als Ohrschmuck getragenen großen Muscheln zum Schutze gegen Schwerthiebe (Abb. 253).

Phot. H. Brian Hill.

Abb. 248. Ein Nagadandy.

Durch seinen Haarknoten ist ein hölzerner Kamm gesteckt. Eigenartig sind sein eng geschnürter Gürtel und seine Armbänder.

Die meisten Nagastämme befinden sich noch auf der niedrigsten Stufe religiösen Glaubens, auf der des Animismus, der alle Dinge sich belebt denkt und sie für den Wohnsitz von Geistern hält. Hauptsächlich werden aber nur jene Geister verehrt, von denen man annimmt, daß sie Böses zuzufügen imstande sind (Abb. 254). Götterbilder gibt es nicht, ebensowenig Tempel oder heilige Haine, dementsprechend auch keinen Priesterstand. Bei Ausbruch einer jeden Krankheit wird geopfert; was für ein Tier dazu genommen werden soll, das bestimmt ein alter Mann. Die Garo opfern den himmlischen Geistern weiße Hähne und den Erdgeistern die Erzeugnisse des Bodens, wie Reis, Blumen und Wein; sie bringen diese Opfer vor einem Bambusbaum dar. Die Abor (Abb. 255) beten mit Vorliebe Geister an, die in den Bäumen leben; erweisen diese sich aber boshaft, indem sie zum Beispiel die Cholera senden oder ein Kind in dem Walde sich verirren lassen, dann hauen sie aus Rache einfach die Bäume ihrer Umgebung um.

Phot. W. H. Furneß, 3rd.

Abb. 249. Eine Dorfkriegstrommel bei den Naga,

die aus einem ausgehöhlten Baumstamme gefertigt ist und durch Holzklötze geschlagen wird, um die Krieger, wenn dem Dorfe Gefahr droht, zusammenzurufen.

Die Naga waren früher sehr gefürchtete Kopfjäger und sind es in den Gebieten, wohin der englische Einfluß nicht reicht, noch. Nach Molz’ Schätzung erjagten sie in einem Zeitraum von vierzig Jahren auf einem Gebiete von zwanzig Quadratmeilen allein zwölftausend Köpfe. Der wichtigste Grund dafür, daß die jungen Leute auf Schädel so erpicht sind, ist ihre Eitelkeit, der Wunsch, in den Augen ihrer Angebeteten für einen tüchtigen Krieger zu gelten. Denn alle anderen Liebesbeweise ziehen bei ihr nicht, wenn der junge Mann nicht einen erbeuteten Kopf seinem Mädchen zu Füßen gelegt hat. Dazu kommen aber noch religiöse Gründe. Man glaubt nämlich, daß die Geister der Erschlagenen, deren Köpfe man selbst besitzt, nach dem eigenen Tode in der nächsten Welt als Sklaven aufwarten müssen. Andere Stämme erblicken in den erbeuteten Köpfen ein gutes Schutzmittel gegen die Pocken oder in dem Verstreuen des Fleisches getöteter Feinde über die Reisfelder eine gute Förderung der Ernte. Bei dem Erwerb der Schädel pflegen die Naga oft genug recht rücksichtslos vorzugehen, indem sie hinterrücks aus dem Gebüsch fremde Menschen, selbst Frauen, überfallen und sie töten. Bezeichnend für ihre große Grausamkeit war in früheren Zeiten auch, daß sie den Feinden nicht nur den Kopf abschnitten, sondern sie bei lebendigem Leibe auch in Stücke zerteilten, ihnen die Brust öffneten, damit sie selbst ihr flatterndes Herz sehen könnten, oder ihnen einzelne Körperteile abschnitten und das eigene Fleisch zum Essen darreichten.

Phot. Captain F. M. Bailey.

Abb. 250. Ein Mishmimädchen,

dessen Haar, weil die Person noch unverheiratet, abgeschnitten ist. Nur wenn sie Frau geworden ist, darf sie es sich lang wachsen lassen und zu einem Knoten binden. In den Ohren trägt das Mädchen große Bambuspflöcke.

Für die niederkommende Mutter wird von einzelnen Stämmen eine kleine Hütte errichtet, in der sich der Vorgang unter der Beihilfe einiger Weiber abspielt und in der die Mutter mit dem Kinde noch einige Tage verweilt. Stirbt die Kreißende bei der Geburt, dann wird dies als ein großes Unheil für das ganze Dorf angesehen und es werden besondere Vorkehrungen getroffen, auf die wir weiter unten noch zurückkommen werden. — Besondere Zeremonien bei der Geburt kennt man in Assam nicht, auch keine besonderen Vorschriften für die Schwangeren. Nur bei den Miri bringt man den Vater zu Bett, wo er vierzig Tage lang nach der Geburt des Kindes liegen bleiben muß und wie eine Wöchnerin von einer Frau gefüttert wird. Auf seine üblichen Gewohnheiten muß er dabei verzichten, ja sogar eine gewisse Diät einhalten, weil sonst das Kind davon Schaden an seiner Gesundheit erleiden könnte. Die Miri befinden sich noch in einem Übergangsstadium von dem mutterrechtlichen zum vaterrechtlichen System; dieser ihrer Sitte des Männerkindbettes scheint der Gedanke zugrunde zu liegen, daß der Vater zu dem Neugeborenen in direkter Verwandtschaft steht. Auch die Khasia, Kuki und Kacha-Naga leben noch auf solcher Zwischenstufe.

Phot. W. H. Furneß, 3rd.

Abb. 251. Ein Nagaberatungshaus.

Die Namensgebung des Kindes richtet sich bei den Kacha-Naga und Khasia nach dem matriarchalischen System. Weder der Vater noch die wirkliche Mutter haben nach dieser Richtung hin etwas zu sagen, die älteren Männer und Frauen im Dorfe erledigen die Angelegenheit. Das Ergebnis ist, daß die Eltern ihres eigenen Namens verlustig gehen und dafür in Zukunft nach ihrem Kinde genannt und gerufen werden, also mit „Vater von Soundso“, sowie „Mutter von Soundso“. Eine drollige weitere Folge dieser eigentümlichen Sitte ist die, daß, wenn ein Ehepaar alt geworden ist, ohne daß ihm Kinder beschert wurden, der Mann mit „kinderloser Vater“ und die Frau dementsprechend angeredet wird. — Beschneidung wird nicht geübt.

Die Kinder wachsen frei heran. Von dem Eintritt der Reife bei den Mädchen wird keine Notiz genommen; es finden daher auch keine Festlichkeiten statt. Sobald die Knaben in den Stamm aufgenommen worden sind, dürfen sie sich an den räuberischen Einfällen beteiligen. — Vor der Ehe wird beiden Geschlechtern die größte geschlechtliche Freiheit gestattet. Jeder Bursche darf sein Mädchen zu allen Stunden der Nacht mit Willen und Einverständnis der Eltern besuchen. Wie wir schon hörten, gibt es auch Murong für die weibliche Jugend, in denen es zumeist recht zügellos zugeht. Ist der Verkehr von Folgen begleitet gewesen, dann heiratet der Verführer vielfach das Mädchen. Tut er es nicht und gerät die junge Mutter dadurch in Not, dann wird das neugeborene Kind von zwei alten Weibern ins Jenseits befördert, indem sie es mit einem Bambusrohr erdrosseln.

Die Naga heiraten verhältnismäßig spät. In einigen Dörfern herrscht Exogamie, in anderen wieder Endogamie; in letzteren ist also das Heiraten innerhalb desselben Clans gestattet. Die großen Tanzfeste bieten den jungen Leuten Gelegenheit zum Liebeswerben. Bei den Ao-Naga kommt gelegentlich eines solchen Tanzfestes noch eine Sitte zum Ausdruck, die lebhaft an die Raubehe erinnert. Die Mädchen eines Clans bilden einen Kreis und tanzen langsam herum, während die jungen Männer aus einem anderen Clan mit Fackeln herbeistürzen und ein jeder das Mädchen seiner Wahl davonschleppt. Durch diese Gefangennahme hat das Mädchen aber nur einen Trunk verwirkt, den es seinem jungen Manne verabreichen muß, um freizukommen.

Phot. W. H. Furneß, 3rd.

Abb. 252. Ein Nagakrieger in vollem Kriegsschmuck.

Auf dem Kopfe trägt er zum Schutz gegen Schwerthiebe einen Kranz aus Rohr und Eberzähnen, der von Schwanzfedern des Nashornvogels überragt wird. In den Ohrlöchern sind Büschel rotgefärbter Ziegenhaare und Baumwolle befestigt. Eine mit weißen Kaurimuscheln bedeckte Schürze deutet an, daß er sich schon früher an Kämpfen beteiligt hat. Sein Schild aus Tiger- und Bärenfell ist größer als er selbst.

Die Hochzeitsfeierlichkeiten sind unter allen Nagastämmen sehr einfach. Bei den Garo tragen Freunde den Bräutigam nach dem Hause der Braut; hier werden ein Hahn und eine Henne geopfert und ihre Eingeweide auf eine günstige Vorbedeutung hin zu Rate gezogen. Ein Freund oder ein anderer Mann von Ansehen schlägt nun mit dem toten Hahn den Rücken der Frau und mit dem Huhn den des Mannes; damit ist den Zeremonien Genüge geleistet, und die Ehe wird für gültig erklärt. Natürlich findet im Anschluß hieran dann ein Festschmaus und ein Tanz statt. Der junge Ehemann bleibt mit seiner Frau im Hause ihrer Eltern und wird Angehöriger ihres Clans. Eine merkwürdige Folge dieser verworrenen weiblichen Verwandtschaft unter den Garo ist die, daß der Mann, der die Lieblingstochter eines Hauses heiratet, für den Fall, daß sein Schwiegervater sterben sollte, dessen Witwe, also seine Schwiegermutter heiraten muß. — Polygamie kommt nur unter den Mishmi (Abb. 256) vor; bei diesem Stamme darf sich ein Mann so viele Frauen kaufen, als er sich zu leisten vermag. Der Preis für eine Frau schwankt von einem Schwein bis zu zwanzig Ochsen; die Zahl der Frauen ist somit ein Zeichen des Wohlstandes. Beim Tode des Ehemannes werden alle überlebenden Frauen das Eigentum seines Erben, das heißt des Sohnes, ausgenommen die eigene Mutter. Bei einigen Stämmen kommt auch Ehe auf Probe für einige Wochen vor. Das Paar macht sich allein auf und davon; findet es Gefallen aneinander, dann folgt die bindende Hochzeitszeremonie.

Phot. H. Brian Hill.

Abb. 253. Ein Mishmikrieger,

der zum Schutz des Halses gegen Schwerthiebe große Muscheln unterhalb der Ohren trägt.

Phot. W. H. Furneß, 3rd.

Abb. 254. Ein Nagageisterschrein,

vor dem große Bambusstangen mit Grasbüscheln aufgestellt sind.

Die Stellung der Frau ist bei den Stämmen mit der „mütterlichen Verwandtschaft“, wie zum Beispiel bei den Garo und Khasia, eine recht hohe. Das Mädchen ist es, von dem der Eheantrag ausgeht; der Ehemann lebt fortan in der Familie seiner Frau. Diese kann ihn, sofern es ihr paßt, einfach vor die Türe setzen und im allgemeinen dann jeden beliebigen Mann heiraten; sie kann diesem auch ihren ganzen Besitz wie auch den ihres früheren Gatten übertragen; auch die Kinder gehören ihr. Der Mann seinerseits darf aber seine Frau unter keinen Umständen von sich stoßen, es sei denn, daß er seine ganze Habe und seine Kinder preiszugeben gewillt ist. Stirbt ein Häuptling, dann ist nicht sein Sohn der Erbe, sondern ein Sohn seiner Schwester, den die Witwe auswählt. Ist der Auserwählte etwa bereits verheiratet, dann trennt er sich sofort von seiner Frau, die sein ganzes Besitztum samt den Kindern mit sich nimmt, während er die alte Witwe heiratet, dafür aber auch die hohe Würde eines Häuptlings erhält.

Ganz entgegengesetzt zu diesen Frauen aus den Stämmen, bei denen das Matriarchat herrscht, führen die aus den Stämmen der Naga mit Vaterschaftssystem ein recht mühevolles, untergeordnetes Dasein, und doch geben die Naga im allgemeinen glückliche Eheleute ab. Obwohl sie vor der Ehe in geschlechtlicher Hinsicht recht zügellos leben, halten sie nach der Hochzeit um so fester die Treue. Ehescheidung kommt aber häufig genug vor und wird von dem Paar selbst vollzogen, indem es einfach auseinandergeht, doch hat der schuldige Teil Strafe zu zahlen. Eine Trennung der Eheleute ist erlaubt wegen Untreue, schlechten Charakters, Unfruchtbarkeit der Frau und noch aus anderen Gründen. Eine geschiedene Frau kann sich sogleich wieder mit einem anderen Manne verheiraten.

Phot. Captain F. M. Bailey.

Abb. 255. Eingeborener des Aborstammes.

Die Toten der Naga werden zunächst nicht beerdigt, sondern fünf bis sechs Tage im Hause behalten, hierauf mittels eines Feuers tüchtig angeräuchert. Um den Verwesungsgeruch etwas erträglicher zu machen, zünden die Angehörigen auch vor dem Hause ein Feuer an; hier bauen sie auch alle Habseligkeiten des Verstorbenen, seine Waffen, Schmucksachen, Jagdbeute, in früheren Zeiten auch die erbeuteten Köpfe der Feinde auf. Ist der Räucherung Genüge geschehen, dann wird der meistens schon in Verwesung übergegangene Leichnam ohne besondere Feierlichkeit auf den Begräbnisplatz vor dem Dorfe getragen und hier, mit Flechtwerk und gespaltenen Bambusstangen wie ein Wickelkind fest eingewickelt, auf einer aus Bambuspfählen aufgebauten Plattform, dem sogenannten Majan, ausgesetzt, wo er auf seine Auferstehung warten muß. Über dem Toten wird dann noch ein kleines Strohdach errichtet und an der Begräbnisstelle sämtliche äußeren Abzeichen des Verstorbenen aufgehängt. War er ein großer Krieger, dann bilden diese ausgestellten Gegenstände wegen ihrer großen Anzahl gleichsam ein kleines Museum; sie werden aber nicht in Natura aufgehängt, sondern in Miniaturnachahmungen. — Stirbt ein Krieger eines natürlichen Todes, dann muß sein nächster männlicher Verwandter mit einem Speere die Leiche verwunden, damit sie bei ihrem Erscheinen im Jenseits mit dem gleichen Kriegergruß empfangen werde wie jemand, der im Kampfe fiel.

Phot. Captain F. M. Bailey.

Abb. 256. Ein Mishmikrieger.

Bei einer Frau wird nur ein schwarzes Tuch neben die Leiche gelegt und ein Korb voll Reis über sie gestülpt. Außerdem pflegt man daneben den Korb, in dem sie ihre Lasten trug, den Reismörser, in dem sie das Mehl für den Tagesbedarf stampfte, sowie ihre Webestöcke zu legen. Stirbt eine Frau im Wochenbett oder überhaupt eine Person infolge eines Unglücksfalles (Tötung durch ein wildes Tier, Ertrinken oder Fall von einem Baume), dann muß der Tote an der Stelle begraben werden, wo das Unglück geschah. Sobald die Beerdigung stattgefunden hat, werden die Häuser der Verunglückten von ihren Angehörigen abgebrochen, die bewegliche Habe bleibt liegen, das Vieh wird frei und herrenlos laufen gelassen, wohin es will. Einige Stämme lassen in solchen Fällen sogar ihre Felder brach liegen und das Korn in den Speichern verfaulen, oder sie heimsen die Ernte gar nicht erst ein. Die Bewohner eines so zerstörten Unglückshauses begeben sich für einen Monat in den Dschungel; dann erst ist es ihnen erlaubt, unter ihre Stammesgenossen zurückzukehren.

Phot. Sven Hedin.

Abb. 257. Tänzer in den tibetischen Mysterien.

Sie tragen die Masken der Ogredämonen der buddhistischen Götterlehre. Im Vordergrunde sitzt ein Teufelstänzer.

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