IV.

Nachdem Lambert mir den Brief in jener Nacht entwendet hatte, war er gleich mit Werssiloff in Verbindung getreten. Wie es für Werssiloff möglich war, sich mit Lambert zu verbünden – darüber schweige ich zunächst; davon später. In der Hauptsache war hier wohl der „Doppelgänger“ im Spiel! Lambert aber stand nach seinem Bündnis mit Werssiloff die schwere Aufgabe bevor, Katerina Nikolajewna auf möglichst schlaue Weise zu sich zu locken. Werssiloff war überzeugt, daß sie nicht kommen werde. Doch Lambert hatte schon zwei Tage vorher – noch an jenem Abend, als er mir kurz vor meiner Wohnung in den Weg gelaufen war und ich ihm erklärt hatte, ich werde ihr den Brief in Tatjana Pawlownas Wohnung und in Tatjana Pawlownas Beisein zurückgeben, ohne von ihr etwas zu verlangen – da hatte Lambert ungesäumt, um jederzeit über alles unterrichtet zu sein, was in dieser Wohnung vorging, eine Art Spionendienst eingerichtet, und zwar hatte er – Marja bestochen. Er hatte ihr zwanzig Rubel gegeben, und dann, einen Tag später, als er schon im Besitz des Dokuments war, hatte er ihr alles ausführlich auseinandergesetzt, was er von ihr erwartete, und schließlich für ihre Dienste zweihundert Rubel versprochen.

Deshalb also war Marja, als sie in der Küche gehört hatte, daß Katerina Nikolajewna um halb zwölf zu Tatjana Pawlowna kommen wolle, und daß auch ich da sein werde, sogleich aus dem Hause gelaufen, um schnell mit einer Droschke zu Lambert zu fahren und ihm diese Nachricht zu überbringen. Eben diese Benachrichtigung war der ganze Dienst, den sie Lambert verabredetermaßen erweisen sollte. Zufällig hatte Werssiloff sich gerade in dem Augenblick bei Lambert befunden, und er war es denn auch gewesen, der diesen teuflischen Plan entwarf. Man sagt, Geisteskranke sollen in manchen Augenblicken unglaublich schlau sein können.

Der Plan bestand darin: Tatjana Pawlowna und mich kurz vor Katerina Nikolajewnas Ankunft, also kurz vor halb zwölf, aus der Wohnung zu locken, wenn auch nur auf eine Viertelstunde, und sobald wir das Haus verlassen hätten, schnell ihren Beobachtungsposten – irgendwo in der Nähe, von wo aus man die Haustür sehen konnte – zu verlassen und in die Wohnung einzudringen, die Marja ihnen öffnen sollte, und dort Katerina Nikolajewna zu erwarten. Alphonsinka aber fiel die Aufgabe zu, uns so lange wie möglich festzuhalten, gleichviel mit welchen Mitteln, wie und wo es ihr nur möglich war. Katerina Nikolajewna mußte ihrem Versprechen gemäß um halb zwölf Uhr dort eintreffen, also reichlich zweimal so früh, als wir wieder zurück sein konnten. (Selbstverständlich hatte Katerina Nikolajewna von Lambert überhaupt keine Aufforderung erhalten, das hatte Alphonsinka uns einfach vorgelogen, und eben diesen Schachzug hatte Werssiloff erdacht, – Alphonsinka aber hatte nur nach seinen Angaben die Rolle der erschrockenen Verräterin gespielt, die aus Angst die Verschwörung verriet.) Natürlich war es von ihnen ein gewagtes Spiel, aber schließlich sagten sie sich wohl ganz richtig: „Gelingt es, so ist es gut, gelingt es nicht, so ist immerhin noch nichts verloren, denn das Dokument bleibt doch in unseren Händen.“ Aber es gelang; und wie hätte es auch nicht gelingen sollen; denn wir mußten doch Alphonsinka schon aus der einen Erwägung heraus folgen: „Wenn es aber wahr ist – was dann?“ Ich sage noch einmal: zum Überlegen hatten wir keine Zeit.

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