Bálványos-Patak, 7. Dezember 1916

Mittags abgelöst brachen wir auf nach dem Bálványostal, das nahe bei Gymesbükk zum Trotusul herabfällt. Auf Gebirgswegen zogen die Kompagnien; wir drei, Major, Adjutant und ich, ritten den zugefrorenen Hidegség entlang, zuweilen über ihn weg. Vom starken Glanz eines zertrümmerten Eisblocks geblendet, scheuten die drei Gäule auf einmal und wollten in hohen Sprüngen davon, beruhigten sich aber bald. In scharfem Trab ging es weiter, oft im Galopp, wozu die Pferde nicht viel Ansporn brauchten; sie fühlen sich bei sachter Gangart auf dem Eise nicht sicher und freuen sich, die Hufe mit aller Kraft einzuschlagen. Wir holten einen Verwundeten ein, der durch gelockerten Verband nachblutete; bei ihm verhielt ich mich und ritt alsdann allein weiter. Der Himmel streifte sich, es roch nach Schnee. Schon traten die Häuser von Gymesbükk hervor, da sah ich einen ländlichen Zug mit vielen hochbepackten Wagen auf dem anderen Ufer entgegenkommen. Das erste Gespann mutete mich bekannt an; ich lenkte hinüber und erkannte wirklich die schönen silbergrauen Stiere, daneben die große Frau, die jetzt als Führerin vieler Familien erschien. Als letzte mochte sie geflohen sein; als erste kehrte sie zurück. Das Kind, in Decken gewickelt, mit Pelzen bedeckt, schlief auf dem Wagen, die Tochter schob nach, der Greis, mit bereiftem Bart, schleppte sich hinterdrein. Abseits, dicht am Ufer, ging der Knabe, dick behandschuht, das Bild unterm Arme, man sah unter zersprungenem Glas ein segnendes Jesuskind mit rotem Kleidchen auf Silbergrund. Ich rief einen madjarischen Gruß, – „Isten hozta“ gab die Mutter mit klarer Stimme zurück und näherte sich, wie um etwas zu fragen. Ich mußte äußeres und inneres Ohr scharf anspannen, um sie zu verstehen. Vor allem wünschte sie zu wissen, ob Häuser in Hosszuhavas zerstört worden seien, und war sichtlich froh, als ich dies verneinte. Dann fragte sie, was für Gegner wir gehabt hätten. Als ich sagte „Russen“, lächelte sie und meinte, dann hätten sie kaum zu fliehen brauchen, die Russen täten kleinen Bauersleuten nichts zuleide, auch hätten sie mehr Ehrfurcht vor den Frauen als die Rumänen. Als ich weiterreiten wollte, zog sie ein Säckchen vom Wagen und reichte mir daraus eine Handvoll gedörrter Birnen. Ich hatte nichts bei mir, um diese fromme Gebärde zu erwidern, als einen frischen Kommißlaib; aber gerade damit schien ich Freude zu erwecken, und nun erst fiel mir auf, daß sie alle sehr blaß und elend aussahen, gewiß hatten sie Mangel gelitten. Der Knabe wurde gerufen; behutsam lehnte er die Jesustafel an einen Stein und sprang vergnügt heran, um sein Stück zu erhalten. Beim Eingang in das Tälchen wartete Rehm. Hier sah ich noch einmal zurück: die Karawane überquerte gerade den Hidegség, hell blinkte der Silbergrund des Bildes in der Abendsonne. Um halb fünf Uhr erreichten wir das Quartier. Es ist wieder eine Bauernstube mit niedrigen, teppichverhangenen Wänden. Wir sind jetzt elf Kilometer hinter der Front; die Einwohner gehen wie im Frieden ihrem Tagewerk nach.

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