Lautes Murmeln durchlief die Versammlung der Eingeborenen, zu denen sich auch jetzt der auf Bali wohnende Europäer eingefunden hatte, um Zeuge der Verhandlung zu sein.
„Dort kommt der Fremde mit der weißen Frau – arme Kassiar – wie viel lange Jahre wird sie in dem Käfig sitzen müssen, des bunten Lappens wegen – und wie bleich sie aussieht und geknickt! – Wie rachsüchtig die Fremden sind und wie habgierig – arme Kassiar!“
Zwischen den Eingeborenen lehnte ein junger Mann an einer der hölzernen Stützen des Hauses. Er ging in die Tracht der Bergbewohner gekleidet, mit dem Radotan im Gürtel, und sein Blasrohr mit der Lanzenspitze im Arm. Aber er sprach mit Niemand; kein Laut kam über seine Lippen, kein Ton des Mitleidens mit dem Opfer, oder des Hasses gegen die Kläger. Es war Glentek, und als Kassiars Blick ihn dort erspäht, wo er stand, hatte ihr Auge den Boden gesucht und sich noch nicht wieder von dort gehoben.
Jetzt traten die Fremden in den Saal. Der Holländer war ihnen entgegen gegangen, die Dame zu dem für sie bestimmten Sitz zu führen. Der Gusti nickte ihnen freundlich zu, und als das Geräusch verstummt war, das ihr Betreten des Raumes verursacht hatte, erhob sich der Gusti von seinem Sitz, überflog mit flüchtigem, aber strengem Blick die Versammlung, und begann dann mit seiner lauten, klangvollen Stimme die Anrede.
„Männer von Bali! wir sind versammelt, die Anklage einer weißen Frau zu hören gegen eine unseres Stammes, die des Diebstahls bezüchtigt wird. Ihr wißt, wie streng unsere Gesetze sind, wie sie den Diebstahl beim Mann mit dem Tode, bei der Frau mit schwerem Kerker strafen, und ihr werdet Zeugen sein, daß den Fremden Gerechtigkeit werde in unserm Lande.“
Nach dieser Einleitung forderte er den der Bali-Sprache vollkommen mächtigen Europäer, der sich erboten hatte, für die Dame zu dollmetschen, auf, seine Klage vorzubringen und hier, öffentlich vor Gericht, zu bestätigen, daß das Tuch der Europäerin und von Bord des Schiffes entwendet sei. Sie habe dabei anzugeben, ob es dort offen gelegen, oder aus einem verschlossenen Raum genommen wurde, was die Strafe für das Vergehen noch verschärfen würde.
Die Klage lautete jetzt, von dem Dollmetscher in balinesischer Sprache vorgetragen, auf allerdings erschwerende Umstände, da das Tuch von Bord, und zwar aus einem verschlossenen Kasten gestohlen sei. Hiergegen trat aber der Capitain selber auf, indem er erklärte, er habe mehrere jener Stücke Zeug vor einiger Zeit aus seinem Kasten genommen und draußen liegen lassen. Das Tuch könne darunter gewesen sein.
Kassiar wurde jetzt gefragt, wie sie zu dem Tuch gekommen sei, ob sie es wirklich heimlich von Bord genommen, oder irgend etwas vorzubringen habe, was zu ihrer Entschuldigung in der Sache reden könne. Zitternd stand das Mädchen von ihrem Sitze auf. Mehrere Minuten gebrauchte sie, sich so weit zu sammeln, daß sie den Blick zu ihrer Klägerin erheben konnte. Neben dieser stand der Capitain, und ihr Auge schweifte kurze Zeit von Van Soeken zu dessen Gattin und zurück, bis es sich endlich auf den Seemann heftete. Dieser aber konnte dem Blick, so viel Mühe er sich auch gab, nicht begegnen. Langsam erhob sich dabei ihr Arm, bis er auf den Kläger deutete, und eine Weile stand sie so, einer wunderschönen Statue gleich, kein Glied des Körpers regend, nicht mit den Wimpern zuckend, dem Manne gegenüber. Auch die Frau des Capitains war aufgesprungen, der nächste Moment sollte vielleicht schon ihren längst gefaßten Verdacht bestätigen, und ihr Auge flog wild, in fast peinlicher Spannung, von den Lippen des Mädchens zu den unverkennbar bleichen Zügen des Gatten.
„Ihr wollt wissen, woher das Tuch in meine Hand gekommen?“ sagte da endlich Kassiar mit leiser, wunderbar ruhiger Stimme, ohne ihre Stellung auch nur mit dem Zucken einer Muskel zu verändern, – „und jene Frau dort klagt Kassiar des Diebstahls an – so hört denn – ich habe jenes Tuch –“
Dicht hinter dem Holländer hob sich in diesem Augenblick die schlanke Gestalt Glenteks still und ruhig empor, und auch sein Blick hing in athemloser Spannung an den Lippen der Angeschuldigten. Da traf ihn Kassiars Auge, und plötzlich in sich zusammenbrechend, ihr Antlitz in den Händen bergend, rief sie mit markdurchschneidender Stimme aus:
„Gestohlen!“ und sank bewußtlos auf den Boden nieder.
„Armes Kind – arme Kassiar!“ klang es von den Lippen der Eingeborenen, und einige der Frauen drängten sich durch die Wachen, die Ohnmächtige zu unterstützen und ins Leben zurückzurufen.
„Das Geständniß genügt,“ sagte da der Gusti ernst, der sich ebenfalls von seinem Sitze erhoben hatte, indem er das neben ihm hängende Tuch von dem Stabe herunter nahm und einem seiner Diener übergab, damit er es der Europäerin, als ihr Eigenthum, zurückbringe. – „Das unglückliche, junge Mädchen mag indeß der Sorgfalt der Frauen überlassen bleiben, bis es sich erholt hat, dann aber der Obhut der Gefängnißwärter übergeben werden. In dem Krankeng büße sie fünf Jahre lang.“
„Halt!“ rief da eine ernste, klangvolle Stimme in den Tumult von Tönen hinein, der diesem Urtheilsspruch folgte, „halt, hört erst mich. – Das Mädchen ist unschuldig!“
Wunderbar war die Wirkung, die diese wenigen Worte auf die Versammelten ausübten, und selbst die Ohnmächtige schienen sie ins Leben zurückgerufen zu haben. Zu gleicher Zeit sprang Glentek, der junge Krieger aus den Bergen, die Ballustrade, die ihn von dem innern Raume trennte, mit einem Satz überspringend, in diesen hinein und ging mit leichtem Schritt dem Gusti zu, vor dem er, auf seine kurze Lanze gestützt und das Haupt vor ihm beugend, ehrerbietig, doch fest entschlossen stehen blieb.
„Wer bist du?“ fragte dieser freundlich den ihm fremden Krieger, indem sein Auge mit Wohlgefallen auf den schlanken, kräftigen Gliedern, wie den offenen Zügen des Jünglings hafteten. „Was weißt du von der Schuld des Mädchens hier, das ihr Vergehen schon offen eingestanden?“
„Ich selber bin der Dieb,“ sagte der Eingeborene, und wenn auch seine Lippen bei der Lüge zitterten und seine Wangen sich entfärbten, begegnete er fest und unerschüttert dabei dem Blick des erstaunt zu ihm niederschauenden Richters.
„Du wärst der Dieb?“ sagte da der alte Gusti nach langer, peinlicher Pause, indeß er sorgfältiger als vorher noch die edle Gestalt des jungen Eingebornen gemustert hatte und ernst und zweifelnd dabei mit dem Kopfe schüttelte; „wer bist du und woher stammst du?“
„Ich heiße Glentek und meines Vaters Haus liegt in dem Hochland von Benoi.“
„Bist du mit dem Rajah Glentek dort verwandt?“ rief rasch und erschreckt der Gusti.
„Er ist mein Vater,“ erwiderte mit kaum hörbarer Stimme der junge Balinese.
„Unglücklicher!“ rief der Gusti da, die Hand abwehrend vor sich ausstreckend, „wozu bekennst du dich? Und weißt du, welche Strafe dir bevorstände?“
„Der Tod!“ sagte Glentek ruhig und unerschüttert – „ich weiß es, Gusti; aber ein Glentek kann nicht dulden, daß ein Weib seinetwegen unschuldig leide.“
Ein wildes Gemurmel durchlief wieder die Schaar der Eingeborenen, und der Holländer war zu seinen Freunden hinüber getreten, diesen die Wendung mitzutheilen, welche die Sache zu nehmen schien.
„Wie kann der Bursche dort der Dieb sein?“ rief da Mevrouw Van Soeken rasch und zürnend, „ich habe ihn noch nie an Bord gesehen. Er hat, so viel ich weiß, das Schiff in seinem Leben nicht betreten.“
„Das ist eine Liebesgeschichte,“ sagte der Holländer kopfschüttelnd, „ich glaube selbst nicht, daß der junge Bursche mit der ganzen Geschichte etwas zu thun gehabt, und will dem Gusti wenigstens meine Meinung darüber sagen.“
„Du siehst nun, liebes Kind,“ flüsterte der Capitain, dem sich bei dieser Wendung eine große Last von der Seele wälzte, der Gattin zu, „daß dein Verdacht vollkommen grundlos war. Der Bursche dort ist sehr wahrscheinlich der Bräutigam, vielleicht der Mann der Dirne, der jetzt bekennt, das Tuch entwandt zu haben, um der Geliebten ein seiner Meinung nach kostbares Geschenk damit zu machen.“
„Wir wollen sehen, wir wollen sehen!“ murmelte Madame in fast fieberhafter Aufregung. „Aber – sie können ihn doch nicht deshalb ermorden?“
„Der Balinesen Strafe auf Diebstahl ist der Tod,“ sagte der Capitain gleichgültig. „Ich glaube nicht, daß sie mit ihm eine Ausnahme machen werden. Doch will ich sehen, was sich bei dem Gusti für ihn thun läßt. Lieber Gott, wenn wir jetzt nur nicht Wind und Strömung damit versäumten!“
Der Gusti hörte aufmerksam an, was ihm der Weiße als Aussage der Klägerin mittheilte, und wandte sich dann langsam und ernst an den Jüngling.
„Hast du das Schiff dort draußen je betreten, Glentek?“ fragte er ihn, und sein Auge haftete dabei fest und prüfend auf den Zügen des jungen Mannes.
„Könnt' ich das Tuch sonst entwendet haben?“ entgegnete dieser finster.
„Zu welcher Zeit war das?“
„Bei Nacht.“
„Bei Nacht, und die Wachen entdeckten dich nicht?“
„Die stumpfsinnigen Europäer sind nicht so schlau, daß sie ein Balinese nicht betrügen könnte,“ rief aber der Krieger zornig, „Glenteks Fuß berührt den Boden, wie des Nachtvogels Flügel die Luft. Nicht der Tiger hört ihn, wenn er im Teing Dickicht ihn beschleicht, nicht der scheue Hirsch im Alang Alang.“
„Glentek!“ rief da Kassiars Stimme mit herzzerreißendem Ton ihn an. „O glaubt ihm nicht, meinetwegen will er dem ehrlosen Tode trotzen. So edel jeder Tropfen Blutes in ihm, er lügt, wenn er sich meinetwegen schuldig nennt.“
„Hörst du das Mädchen?“ sagte der Gusti auf die Jungfrau zeigend, die sich in angstvoller Hast jetzt vom Boden hob und, die Haare aus der Stirn streichend, auf den Jüngling zustürzte, vor ihm zu Boden sank, seine Knie umfaßte und bittend ausrief:
„O Glentek, Glentek, kannst du deiner Kassiar verzeihen?“
Starr und regungslos blieb der Krieger stehen, und nur ein eigener Ausdruck von Schmerz und Liebe durchzuckte seine Züge. Doch auch diese Schwäche, wenn es je etwas derartiges gewesen, schwand im Augenblick. Eisern wie vorher blieb das Antlitz der edlen, dunklen Gestalt, und er sagte finster:
„Hat das Wort einer Dirne hier Gewicht gegen die Aussage Glenteks von Benoi? – Ihr seid Männer, und euch gegenüber erkläre ich, daß ich jenes Tuch vom Bord des Schiffes heimlich entwendet habe. Wie und weshalb, darauf weigere ich die Antwort. Jetzt thut mit mir nach dem Gesetz.“
„Darnach bleibt nichts mehr zu erfüllen als der Richterspruch,“ sprach feierlich und ernst der Gusti. „Glentek von Benoi, bereite dich zum Tode, denn du hast keine Viertelstunde mehr zu leben.“
„Ich bin bereit,“ erwiderte ruhig und mit fester Stimme der junge Balinese.
„Halt – das geht nicht – das kann nicht sein!“ rief aber hier der Capitain, der ebenfalls hinzugetreten war, und genug vom Balinesischen verstand, den Sinn des eben hier Verhandelten zu begreifen.
„Weiß der Europäer etwas, das die Schuld von den Händen des Verurtheilten nimmt?“ sagte der Gusti rasch.
„Nein, das nicht,“ versetzte halb scheu und doch auch wieder entschlossen der Capitain; „aber – giebt es nichts in euren Gesetzen, das im Stande ist, den Urtheilsspruch zu mildern? – Kann das Verbrechen nicht durch irgend eine Buße – durch Geld vielleicht – gesühnt werden? Ich mag die Küste hier nicht verlassen und das Blut eines ihrer Kinder, die mich alle so freundlich hier empfangen haben, mit hinaus nehmen auf das blaue Wasser.“ –
Aus der Schaar der Eingeborenen war indessen auf des Gusti Wink ein Einzelner, der sich sonst in nichts von den Übrigen unterschied, heraus und vor den Verurtheilten getreten. Hier zog er langsam sein Messer, den balinesischen Radotan, aus dem Gürtel und wartete der weiteren Befehle seines Oberen.
„Unsere Gesetze,“ sagte der Gusti ernst, „verlangen für solchen Diebstahl den Tod des Missethäters. Aber das Verbrechen ist an einem Fremden verübt, und wenn er selbst auf Milderung besteht, giebt es einen Ausweg.“
„Gott sei Dank!“ rief der Capitain, als er die Worte vernahm. „Nennt mir die Summe. Ich will lieber einen großen Verlust leiden, als Blut – dies Blut auf meiner Seele wissen.“
„Die Summe ist nicht so groß,“ erwiderte der Gusti, „und ebenfalls durch unsere Gesetze vorgeschrieben. Wenn der Fremde zwei Säcke Kupfer (der Sack etwa dreißig Gulden) zahlt und sich verbindlich macht, den Verurtheilten, der von da an sein Sklave ist, mit fortzuführen und nie wieder an diese Küste zurück zu bringen, von der er verbannt ist für immerdar, so ist sein Leben gerettet.“
„Verbannt – ich von Bali, von meinem Vaterland?“ rief da Glentek, wild emporfahrend und die Waffe, die er in seinen Händen trug, fester fassend – „nie, nie im Leben! Ihr mögt mich tödten – ich habe den Tod verdient und mag nicht länger leben, aber verbannen könnt und dürft ihr mich nicht. Ein Sklavenleben für Glentek, fern von der Heimath, fern von meiner Palmen Wehen? – Nie – nie und nimmer!“
„Ich zahle die zwei Säcke Kupfer!“ rief aber rasch der Capitain. – „Gebt mir einen eurer Leute mit an Bord, Gusti, der mag sie zurückbringen, und mein Freund dort bürgt euch indessen dafür. – Laßt den Verklagten hier und seiner Wege gehen. Er hat Strafe genug durch die Angst ausgestanden.“
„Sein Urtheilsspruch ist gefällt,“ entgegnete finster der Gusti. „Ließen wir um geringe Geldstrafe den Diebstahl frei, ihr Weißen selber wäret die Ersten, die Klage auf Klage häuften und uns am Ende zwängen, unsere Gesetze zu ändern. Aber nicht allein das Verbrechen,“ setzte er mit einem ernsten Blick auf den jungen Mann hinzu, „nein auch der Wille der Menschen mag seine Geltung finden. Er, dessen Adern noch junges, rasches Blut durchströmt, wollte den Tod, und seines Vaters wegen freut es mich, daß ich die Strafe in Verbannung mildern darf. Wer sich aber einmal eines solchen Verbrechens selbst geziehen, kann nicht in unserer Gemeinschaft lebend bleiben. Er hat sich selbst gerichtet.“
„Gusti!“ rief der Gefangene, sich stolz, ja selbst drohend gegen den Richter wendend.
Der alte Mann aber, ohne die Bewegung weiter zu beachten, schüttelte nur langsam mit dem Kopf und sagte wieder finster:
„Sendet das Geld an Land und nehmt dafür den Gefangenen hier mit in See. Vielleicht macht ihr noch einmal einen tüchtigen Matrosen aus ihm. – Kein Wort weiter,“ setzte er rasch und fast ängstlich hinzu, als sich der Verurtheilte noch einmal an ihn wenden wollte; – „ich habe den Urtheilsspruch gefällt; an meinen Leuten hier liegt es jetzt, ihn ausgeführt zu sehen.“
Und mit den Worten verließ er rasch das Haus.
Gegen den Spruch des Gusti gab es keine Appellation. Wenn aber ein Wesen in dem weiten dichtgedrängten Raum in steigendem Interesse, in erwachender Hoffnung und endlich in jubelnder Lust der Wendung gefolgt war, die das Todesurtheil nahm, so war das Kassiar, die Angeklagte. Nur so lange des Gusti Gegenwart ihr Herz mit Scheu und Angst erfüllte, wagte sie nicht zu sprechen, wagte sie nicht, ihren Gefühlen Worte zu geben. Jetzt aber, als er den Rücken gewandt und in der zusammendrängenden Masse der Übrigen verschwunden war, hob sie sich vom Boden auf, flog auf Glentek zu und bedeckte seine Hände und Knie mit Küssen. Aber Glenteks Geist war weit von da, in seinen Bergen, die er von nun an nie wieder betreten sollte. – Sein Auge blickte stier in die Leere und krampfhaft hielt indeß die Rechte das treue Rohr, die Linke seinen Radotan gefaßt.
„Glentek, Glentek,“ bat da Kassiar, noch immer zu seinen Füßen hingeschmiegt, – „o sage, daß du mir nicht zürnst, sage, daß du mich nicht hassest und ich dir folgen darf, wohin dein Schritt sich wendet – weit über das Meer, an ferne, wüste Küsten, in nebelbedeckte Länder, in öde Steppen, wohin es ist, wenn nur dein Blick mir dort wieder freundlich lächelt, wenn nur dein Liebeslaut wie früher zu meinem Herzen dringt.“
Glentek hörte sie nicht. – Still und regungslos stand er da und vor seinen Augen wehten die Farnpalmen seiner Berge, vor seinen Ohren rauschten die wilden plätschernden Quellen und tönte der schrille Ruf des wilden Huhns, der gellende Schrei des Tigers.
Da berührte eine Hand leicht seine Schulter, und als ob ihn ein elektrischer Schlag getroffen hätte, zuckte er empor und sah wild um sich her.
„Es wird Zeit, Glentek,“ sagte da die freundliche Stimme des Holländers, der gut genug mit den Sitten der Eingeborenen bekannt war, um zu wissen, daß den Meisten Verbannung viel fürchterlicher ist als der Tod, und der Mitleid mit dem jungen Burschen fühlte. – „Der Capitain will segeln, und du weißt, daß dir die Gesetze deines eigenen Landes nicht gestatten, länger – lebendig – auf diesem Boden zu weilen.“
„Es ist gut,“ entgegnete Glentek, der sich rasch sammelte und jetzt wohl fühlte, daß er sich dem Unvermeidlichen auch wie ein Mann fügen müsse. „Es ist gut – ich bin bereit.“
„Und darf ich mit dir gehen, mein Glentek – darf ich dir folgen, wohin dein Fuß sich wendet?“ bat das Mädchen, noch immer an seine Knie geschmiegt.
Der junge Bursche schüttelte langsam mit dem Kopf.
„Fahre wohl, Kassiar,“ sagte er ernst aber ohne Bitterkeit im Ton, indem er leise mit seiner Hand ihr Haupt berührte. „Unsere Wege trennen sich hier. Ich träumte einst von einem Glück an deiner Seite – das ist vorbei.“
„Glentek!“ klagte in herzzerreißendem Tone das arme Kind.
„Lebewohl!“ sprach der Jüngling und schob leise die Hand, die sein Gewand noch immer fest gefaßt hielt, zurück. Kassiar gehorchte der Bewegung und ließ ihn los, während sie flehend die Arme zu ihm ausstreckte, aber er wandte sich langsam von ihr ab und schritt, dem Winken des Europäers folgend, ohne auch nur noch einmal den Blick zurückzuwerfen, dem Strande zu.