Du, Seele, willst ins Vaterhaus,
Im Traume schwingst du dich zur Höhe:
Kein Traum nimmt dir dein tiefes Wehe,
Dein Heimweh aus der Brust heraus.
Der Traum vergeht, dir bleibt die Qual,
Die Liebesqual, ihn zu erflehen
Und dennoch fern ihm zu vergehen,
Weil sich verhüllt sein heller Strahl.
Und doch vergehst du nicht zum Tod,
Allein zum freudigen Erheben,
Denn nicht zum eitlen Wahn, – zum Streben
Sandt’ in die Welt dich sein Gebot.
Du gingst und brachst im Lebensgang
Der Weisheit Siegel auf und Quellen,
Und tief hinab in ihre Wellen
Dein durstig heißes Auge sank.
Und sank hinab und sog sich ein
Die Weisheit, die du dir erkoren,
Und der du hundertmal geschworen:
– „Ich laß dich nicht! Ich bleibe dein!“
All meine Gebeine sprechen:
Herr, wer ist wie du?
Mein Leib und Leben
Das stammt von dir,
Durch dich sich regen
Die Glieder mir;
Mit Herzensgaben,
Mit Lied und Sang
Sie zu dir dringen
Und opfernd bringen
Sie meinen Dank.
Es kam die Seele
Aus deiner Hand,
Der Wimper Leuchten
Aus deinem Land;
Aus deinem Rätsel
Mein Sinnen quoll,
Vor mir als Zeichen
Stehst ohne Gleichen
Du wundervoll.
Wenn meine Liebe
Dich ruft im Schmerz,
Dich findet sicher
Mein tiefstes Herz.
Doch jedes Sinnen
An dir sich bricht:
Der Brust Gedanken,
Der Träume Schwanken
Ermißt dich nicht.
Für uns bereitet
Ein Banner steht,
Dem, der dich sucht
Ein Wimpel weht.
Du bist den Treuen
Nimmer versteckt,
Nur, ach, die Sünde
Mit dunkler Binde
Das Auge deckt.
Was ich erdichtet,
Hast du erschaut
Vom Tage, da du
Meine Säulen erbaut;
Du bist’s, der mir
Das Herz bezwingt:
Dunkelstes Achten,
Geheimstes Trachten
Nicht zu dir dringt.
Um sein Antlitz alle Frommen flehen,
Alle wollen seine Gnade sehen,
Seiner Liebe jungen Regenguß;
Ist er selbst auch in den fernsten Weiten,
Steht uns seine Liebe doch zur Seiten,
Seiner großen Werke Ueberfluß.
All sein Licht zu sehn, sind alle trunken;
Aber finden sie den kleinsten Funken,
Zittert schon ihr armes Herze ganz.
Müssen seinem Reiche sich ergeben,
Seinen Namen müssen sie erheben,
Und in diesem Namen selig leben, –
Selig preisen seinen Glanz.
Gottes Hand wird dich beschatten,
Wird dir Decke sein und Hülle,
Wenn in Redlichkeit und Stille
Du dich birgst in seinem Schatten.
Nimmer wird dein Fuß ermatten,
Deine Hand bleibt stark hinieden:
Suche, Seele, nur den Frieden,
Frieden wird er dir erstatten.
Zu dir steht all mein Sehnen,
Wenn auch die Lippe schweigt:
Nur einmal möcht’ ich werben
Um deine Gunst und sterben,
Wenn sie sich mir geneigt.
Nimm meinen Geist zu Händen:
Ich schliefe fröhlich ein!
Ach, ohne dich mein Leben
Ist Tod, doch du kannst geben:
Mein Tod wird Leben sein!
Nur weiß ich nicht zu beten,
Wie ich wohl beten soll:
Lehr’ mich, wie man dich findet!
Wenn mich die Torheit bindet,
Erlös’ mich gnadenvoll!
Lehr’ mich, das Haupt zu beugen,
Solang mein Herz es faßt:
Verwirf mich nicht auf Erden,
Damit ich nicht muß werden
Mir selber eine Last!
Damit der Tag nicht komme,
Wo alles auf mich drückt,
Und gegen alles Trutzen
Mein Herz sich ohne Nutzen
Nun bücken muß und bückt!
Daß mein Gebein dann welkte
Und trüg’ mich nimmer fort,
Und ich dann wandern müßte
Zu einer andern Küste,
Zu meiner Väter Ort. –
Ein armer Wandrer wall’ ich
Hin übers Erdenrund.
Bin fremd auf allen Steigen,
Mein ganzes Erb’ und Eigen
Liegt drunten in dem Grund.
Bis jetzt sorgt meine Jugend
Noch für ihr Erdenteil:
Wann endlich kommt der Morgen,
Da meine Seele sorgen
Wird für ihr Seelenheil?
Die irdische Beschwerde,
Die Gott ins Herz mir gab,
Mich so in Ketten brachte,
Daß nie ans Ende dachte
Mein Herz und übers Grab.
Wie kann sein Knecht ich heißen,
Ich, aller Lüste Knecht?
Wie kann ich höher streben?
Schon morgen muß ich leben
Mit Bruder Wurms Geschlecht.
Kann ich denn Festtags lachen?
Weiß ich, was morgen ist?
Der Tag, die Nacht, die Stunde
Verfolgen mich wie Hunde
Und fällen mich mit List.
Mein Geist verweht im Winde,
Mein Leib fällt in den Sand:
Ich muß es schweigend tragen,
Die Triebe selber jagen
Mich ja ins Totenland! –
Was bleibt mir noch im Leben
Als deine Gunst allein?
Willst du mein Teil nicht bleiben,
Was soll ich hier noch treiben?
Wo wird mein Teil dann sein?
Ich hab’ nicht gute Werke,
Ganz nackt und bloß ich bin:
Nur dein gerechter Willen
Kann wie ein Mantel hüllen
Den makelvollen Sinn.
Was soll ich noch erbitten
Von dir, mein einz’ger Hort? –
Was soll ich noch erwähnen?
Zu dir steht all mein Sehnen:
Das ist mein letztes Wort.
Hin nach meines Lebens Quelle
Immer mich mein Sehnen trage,
Bis mich an des Grabes Schwelle
Niederlegen meine Tage.
Möcht’ die Seele weise werden!
Heut noch hascht sie nach dem Winde:
Und ist doch mein All auf Erden,
Priesterteil und Angebinde.
Möcht’ mein Herz sich wach erweisen,
Fröhlich auf das Ende sehen:
Jener Tag mag Schlummer heißen,
Doch er ist ein Auferstehen;
Jener Tag nach meinen Toden,
Wo er richtet meine Fehle,
Wo er meinen Geist und Odem
Zieht in seine ew’ge Seele.
Wenn du allein des Herren harrst,
Was ängsten dich die Zeiten?
Lebt er in deiner heißen Brust,
All irdisch Leid, all irdisch Lust,
Was kann es dir bedeuten? ...
Doch nein, du liegst im dunklen Grab
Und willst es nicht erkennen,
Du liegst in deiner Sinne Nacht
Und kannst – kein Licht im finstern Schacht –
Nicht Gut und Böse trennen.
Es kommt der Tod: So wähle doch
Des wahren Weges Breite!
Ach, Seele, geh doch geradezu,
Was irrst und läufst und taumelst du
Zur recht’ und linken Seite?
Die Wahrheit wähle! Tu es, tu’s!
Denk, wie die Zeiten lügen!
Laß dich nicht irren dort und hie,
Betrüge sie, betrüge sie,
Bevor sie dich betrügen.
Ach, gute Seele, siehe zu,
Ein Künft’ges zu erwerben:
Gib alles hin mit leichtem Mut,
Gib hin den Erben all dein Gut,
Und werde selbst zum Erben!
Halt, o Herz! Wer darf sich wagen
In des Herzenwägers Haus?
Hüte dich, den Blick zu tragen
In sein dunkles Reich hinaus.
Wagtest du das frevle Abenteuer,
Griffe dich ein flammenwildes Feuer.
Lasse ab, dir zu erzwingen
Seiner Rätsel dunkle Welt,
Denn du hast kein Recht, zu dringen
In die Tiefe, die ihn hält:
Fort mit dir aus seinen ew’gen Hallen,
Denn du darfst nicht unter Engeln wallen!
Ihm befiehl du deine Wege,
Daß er dir zur Seite bleibt,
Ihm vertraue deine Stege,
Wenn es dich ins Irre treibt!
Mag dich Lust betören, Leid berühren:
Er wird dich im rechten Gleise führen.
Walle nicht die ird’schen Ziele,
Gottes Zielen walle zu!
Fürsten sind auf Erden viele,
Doch nur einem diene du!
Alle andern sind nur Knechtesknechte,
Ihre Launen bleiben ihre Mächte.
Einer nur, ein Ruhmesreicher,
Nimmt dich an die ew’ge Brust,
Trägt dich, ach, in wunderweicher
Vaterhand zur höchsten Lust:
Lerne eitlem Freundesrat entsagen,
Lasse dich in seinem Lichte tragen!
Er sei: deiner ersten Ernte
Erste Frucht, dein höchstes Fest!
Wenn die letzte sich entfernte,
Dann sei er der letzte Rest:
Deine Reue werde zum Altare,
Werde deiner Sinne Flammenbahre!
Jedem ist er ein Berater,
Der in seiner Nähe wacht,
Aber dem auch bleibt er Vater,
Der die letzte Reise macht.
Frage nicht und lass dich nicht verführen,
Lausche still an seinen letzten Türen!
Was er spricht, muß sich erfüllen,
Sei’s zum Leben oder Tod,
So wie einst auf seinen Willen
Kam das erste Morgenrot:
Und er sprach: – und alle Schatten scheuchten!
Und er sah: – es war ein herrlich Leuchten!
Knechte der Zeit: – Knechte der Knechte!
Aber der Freie, der einzig rechte,
– Auch ein Knecht – dienet dem Herrn.
Wähle sich jeder sein Teil!
Mein Teil aber und Heil
– Spricht mein Herz – bleibet der Herr.
Tag und Nacht will ich den Herren loben!
Seiner Gnade Antlitz ließ er leuchten,
Fenster brach er aus an Himmelswänden,
Sonnen gab er, die uns Strahlen spenden,
Strahlen, die die Finsternisse scheuchten.
Doch er gab mir mehr: Von seinem Glanze
Gab er mir, ich hab es froh genommen;
Durfte seines Geistes Regen spüren,
Ließ mich gern auf lichten Wegen führen,
Wegen, die vom Sinaï gekommen.
So war sein Gesetz in meinem Munde,
Daß mich Honig seine Worte deuchten;
Und in seiner Lehre lichten Flammen
Jauchzte ich die ganze Welt zusammen: –
– Brüder, seht, wie meine Augen leuchten!
Jugend ist wie leichte Flocken,
Bald verweht vom ersten Wind;
Sieh auf deine schwarzen Locken!
Hast du es noch nicht vernommen?
Weiße Boten angekommen:
Und du schläfst, mein Weltenkind?
Vöglein schüttelt sich am Morgen
Von dem nächt’gen Silbertau;
Also schüttle ird’sche Sorgen,
Liebe Seele, dir vom Flügel,
Steige über Strom und Hügel
Lerchengleich ins Himmelblau.
Freiheit wirst du droben finden
Von dem Brausestrom der Tage:
Liebe Seele, darum jage
Hinter Gottes Spuren dicht,
Und im stillen Kreis von allen
Seelen, die zum Herren wallen,
Walle hin zum ew’gen Licht.
Mein Gott, ich will dich ehren
Und dein gerechtes Tun:
Nur einmal braucht’ ich hören
Und glaube alles nun.
Nicht fragen und erproben
Will dich dein Erdensohn:
Du großer Bildner droben,
Darf meistern dich der Ton?
Ich hab’ dich manche Stunden
Gesucht an manchem Ort,
Ich habe dich gefunden
Als Burg und Felsenhort.
Du, der in klarem Feuer
Dies Erdentum erhellt
Und unverhüllt vom Schleier
Durchstrahlt die schöne Welt.
Sieh, alle Himmel preisen
Dein Licht und deine Pracht,
Da sie in ihren Kreisen
Sich beugen deiner Macht;
Die Engel, die da schweben
Durch Feuer und durch Flut,
Sie jauchzen und erheben
Zu dir die heil’ge Glut.
Zu dir, der alles führet,
All diese Welten trägt,
Und keinen Arm doch rühret
Und keine Hand bewegt!
Du, dessen Wunderwalten
Die Höh’ und Tiefe hält
Und heiliger Gestalten
Geheimnisvolle Welt.
Wer kündet uns das Weben,
Das alle Wolken treibt?
Das tiefverhüllte Leben,
Das ewig droben bleibt?
Und doch will er sich neigen
Dem Kinde dieser Welt
Und läßt sein Leuchten steigen
Hinab aufs Erdenzelt.
Und läßt vor Seheraugen
Sein ganzes Bild erstehn;
Sonst mochte nie ihm taugen,
Daß Menschen ihn ersehn.
Was nie sich wollt’ gestalten,
Sein Bildnis oder Maß, –
In königlichem Walten
Prophetenauge sah’s.
Die ungezählten Werke,
Wer zählt sie alle vor?
Heil dem, der seine Stärke
Zu gründen sich erkor!
Heil dem, der all sein Hoffen
Auf ihn allein gelegt,
Ihn, der die Welt so offen
In seinen Armen trägt!
Heil, wer mit heil’gem Bangen
Ihn fürchtet und bekennt
Und dankbar im Empfangen
Sein Recht auch Recht benennt!
Wirkt er für seines Knechtes
Glück und Gedeihen doch:
Es kommt ein Tag des Rechtes
Dem großen Gotte noch!
O zittre du und denke
Und lerne wachsam sein:
In dein Geheimnis senke
Dein ganzes Sinnen ein!
Woher bist du gekommen?
Wo ist dein Grund gelegt!
Wer hat dich einst genommen?
Wer hegt dich und bewegt? –
Schau hin auf Gott und sende
Die wache Seele aus,
Doch strecke deine Hände
Du nimmer nach ihm aus!
Du kannst doch nimmer finden
Sein Ende und Beginn,
Und nie wirst du ergründen
Den rätselhaften Sinn.
Bevor du mich geschaffen,
Hast du mich schon gekannt,
Ich weiß, du wirst mich halten,
Solang dein Geist wird walten
In meiner Seele Land.
Kann gehn ich, wenn dein Winken
Mich an die Stelle zwängt?
Kann ich denn bleiben stille,
Wenn mich dein heil’ger Wille
Mit Mächten vorwärts drängt?
Was kann ich denn noch sagen?
Mein Denken ist bei dir:
Was ist denn all mein Wandeln,
Was ist mein Tun und Handeln,
Bist du nicht über mir?
Ich kann dich ja nur suchen;
Und du: – Zur Gnadenzeit
Erhöre mich in Milde,
Und mach zu einem Schilde
Mir deine Huld bereit!
Erwecke mich am Morgen
Und mache mich recht wach,
Daß ich in frohen Weisen
Hinwalle, hochzupreisen
Dich unter deinem Dach!
Ruhig, ruhig, liebe Seele!
Wende dich zu Gottes Throne:
Ird’sche Throne lasse liegen;
Bist du erst emporgestiegen,
Stiegest du zu ew’gem Lohne.
Seele, gib dem Herrn die Ehre,
Beuge dich ihm froh und gern:
Droben unter Göttersöhnen
Singe mit in Jubeltönen
Deinem hochgelobten Herrn!