20

Der älteste und weitaus beste Freund der Familie ist der Kommerzienrat Arnold, ein reicher Großkaufmann, alter Junggeselle und großer Feinschmecker, der rundlich, vergnügt und behäbig von seinen Renten lebt. Er liebt die Kinder sehr, doch Felix, den verschüchterten, geduckten Jungen hat er ins Herz geschlossen. Ihm zuliebe kann er sich sogar zu einem Widerspruch gegen den Vater aufraffen, in dem er sonst den Gewaltmenschen ein wenig fürchtet und zugleich den Arzt seines Vertrauens verehrt. — Alljährlich bringt er ein paar Sommerwochen in Weißwasser zu, dem Landhaus der Familie. Altväterisch kommt er im eigenen Wagen angefahren, mit großen, alten Lederkoffern, deren unergründliche Tiefen für jedes der Kinder, doch auch für die alten Dienstleute gediegene Geschenke bergen. Ein Herzleiden verbietet ihm weite Bergwanderungen, doch zwingt ihn Rücksicht auf sein Wohlbefinden mehrmals täglich zu kleinen Verdauungsspaziergängen, auf denen er sich gerne von einem oder zwei der Kinder begleiten läßt. Das entmenschte, lallende Kauderwelsch, das viele Erwachsene für die richtige Verkehrssprache mit Kindern halten, liegt ihm nicht. Er nimmt die Kinder richtig ernst, hört ihren Erzählungen aufmerksam zu und gibt gewichtigen Rat, wie ein böses Steckenpferd zu bändigen, oder eine schlechtschießende Holzpistole zu verbessern sein könnte. Gelegentlich läßt er sich auch in Spiele mit hineinziehen, doch immer nur in passiven Rollen, die keinerlei Bewegung erfordern. So läßt er sich gern als wilder Elefant mit größter Vorsicht beschleichen und lebendig fangen, während er in Wahrheit auf einem schattigen Aussichtsplätzchen seine Morgenzigarre raucht. Am liebsten aber schmiedet er Knittelverse, in denen die Ereignisse des Alltags festgehalten werden. Dabei tut Fritz mit größter Begeisterung mit. Er behält alles nach einmaligem Zuhören und trägt oft abends, nach Tisch, lange Dichtungen vor. Dann lachen alle, der Vater schmunzelt geschmeichelt, lobt ihn, schenkt ihm einen Groschen oder läßt ihn auch, was mehr gilt, einen Schluck Wein trinken. Abends ärgern ihn dann die Brüder im Schlafzimmer. Felix aus Eifersucht, weil er den Kommerzienrat als seinen persönlichen Schutzpatron betrachtet, und Max, weil ihm Verse ein Greuel sind. Und beide aus Neid, weil ihn der Vater vorübergehend wieder bevorzugt. Für kurze Tage ist er wieder das „Stutzerle“.

Share on Twitter Share on Facebook