Gestern am Abend von preußischer Landwehr abgelöst, stiegen wir durch feuchtes Gestöber nach Ojtóz hinab, wobei uns mehrmals im Dunkel der Weg abhanden kam. Ob es möglich sei, daß der Kopf sekundenlang schläft, während sich die Beine regelrecht weiterbewegen, entscheide ich nicht, weiß nur, daß mir einmal auf diesem Nachtmarsch eine blaue Schale mit goldenen Zeichen dicht vor den Augen erschien, worauf ich wie aufwachend emporfuhr und mich deutlich erquickt fühlte. Nach Mitternacht erreichten wir die Baracken. Früh nach acht Uhr, bei aufgehelltem Wetter, zogen wir weiter, nachdem die Leute ihre Tornister zurückerhalten hatten; die Tornister der Toten wurden auf einem großen Wagen nachgefahren. Das Bataillon ist klein geworden; auf der Landstraße fiel dies recht in die Augen. Eine Strecke vor Kézdi-Almás sahen wir den Oberst mit Regimentsstab und vollzähliger Musikkapelle stehen; sie warteten auf uns. Als wir in gute Hörnähe gekommen waren, flog ein heller Trommelwirbel auf, dem leichte Melodien folgten, dann schmetterte sich ein Marsch aus ‚Carmen‘ gewaltig aus. Unsere schmutzgraue Schar, die so gebeugt und müde dahinschwankte, als wäre sie besiegt, begann sich zu straffen; allmählich begriff sie die Ehrung, die der alte Oberst ihr erweisen ließ. Nach ‚Carmen‘ folgte das Lied vom guten Kameraden, und nun endete die Musik nicht mehr, bis unsere Spitze das Dorf erreichte, dessen Kinder, von den Klängen gelockt, uns mit entzückten Gesichtern entgegenliefen.
Der Tag vergeht ruhig, doch meldeten sich mehrere Leute wegen Brustbeklemmungen in das Revier. Beim Untersuchen zeigt sich ein häufiges Ausbleiben der Herzschläge. In das Lazarett will keiner; jeder hofft auf Ruhewochen und gibt sich mit Baldriantropfen zufrieden. Als Raab den Sanitätswagen aufsperren wollte, fehlte der Schlüssel, und kein Schlosser läßt sich im Dörfchen auftreiben. Für den Augenblick freilich genügen die Vorräte, die wir noch in den Verbandtaschen haben. Dehm und Raab sind sich fast böse geworden, weil einer dem andern den Schlüsselverlust vorwirft.
Die Quartiere werden gelobt. Ich habe eine große Stube, deren Boden mit feinem Sande bestreut ist; ein Drudenkreuz, mit Werkzeug behangen, ist an der Wand befestigt, das breite Bett mit rotgefärbten Fellen überbreitet. Das Schönste ist ein großer Apfelgarten hinter dem Hause. Von hohen dichten Weidengeflechten umgeben, liegt er wie in einem Korb. In einer Ecke blüht noch ein hoher Sonnenblumenspätling. Der schwarzgelbe Teller hat sich weit vorgestülpt und am Rande nach unten umgebogen, so gewaltig war im Sommer der Wille der Blume, dem Sonnenstand überallhin zu folgen. Jetzt ist stellenweise der blühende Samt leichenfarb gefleckt oder ausgefallen, die graue Samenmosaik entblößt. Als ich eben vorbeiging, flog ein grauer Vogel ab, einen Kern im Schnabel, und entschwirrte in die Dämmerung.