Felix hat die Universität bezogen, mit einem schmalen Monatswechsel, doch mit einem überreichen Schatz an Ermahnungen, Vorschriften und Verboten ausgestattet. „Das nächtelange Herumsaufen verbiete ich unbedingt! Ich dulde es nicht! Du ißt deine bescheidene Mahlzeit, und darfst meinetwegen abends einen Schoppen Bier dazu trinken — mehr keinesfalls — und gehst dann sofort in dein Quartier! Verstanden?“ So der Vater. Felix hatte demütig zugestimmt. — Doch kurz vor der Abreise, als Fritz ihm neidisch beim Einpacken zuschaute, hatte er sich doch zu einer lästerlichen Bemerkung hinreißen lassen: „Verbieten ... Ich dulde es nicht ... ich befehle! — Ein Schoppen Bier, lächerlich! — Ich werd ihn schon nicht um Erlaubnis fragen! Ich bin jetzt Student!“ Dann hatte er, erschrocken über die eigene Kühnheit, abgebrochen und in Fritzens Gesicht zu lesen versucht, ob der wohl das übereilte Vertrauen mißbrauchen würde. Doch Fritz dachte nicht an Verrat. Er begrüßte die Auflehnung und fand eine fast schmerzhafte Freude darin, die unnütz übertriebenen Verbote zu verlachen. Dann war der Herr Rat mit Felix nach Wien gefahren. Die Tafelrunde zu Hause war nun klein: Der Vater saß mit dem Rücken zum Fenster, zu seiner Rechten Gretl, links die Mutter, Fritz, im vollen Licht, ihm gegenüber. Bei den Mahlzeiten regnete es Erziehungsmaßnahmen: „Wie hältst du den Löffel, zum Donnerwetter! So ißt kein anständiger Mensch! — Da, schau dir die Gretl an, wie die geschickt und sauber ißt!“ — Fritz hat den Kopf tief über den Teller gebeugt und schielt giftig nach Gretl hinüber: sie macht es genau so wie er, aber er wird geschimpft, und sie gelobt. Wilder Haß steigt in ihm auf. Er wartet, bis der Vater wegsieht, rutscht vorsichtig auf seinem Sessel vor und schickt der Schwester quer übers Eck einen wütenden Fußtritt hinüber. Fein getroffen, ins Schienbein! Das tut sicher verdammt weh! Der Vater hat nichts gemerkt, wohl aber die Mutter. Sie beginnt ein entsetztes Augenspiel. Gretl ist zusammengezuckt, ihr Gesicht verzieht sich krampfhaft, sie möchte weinen, unterdrückt es aber mit aller Gewalt. Nur zwei Tränen kugeln ihr langsam über das gute, runde Gesichtel. Der Vater merkt nichts. Der Aufbau von Karaffen und Kelchgläsern zu seiner Rechten engt das Gesichtsfeld ein, und Gretl hält sich hinter dem Bollwerk versteckt. — Fritz weiß genau, wenn sie jetzt laut weint, oder wenn der Vater ihr stummes Weinen merkt, dann gibt es furchtbare Prügel. Im Jähzorn überlegt der Vater nie, wohin er schlägt, und wie stark. Todesangst sitzt in dem Jungen, lähmende Angst, und doch auch wonnig kitzelnd. Aber der Vater merkt nichts. Und Gretl petzt nicht. Sie hat das Weinen unterdrückt und wirft, aus nassen Augen, dem Bruder nur kurz einen vorwurfsvollen Klageblick zu.
Nachmittag beim Spaziergang erzählt er ihr stundenlang vom „Krieg“ — wie er, allein, in die von künstlichem Feuer umgürtete Burg des tschechischen Hauptmanns eingedrungen sei, ihn bekämpft Und überwunden habe. — Die Siegfriedsage. —