17. November

Bei Tagesgrauen Gewehrfeuer, das bald verstummte. Nach Sonnenaufgang öffnete sich der trübe Himmel; man sah hinter durchsichtigem Wolkenhäutchen den abnehmenden Mond als embryonenhafte Goldgestalt. Die Krankenträger sind eingetroffen, und nach und nach werden alle Verwundeten fortgetragen. Pirkl muß hierbleiben; er ist fast ohne Puls und würde vermutlich als Leiche nach Ojtóz kommen. Sein Bruder hat auf eine Stunde Erlaubnis erhalten, ihn zu besuchen. Da er sich nicht mehr mit ihm verständigen kann, so benutzt er die Frist, um dem noch Lebenden ein Grab zu graben und ein Kreuz zu schnitzen, auf dem er sehr sorgfältig mit blauem Stifte den Namen des Gefallenen verzeichnet.

Um neun Uhr erscheinen unter Führung eines fahnentragenden Rabbiners dreizehn Rumänen mit Gewehren und Munition, erbitten Gehör bei dem ungarischen Hauptmann und ergeben sich ihm in aller Form. Der Aufzug war ein bißchen bühnenmäßig, wofür Ungarn wie Rumänen gewiß mehr Sinn haben als wir. Der Tag vergeht ruhig. Die Kälte hat nachgelassen; Föhnwind leckt Eis und Schnee von den schwarzen Felsen. Oft geht man durch eine Welle sehr warmer Luft, als ob Öfen in der Nähe stünden. Blasse Sonne, breit zerfließend, steht in löschpapierweißem Dunst. Am Abend ziehen die ungarischen Sanitätsfähnriche lange Flaschen aus ihren geräumigen Tragkörben, dazu feine geschliffene Gläser und erquicken sich und uns mit heißem Wein.

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