II.

Ich wohnte in der Nähe der Wosnessenskibrücke in einem großen Miethaus, aber im Hofgebäude. Als ich durch das Hoftor trat, stieß ich auf Werssiloff, der aus meiner Wohnung kam.

„Ich bin auf meinem Spaziergang nach alter Gewohnheit bis zu deiner Wohnung gegangen, habe sogar eine Weile bei Pjotr Ippolitowitsch auf dich gewartet, aber es wurde mir zu langweilig. Sie zanken sich dort ewig bei dir, und heute hat sich die kranke Frau sogar ins Bett gelegt und weint. So bin ich denn wieder gegangen.“

Ich weiß nicht, weshalb ich mich auf einmal über ihn ärgerte.

„Sie scheinen ja überhaupt nur zu mir zu gehen und außer mir und Pjotr Ippolitowitsch in ganz Petersburg keinen Menschen zu kennen?“

„Mein Freund ... das ist ja so gleichgültig.“

„Wohin denn jetzt? Gehen wir doch zu mir.“

„Nein, noch einmal gehe ich nicht zu dir. Wenn du willst, können wir einen Spaziergang machen, der Abend ist herrlich.“

„Wenn Sie mit mir nicht von Ihren abstrakten Betrachtungen gesprochen hätten, sondern menschlich, wenn Sie mir zum Beispiel nur ein Wort gesagt hätten über dieses verwünschte Spiel, so wäre ich vielleicht nicht wie ein Esel in alles das hineingeraten,“ sagte ich auf einmal.

„Du bereust also? Das ist gut,“ erwiderte er seltsam durch die Zähne. „Ich habe vorausgesehen, daß das Spiel bei dir nicht zur Hauptsache werden kann, sondern nur eine zeit–wei–lige Verirrung ist ... Du hast recht, mein Freund, das Spiel ist eine Schweinerei, und hinzu kommt noch, daß man verlieren kann.“

„Und sogar fremdes Geld.“

„Hast du denn auch fremdes Geld verloren?“

„Das Geld gehörte Ihnen. Ich nahm es vom Fürsten auf Ihr Guthaben hin. Das war natürlich eine furchtbare Unverschämtheit und Dummheit von mir ... mit Ihrem Gelde wie mit eigenem umzugehen, aber ich wollte immer das Verlorene zurückgewinnen.“

„Ich möchte dich nochmals darauf aufmerksam machen, mein Lieber, daß mir von seinem Gelde nichts gehört. Ich weiß, daß der junge Mann selbst in Geldverlegenheit ist, und ich rechne überhaupt nicht auf irgendwelches Geld von ihm, trotz seines ganzen Versprechens.“

„Ja, aber, wenn es so ist, dann ist ja meine Lage doppelt so schlimm ... sie ist einfach lächerlich! Und aus welchem Grunde hat er mir dann das Geld geliehen, und mit welchem Recht habe ich es überhaupt angenommen?“

„Das zu beurteilen ist nun wohl deine Sache ... Aber wüßtest du nicht doch irgendeinen Grund, der vielleicht ein Anlaß für dich gewesen wäre, von ihm das Geld anzunehmen, was meinst du?“

„Außer unserer Freundschaft ...“

„Ja, noch außer der Freundschaft? Gibt es nicht doch irgend etwas, auf Grund dessen es dir möglich erschienen wäre, das Geld von ihm anzunehmen? Nun, sagen wir, aus irgendwelchen besonderen Erwägungen?“

„Aus welchen Erwägungen? Ich verstehe nicht.“

„Nun, um so besser, daß du es nicht verstehst, und ich kann dir offen sagen, mein Freund, daß ich immer davon überzeugt gewesen bin. Brisons là, mon cher,[43] und versuch einmal, das Spielen aufzugeben.“

„Hätten Sie mir das doch früher gesagt! Und auch jetzt sagen Sie es nur so wie beiläufig!“

„Wenn ich dir das früher gesagt hätte, so hätten wir uns nur verzankt, und du hättest mich an den Abenden nicht mehr so gern bei dir empfangen. Und merke dir, mein Lieber, daß alle diese belehrenden guten Ratschläge im voraus – nur ein sich Eindrängen in ein fremdes Gewissen sind, und das noch auf fremde Kosten. Ich habe mich genug in fremde Gewissen eingedrängt und zu guter Letzt nur Nasenstüber und Spott geerntet. Übrigens sind die Nasenstüber und der Spott natürlich gleichgültig, aber die Hauptsache ist, daß man auf diese Weise nichts erreicht: niemand wird auf dich hören ... und alle werden dich bald nicht mehr mögen.“

„Es freut mich, daß Sie mit mir endlich einmal nicht von Abstraktem zu sprechen anfangen. Ich will Sie auch etwas fragen, schon lange wollte ich das, aber es war mir immer nicht möglich, mit der Frage herauszurücken. Gut, daß wir jetzt auf der Straße sind. Erinnern Sie sich noch jenes Abends zu Hause, des letzten Abends, vor zwei Monaten, wie wir da in meinem Giebelstübchen saßen und ich Sie über Makar Iwanowitsch ausfragte und über Mama, – erinnern Sie sich noch, wie ungeniert ich damals mit Ihnen sprach? Wie konnten Sie es zulassen, daß so ein Grünschnabel in solchen Ausdrücken von seiner Mutter sprach? Sie aber, Sie ließen keine Silbe darüber fallen, sogar im Gegenteil, Sie gaben sich gleichfalls möglichst frei, und damit erlaubten Sie mir noch mehr Freiheiten.“

„Mein Freund, du weißt nicht, wie es mich freut, das von dir zu hören ... gerade diese Gefühle ... Ja, ich erinnere mich dieses Abends noch sehr genau: ich wartete damals in der Tat darauf, Schamröte in dein Gesicht steigen zu sehen; und wenn ich selbst auf deinen Ton einging, ja, dich noch herausforderte, so geschah das meinerseits vielleicht nur zu dem Zweck, um dich bis an die Grenze zu führen ...“

„Und haben mich dabei nur irregeführt und den reinen Quell in meiner Seele nur noch mehr getrübt! Ja, ich bin ein trauriger Halbwüchsling und weiß oft selbst nicht, was gut und was böse ist. Hätten Sie mir damals nur ein wenig, wenn auch nur andeutungsweise, den Weg gewiesen, so hätte ich mich schon zurechtgefunden und hätte den richtigen Weg betreten. Sie aber haben mich damals nur erbost.“

„Cher enfant, ich habe immer geahnt, daß wir zwei, ob nun so oder so, jedenfalls einmal zusammenkommen würden: diese ‚Schamröte‘ ist dir doch jetzt von selbst ins Gesicht gestiegen, ohne meine Anleitung, und das ist, glaube mir, für dich selbst besser ... Du hast, mein Lieber, in der letzten Zeit viel gewonnen ... sollte das wirklich auf deinen Verkehr mit diesem Fürstlein zurückzuführen sein?“

„Loben Sie mich nicht, das mag ich nicht. Erwecken Sie in meinem Herzen nicht den quälenden Verdacht, daß Sie mich aus Jesuitismus loben, zum Schaden der Wahrheit, nur um mir mehr zu gefallen. In der letzten Zeit aber ... sehen Sie ... ich habe viel mit Damen verkehrt. Ich bin zum Beispiel von Anna Andrejewna sehr freundlich aufgenommen worden, wissen Sie das schon?“

„Ich weiß es von ihr selbst, mein Freund. Ja, sie ist sehr nett und klug. Mais brisons là, mon cher.[44] Ich bin heute in einer ganz sonderbar widerwärtigen Stimmung – ist es nun Melancholie oder was? Es muß wohl von der Verdauung herrühren. Nun, was geschah denn noch zu Hause? Nichts weiter? Du hast dich dort natürlich versöhnt, und zum Schluß gab es Umarmungen. Cela va sans dire.[45] Manchmal macht es mich geradezu traurig, zu ihnen zurückzukehren, auch wenn das Spazierengehen einem noch so widerlich wird. In der Tat, ich mache im Regen oft noch einen überflüssigen Umweg, nur um die Rückkehr in dieses Heim nach Möglichkeit hinauszuschieben ... Die Langeweile, die Langeweile, o Gott!“

„Mama ...“

„Deine Mutter – ist das vollkommenste und herrlichste Wesen, mais[46] ... Mit einem Wort, ich bin ihrer wohl nicht wert. Übrigens, was ist ihnen heute eigentlich widerfahren? In den letzten Tagen sind sie alle ohne Ausnahme so ... Ich bemühe mich zwar, so etwas zu ignorieren, aber heute muß ihnen doch etwas begegnet sein ... Ist dir denn nichts aufgefallen?“

„Ich weiß von nichts, und ich hätte auch nichts bemerkt, wenn nicht diese verwünschte Tatjana Pawlowna dazwischengekommen wäre, die selbstverständlich immer wie ein Hackenbeißer einen anfallen muß! Sie haben recht: da muß irgend etwas geschehen sein. Vorhin traf ich Lisa bei Anna Andrejewna, und auch dort war sie schon so eigentümlich ... ich wunderte mich noch über sie. Sie wissen doch, daß Anna Andrejewna mit ihr verkehrt?“

„Ich weiß es, mein Freund. Aber ... wann warst du denn heute bei Anna Andrejewna, ich meine, um wieviel Uhr? Ich möchte das aus einem bestimmten Grunde wissen.“

„Von zwei bis drei. Und können Sie sich denken, als ich sie verließ, kam der Fürst zu ihr ...“

Und ich erzählte ihm meinen ganzen Besuch bis in alle Einzelheiten. Er hörte alles schweigend an; zu der Möglichkeit, daß der Fürst ihr vielleicht einen Heiratsantrag hatte machen wollen, äußerte er kein Wort, und zu meinem begeisterten Lob Anna Andrejewnas bemerkte er nur beiläufig, „ja, sie kann sehr liebenswürdig sein“.

„Ich habe sie heute auch sehr überrascht, indem ich ihr die letzte frischgebackene Neuigkeit aus der Gesellschaft mitteilte: daß Katerina Nikolajewna Achmakoff den Baron Bjoring heiraten wird,“ sagte ich auf einmal, als hätte sich irgend etwas plötzlich in mir losgerissen.

„Ja? Nun, dieselbe ‚Neuigkeit‘ hat sie mir heute schon am Morgen erzählt, vor zwölf, also schon viel früher, als du sie damit überraschen konntest.“

„Was sagen Sie?“ Verdutzt blieb ich stehen. „Aber woher hat sie denn das erfahren können? Übrigens, was fällt mir ein! Selbstverständlich hat sie das schon früher als ich erfahren können, aber denken Sie sich: sie hat doch meine Mitteilung wie eine überraschende Neuigkeit angehört ...! Übrigens ... übrigens, was verlange ich denn? Es lebe die Weitherzigkeit! Muß man nicht weitherzig alle Charaktere zulassen, ist’s nicht so? Ich, zum Beispiel, hätte sofort alles ausgeplaudert, sie aber hat es wie in eine Schnupftabaksdose eingeschlossen ... Aber wenn auch, wenn auch, nichtsdestoweniger ist sie ein herrliches Geschöpf und ein prachtvoller Charakter!“

„Oh, zweifellos, ein jeder nach seiner Art! Und was das Originellste ist: diese prachtvollen Charaktere verstehen einen mitunter auf eine ganz eigenartige Weise zu überraschen; stelle dir vor: Anna Andrejewna verblüffte mich heute auf einmal mit der Frage, ob ich Katerina Nikolajewna Achmakoff liebe oder nicht?“

„Was für eine verrückte, undenkbare Frage!“ rief ich, wieder ganz verdutzt. Im Moment flimmerte es sogar vor meinen Augen. Noch niemals hatte ich mit ihm von diesem Thema zu sprechen gewagt, und da begann er nun selbst ...

„Womit begründete sie denn ihre Frage?“

„Mit nichts, mein Freund; die Schnupftabaksdose schloß sich gleich darauf nur noch fester, und was das Auffallendste ist: sie hat mich das gefragt, obgleich ich niemals auch nur die Möglichkeit ähnlicher Gespräche zwischen ihr und mir zugelassen habe, und sie gleichfalls ... Übrigens, du sagst ja, daß du sie kennst, folglich kannst du dir denken, wie eine solche Frage zu ihr paßt ... oder weißt du vielleicht etwas zur Erklärung hierfür?“

„Ich bin ebenso überrascht wie Sie. Vielleicht war es Neugier von ihr oder nur ein Scherz?“

„Oh, im Gegenteil, es war die ernsteste Frage, und eigentlich nicht nur eine Frage, sondern einfach eine sehr kategorische Anfrage, und zwar eine aus einem ganz bestimmten Grunde und offenbar zu einem außergewöhnlichen Zweck. Wirst du nicht bald wieder bei ihr vorsprechen? Könntest du nicht Näheres erfahren? Ich würde dich sogar darum bitten; denn, sieh mal ...“

„Aber auch nur die Möglichkeit, erstens mal, nur die Möglichkeit, anzunehmen, daß Sie Katerina Nikolajewna lieben könnten! Verzeihen Sie, aber ich kann es noch immer nicht fassen. Niemals, niemals habe ich mir erlaubt, über dieses oder ein ähnliches Thema mit Ihnen zu sprechen ...“

„Und das war sehr vernünftig von dir, mein Lieber.“

„Ihre früheren Intrigen und Ihre Beziehungen – dieses Thema ist zwischen uns, versteht sich, kein passendes Gespräch, und es wäre taktlos von mir, davon überhaupt anzufangen; aber gerade in der letzten Zeit, in den letzten Tagen, habe ich mehrmals innerlich ausgerufen: Ach, wenn Sie diese Frau doch wenigstens irgend einmal geliebt hätten, wenigstens einen Augenblick! – Oh, dann hätten Sie sie niemals so falsch beurteilt, hätten nie einen solchen Fehler begehen können in Ihrem Urteil über sie! Wie es geendet hat, das weiß ich: ich weiß von Ihrer gegenseitigen Feindschaft und Ihrem gegenseitigen Abscheu, ich weiß, ich habe davon gehört, habe alles gehört, schon in Moskau habe ich davon gehört. Aber daraus geht doch als erstes nur zu klar und deutlich die Tatsache der gegenseitigen Abneigung, der erbitterten Feindschaft, also des Gegenteils der Liebe hervor, und da fragt nun Anna Andrejewna: ‚Lieben Sie sie?‘ Sollte sie denn wirklich so schlecht unterrichtet sein? Das ist doch nicht zu glauben! Sie hat nur gescherzt, ich versichere Sie, sie hat wirklich nur gescherzt!“

„Aber, mein Lieber, mich deucht,“ – in seiner Stimme klang plötzlich etwas Nervöses und Inniges, zum Herzen Dringendes, was bei ihm nur furchtbar selten vorkam – „mich deucht, du sprichst ja selbst etwas gar zu leidenschaftlich von dieser Sache. Du sagtest vorhin, daß du mit Damen verkehrst ... natürlich, so dich auszufragen, ist mir gewissermaßen ... gerade über dieses Thema, wie du sagtest ... Aber steht nicht auch ‚diese Frau‘ auf der Liste deiner neuen Bekannten?“

„Diese Frau ...“ meine Stimme zitterte plötzlich, „hören Sie, Andrei Petrowitsch, hören Sie: diese Frau ist das, was Sie heute beim Fürsten vom ‚lebendigen Leben‘ sagten, – erinnern Sie sich? Sie sagten, dieses lebendige Leben ist etwas so Ungekünsteltes und Einfaches, etwas, was so klar und offen einen ansieht, daß man gerade wegen dieser Klarheit und Offenheit nicht glauben kann, daß dieses wirklich dasselbe sei, was wir unser ganzes Leben lang mit solcher Sehnsucht suchen ... Nun, sehen Sie, und mit einem solchen Blick ist Ihnen eine Frau begegnet, das Ideal einer Frau, Sie aber haben in diesem Ideal, in dieser Vollkommenheit nur ‚alle Laster‘ zu sehen geglaubt! Da haben Sie’s!“

Der Leser kann daraus wohl ersehen, in welch einem Rausch ich mich befand.

„‚Alle Laster‘! Oho! Diesen Ausspruch kenne ich!“ rief Werssiloff. „Aber wenn es schon so weit gekommen ist, daß man dir diesen Ausspruch mitgeteilt hat, kann man dir dann nicht schon zu etwas gratulieren? Das verrät ja eine solche Intimität zwischen euch, daß man dich noch loben muß wegen deiner Anständigkeit und Verschwiegenheit, zu der nur selten ein junger Mann in solchem Falle fähig ist ...“

In seiner Stimme vibrierte ein liebes, freundschaftliches, zärtliches Lachen ... etwas Ermunterndes, Liebes lag in seinen Worten und auch in seinem hellen Gesicht, soviel ich in der Dunkelheit erkennen konnte. Er war erstaunlich belebt. Ich erstrahlte unwillkürlich.

„Anständigkeit, Verschwiegenheit! O nein, nein!“ rief ich errötend und drückte gleichzeitig krampfhaft seine Hand, die ich auf einmal, ich weiß nicht wie, erfaßt hatte und nicht mehr losließ. „Nein, unter keinen Umständen ...! Mit einem Wort, mir ist zu nichts zu gratulieren, und es kann da auch niemals, niemals etwas geschehen,“ sprach ich atemlos weiter und schwebte schon gleichsam in der Luft, und ich hatte solche Lust, zu fliegen, und es war mir so angenehm, daß ich flog. „Wissen Sie ... mag es denn einmal sein, nur ein einziges kleines Mal! Sehen Sie, mein liebster, herrlicher Papa, – Sie erlauben mir doch, Sie Papa zu nennen – sehen Sie, von seinen Beziehungen zu einer Frau darf man nicht nur nicht als Sohn mit dem Vater, sondern überhaupt mit keinem Dritten sprechen, selbst wenn diese Beziehungen noch so rein sind! Ja, je reiner sie sind, um so mehr muß man das Schweigen hüten! Anders wäre es ekelhaft, wäre roh, kurz, ein Dritter ist unmöglich! Aber wenn nichts, nichts geschehen ist, nicht das geringste, dann darf man doch sprechen, dann darf man doch?“

„Je nachdem, wie das eigene Herz entscheidet.“

„Warten Sie, zunächst eine unbescheidene, eine sehr unbescheidene Frage: Sie haben in Ihrem Leben doch auch Frauen gekannt, Sie haben doch Verhältnisse gehabt ...? Ich spreche nur im allgemeinen, im allgemeinen, ich meine keine Einzelfälle!“ rief ich errötend und rang nach Atem vor Begeisterung.

„Nun ja, man hat seine Sünden gehabt.“

„Also hören Sie, dann erklären Sie mir einen Fall, da Sie doch der Erfahrenere sind: plötzlich sagt Ihnen eine Dame, von der Sie sich gerade verabschieden, gleichsam beiläufig, und indem sie selbst zur Seite sieht: ‚Morgen werde ich um drei Uhr da und da sein ...‘ nun, sagen wir, bei Tatjana Pawlowna,“ platzte ich heraus, und nun riß es mich unwiderstehlich fort. Mein Herz klopfte gewaltig und drohte, nach jedem Schlage stehenzubleiben; ich mußte sogar im Sprechen innehalten vor Herzklopfen. Er aber war, das sah ich, ganz Ohr. „Und nun, am nächsten Tage, bin ich um drei Uhr bei Tatjana Pawlowna, gehe hinauf und denke so bei mir: wenn die Köchin mir aufmacht – Sie kennen doch ihre Köchin? –, so frage ich sie ganz einfach: ‚Ist Tatjana Pawlowna zu Hause?‘ Und wenn die Köchin mir dann sagt, daß Tatjana Pawlowna nicht zu Hause ist, aber eine Dame sitze da und warte auf sie, – was muß ich dann daraus schließen, sagen Sie mir das, wenn Sie ... Mit einem Wort, wenn Sie ...“

„Ganz einfach, daß man dich zu einem Rendezvous bestellt hat. Also dann war es doch das? Und das war heute? Ja?“

„O nein, nein, nein, gar nichts, gar nichts war heute! Es war, aber es war nicht das; wenn auch ein Rendezvous, so doch nicht zu dem Zweck, das schicke ich gleich voraus, um nicht ein Schuft zu sein, es war was, aber ...“

„Mein Freund, das fängt ja an so interessant zu werden, daß ich den Vorschlag machen möchte ...“

„Hab’ früher selber Unbemittelten gegeben, mal ’nen Fünfundzwanziger, mal ’nen Zehner für ’n Schnäpschen. Wie wär’s, wenn Sie nun auch mal mit ’n paar Kopeken ’nem armen Leutnant unter die Arme greifen wollten? – Bitt’ schön, bin mal Leutnant gewesen.“

Eine hohe Gestalt vertrat uns den Weg, und vielleicht war der Bittsteller wirklich ein verkommener ehemaliger Leutnant. Merkwürdigerweise war er aber für sein Gewerbe eigentlich sehr gut gekleidet, und doch hielt er die Hand hin, um ein Almosen zu empfangen.

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