Kézdi-Almás, 25. November 1916

Für die nächsten zwei Tage scheinen wir noch sicher vor Alarmierung. Man richtet sich ein; viele packen Bücher und gute Uniformen aus, mancher stellt eine Photographie auf den Tisch. Mein Quartier ist voll Unruhe; alle Nachbarn gehen ein und aus, ein altes Weib war eben hier und bettelte um Schnaps. Heute mittag wurde ich Zeuge einer Szene, die, für sich betrachtet, vielleicht nichts bedeutet, und doch ist mir, als ginge sie mich und manchen andern an. Vor Wochen sind im Hause viele Katzen zur Welt gekommen, die nun lästig werden, zumal es an Milch für sie fehlt. Ein etwa fünfzehnjähriger Bursche, der hier bedienstet ist, scheint Auftrag erhalten zu haben, die überzähligen Tiere zu beseitigen. In der Stube schreibend, sah ich, wie er sie über den Hof trug, und, bevor ich seine Absicht erkannte, eines nach dem andern unglaublich geschwind an die Scheunenwand schmetterte, vor der sie liegen blieben; dann kehrte er pfeifend, die Arme schlenkernd, wie es seine Art ist, in die Küche zurück, wo gerade das Essen aufgetragen wurde, setzte sich zu den andern und aß gemütlich. Eines aber der hingerichteten Kätzchen, ein blaugraues, weiß von Gesicht, Brust und Beinen, mit einem silberhellen Flöckchen im Nacken, von den anderen durchaus verschieden, war nur betäubt worden und erholte sich nach und nach. Taumelig versuchte es kleine Schritte, blieb stehen, wischte sich mit dem Pfötchen einige Male über die Ohren, als ob es dadurch schneller zur Besinnung käme, und, schlich sodann über den Hof in das Haus zurück. Nun erst bemerkte ich, daß es am Kinn blutete, sonst schien es unversehrt. Zögernd kam es zur Küchentür herein und blickte sich um. Als es die schmausenden Leute sah, bemühte es sich, auf die Bank zu springen, was ihm, nach etlichen Ansätzen, auch gelang; dann saß es eine Weile still. Endlich schmiegte es sich, zutraulich bittend, an den Ellenbogen seines behaglich kauenden Mörders. Ich konnte ihn von meinem verborgenen Tischchen aus beobachten, kein Zug ging mir verloren. Als er das Tier gewahrte, aß er zuerst noch ein Weilchen weiter; auf einmal wars, als kämpfe er mit einer Übelkeit, er bekam eine Art Schlucken und legte den Löffel weg. Sobald die andern fortgegangen waren, berührte er das Kätzchen vorsichtig, wie wenn er sich vor ihm fürchtete oder seine leibhaftige Gegenwart bezweifelte. Schließlich stellte ers mit aller Behutsamkeit, deren er wohl fähig ist, als wärs eine Porzellanfigur, auf den Tisch und bröckelte ihm seine stehengelassenen Fleisch- und Brotreste hin. Es fraß ein wenig davon, und das freute ihn sichtlich. Als die Hausfrau hereinkam, redete er sehr eindringlich auf sie los; ich vernahm öfters das Wort Matschka, dabei deutete er immer wieder auf die Katze. Die Frau sah das Tier schweigend an und entfernte sich wieder. Der Bursche geht seither wieder auf dem Hofe seiner Arbeit nach. Die totgebliebenen hat er so vorsichtig wie das lebendige aufgenommen und weggetragen. Er kommt mir in seinem Wesen einigermaßen verändert vor, wacheres Gesicht, festerer Gang, auch hab ich ihn seither nicht pfeifen gehört.

Morgen kommt der österreichische Thronfolger und hält bei Lemhény eine Truppenbesichtigung ab. Ich erkläre mich als erholungsbedürftig und bitte, in Kézdi-Almás bleiben zu dürfen. Es wird sehr windig und kalt.

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