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Eine stille Seitenstraße mit alten Adelshäusern. Eines darunter, in edler Renaissance. Sie durchschreiten den holzgedielten Torweg; im Zierhof macht Guido halt, weist auf die ruhige Innenfront, die klafternden Seitenflügel: „Das war unser Haus, das Stammhaus meiner Mutter, sie ist eine geborene Contessa Bramati. Jetzt ... aber komm weiter!“ Durch ein hohes Gitter, an dessen künstlichen Zieraten Nebeltropfen hängen, treten sie in den Park, gehen lange, glatte Kieswege, an Rasenflächen und gepflegtem Buschwerk hin. Da und dort glänzt feuchter Marmor auf — eine Schulter, ein schlankes Bein. Dann ein Weiher, von Quadern umrahmt. Auf dem dunklen Wasser treibt Fallaub. Endlich, hinter dichten Baumgruppen verborgen, in ein Eck der Umfassungsmauer hineingebaut, ein ebenerdiger Pavillon mit hochgeschweiftem Dach. Wieder bleibt Guido stehn: „Das ist das alte Gärtnerhaus — meine Mutter hat, aus Gnade, das lebenslängliche Wohnrecht darin behalten. Das ist alles, was ihr geblieben ist!“

In dem kleinen Wohnzimmer steht nüchterener Hausrat neben kostbaren Möbeln, deren reife Pracht für weite Prunksäle erdacht und gefertigt scheint. Im Licht der grünverhängten Lampe blitzen vergoldete Bronzebeschläge auf, Einlagen aus Elfenbein und Perlmutter, doch auch ein Küchenschrank drängt seine grobe Ungestalt vor. — Strandgut! —

Aus dem Lehnstuhl in der tiefen Fensternische klingt eine müde Stimme. „Bist du da, Guido?“ — „Ja, Mama, und ich bringe dir Besuch mit, einen Freund ...“

Fritz sieht ein bleiches, hoheitsvolles Gesicht vor sich, über schmuckloser, schwarzer Seide. Ein grauer Scheitel neigt sich ihm grüßend entgegen. Doch die schmale Hand, die ihm hingestreckt wird, hat rissige, harte Haut, von schwerer Arbeit. Ein unruhig fragender Blick auf den Sohn — da sagt Guido schnell: „Wir haben in der Stadt gegessen, und gehen dann gleich noch in den Klub. — Wir wollten dir nur guten Abend sagen ...“

Kurze Fragen, deren hergebrachte Gleichgültigkeit geadelt wird durch die klingende Stimme und das Spiel der klaren Augen in dem edlen Gesicht. Dann beugt sich Guido in zärtlichem Abschied über die Mutter. Fritz küßt die kleine Hand, und seine Lippen zucken in plötzlicher Rührung, als sie die Schicksalsnarben berühren.

Draußen sagt Guido: „Meine Mutter war berühmt wegen ihrer schönen Hände. — Hast du sie jetzt gesehen? Sie kocht und wäscht, tut gröbste Arbeit, wie eine Magd! — Noch kann ich ihr keine Dienerin halten — aber warte nur!“ Und sein Gesicht erstarrt in wütender Entschlossenheit.

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