II. Israel

Wahrheit, ich liebe dich aus ganzer Kraft

Und tief aus meines Herzens Leidenschaft.

Dich liebt mein jubelnd aufgetaner Mund,

Dich meiner Brust geheimnisvollster Grund.

Du bist mit mir, wie kann ich einsam sein?

Du leitest mich, wie wandle ich allein?

Du bist mein Licht, wie könnte ich verblinken?

Und du mein Stab, wie könnt’ ich niedersinken?

Sie haben mich geschmäht, doch keiner wußte,

Daß Schmach um dich mir Ehre werden mußte.

Quell meines Lebens du, mein Leben lang

Gilt dir mein Preis, mein Lied, mein Sang!

Sonn’ und Mond im Wechsel der Geschlechter,

Tag und Nacht als ewge Wächter,

So steht ewig Jakobs Same;

Gottes Linke mag sie lassen,

Gottes Rechte wird sie fassen:

Ewges Volk, das ist und bleibt ihr Name.

Ach, was fürchten sie und zagen

In den schlimm und schlimmern Tagen,

Daß ihr Herz am Zweifel bricht: –

Glaubt an euer ewiges Bestehen,

Allsolang nicht Tag und Nacht vergehen,

Allsolang vergeht ihr selber nicht!

Sei stark und harre deiner Zeit!

Was drängst du so, noch ist sie weit,

Was soll das wilde Bangen?

O bebe nicht und sei ein Held!

Und singe, siehst du doch mein Zelt

Bei deinen Zelten prangen!

Und wenn sie spotten, du sei still!

Und wenn du hörest ihr Gebrüll,

Laß es dich nicht bewegen:

Führ’ deine Herde sanft dahin,

Ich bin dein Gott, es ist mein Sinn,

Das Joch dir aufzulegen.

Ich bin es auch, der dich erhört,

Und der den Balsam dir beschert,

Da deine Wunden brennen.

Auch dank ich dir, wie du mich liebst,

Daß du mir all dein Sehnen gibst,

Erlöser mich zu nennen.

Doch eile nicht und dränge nicht,

Da du den Arm im Strafgericht

Mir siehst gewaltig werden.

Und dem, der ird’sche Herren preist,

Dem sage, was du selber weißt:

Gott ist mein Herr auf Erden!

Seit du das Heim der Liebe bist,

Kehrt meine Liebe bei dir ein,

Und meiner Feinde Drang und List

Soll deinetwegen süß mir sein:

Sie mögen mich nur schrecken!

Sie lernten deinen Grimm von dir,

Sie jagten den, den du verjagt: –

Soll ich sie hassen denn dafür,

Der selbst sich nicht zu lieben wagt,

Da du ihn nicht mehr liebest?

Bis einst verwunden alle Qual,

Vorüber aller Stürme Macht,

Und du dem Volke deiner Wahl,

Das du erlöst aus mancher Nacht,

Erlösung wieder sendest.

Entfessle deine rechte Hand

Und sende sie hinab ins Land,

Daß sie dein Volk erfasse!

Ist sie zu kurz? Beherrscht denn dich

Das Schicksal ebenso wie mich

Und alle auf der Gasse?

Die Sonne braust in ew’gem Kreis,

Es steht der Mond auf dein Geheiß.

Dein Wort ist ihre Klammer.

Dein Wort nur ihre Ketten bricht,

Und all ihr Gold- und Silberlicht

Es ruht in deiner Kammer.

Da stehen sie in deinem Schein,

Die Sterne all, und harren dein,

Das sie dein Wille richte!

Und fühlen tief und fühlen ganz:

Von deinem Glanze ist ihr Glanz,

Ihr Licht von deinem Lichte.

In deinem Lichte schläft aller Glanz:

Dein Volk auf finstern Wegen reist,

Und ihrem Sehnen, lang gehegt,

Der Frevel in die Ferse beißt.

Doch still: Darüber leuchtet rein

Wie Sonnenglanz im Morgenschein

Das schönste Licht.

O Vater, um ihr wildes Haupt

Schling’ einen Schleier silberklar,

Und statt des armen Bettelkleids

Reich ihnen einen Purpur dar.

Gieß aus dein Licht zum zweitenmal

Wie einst am ersten Tag den Strahl:

Es werde Licht!

Hoch dein Panier den Wankenden!

Dein Engel schreite nun voran

Und lege den Erlösten bloß

Zum Siegeszug die freie Bahn!

O segne sie der Gnaden voll,

Doch in Verdammnis sinken soll

Des Lichtes Feind!

So wie ein Knecht nach Schatten lechzt,

Lechzt Israel: Erlös’ es nun!

Und ruf’ ihm zu: Wie lange noch

Willst du im düstern Hause ruhn?

Sag’ an, wie lang? Sag’ an, wie weit?

Auf, leuchte! Denn es kommt die Zeit:

Dein Leuchten kommt!

In deinem Haus zu ruhen,

Gibt es wohl süßre Rast

Dem Volk, in dessen Reihen

Du deine Ruhe hast?

Du, der auf Weltenhöhen

So unermeßlich thront

Und doch im Herz des Armen

Und des Gebeugten wohnt:

Dich faßt nicht Himmelshöhe,

Die dich zu fassen wähnt,

Und wenn sie bis zum Horeb

Die ewgen Kreise dehnt.

Dein Weg, der ist so nahe

Und doch so fernehin:

Und alles, was du bildest,

Hat seinen Zweck und Sinn.

Selbst meiner Seele Trachten,

Das sendet mir mein Hort,

Und wenn die Lippe redet,

So ist’s ein Gotteswort.

Fauler, wirst du nicht erröten?

Schläfst bis in den Tag hinein?

Hörst du nicht aus tiefsten Nöten

Fremde Völker zu ihm schrein?

Schon mit ganzem Herzen dienen

Ihm, die nie ihn noch gekannt:

Und die ihm die Liebsten schienen,

Die verstecken sich im Land?

Auf, schon tagt es fern im Osten,

Auf, du Schläfer, aus der Ruh!

Fremde stehen auf dem Posten,

Und da träumest du? –

Es blieben die Wunder, die herrlichen, fort,

Gott Elijahus, wo ist dein Ort?

Wir hörten dein Wort, wir schrieen empor,

Schon tausend Jahre ist taub dein Ohr: –

Gott Elijahus, wo bist du?

Schloß Elijahu des Himmels Trauf’,

Riß Elijahu den Himmel auf:

Wasser und Feuer fiel von den Höh’n,

Karmel und Kison haben’s gesehn:

Gott Elijahus, wo bist du?

Sprach Elijahu zum Krügelein,

Setzte er quellenden Segen darein;

Ließ er den Toten vom Bette stehn:

Wer hat es gehört? Wer hat es gesehn? –

Gott Elijahus, wo bist du?

Spritzt’ Elijahu in feindliche Reih’n

Flammendes Feuer und Funken hinein,

Sechs Wochen fastet’ er Tag und Nacht, –

Dann haben die Raben ihm Brot gebracht: –

Gott Elijahus, wo bist du?

Fuhr Elijahu im Sturme auf,

Feurig raste der Räder Lauf:

„Vater, Vater!“ Elisa schrie,

Elijahu war fort, man sah ihn nie: –

Gott Elijahus, wo bist du?

Elisa blieb und ging fürbaß,

Er ging durch den Jordan und wurde nicht naß.

Die Männer sahen’s und staunten da:

Elisa wie Elijahu geschah. –

Gott Elijahus, wo bist du?

Elijahu ist fort, doch – – wir sind da,

Dulden und leiden ferne und nah;

Versprochene Zeichen neben uns stehn: –

Wann werden wir deine Wunder sehn?

Gott Elijahus, wo bist du?

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