III.

Wie ich es nicht anders erwartet hatte, kam sie selbst in mein Zimmer und ließ den Fürsten in der Gesellschaft ihres Bruders, der ihm sofort die neuesten Klatschgeschichten aus der Gesellschaft erzählte und damit den neugierigen Alten von anderen Gedanken ablenkte. Ich erhob mich schweigend von meinem Bett und sah sie fragend an.

„Ich habe Ihnen bereits alles gesagt, Arkadi Makarowitsch,“ begann sie ohne weiteres, „unser Schicksal ist in Ihren Händen.“

„Aber auch ich habe Ihnen doch gesagt, daß es mir unmöglich ist ... Die heiligsten Gefühle verbieten mir, das zu tun, worauf Sie rechnen ...“

„Wirklich? Ist das Ihre ganze Antwort? Nun gut, mag ich zugrunde gehen, aber was soll aus ihm werden? Was glauben Sie denn: er wird doch noch heute abend den Verstand verlieren!“

„Nein, aber er würde den Verstand verlieren, wenn ich ihm den Brief seiner Tochter zeigte, in dem sie einen Juristen fragt, wie man ihren Vater entmündigen und für irrsinnig erklären könnte!“ rief ich heftig. „Das wäre es, was ihn um den Verstand bringen würde! Und außerdem würde er sich von diesem Brief niemals überzeugen lassen – das hat er mir bereits selbst gesagt!“ Die letzte Bemerkung, er selbst hätte mir das gesagt, stimmte zwar nicht ganz, aber diese Verdeutlichung schien mir geboten.

„Das hat er Ihnen schon gesagt? Ich habe es mir ja gedacht! In dem Fall bin ich verloren; er hat auch bereits geweint und nach Hause verlangt.“

„So sagen Sie mir doch, worin besteht denn Ihr Plan?“ fragte ich sie rücksichtslos. Sie wurde rot – wohl aus gekränktem Hochmut – nahm sich aber zusammen und sagte:

„Wenn wir diesen Brief seiner Tochter in der Hand haben, sind wir vor der Welt gerechtfertigt. Ich werde dann sofort zum Fürsten W. schicken und zu Boris Michailowitsch Pelischtschoff, seinen Jugendfreunden; sie sind beide sehr angesehene, einflußreiche Persönlichkeiten, deren Wort in der Gesellschaft sehr viel gilt, und ich weiß, daß sie schon vor zwei Jahren manche Handlungen seiner mitleidslosen, selbstsüchtigen Tochter verurteilt haben. Sie würden natürlich, auf meine Bitte hin, den Vater mit der Tochter wieder versöhnen, weil ich selbst darauf bestehen werde; aber die Lage der Verhältnisse würde dann eine vollkommen andere sein. Außerdem würden dann, wie ich hoffe, auch meine Verwandten, die Fanariotoffs, sich entschließen, meine Rechte zu unterstützen. Aber für mich kommt es an erster Stelle auf sein Glück an; er soll endlich begreifen und wissen, wer ihm wahrhaft ergeben ist. Zweifellos rechne ich dabei am meisten auf Ihren Einfluß, Arkadi Makarowitsch: Sie lieben ihn doch so ... Und wer liebt ihn denn, außer Ihnen und mir? Er hat in den letzten Tagen nur von Ihnen gesprochen: er hat sich nach Ihnen geradezu gesehnt, nach seinem ‚jungen Freund‘, wie er Sie nennt ... Und es versteht sich von selbst, daß meine Dankbarkeit in meinem ganzen Leben Ihnen gegenüber keine Grenzen kennen wird ...“

Damit spielte sie wohl gar auf eine Belohnung an – in Geld womöglich.

Ich fiel ihr schroff ins Wort:

„Was Sie mir da auch sagen mögen – ich kann nicht!“ erwiderte ich mit unerschütterlicher Entschlossenheit. „Ich kann Ihnen nur mit derselben Aufrichtigkeit antworten und Ihnen meinen letzten Entschluß kundtun: ich werde in der allernächsten Zeit diesen unseligen Brief Katerina Nikolajewna selbst einhändigen, aber nur unter der Bedingung, daß sie mir ihr Wort gibt, aus dieser ganzen Geschichte keinen Skandal zu machen und Ihrem Glück nicht im Wege zu stehen. Das ist alles, was ich tun kann.“

„Das ist ausgeschlossen!“ sagte sie und wurde über und über rot.

Der bloße Gedanke, daß Katerina Nikolajewna sie schonen könnte, empörte sie schon.

„Ich werde meinen Entschluß nicht ändern, Anna Andrejewna.“

„Vielleicht ändern Sie ihn doch.“

„Wenden Sie sich an Lambert.“

„Arkadi Makarowitsch, Sie wissen nicht, welches Unglück Sie durch Ihren Eigensinn heraufbeschwören,“ sagte sie hart und erbittert.

„Ein Unglück wird es schon geben – das ist sicher ... mir schwindelt der Kopf. Genug: ich habe so beschlossen, und daran ist nicht zu rühren. Und bringen Sie um Gottes willen nicht Ihren Bruder zu mir.“

„Aber er will doch gerade gutmachen ...“

„Hier ist nichts gutzumachen nötig! Ich brauche das nicht, ich will nicht, ich will nicht!“ rief ich und griff mir an den Kopf. (Oh, vielleicht bin ich mit ihr doch gar zu hochmütig verfahren!) „Übrigens, wo wird der Fürst heute übernachten? Doch nicht etwa hier?“

„Er wird hier übernachten, bei Ihnen und mit Ihnen.“

„Ich ziehe noch heute abend in eine andere Wohnung!“

Und nach diesen erbarmungslosen Worten nahm ich meine Mütze und zog mir den Pelz an. Anna Andrejewna betrachtete mich schweigend und kalt. Sie tat mir leid, – oh, es tat mir leid um dieses stolze Mädchen! Aber ich lief aus der Wohnung und ließ sie ohne ein Wort zurück, das ihr noch hätte Hoffnung geben können.

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