III.

Ich begreife nicht, warum mich damals plötzlich eine so ungeheure Erbitterung erfaßte. Überhaupt denke ich mit einem großen Mißbehagen an einzelne meiner Ausfälle in jenen Augenblicken zurück; ich erhob mich plötzlich vom Stuhl.

„Wissen Sie was,“ sagte ich, „auf meine Frage erklärten Sie mir, Sie wären hauptsächlich deshalb gekommen, um meine Mutter glauben zu machen, wir hätten uns versöhnt. Zeit ist nun zu dem Zweck genug vergangen; vielleicht haben Sie die Güte, mich jetzt wieder allein zu lassen.“

Er wurde etwas rot und erhob sich.

„Mein Lieber, du bist recht unhöflich gegen mich. Übrigens, wie du willst, auf Wiedersehen. Zwingen kann man dich nicht, liebenswürdig zu sein. Ich erlaube mir nur noch eine Frage: Hast du wirklich die Absicht, nicht mehr zum Fürsten zu gehen?“

„Aha! Wußte ich doch, daß Sie zu einem besonderen Zweck gekommen sind ...“

„Das heißt, du hast mich im Verdacht, daß ich gekommen bin, um dich zu veranlassen, beim Fürsten zu bleiben, weil ich davon irgendeinen Vorteil für mich erwarte? Aber, mein Freund, dann bist du ja vielleicht auch der Ansicht, ich hätte schon damals irgendeinen Vorteil für mich im Auge gehabt, als ich dich aus Moskau herrief? Wie mißtrauisch du bist! Im Gegenteil, ich wünsche dir in allem das Beste. Und gerade jetzt, wo meine Verhältnisse sich so sehr gebessert haben, wäre es mir lieb, wenn du wenigstens manchmal deiner Mutter und mir erlauben würdest, dir zu helfen.“

„Ich liebe Sie nicht, Werssiloff.“

„Sogar ‚Werssiloff‘. Übrigens, ich bedauere es sehr, daß es mir nicht möglich war, dir diesen Namen zu geben; denn im Grunde besteht doch nur darin meine ganze Schuld, wenn schon einmal eine Schuld besteht, nicht wahr? Aber wie gesagt, ich konnte doch keine verheiratete Frau heiraten, das siehst du doch ein.“

„Deshalb wollten Sie dann wohl auch eine Unverheiratete heiraten.“

Es zuckte in seinem Gesicht.

„Du sprichst von Ems. Höre mal, Arkadi, du hast dir schon unten denselben Ausfall erlaubt und dabei mit dem Finger auf mich gewiesen, in Gegenwart deiner Mutter. Ich sage dir, gerade hierin bist du im größten Irrtum befangen. Von der Geschichte mit der verstorbenen Lydia Achmakoff weißt du so gut wie nichts. Du weißt auch nicht, wie weit deine Mutter selbst an dieser Geschichte beteiligt gewesen ist, ja, ungeachtet dessen, daß sie damals nicht bei mir war. Und wenn ich jemals in einer Frau die Güte selbst gesehen habe, so war es damals, und diese Frau war deine Mutter. Doch genug davon; das ist vorläufig noch ein Geheimnis, du aber sprichst nur anderen nach, ohne selbst zu wissen, was du sprichst.“

„Der Fürst hat mir gerade heute gesagt, Sie wären ein Liebhaber noch nicht flügge gewordener Mädchen.“

„Das hat der Fürst gesagt?“

„Ja, und wenn Sie wollen, sage ich Ihnen ganz genau, weshalb Sie jetzt zu mir gekommen sind? Ich habe die ganze Zeit gesessen und mich gefragt: welchen geheimen Zweck könnte dieser Besuch wohl haben? – und jetzt endlich habe ich es, glaube ich, erraten.“

Er war schon im Begriff, das Zimmer zu verlassen, blieb aber stehen, wandte mir sein Gesicht zu und wartete.

„Vorhin ist mir die Bemerkung entschlüpft, der Brief Touchards an Tatjana Pawlowna sei in Moskau von Marja Iwanowna unter den Papieren des verstorbenen Andronikoff gefunden worden. Ich sah, wie in dem Augenblick plötzlich etwas in Ihrem Gesicht zuckte, und erst jetzt, als es wieder so in Ihrem Gesicht zuckte, habe ich erraten, warum: Ihnen kam damals der Gedanke, wenn schon ein Brief aus den Händen Andronikoffs in die Hände Marja Iwanownas übergegangen ist, weshalb könnte dann nicht noch ein zweiter Brief denselben Weg gegangen sein, was? Ist das nicht so?“

„Und ich, ich hätte nun, indem ich zu dir kam, dich dazu bringen wollen, daß dir wieder eine Bemerkung entschlüpfe?“

„Darüber werden Sie selbst Bescheid wissen.“

Er wurde sehr bleich.

„Darauf bist du nicht von selbst verfallen; hier merke ich den Einfluß einer Frau, und wieviel Haß schon in deinen Worten ist – in deiner rohen Vermutung!“

„Einer Frau? Und gerade heute habe ich diese Frau gesehen! Vielleicht wollen Sie nur deshalb, daß ich beim Fürsten bleibe, um ihr nachspionieren zu können?“

„Jedenfalls sehe ich, daß du es auf deinem neuen Wege noch weit bringen wirst. Ist das nicht am Ende auch ‚deine Idee‘? Fahre nur so fort, mein Freund, du hast zweifellos Anlagen zum Detektiv. Ist einem ein Talent gegeben, so muß man es ausbilden.“

Er hielt inne, um Atem zu schöpfen.

„Nehmen Sie sich in acht, Werssiloff, machen Sie mich nicht zu Ihrem Feinde!“

„Mein Freund, seine letzten Gedanken spricht in solchen Fällen niemand aus, sondern behält sie für sich. Und nun, ich bitte dich, leuchte mir. Du bist zwar mein Feind, aber doch wohl nicht in solchem Maße, daß du mir einen Genickbruch wünschtest. Tiens, mon ami,[28] stelle dir vor,“ fuhr er fort, indem er die Treppe hinabstieg, „ich habe dich diesen ganzen Monat für einen gutmütigen Jungen gehalten. Du möchtest so gern leben, du lechzt so nach Leben, daß dir, wie es scheint, selbst wenn man dir drei Menschenleben gäbe, sogar diese drei nicht genügen würden, auch die wären für dich noch zu wenig: das steht auf deinem Gesicht geschrieben; nun, und solche Leute sind meistens gutmütig. Und da sieh nun, wie ich mich getäuscht habe!“

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